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News zur Bundesregierung

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Grüne Jugend, FDP und CDU – Widerstand gegen Habecks Gasumlage wächst

Ministerpräsident Günther fordert kalte Saunen in Wellnesshotels. „Auf Usedom ist die Verunsicherung groß, es gibt erste Stornierungen der Buchungen“, sagt Lea Freist. „Man befindet sich hier im Krisenmodus“, so die WELT-Reporterin. Sie spricht mit Thomas Heilmann, dem Kurdirektor der Kaiserbäder. Quelle: WELT / Lea Freist

Ministerpräsident Günther fordert kalte Saunen in Wellnesshotels. „Auf Usedom ist die Verunsicherung groß, es gibt erste Stornierungen der Buchungen“, sagt Lea Freist. „Man befindet sich hier im Krisenmodus“, so die WELT-Reporterin. Sie spricht mit Thomas Heilmann, dem Kurdirektor der Kaiserbäder. Quelle: WELT / Lea Freist© WELT / Lea Freist

Gegenwind für Wirtschaftsminister Robert Habeck: Der Grünen-Politiker wird aus den eigenen Reihen und seiner Koalition für die Gasumlage und deren Umsetzung kritisiert. Besonders scharf fällt die Kritik der Grünen Jugend aus. „Die Regierung sollte das Wohl der Menschen und nicht das Recht auf Gewinne in den Mittelpunkt stellen“, sagte die Bundessprecherin der Grünen Jugend, Sarah-Lee Heinrich, dem „Spiegel“. Über eine Umlage die Mehrkosten für die Gasbeschaffung an alle Kunden weiterzugeben, sei von Anfang an der falsche Weg gewesen.

„Es kann nicht sein, dass die Gesellschaft jetzt die Verluste tragen soll, während viele Unternehmen in dieser Krise Übergewinne gemacht haben. Das kann man den Menschen, die nicht wissen, wie sie durch den Winter kommen sollen, überhaupt nicht erklären“, sagte die Co-Vorsitzende der Jugendorganisation weiter. Stattdessen forderte Heinrich die Einführung einer Übergewinnsteuer sowie eines Gasdeckels.

Grünen-Co-Vorsitzende Ricarda Lang bekräftigte angesichts der anhaltenden Kritik die Forderung nach einer Übergewinnsteuer. Lang sagte am Donnerstag in Berlin: „Natürlich stört es auch mein Gerechtigkeitsempfinden, wenn Unternehmen, die an anderen Stellen große Gewinne machen, jetzt ihre Kosten frühzeitig auf die Verbraucherinnen und Verbraucher umlagern wollen.“ Zugleich aber sei es rechtlich ziemlich schwierig, die Umlage nur auf einzelne Unternehmen, die systemrelevant oder insolvenzbedroht seien, zu beschränken.

In Situationen, in denen Recht und Gerechtigkeit auseinanderklafften, brauche es politische Lösungen. Die logische Konsequenz sei deswegen eine Übergewinnsteuer für Energiekonzerne, sagte Lang. Zweck der Umlage sei es, die Versorgungssicherheit sicherzustellen, Insolvenzen von Versorgern zu verhindern und dafür zu sorgen, dass es nicht zu Gasmangellagen im Herbst und Winter komme.

FDP und SPD pochen auf Nachbesserung

Aus der FDP wird die Forderung laut, die Pläne für die Gasumlage nachzuschärfen, um unerwünschte Zusatzgewinne einzelner Energiefirmen zu verhindern. „Die Gasumlage ist ein Instrument, das in Schieflage geratene Unternehmen stabilisieren soll. Es sollten damit ausschließlich Unternehmen unterstützt werden, die sich in einer marktgefährdenden Schieflage befinden“, sagte der energiepolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Michael Kruse, der „Rheinischen Post“. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sei gut beraten, die Grundlage für die Umlage anzupassen.

Auch SPD-Chefin Saskia Esken pocht auf Nachbesserungen. Die Gasumlage werde eingeführt, um die Lasten fair zu verteilen, sagt Esken der „Rheinischen Post“. „Konzerne, die in anderen Sparten mehr als gutes Geld verdienen, können und müssen sich aber selbst helfen“, fordert sie. Habeck müsse dafür sorgen, dass Leistungen aus der Umlage der wirtschaftlichen Gesamtsituation der Konzerne gerecht werden.

