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News zur SPD

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„Keine wählbare Partei mehr“: Scholz-Kritiker tritt aus Protest aus der SPD aus

Der frühere Bundestagsabgeordnete und Kritiker von Olaf Scholz, Florian Post, verlässt die SPD. In einem Schreiben an den Münchner SPD-Unterbezirk, das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, erklärt der 41-Jährige seinen Austritt und rechnet mit seiner Partei ab.

Florian Post äußerte schon öfter Kritik an Olaf Scholz.

Florian Post äußerte schon öfter Kritik an Olaf Scholz.© AFP

Die SPD sei „für Menschen mit gewöhnlichen Alltagssorgen keine wählbare Partei mehr“, schreibt Post in dem Brief, über den am Donnerstag zuerst der „Spiegel“ berichtete. Es gebe eine zunehmende Entfremdung zwischen „der heutigen Funktionärsschicht einerseits und der Mehrheit der Mitglieder, den noch verbliebenen Stammwählern und den massenhaft abgesprungenen Ex-Wählern“.

Post äußerte bereits früher Kritik an Scholz

Post saß von 2013 bis 2021 im Bundestag und fiel dort unter anderem durch scharfe Kritik am heutigen Kanzler Scholz und der früheren Partei- und Fraktionschefin Andrea Nahles auf. Bei der Bundestagswahl 2021 bekam Post in Bayern keinen aussichtsreichen Listenplatz mehr und verlor sein Mandat.

In seinem Austrittsschreiben beklagt Post nun, die SPD in München setze sich nicht mehr für Handwerker, Gewerbetreibende und Gastronomen ein, sondern versuche, „kleinsten Minderheiten nachzueifern“. Er spottet über die Idee, Gender-Beauftragte in Kitas zu etablieren, wirft SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert Opportunismus vor und kritisiert SPD-Steuerpläne als „linke Ideologie“.

Die SPD München bedauerte den Austritt. Post habe sich nach seiner Niederlage bei der Aufstellung der Bundestagskandidaten nicht mehr an innerparteilichen Debatten beteiligt und sich von der Linie der Bundes- wie der Münchner SPD abgegrenzt, erklärte der Vorsitzende Christian Köning. Seine Kritik sei nicht nachvollziehbar.

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Malu Dreyer wegen SMS in Katastrophennacht unter Druck
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Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer: In der Flutnacht stand sie im Austausch mit Innenminister Roger Lewentz. (Quelle: IMAGO/RAINER UNKEL)

Schon zwei Minister sind in Verbindung mit der Flutkatastrophe zurückgetreten. Nun fordert die Opposition auch Konsequenzen für die Ministerpräsidentin.

180 Tote, unzählige Verletzte, Hunderte Häuser wurden zerstört: Die Ermittlungen zur Flutkatastrophe im Ahrtal laufen auch ein Jahr später noch. Nach dem Rücktritt von Innenminister Roger Lewentz (SPD), steigt nun auch der Druck auf Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD). Zwölf SMS-Nachrichten zwischen den beiden aus der Flutnacht sind mittlerweile bekannt.

Die CDU fordert politische Konsequenzen für Dreyer, sieht sie als Regierungschefin in der Verantwortung für das "Komplettversagen". "Es kam nie ein Wort des ehrlichen Bedauerns. Frau Dreyer soll sich endlich entschuldigen", sagte der CDU-Fraktionschef in Rheinland-Pfalz Christian Baldauf laut "Bild"-Zeitung.

"Ist ja wirklich schlimm"

Am 14. Juli 2021 um 21.42 Uhr schrieb Dreyer an ihren Innenminister: "Ich höre, dass der Höchststand Hochwasser erst Morgen Mittag erreicht ist? Ist ja wirklich schlimm." Dann fragte sie, ob die inzwischen zurückgetretene Ministerin Anne Spiegel (Grüne) informiert sei, diese sei "echt ein bisschen nervös".

Lewentz antwortete, Spiegel habe "ein eigenes Lagesystem". Das schien Dreyer zu reichen. Sie verabschiedete sich mit den Worten: "Ok. Schönen Abend."

Doch parallel zu diesem Austausch startete bereits der Polizeihubschrauber "Sperber 2" zum Aufklärungsflug. Pilot Ingo Braun wird später im Untersuchungsausschuss von der "schlimmsten Lage", die er je erlebt hat, sprechen.

"Olaf hat sich gemeldet"

Wenig später, um 0.58 Uhr, versucht Lewentz Dreyer darüber zu informieren. "Liebe Malu, die Lage eskaliert. (...) Es kann Tote geben/gegeben haben", schreibt er und berichtet von in ihren Häusern eingesperrten Menschen, die verzweifelt Lichtzeichen gegeben hätten. Das schlechte Wetter störe unterdessen auch die Kommunikationskanäle.

Die Antwort kommt erst um 5.33 Uhr. "Lieber Roger, ich bin wieder erreichbar", schrieb Dreyer. Zu diesem Zeitpunkt waren bereits 134 Menschen gestorben.

Im Laufe des Vormittags schrieb Dreyer: "Olaf hat sich gemeldet. Er fragt, was Sinn macht. Ob er irgendwo hinkommen kann und soll?" Gemeint ist Parteifreund Olaf Scholz (SPD), damals mitten im Bundestagswahlkampf.
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SPD fordert die 25-Stunden-Woche für alle bei vollem Lohnausgleich– so realistisch ist der überraschende Beschluss der Partei

Juso-Chefin Jessica Rosenthal setzte in der SPD die Forderung nach einer 25-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich durch.

Juso-Chefin Jessica Rosenthal setzte in der SPD die Forderung nach einer 25-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich durch.© Picture Alliance
Juso-Chefin Jessica Rosenthal setzte in der SPD die Forderung nach einer 25-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich durch.

Die SPD hat ein neues Ziel: Die 25-Stunden-Arbeitswoche für alle, mit vollem Lohnausgleich und vollem Personalausgleich. Beschlossen hat die Partei dies am Wochenende bei ihrem Debattenkonvent, dem neuen offiziellen Gremium der SPD zwischen den Parteitagen.