Strobl: „Tohuwabohu“ in der Energiekrise

Baden-Württembergs CDU-Landeschef Thomas Strobl bezeichnete den Umgang der Ampel mit der Energiekrise als „Tohuwabohu“. „Jeden Tag ein neuer Vorschlag, jeden Tag von jemand anderem. Das ist eine Ampel-Kakophonie, aber kein verlässliches Krisenmanagement und kein verlässliches Regieren“, sagte CDU-Landeschef und Innenminister Thomas Strobl der Deutschen Presse-Agentur in Stuttgart. Auch die Gasumlage sei eine „unausgegorene Idee“.

Nachdem die Ampel den Gasverbrauch durch die Umlage teurer gemacht habe, solle es durch die Senkung der Mehrwertsteuer wieder etwas günstiger werden. Strobl rechnet damit, dass es für die meisten Haushalte am Ende des Tages doch etwas teurer werde. „Ein solches Hin und Her in einer solch schwierigen Krise muss man erst mal hinbekommen. Gutes Regieren geht anders“, sagte der CDU-Politiker.

Parteivize Carsten Linnemann sagte den Zeitungen der Mediengruppe Bayern, die Gasumlage habe „mit Sozialer Marktwirtschaft nicht mehr viel zu tun“. Die Konzerne sollten „wie seinerzeit die Lufthansa in der Corona-Krise das Geld zurückzahlen müssen“.

Auch der CDU-Umweltpolitiker Thomas Heilmann sieht die Gasumlage als „Irrweg“ und forderte den Bundestag am Mittwoch zum Einschreiten auf. Das Parlament könne die Verordnung mit einem einfachen Beschluss wieder zurücknehmen, sagte er.

Heilmann nannte die Umlage „verfassungswidrig und europarechtswidrig“. Es werde dagegen zahlreiche Klagen geben. Auch ordnungs- und sozialpolitisch sei das Verfahren falsch. „Die Gasumlage subventioniert de facto auch solche Geschäfte, die hoch profitabel sind“, sagte er. Das Herabsetzen der Mehrwertsteuer führe zu einer „ungerechten Verteilungswirkung“.

Mit der Gasumlage in Höhe von 2,4 Cent pro Kilowattstunde sollen ab Oktober Verbraucher einen Großteil der Extrakosten übernehmen, die momentan Gasimporteuren entstehen, weil russische Lieferungen ausbleiben und die Unternehmen zu höheren Kosten Gas nachbeschaffen müssen. Eine drohende Insolvenz ist laut Wirtschaftsministerium keine Voraussetzung, um Hilfsgelder aus der Umlage zu bekommen. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte im Gegenzug angekündigt, die Mehrwertsteuer auf Gas insgesamt von 19 auf 7 Prozent zu senken.

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Die verschwundenen E-Mails des Finanzministers Olaf Scholz

Am Ende der Amtszeit von Olaf Scholz als Bundesfinanzminister wurden in der Behörde offenbar in größerem Umfang E-Mails und andere Unterlagen gelöscht oder anderweitig vernichtet. Nach Recherchen von WELT konnte sich das Finanzministerium dabei auf eine Praxis der Bundesregierung berufen, die Mails und andere Unterlagen in den Büros von Ministern und Staatssekretären betrifft. Experten bezweifeln die Rechtmäßigkeit solcher Löschungen.

Olaf Scholz am 19. August vor dem Cum-Ex-Untersuchungsausschuss in Hamburg Quelle: Getty Images/Morris MacMatzen

Olaf Scholz am 19. August vor dem Cum-Ex-Untersuchungsausschuss in Hamburg Quelle: Getty Images/Morris MacMatzen© Getty Images/Morris MacMatzen

Politiker von CDU und Linken fordern nun, diese Praktiken zu überdenken. Für den heutigen Kanzler Scholz bedeutet das weiteres Ungemach, weil bereits in der Cum-Ex-Affäre um das Hamburger Bankhaus Warburg der Verdacht der Löschung von Mails und Kalendereinträgen des SPD-Politikers auftauchte.

Sicher ist: Im Bundesfinanzministerium wurden beim Ausscheiden des früheren dortigen Staatssekretärs und Scholz-Vertrauten Wolfgang Schmidt (SPD) Ende 2021 dienstliche Mails gelöscht. Er wechselte damals als Kanzleramtsminister in die Berliner Regierungszentrale.

Sicher ist auch, dass sich das Finanzministerium unter Scholz’ Ägide darauf berief, dass Büros der Staatssekretäre „keine aktenführenden Stellen“ seien und daher die Vernichtung bestimmter Unterlagen zulässig sei. Das hielt das Ministerium Ende 2020 und Anfang 2021 im Zusammenhang mit Mails von Schmidt und des damaligen Staatssekretärs Jörg Kukies in Schreiben an den seinerzeit tagenden Wirecard-Untersuchungsausschuss des Bundestages fest, die WELT vorliegen.