Die Führung samt Arbeitsminister Hubertus Heil war gegen den Antrag. Doch am Ende des Konvents landete Juso-Chefin Jessica Rosenthal einen Coup. "Während ihre Leute noch in der Tagungshalle waren, hatten sich etliche andere Delegierte schon auf den Heimweg begeben. Juso-Vorsitzende Jessica Rosenthal nutzte die Gunst der Stunde und brachte schließlich ihren Antrag durch", so beschrieb es Reporter Mike Szymanski in der Süddeutschen Zeitung.

In der SPD gilt nun also dieser Beschluss:

"Um eine Arbeitswelt zu schaffen, die Beschäftigten Lebensqualität und Selbstbestimmung einräumt, setzen wir uns für eine wöchentliche Arbeitszeit von mittelfristig 25 Stunden ein. Damit Beschäftigte keine Gehaltseinbußen erfahren, braucht es einen vollen Lohnausgleich. Gleichzeitig darf es nicht zu einer Verdichtung und Intensivierung der Arbeit sowie zu erhöhtem Leistungsdruck führen. Die Reduzierung der Arbeitszeit geschieht daher bei vollem Personalausgleich".

"Meine Erwartung ist, dass die SPD den Beschluss jetzt auch vertritt", sagte Rosenthal der SZ. Wie das gehen soll, skizzierte sie so: "Wenn die Technisierung in der Arbeitswelt weiter voranschreitet, wir die Einwanderungspolitik progressiv gestalten, ist die 25-Stunden-Woche eine echte Option, auch weil alle dann gesünder bleiben."

Der SPD-Beschluss geht über die Forderung der Linken hinaus. Die Linke setzt sich für eine 30-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich ein.

Kürzer arbeiten für das gleiche Geld. Wirtschaftlich kann diese Gleichung dann aufgehen, wenn die Produktivität der Arbeit im gleichen Maße steigt, wie die Arbeitszeit sinkt. Dann reicht die höhere Produktivität für den "vollen Lohnausgleich". Wenn es zusätzlich noch einen "vollen Personalausgleich" geben soll, müssten dann aber mehr Produkte hergestellt und verkauft werden können.

Für das SPD-Ziel müssten also drei Bedingungen erfüllt werden: Die Produktivität müsste in ausreichendem Maße steigen, es müssten ausreichend Arbeitskräfte zur Verfügung stehen und die Wirtschaft muss insgesamt kräftig wachsen. Kann die Rechnung aufgehen?

Produktivität, Arbeitszeit und Arbeitseinkommen

Aktuell arbeiten Vollzeitbeschäftigte in Deutschland im Durchschnitt 41 Stunden in der Woche. Das sagen Zahlen des Statistischen Bundesamtes von 2019. Eine Verkürzung der Arbeitszeit von 41 auf 25 Stunden pro Woche, entspricht einer Reduzierung um 40 Prozent. Die Produktivität jeder Arbeitsstunde müsste also entsprechend steigen, um die gleiche Wertschöpfung zu erzielen. Rechnerisch wäre dazu eine Steigerung der Produktivität um 60 Prozent nötig.

Ist dieser Sprung der Produktivität von der "Technisierung der Arbeit", zum Beispiel der Digitalisierung und Automatisierung zu erwarten? In der Tat wächst in Deutschland die Arbeitsproduktivität - also das Bruttoinlandsprodukt je Arbeitsstunde – recht stetig. Doch das Tempo nimmt eher ab als zu.

Anfang der 1990er Jahre stieg die Arbeitsproduktivität jährlich um mehr als zwei Prozent. Ein Grund war der Aufholprozess in den neuen Bundesländern nach dem Ende der DDR mit ihrer geringen Produktivität. Dann verlangsamte sich das Wachstum der Produktivität. In den vergangenen Jahren stieg die Produktivität nach Zahlen der Bundesregierung nur noch um rund 0,6 Prozent im Jahr.

Es würde also lange dauern, bis die Produktivität ausreichend zugenommen hätte, um eine 25-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich zu ermöglichen. Im SPD-Beschluss heißt es daher auch "mittelfristig". Andererseits steht in der Überschrift: "Arbeitszeitverkürzung jetzt!"

Die Verkürzung der Arbeitszeit könnte auch schrittweise erfolgen, je nach Fortschritt der Produktivität. Bei einem Wachstum der Produktivität von 0,6 Prozent pro Jahr könnte die Arbeitszeit anfänglich in jedem Jahr um eine Viertelstunde sinken oder alle vier Jahre um eine Stunde. Die Verkürzung der Arbeitszeit von 41 auf 25 Stunden würde dann mehr als 80 Jahre dauern, also circa drei Generationen.

Angenommen, die Produktivität würde durch Technologiesprünge um zwei Prozent im Jahr steigen. Dann könnte die wöchentliche Arbeitszeit anfänglich bereits um knapp 50 Minuten im Jahr sinken. Dann würde es bis zur 25-Stunden-Woche immer noch mindestens 20 Jahre dauern.

In dieser Zeit könnte es aber keine realen Gehaltserhöhungen geben. Denn der Produktivitätsgewinn kann nur einmal verteilt werden: entweder für kürzere Arbeitszeiten oder für mehr Lohn und Gehalt. Es darf vermutet werden, dass sich zumindest nicht alle Beschäftigten für mehr Freizeit statt mehr Gehalt entscheiden würden.

Arbeitszeit in einer alternden Gesellschaft

Neben dem vollen Lohnausgleich will die SPD auch vollen Personalausgleich durchsetzen, damit die Arbeit nicht verdichtet wird. Wenn die Produktivität aber so stark steigt, dass die kürzere Arbeitszeit damit ausgeglichen werden kann, würden weiterhin die gleichen Güter und Dienstleistungen produziert. Wenn zusätzlich mehr Personal eingestellt werden soll, müssten Produktion und Absatz gesteigert werden.

Hinter dem Gedanken einen vollen Lohn- und Personalausgleichs kann auch der Wunsch nach einer Umverteilung stehen. Die Beschäftigten sollen für das gleiche Geld kürzer arbeiten, aber nicht intensiver. Dadurch würden mit hoher Wahrscheinlichkeit die Stückkosten steigen, die Gewinne der Unternehmen sinken. Steigende Stückkosten würden gleichzeitig die Wettbewerbsfähigkeit verschlechtern.