Unterlagen „werden vernichtet“

Aus den Büros der Staatssekretäre würden nur solche Unterlagen aufbewahrt, mit denen auch die Arbeitsebene im Ministerium befasst sei, hieß es dort. Unterlagen, die nicht an die zuständigen Arbeitseinheiten zurückgingen, „werden vernichtet“.

Bereits im April 2021 berief sich Scholz gegenüber dem Cum-Ex-Untersuchungsausschuss der Hamburger Bürgerschaft darauf, dass auch „das Bürgermeisterbüro“ ja „keine Behörde, keine aktenführende Stelle“ sei. Er war gefragt worden, ob es Aufzeichnungen zu seinen seinerzeitigen Gesprächen mit Warburg-Vertretern gebe – was offenbar nicht der Fall war.

Auch andere Bundesministerien führen die Büros ihrer Minister und Staatssekretäre offenbar nicht als „aktenführende Stellen“. Die Rechtsgrundlage dieser Praxis ist aber unklar. Das Bundesinnenministerium, das innerhalb der Bundesregierung für Fragen der Behördenorganisation zuständig ist, verwies auf die geltende Registraturrichtlinie. Dort lässt sich ein entsprechender Passus aber nicht finden.

Der Marburger Professor und Archivrechtler Thomas Henne kritisierte das Löschen von E-Mailfächern hoher Amtsträger beim Ausscheiden: „Diese Praxis ist weitverbreitet, aber das macht sie nicht rechtmäßig“, sagte Henne. Eigentlich bräuchte es dafür eine sogenannte Kassationsgenehmigung des Bundesarchivs. „Bei einem Staatssekretär kann ich mir im Leben nicht vorstellen, dass eine Kassationsgenehmigung erteilt wird.“

Im Hamburger Untersuchungsausschuss zu der Cum-Ex-Affäre wurde Scholz am Freitag vergangener Woche von Zuhörern sogar so verstanden, dass er „auch“ in seinem privaten Mailaccount „alle Dinge immer sofort“ lösche – was sich unter Umständen so verstehen ließ, als entsorge er auch dienstliche Mails sofort nach Lektüre. Sein Bundestagsbüro ließ Fragen dazu unbeantwortet. Das Bundespresseamt versicherte für das Kanzleramt, dort würden Informationen veraktet, „sofern sie für die inhaltliche Bearbeitung eines Verwaltungsvorgangs relevant sind“.

Gelöschte Termine mit den Warburg-Bankern

In dem in Hamburg gespeicherten seinerzeitigen Terminkalender von Scholz als Erstem Bürgermeister der Hansestadt waren überdies offenbar Termine mit Vertretern der Warburg-Bank gelöscht worden. In einer von Scholz nach Berlin überspielten Kopie des Datensatzes waren sie aber erhalten.

Fragen, wer für diese Löschungen verantwortlich war, ließen der heutige Bundeskanzler und die Hamburger Senatskanzlei unbeantwortet. Der „Spiegel“ zitierte jüngst zudem Ermittlungsergebnisse der Kölner Staatsanwaltschaft, die von Hinweisen auf „eine gezielte Löschung“ beim Thema Cum-Ex auch in Scholz‘ Hamburger Mailfach sprachen.

Die Hamburger Senatskanzlei versicherte jetzt auf Anfrage, dass „die Löschung von E-Mail-Postfächern und Kalendern“ von Amtsträgern nach deren Ausscheiden „keine Rechtsgrundlage“ erfordere, weil ja zuvor „alle aktenrelevanten Vorgänge“ zu den Akten genommen worden seien.

Wolfgang Schmidt, Chef des Bundeskanzleramtes, am Tag der offenen Tür der Bundesregierung unter dem Motto «Demokratie lädt ein» Quelle: picture alliance/dpa/Carsten Koall

Wolfgang Schmidt, Chef des Bundeskanzleramtes, am Tag der offenen Tür der Bundesregierung unter dem Motto «Demokratie lädt ein» Quelle: picture alliance/dpa/Carsten Koall© picture alliance/dpa/Carsten Koall

Den Verdacht auf eine unzulässige Entsorgung von Dateien im Finanzministerium stützt ein Vorfall im Mai 2022. Damals verweigerte die Behörde dem Abgeordneten Christian Görke (Linke) den Zugang zu offenkundig dienstlichen Mailwechseln des früheren Staatssekretärs Schmidt mit dem Unternehmer Nicolaus von Rintelen, obwohl es diese Mailwechsel nach früheren Angaben des Ministeriums gegeben hatte.