Es bliebe eine weitere Herausforderung: Woher kommen die zusätzlichen Arbeitskräfte für den vollen Personalausgleich? Bereits jetzt fehlen in Deutschland viele Arbeitskräfte. Weit über eine Million Stellen sind unbesetzt. Diese Arbeitskräftelücke wird - unabhängig von konjunkturellen Schwankungen - schnell größer. Denn in jedem der kommenden Jahre verlassen mit den geburtenstarken Jahrgängen deutlich mehr Menschen das Berufsleben als Jüngere neu in den Beruf starten.

Arbeitsmarktforscher sind einig, dass schon diese Lücke selbst dann nicht geschlossen werden kann, wenn alle Potenziale bei der Eingliederung von Arbeitslosen, der Aus- und Weiterbildung sowie einer höheren Erwerbsbeteiligung von Frauen gehoben würden. Selbst dann brauche es noch eine Zuwanderung von 400.000 bis 500.000 Menschen aus dem Ausland in den deutschen Arbeitsmarkt - jährlich.

Würde in Deutschland die ohnehin schrumpfende Erwerbsbevölkerung zusätzlich noch ihre Arbeitszeit um 40 Prozent verringern, stiege der Bedarf an Zuwanderung in den Arbeitsmarkt nochmals deutlich an.

Mit der alternden Bevölkerung ist zudem absehbar, dass die Kosten für Altersruhegeld, Gesundheitsversorgung und Pflege steigen. Auch sie müssen von den aktuell am Wirtschaftsleben beteiligten Menschen aufgebracht werden, entweder aus Produktivitätsgewinnen oder aus Einkommen.

Der Wunsch nach kürzerer Arbeit und der Bedarf an längerer Arbeit

Wohlstandsgewinne aus einer steigenden Produktivität der Arbeit können nur einmal verwendet werden. Im Moment spricht vieles dafür, dass sie in Deutschland dafür benötigt werden, um den Wohlstand bei einer schrumpfenden und alternden Gesellschaft überhaupt halten zu können.

Arbeitsmarktforscher halten es eher für erforderlich, länger zu arbeiten, sei es durch eine längere Wochenarbeitszeit oder Lebensarbeitszeit. Zumindest sollte dies allen ermöglicht werden, die mehr oder länger arbeiten möchten und dazu in der Lage sind. Je weniger stark die Arbeitszeit stiegt, umso stärker müsste die Zuwanderung in den Arbeitsmarkt zunehmen, um den Wohlstand in Deutschland zu halten.

Länger statt kürzer arbeiten? Hier lauert ein weiterer Haken des Beschlusses der SPD auf Antrag der Jusos. Er geht unterschwellig davon aus, dass Erwerbsarbeit schlecht und nur die übrige Zeit gut ist. Sein Titel lautet: "Mehr Zeit für das was zählt: Arbeitszeitverkürzung jetzt!" Dies legt nahe, dass Arbeit nicht zählt. Im Antrag heißt es, die Arbeitszeit müsse verkürzt werden, "um eine Arbeitswelt zu schaffen, die Beschäftigten Lebensqualität und Selbstbestimmung einräumt." Dies legt nahe, dass Erwerbsarbeit keine Lebensqualität oder Selbstbestimmung ermögliche. Dies wäre ein Traditionsbruch für die SPD als der Partei der Arbeiterinnen und Arbeiter. Die Jusos stellen ihrer Partei wieder einmal die Systemfrage. Rosenthal sagte es so: "Es geht darum, die Selbstausbeutung in diesem System zu beenden".

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SPD-Spitze will Modernisierung: „Starke Infrastruktur für Deutschland“

Die SPD-Spitze will sich bei ihrer Klausurtagung zum Jahresauftakt für eine Infrastruktur-Offensive in Deutschland einsetzen. Auch Zukunftsthemen sollen aktiv angegangen werden.

ARCHIV - 05.11.2022, Berlin: Lars Klingbeil (l-r), SPD-Bundesvorsitzender, Saskia Esken, SPD-Bundesvorsitzende, Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Kevin Kühnert, Generalsekretär der SPD, stehen am Ende des ersten Tages vom SPD-Debattenkonvent zusammen auf der Bühne. (zu dpa «SPD setzt sich für «Comeback der Infrastrukturpolitik» ein») Foto: Christophe Gateau/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

ARCHIV - 05.11.2022, Berlin: Lars Klingbeil (l-r), SPD-Bundesvorsitzender, Saskia Esken, SPD-Bundesvorsitzende, Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Kevin Kühnert, Generalsekretär der SPD, stehen am Ende des ersten Tages vom SPD-Debattenkonvent zusammen auf der Bühne. (zu dpa «SPD setzt sich für «Comeback der Infrastrukturpolitik» ein») Foto: Christophe Gateau/dpa +++ dpa-Bildfunk +++© Foto: dpa/Christophe Gateau

Die SPD-Spitze will sich bei ihrer Klausurtagung zum Jahresauftakt für eine Infrastruktur-Offensive in Deutschland stark machen. Bei den Beratungen mit Bundeskanzler Olaf Scholz am Sonntag und Montag will der Parteivorstand eine Resolution mit dem Titel „Starke Infrastruktur für Deutschland“ beschließen, in der für eine stärkere Förderung von Zukunftstechnologien, bessere Planungssicherheit für Investitionen und mehr staatliche Beteiligung an Energie- oder Kommunikationsnetzen geworben wird.

Neben der Bewältigung der aktuellen Krisen müssten auch die Zukunftsthemen aktiv angegangen werden, heißt es in der sechsseitigen Beschlussvorlage der Parteispitze, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. „Dafür braucht es ein Comeback der Infrastrukturpolitik für das 21. Jahrhundert.“

Als Infrastruktur werden in dem Papier nicht nur Schienen, Straßen oder Energieleitungen definiert, sondern auch das Bildungssystem von der Kita bis zur Universität, die öffentliche Verwaltung oder die Gesundheitsvorsorge. Konkret wird eine bessere Förderung von Zukunftstechnologien gefordert, etwa durch den verstärkten Aufbau von Produktionsstätten für Halbleiter oder Batterien.

Um Investitionen in Infrastruktur zu vereinfachen müsse das europäische Beihilferecht reformiert werden. Ein europäischer Industriestrompreis solle zur Angleichung der Wettbewerbsbedingungen in Europa beitragen. Außerdem müssten Planungs- und Genehmigungsverfahren beschleunigt und entbürokratisiert werden, heißt es in der Beschlussvorlage.

„Wer in Deutschland nachhaltige Infrastruktur ausbauen oder Zukunftsinvestitionen tätigen will, soll darauf nicht jahrelang warten müssen.“ Der Staat müsse mehr Verantwortung für die Netzinfrastruktur übernehmen. „Die Energie der Zukunft braucht Netze der Zukunft: Daher muss der Staat den Rahmen für den Aufbau von Pipelines, Speicherkapazitäten und Kraftwerken setzen, die Gesamt-Koordinierung sicherstellen und wo nötig finanzielle Anreize schaffen“, heißt es in dem Papier.

Für Schienen und Straßen müsse das Ziel gelten, dass Deutschland über „die modernste und zugleich nachhaltigste Verkehrsinfrastruktur Europas“ verfügt. Die Klausur des SPD-Vorstands findet ab diesen Sonntag in der Berliner Parteizentrale statt. Neben der Infrastruktur-Offensive gehören die Vorbereitungen der vier Landtagswahlen in diesem Jahr, der Europawahl 2024 und die Kommunikation der Parteiarbeit nach außen. (dpa)

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Chaos nach Berliner Wahlniederlage: In der SPD wird offen die Ablösung von Franziska Giffey diskutiert

In Teilen der Partei gilt die Landeschefin als Schuldige für das Wahldebakel. Bei der Vorstandssitzung dürfte es harte Debatten geben. Viel wird von Co-Chef Raed Saleh abhängen.

Chaos nach Berliner Wahlniederlage: In der SPD wird offen die Ablösung von Franziska Giffey diskutiert

Chaos nach Berliner Wahlniederlage: In der SPD wird offen die Ablösung von Franziska Giffey diskutiert© Foto: REUTERS/MICHELE TANTUSSI

Die Stimmung in der Berliner SPD ist mies. Ein führender Sozialdemokrat beschrieb sie am Wahlabend gar als „chaotisch“. Die Partei ist die klare Wahlverliererin, verlor mehr als drei Prozentpunkte im Vergleich zu 2021. Nur vier Direktmandate konnten die Sozialdemokraten erringen – in ganz Berlin, früher gab es so viele teils pro Bezirk. In Teilen der Partei ist die Schuldige offenkundig ausgemacht: Franziska Giffey.

Die Landeschefin und Regierende Bürgermeisterin, das wurde schon am Wahlabend klar, wird sich innerparteilich für das Ergebnis verantworten müssen. Egal, ob die Partei nun doch 105 Stimmen vor den Grünen liegt. Die Kreisvorsitzende der SPD-Mitte, Julia Plehnert, sagte dem Tagesspiegel: „Wenn man derartig abstürzt, geht es nicht darum, ob man ein Zehntel vor oder hinter den Grünen landet.“ Plehnert, die dem linken Flügel der Partei angehört, sagte weiter: „Man muss dann Konsequenzen ziehen.“

Niroomand spricht von „Zäsur für die SPD“

Landesvorstandsmitglied Kevin Hönicke sagte dem Tagesspiegel: „Nach zwei historisch schlechten Wahlergebnissen, darf es, egal in welchem Bündnis, kein ,Weiter so‘ geben.“ Mit Blick auf eine mögliche Fortführung des rot-grün-roten Bündnisses sagte Hönicke: „Wenn sich die drei Wahlverlierer zusammentun, muss das man das sehr gut begründen.“

Ähnliches sagte der Giffey-Vize Kian Niroomand im „Spiegel“. Der Kreisvorsitzende des mächtigen Verbandes Charlottenburg-Wilmersdorf sprach von einer „einer Zäsur für die SPD“. Niroomand sagte: „Es gab eine deutliche Wechselstimmung. Das können wir nicht ignorieren und einfach so weitermachen.“ Es brauche einen Neuanfang.

Wir müssen personelle Konsequenzen ziehen und das Kapitel Franziska Giffey beenden.

Ein Mitglied des SPD-Landesvorstandes

Noch deutlicher wurde ein anderes Mitglied des Landesvorstandes: „Wir haben weder in den Innen- noch in den Außenbezirken überzeugen können. Als SPD müssen wir uns organisatorisch und inhaltlich neu aufstellen.“ Auch dieses Mitglied sprach von einer „Zäsur“ und forderte: „Wir müssen personelle Konsequenzen ziehen und das Kapitel Franziska Giffey beenden.“

Das Problem der SPD: Sie muss schnell handlungsfähig sein für mögliche Koalitionsgespräche, außerdem hatte Franziska Giffey aus dem knappen Sieg gegen die Grünen einen Regierungsauftrag für ihre Partei abgeleitet. Am Montagnachmittag beim Treffen des Landesvorstands der Sozialdemokraten dürfte es deshalb harte Debatten geben.

Hält Saleh zu Giffey?

Viel wird dem Vernehmen nach von Giffeys Co-Landeschef Raed Saleh abhängen. Hält er zu Giffey und stützt sie als Regierende oder moderiert er einen Neuanfang in der Berliner SPD? Denkbar ist auch ein Szenario, wonach Giffey zwar Regierende bleiben würde, aber den gemeinsamen Landesvorsitz mit Saleh abgibt. Vor allem die Parteilinke wird wohl mehr Einfluss auf mögliche neue Senatorinnen und Senatoren nehmen wollen, falls das bisherige Bündnis fortgeführt würde. Auch von einer „inhaltlichen Neuausrichtung“ sprechen einige.