Von Rintelen war seinerzeit Hauptgesellschafter einer Firma, von der die Bundesregierung Verschlüsselungssoftware für Handys bezieht; er wurde auch wegen Kontakten zu dem heute flüchtigen früheren Wirecard-Vorstand Jan Marsalek bekannt. Görke hatte die Mailwechsel auf Basis des Informationsfreiheitsgesetzes beantragt.

„Zugriff auf E-Mails nicht mehr möglich“

Dieser Mailaustausch zwischen Schmidt und von Rintelen ist heute im Ministerium aber nicht mehr verfügbar. Es lägen „keine amtlichen Informationen mehr vor“, die sich dem Antrag „zuordnen ließen“, erklärte das Ministerium dem Abgeordneten. Wegen des Amtswechsels sei „ein Zugriff auf etwaige zuvor empfangene und versandte persönliche E-Mails ehemaliger Staatssekretäre“, so das Ministerium, „nicht mehr möglich“. Konkrete Fragen zu dem Vorgang ließen das Ministerium und Schmidt selbst unbeantwortet.

Der Freiburger Staatsrechtsprofessor Friedrich Schoch gilt als führender Experte für Informationsfreiheit – also des Bürgerrechts auf Zugang zu amtlichen Informationen, das auf Bundesebene seit 2006 gilt. Er bezweifelt, dass es zulässig ist, wenn Amtsträger beim Ausscheiden den Inhalt von E-Mailfächern pauschal löschen. „Das wäre andernfalls ein offensichtliches Mittel, Vorschriften zu umgehen“, so Schoch. „Die Mails müssten im Einzelfall auf ihren Inhalt geprüft werden“, sagt der Professor: „Minister und Staatssekretäre stehen nicht über den Gesetzen.“

„Minister und Staatssekretäre stehen nicht über den Gesetzen“

Auch Olaf Scholz dürfe ohne eine Genehmigung zwar „Mails zu privaten und Parteiangelegenheiten löschen, wenn er will“, so der Marburger Professor Henne. „Für dienstliche Unterlagen im seinem Mailaccount gilt aber ein Löschungsverbot - es sei denn das zuständige Archiv hat ihn davon mit einer Kassationsgenehmigung befreit.“

Der CDU-Bundestagsabgeordnete Matthias Hauer, der sich seit längerem mit dem Hamburger Cum-Ex-Skandal beschäftigt, drängt jetzt darauf, die Löschpraktiken zu beenden: „Das wäre ein Kontrolldefizit für das Parlament“, sagte Hauer. „Das kann eigentlich nicht sein.“ Kritik kam auch von der Innenexpertin der Fraktion der Linken, Martina Renner. Büros von Ministern und Staatssekretären von der Aktenführung zu befreien sei „nicht vertretbar und offenbart ein seltsames Regel-Ausnahme-Denken vom Rechtsstaatsprinzip“, sagte sie: „Es ist bedenklich, wenn höhere Stellen wie politische Beamte und Minister meinen, hinsichtlich der Prüfung von Entscheidungen und Verwaltungshandeln unantastbar zu sein.“

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Energiepauschale, 49-Euro-Ticket, Gasumlage: So sehen die Pläne der SPD für das dritte Hilfspaket aus

Kurz vor der Kabinettsklausur der Bundesregierung macht die SPD-Fraktion ein Maßnahmenpaket öffentlich. Dieses soll kommende Woche diskutiert werden.
Olaf Scholz, Bundeskanzler, aufgenommen beim Wahlkampfauftakt der SPD Niedersachsen in Cuxhaven JaninexSchmitz/photothek.dex

Olaf Scholz, Bundeskanzler, aufgenommen beim Wahlkampfauftakt der SPD Niedersachsen in Cuxhaven JaninexSchmitz/photothek.dex© Foto: IMAGO/photothek/ Janine Schmitz

Die SPD-Fraktion im Bundestag hat Pläne für ein drittes Entlastungspaket erarbeitet. Das Maßnahmenpaket soll in der kommenden Woche bei einer Kabinettsklausur im brandenburgischen Meseberg diskutiert werden. Der Entwurf liegt dem Tagesspiegel vor. Zuvor hatte bereits die „Süddeutsche Zeitung“ darüber berichtet.