Andere erfahrene Sozialdemokraten weisen darauf hin, dass das Ergebnis nur deshalb überhaupt noch zum Regieren reicht, weil Franziska Giffey als Zugpferd auf die Plakate gedruckt wurde. Es wird dann auf die Zahlen der Ära von Michael Müller verwiesen: Bei teils 15 Prozent stand die SPD in den Umfragen, Giffey hievte die Partei überhaupt erst wieder über 20 Prozent. Aber wie viel zählt diese Argumentation nach diesem Tag noch?

In der SPD wurde am Tag nach der Wahl vieles im Kopf durchgegangen. Selbst der Name Müller wird wieder genannt. Der ehemalige Regierende wechselte 2021 in Unfrieden in den Bundestag. Nun, so die Hoffnung einzelner Sozialdemokraten, könnte er zumindest einen Übergang moderieren. Wie verworren die Lage aber gerade ist, zeigt sich, wenn der Name Müller in Telefonaten mit anderen einflussreichen Sozialdemokraten fällt. Die Antwort ist erst ein Lachen, dann folgt Verunsicherung.

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Wenn der Kanzler die Deutschen auf den „großen Aufbruch“ einschwört

Der Kanzler nutzt das SPD-Jubiläum, um für eine „Gesellschaft des Respekts“ zu werben – die er auch durch „woke“ Haltungen in Gefahr sieht. Doch aus den jüngeren Reihen wird sogleich der Ruf laut, „marginalisierte Gruppen“ mitzunehmen. Woran entscheidet sich die Zukunft der Partei?

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) M. Kappeler/pa/dpa; Tomekbudujedomek/Getty Images; Montage: Infografik WELT/J. Baumgarten

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) M. Kappeler/pa/dpa; Tomekbudujedomek/Getty Images; Montage: Infografik WELT/J. Baumgarten© Bereitgestellt von WELT

Eigentlich ist es ein merkwürdiges Datum für ein Jubiläum – 160 Jahre seit Gründung der SPD, das ist eine beachtliche Strecke, aber wirkt doch als unübliche Zahl eines öffentlichen Jahrestags ein wenig konstruiert. Aber gut: Man soll die Feste feiern, wie sie fallen, mögen sich die Sozialdemokraten gedacht haben – wer weiß, wie schnell die nächste Gelegenheit eines Parteijubiläums in Regierungsverantwortung kommt.

Und so zeigten sich die Sozialdemokraten im Willy-Brandt-Haus an den drei Tagen ihrer Festivitäten bis zum Gründungstag am 23. Mai gut gelaunt, stolz und bemerkenswert zuversichtlich. So viel Fröhlichkeit überraschte dann doch mit Blick auf die Krisenlage des Landes, recht bescheidene Umfragewerte, die für die SPD derzeit um die 18 Prozent liegen, und einen Koalitionskrach über das geplante Heizungsgesetz. Doch eingedenk ihrer langen Geschichte überwog die Begeisterung über sich selbst.

Bundeskanzler Olaf Scholz hob in seiner Rede die „produktive Spannung“ zwischen „utopischem Überschuss“ und Pragmatismus hervor, welche die SPD von Beginn an gekennzeichnet habe. Ungewohnt pathetisch sagte der sonst so hanseatische Kanzler, dieser Zweiklang sei das Lebenselixier der Partei: „Er treibt uns an. Er hält uns jung.“

Scholz bei seiner Rede dpa

Scholz bei seiner Rede dpa© Bereitgestellt von WELT

Was dann folgte, klang allerdings weniger jung als altbekannt. Abermals sicherte Scholz der Ukraine deutsche Unterstützung zu: „Diesen Krieg darf und wird Russland nicht gewinnen.“ Das „bittere Kapitel der Geschichte unseres Kontinents“ werde damit enden, dass sich die Ukraine als vollwertiges Mitglied der EU anschließe.

Scholz bezeichnete die klimagerechte Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft als historische Aufgabe und warnte vor den Dimensionen des Klimawandels: „Das hört nicht mehr auf!“

Doch auf die Warnung folgte sogleich der sozialdemokratische Trost, den auch der Parteivorsitzende Lars Klingbeil immer wieder spendete: „Wir lassen niemanden allein.“ Scholz betonte, den Weg zum „großen Aufbruch“ könnten wir, „alle Bürgerinnen und Bürger“, nur gemeinsam gehen.

So viel Gemeinschaftsbeschwörung erfolgt nicht ohne Grund: In der Partei weiß man sehr wohl um die Volatilität der Wählerstimmen in Zeiten der Krise. Dass die AfD in aktuellen Umfragen bei 17 Prozent und damit nur knapp hinter der SPD liegt, spricht hier keiner aus.

Dass man sich aber um jene Bürger bemühen müsse, die sich nicht genug wahrgenommen fühlten, erkennt auch Scholz. Er warb für eine „Gesellschaft des Respekts“, die er im Übrigen auch durch „besonders ,woke‘“ Haltungen gefährdet sieht.

Klare Botschaft: mehr Staat

Während der Kanzler sich in Zeiten der Verunsicherung um ruhige Gegenaufklärung bemühte, belebte SPD-Chef Klingbeil alte Feindbilder neu: Wieder einmal muss der Neoliberalismus als Sündenbock für so ziemlich alle Übel unserer Zeit herhalten. „Züge, die nicht mehr fahren. Brücken, die nicht mehr tragen. Schulen, in denen es von der Decke tropft. Wochenlanges Warten auf einen Termin im Bürgeramt.“

Das alles sind laut Klingbeil Folgen des Neoliberalismus. Dass der desaströse Zustand der Verwaltung etwa in Berlin – um nur eines seiner Beispiele aufzugreifen – jahrelang unter rot-rot-grüner Landesregierung anhielt, wenn nicht herbeigeführt wurde, erwähnte er in seiner Rede nicht. Dafür aber sah er Grund zum Optimismus: „Die neoliberale Ära ist zu Ende.“

Und das bedeutet für Klingbeil ganz klar: mehr Staat. Es sei ein Irrglaube, dass der Markt alles regele. So also lautet seine Übersetzung der vielseits und auch von Scholz beschworenen Formel: „Sicherheit durch Wandel und Sicherheit im Wandel.“ You’ll never walk alone. Vater Staat ist da.

Sozialdemokratische Prominenz, v. l.: Generalsekretär Kevin Kühnert, Scholz, Vorsitzende Saskia Esken und Lars Klingbeil picture alliance / Geisler-Fotopress

Sozialdemokratische Prominenz, v. l.: Generalsekretär Kevin Kühnert, Scholz, Vorsitzende Saskia Esken und Lars Klingbeil picture alliance / Geisler-Fotopress© Bereitgestellt von WELT

In den Zukunftsoptimismus stimmte die Co-Vorsitzende Saskia Esken ein, die für ihre Rede immer wieder reichlich Beifall erhielt. Ihre Rhetorik spiegelte am deutlichsten, welches Bild die Partei vermitteln will: Es sind schwere Krisenzeiten, aber die Sozialdemokraten bleiben trotzdem entschlossen, solidarisch und frohgemut. „Wir lassen uns nicht bange machen!“, sagte Esken. „Mit den Menschen, für die Menschen“, lautete ihr „Emanzipationsversprechen“. Und selbst die Künstliche Intelligenz beunruhigt sie nicht: „Bleiben wir cool und gehen wir ins Handeln.“

Tatsächlich scheint die lange Leidens- und Krisenzeit der Partei zumindest in ihrem Selbstverständnis vorbei. Einstige Genossen wie Gerhard Schröder und Oskar Lafontaine – beide selbstredend nicht anwesend – strafte man mit Nichtachtung und entledigte sich so eines unliebsamen Themas.

Welches Konfliktpotenzial der Partei aber noch drohen könnte, zeigte sich in den Zwischentönen von Rasha Nasr, die auf dem Podium am Vorabend im Willy-Brandt-Haus sprach. Sie ist eine der jungen SPD-Abgeordneten, die es mit der Bundestagswahl 2021 zum ersten Mal in den Bundestag schafften.

Eine zentrale Aufgabe ihrer Partei sieht sie darin, alle Menschen aus „marginalisierten Gruppen“ mitzunehmen – ein Ansatz, vor dem der langjährige SPD-Politiker und einstige Bundestagspräsident Wolfgang Thierse geradezu gewarnt hat: Die SPD könne und dürfe keine Klientelpartei sein. Es gehe nicht darum, so viele Minderheiten wie möglich mitzunehmen, sondern die Gesellschaft als Ganze im Blick zu behalten.

Damit aber ist ein entscheidender Punkt berührt: Wie viel Volkspartei will die SPD noch sein? Und wie sähe das in der Übersetzung der jüngeren Generation aus? An diesen Fragen dürfte sich die Zukunft der Sozialdemokraten entscheiden.

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Am Rand der Irrelevanz. Die Bayern-SPD

In Bayern liegen die Sozialdemokraten hinter vier anderen Parteien. Dennoch gibt sich die Partei um Spitzenkandidat Florian von Brunn im Landtagswahlkampf trotzig: „Die Marke ist SPD, das reicht.“ Es ist bei Weitem nicht nur diese Haltung, die den Schrumpfkurs beschleunigt.

„Ich finde, dass ich viel mache“: Florian von Brunn, Chef der SPD Bayern und deren Spitzenkandidat für die Landtagswahl picture alliance/Panama Pictures/Dwi Anoraganingrum

„Ich finde, dass ich viel mache“: Florian von Brunn, Chef der SPD Bayern und deren Spitzenkandidat für die Landtagswahl picture alliance/Panama Pictures/Dwi Anoraganingrum© Bereitgestellt von WELT

Der Nockherberg in München ist für viele Bayern beinahe ein „Heiliger Berg“ wie der, auf dem Kloster Andechs thront. Denn wer den höchsten Punkt erklimmt, was beim Nockherberg in wenigen Minuten geschafft ist, wird mit bestem bayerischem Bier belohnt. Für Politiker ist der biergartenbebaute Höhepunkt in der Landeshauptstadt allerdings mitunter ein gefährlicher Ort – und das nicht wegen des berühmten Starkbiers.

Die Falltür, die sich für jeden Politiker dort ein Mal im Jahr öffnen kann, ist die Tradition, beim jährlichen Starkbieranstich „Derblecken“, also auf bayerische Art hoch- und auseinandergenommen zu werden. Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) versicherte daher beim Bürgerdialog auf dem Nockherberg am Donnerstag sowohl Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) als auch dem bayerischen SPD-Chef und -Spitzenkandidaten für die Landtagswahl, Florian von Brunn, dass es „heut‘ keine Predigt und kein Singspiel gibt“.

Also kein Spektakel, bei dem besonders heftige Attacken geritten werden. Kanzler Scholz nahm das gleichmütig hin, von Brunn wird aufgeatmet haben. Jetzt auch noch Spott und Häme zu ernten, wäre zu viel.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD, r.) und von Brunn beim Bürgergespräch auf dem Nockherberg in München dpa/Karl-Josef Hildenbrand

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD, r.) und von Brunn beim Bürgergespräch auf dem Nockherberg in München dpa/Karl-Josef Hildenbrand© Bereitgestellt von WELT

Denn Gründe, von Brunn und seine SPD zu „derblecken“, gibt es viele. Bei der Landtagswahl 2018 war sie auf 9,7 Prozent abgerutscht, der Stimmenanteil hatte sich mehr als halbiert. Das Ergebnis, das von Brunns Vorgängerin Natascha Kohnen zu verantworten hatte, war das zu diesem Zeitpunkt schlechteste bei einer Landtagswahl überhaupt für die SPD. Die Talfahrt dauert nun, von kurzer Besserung abgesehen, seit 1994 an. Und auch diesmal sieht es für die Landtagswahl am 8. Oktober nicht gut aus.

Laut Umfragen kommen Sozialdemokraten derzeit im Freistaat auf maximal 10,4 Prozent. Andere Institute sehen sie bei neun Prozent. Bei der CSU sind es laut Prognosen 30 Prozentpunkte mehr. Schlechter steht die SPD aktuell nur in Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt da. „In einigen Regionen Bayerns hat die SPD fast schon den Charakter einer Sekte“, sagt Forsa-Chef Manfred Güllner. „Bei der letzten Landtagswahl haben 4,4 Prozent der Wahlberechtigten im Regierungsbezirk Niederbayern für die SPD gestimmt. Die Partei ist dort inzwischen eine Splittergruppe.“

Die Schrumpfkur der SPD im Freistaat und in ostdeutschen Bundesländern zeigt, wie die Parteienlandschaft künftig auch in einigen westdeutschen Ländern aussehen könnte: Eine Volkspartei fällt als solche aus und muss mit einer ganzen Reihe anderer, etwa gleich großer Parteien konkurrieren. Derzeit ist die SPD in Bayern die fünftstärkste Kraft: nach der CSU, den Grünen, den Freien Wählern und der AfD. „Es hat fast schon etwas von Masochismus, wenn man in die Bayern-SPD eintritt, um politisch etwas zu bewegen. Als Frau geht man zu den Grünen. Wer richtig Karriere machen will, zur CSU“, sagt Ursula Münch, Direktorin der Akademie für Politische Bildung in Tutzing.

Der Partei hafte im Freistaat das Etikett der ewigen und chancenlosen Opposition an. „Daher findet die Partei kaum führungsstarke, prägnante Köpfe, die die Wähler begeistern und die Mitglieder mobilisieren könnten“, so Münch. Die Bayern-SPD steckt in einem Teufelskreis. Mit jeder Niederlage wird sie unattraktiver – ein Schicksal, das den Sozialdemokraten auch in anderen Bundesländern drohen kann.

„Direkter Draht ins Kanzleramt“ ohne Wirkung

Die aktuelle Schwäche der SPD ist zum Teil auch Ergebnis der schwachen Performance der Ampel-Koalition. Von Brunn hatte nach dem Bundestagswahlsieg der Partei und der Wahl von Olaf Scholz damit geworben, „nun den direkten Draht ins Kanzleramt zu haben“. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) könne viel erzählen, die Union sei nur noch Opposition.

Aber Landespolitik wird maßgeblich in der Landeshauptstadt gemacht, und da lässt die CSU keinen vorbei. Davon abgesehen, dass direkte Drähte ins Kanzleramt derzeit kaum jemand beeindrucken dürften, weil man dort allenfalls beim Streiten mit den Grünen und der FDP zuhören kann. „Rückenwind bekommen wir aus Berlin derzeit nicht wirklich“, gesteht einer von der SPD-Kampagnenleitung beim Bürgerdialog denn auch ein.

Die bayerischen Top-Sozis setzten trotzdem voll auf die Mutterpartei. So sehr, dass sie vergangenen Herbst den Namen „BayernSPD“ zusammenstrichen und nur noch SPD stehenließen. In Bayern – einem Bundesland, in dem parteiübergreifend eine große Mehrheit der Menschen sehr das „Stammestum“ samt aller Eigenheiten betont.

Am Nockherberg hieß es auch am Donnerstag noch trotzig: „Die Marke ist SPD, das reicht.“ Aber damit machen es die weiß-blauen Sozialdemokraten der CSU und den Freien Wählern leicht, sie als fünfte Kolonne der Bundespartei darzustellen, die nicht für die Interessen der Bayern, sondern die der Ampel-Koalition stehe. Und das ist nur einer der vielen Stockfehler der bayerischen Parteigranden in den vergangenen Jahrzehnten.

Zur Wahrheit gehört auch, dass es die SPD in Bayern immer besonders schwer hatte. Da ist eine CSU, die seit Kriegsende regiert und erfolgreich alle Bevölkerungsgruppen vertritt. Da sind viel ländlicher Raum und eine starke katholische Kirche. Das ist nicht gerade Humus, auf dem die Sozialdemokratie gut gedeiht.

Eine starke Industriearbeiterschaft hatte und hat der Freistaat. Aber anders als in anderen Bundesländern ist diese Gruppe trotz ihrer Arbeit in den Werken in ihren Dörfern, den Traditionen, der Kirche, oft sogar der Nebenerwerbslandwirtschaft verhaftet geblieben. Die Arbeiter drängten nie in die Ballungsräume, wo sie für die SPD besser zu organisieren gewesen wären.

BMW sammelt in Niederbayern bis heute in Werksbussen die Mitarbeiter für die Fabriken auf den Dörfern ein und transportiert sie nach Schichtende wieder nach Hause. „Auf dem Land hat die SPD auch in Bayern nie richtig Fuß gefasst und in den großen Städten sind längst die Grünen erfolgreicher. Im Vergleich zu den Freien Wählern fehlt ihr eine starke Basis in den Kommunen“, schildert Ursula Münch das Dilemma der Partei.

Allerdings: Den unbedingten Willen zur Macht haben die Sozialdemokraten im Südosten, die sich traditionell ganz besonders links geben, offensichtlich nie gehabt. „Zu Zeiten der Ministerpräsidenten Edmund Stoiber und Horst Seehofer hatte die CSU Schwächen gezeigt, das wäre die Chance der SPD gewesen. Doch die hat sie nicht genutzt oder schlicht verschlafen“, sagt Forsa-Chef Güllner.

Und Ursula Münch meint: „Die bayerische SPD ist genügsam, sie hat sich in der Rolle der Daueropposition eingerichtet und streitet vor allem intern, das ist wenig attraktiv für Wähler.“ Und so hat sie zugesehen, wie die Grünen, die Freien Wähler und die AfD an ihr vorbeiziehen.

Beim Bürgerdialog am Nockherberg lautete schon die zweite Frage: „Warum hört man so wenig von der Bayern-SPD?“ Florian von Brunn stand etwas ratlos da, in seinem preußisch-blauen Anzug und dem weißen Bürohemd, und sagte: „Ich finde, dass ich viel mache.“ Der bayerische SPD-Chef spricht so astreines Hochdeutsch, wie es ein Hannoveraner nicht besser könnte.

An diesem Tag wirkte sogar der Hamburger Scholz etwas weiß-blauer: Der sagte zusätzlich zu seiner Standardbegrüßung „Guten Tach“ immerhin noch „Grüß euch“.

Dann zählte von Brunn einen langen Katalog von sozialen Wohltaten auf, die er fordert. Er kann das: Er weiß, dass er diese Forderungen niemals erfüllen müssen wird.

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Schwesig: Strompreis vom Gaspreis entkoppeln und senken

Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) bei einer Landtagssitzung.

Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) bei einer Landtagssitzung.© Jens Büttner/dpa

Die Diskussion um einen niedrigen Industriestrompreis für bestimmte Unternehmen greift Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) zufolge zu kurz. Die Energiekosten seien eine Hauptsorge in fast allen Wirtschaftsbereichen, erklärte Schwesig am Sonntag nach ihrer Sommertour durch das Bundesland, bei der die wirtschaftliche Lage ein Hauptthema war.

Es reiche nicht aus, wenn jetzt auf Bundesebene über einen Industriestrompreis diskutiert werde. «Wir brauchen Entlastungen für alle Unternehmen und die Bürgerinnen und Bürger», sagte Schwesig. Sie schlug vor, dazu den Strompreis vom Gaspreis zu entkoppeln. Das derzeit geltende Merit-Order-Prinzip führe dazu, dass der Preis für Ökostrom in den letzten Jahren deutlich gestiegen sei, obwohl die Produktion von grünem Strom nicht teurer geworden sei.

Gaspreis bestimmt Strompreis

Das Merit-Order-Prinzip bezeichnet die Einsatzreihenfolge der an der Strombörse anbietenden Kraftwerke. Kraftwerke, die billig Strom produzieren können, werden zuerst herangezogen, um die Nachfrage zu decken. Das sind zum Beispiel Windkraftanlagen. Am Ende richtet sich der Preis aber nach dem zuletzt geschalteten, also teuersten Kraftwerk - derzeit Gaskraftwerke. Die günstigeren Anbieter erhalten ebenfalls diesen Preis.

Schwesig will Reform der Netzentgelte

Schwesig erneuerte zudem ihre jahrelange Forderung nach einer Reform der Netzentgelte. «Es kann nicht so bleiben, dass die Regionen, die beim Ausbau der erneuerbaren Energien vorangehen, deshalb höhere Strompreise zahlen müssen», betonte sie. Dies sei schon seit langem eine Forderung der nord- und der ostdeutschen Länder.

Weiteres Thema: Fachkräftemangel

Ein weiteres Thema bei Schwesigs Sommertour war der Fachkräftemangel in der Wirtschaft. Die Regierungschefin hob in dem Zusammenhang den Wert der dualen Ausbildung hervor. «Eine solide Berufsausbildung ist genauso wichtig und wertvoll wie ein Studium.» Schwesig legte den Unternehmen nahe, ihre Berufsbilder stärker in den Schulen zu präsentieren. Wie die Regierungschefin weiter sagte, wurde bei ihrer Sommertour auch die Bürokratie von den Unternehmen als Problem benannt.

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Mindestlohn rauf auf 15 Euro: Es wird immer konkreter – Wirtschaft: „Absoluter Wahnsinn“

Die SPD macht offenbar ernst! Die Kanzlerpartei will den nächsten großen Sprung beim Mindestlohn durchdrücken. Aktuell liegt der noch bei 12 Euro. Aus Sicht einflussreicher Sozialdemokraten viel zu wenig angesichts der Inflation und mit Blick auf armutssichere Renten für heutige Niedriglohn-Bezieher.

Schon 2021 war der Mindestlohn der Wahlkampf-Hit der SPD. Werden sie das wiederholen? Oder gar schon vorher mehr durchdrücken?

Mindestlohn soll deutlich rauf

Zwar wird der Mindestlohn in den nächsten zwei Jahren weiter steigen, jedoch nur gering (mehr zum Thema hier). Die unabhängige Mindestlohn-Kommission hat mit knapper Mehrheit die Anhebung auf 12,41 Euro ab dem 1. Januar 2024 beschlossen. Ab 2025 werden es dann 12,82 Euro sein. Die Gewerkschaftsseite in der Kommission stimmte dagegen, ihnen gehen die Anhebungsschritte nicht weit genug.

Die Entwicklung des Mindestlohns. Foto: dpa/Grafik: F. Bökelmann

Die Entwicklung des Mindestlohns. Foto: dpa/Grafik: F. Bökelmann© Bereitgestellt von News38

Besonders die SPD in Norddeutschland macht nun Druck auf die Parteispitze. Johannes Arlt, Bundestagsabgeordneter aus Mecklenburg-Vorpommern, ist einer von ihnen. Er will einen Mindestlohn von 15 Euro, aber „nicht von heute auf morgen“. Ihm schwebt ein Zeitraum von zwei bis drei Jahren vor, wie er dem NDR sagte.

Anhebung könnte Betrieben „das Genick brechen“

Sein Genosse Erik von Malottki, ebenfalls Bundestagsabgeordneter aus dem Ostsee-Bundesland, bringt nicht so viel Geduld mit. Er will eine schnellere Anhebung. Trotz der Warnungen aus der Wirtschaft. So findet der Chef der Handwerkskammer in Mecklenburg-Vorpommern laut NDR, dass 15 Euro pro Stunde „absoluter Wahnsinn“ wären. Handwerkskammer-Präsident Uwe Lange glaubt, dass ein so hoher Mindestlohn vielen Betrieben „das Genick brechen“ werde.

Auf SPD-Parteitag kommt Erhöhung auf die Tagesordnung

Die Diskussion wird aber nicht nur in Meck-Pomm geführt. Auch die einflussreiche „Arbeitsgemeinschaft für Arbeit“ (AfA) innerhalb der SPD will eine „schnelle Anhebung“ auf 15 Euro. Ebenso die SPD-Landesverbände aus Thüringen und Schleswig-Holstein. Ein entsprechender Antrag wird auf dem Bundesparteitag im Dezember eingebracht und debattiert werden.

Der SPD-Vorstand könnte gehörig Druck von der Basis bekommen. Parteichef Lars Klingbeil zeigt jedoch schon Verständnis für die Forderungen. „Das Leben ist teurer geworden. Da muss mehr kommen als 12,41 Euro“, sagte Klingbeil der Funke Mediengruppe zum Thema Mindestlohn-Anhebung.