Die SPD-Fraktion habe sich in der „Sommerpause nicht mit einzelnen Vorschlägen an die Öffentlichkeit“ gewandt, sagte ihr Vorsitzender Rolf Mützenich der „SZ“. Man habe stattdessen „sorgfältig an diesem Papier gearbeitet, um es bei unserer Klausur als Ganzes präsentieren zu können.“
Unter dem Titel „Die Krise gemeinsam und solidarisch meistern“ sieht das Papier eine Vielzahl an Maßnahmen vor, die den Bürger:innen und Unternehmen in der Krise helfen sollen. Vorgesehen sind:
  • Eine Energiepauschale: beschränkt auf mittlere und untere Einkommen sowie auf Rentner:innen, Arbeitslosengeldempfänger:innen, Studierende und Auszubildende. Eine genaue Höhe der Pauschale nennt das Papier nicht. Im September können sich Berufstätige über eine Pauschale des Bundes von 300 Euro freuen, die über den Arbeitgeber ausgezahlt wird. Der einmalige Betrag ist steuerpflichtig.
  • Eine Strom- und Gaspreisbremse: Die SPD-Fraktion will einen Grundbedarf definieren, um den Preisanstieg zu dämpfen. Zudem soll es für Mieter:innen, die aufgrund von Preissteigerungen ihre Nebenkosten nicht zahlen können, eine Härtefall-Regelung geben. „Daher wollen wir Kündigungen von Mietverhältnissen wegen nicht geleisteter Betriebskostennachzahlungen für die Abrechnungsperioden 2021 und 2022 jeweils für sechs Monate ab Abrechnung der Kosten ausschließen“, heißt es in dem SPD-Papier. Heizkosten sollen außerdem dauerhaft im Wohngeld berücksichtigt werden.
  • Nachfolgeregelung für das Neun-Euro-Ticket: In Zusammenarbeit mit den Ländern soll ein „bundesweit gültiges ÖPNV-Ticket mit einem monatlichen Preis von 49 Euro“ eingeführt werden. Die Kosten sollen sich Bund und Länder jeweils zur Hälfte teilen. „Zudem wollen wir nach Vorliegen von Ergebnissen des Ausbau- und Modernisierungspakts den ÖPNV gemeinsam mit Ländern und Kommunen vor allem auch im ländlichen Raum strukturell verbessern.“
  • GasumlageBundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) steht wegen der Gasumlage in der Kritik. Das SPD-Papier sieht eine Überarbeitung der Umlage vor, sodass nur Unternehmen profitieren, die die Unterstützung wirklich benötigen. „Wir erwarten von Unternehmen, die Milliardengewinne machen und nicht durch Insolvenz bedroht sind, dass sie keine Anträge einreichen.“ Zudem sollen diese Unternehmen auf Dividendenausschüttungen sowie Bonuszahlungen verzichten. Für kommunale Energieversorger soll es einen „Schutzschirm“ geben.
  • Energiesparen: Bürger:innen soll ein umfangreiches Beratungsangebot zur Verfügung gestellt werden. Einsparungen sollen mit einem Energiesparbonus belohnt werden. Auch Unternehmen sollen zum Energiesparen angehalten werden.
  • Nutzung von anderen Energieträgern: Die SPD blickt mit Sorge auf den Winter 2023/2024. Daher „müssen bereits jetzt alle möglichen Alternativen in Betracht gezogen werden“. So sollen die geplanten LNG-Terminals schnellstmöglich in Betrieb genommen werden. „Weitestgehende Energiesouveränität werden wir nur durch den maximalen und schnellen Ausbau der erneuerbaren Energien erreichen.“ Dazu gehöre auch die Wasserstofftechnologie – nicht aber die Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken.
  • Lebensmittelpreise senken: Das SPD-Papier nennt den Ernährungssektor als kritische Infrastruktur. Unternehmen sollen Förderungen und Kredite erhalten, um steigenden Lebensmittelpreisen entgegenzuwirken. Aber auch andere energieintensive Unternehmen sollen unterstützt werden, um etwa Lieferketten aufrecht zu erhalten. Der Anstieg des CO2-Preises soll für zwei Jahre ausgesetzt werden.
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Energieriesen sollen bei Entscheidung zur Gasumlage mitgewirkt haben
Olaf Scholz mit Robert Habeck und Annalena Baerbock: Die Ampelkoalition ringt um Lösungen in der Energiekrise.

Olaf Scholz mit Robert Habeck und Annalena Baerbock: Die Ampelkoalition ringt um Lösungen in der Energiekrise. (Quelle: Jochen Eckel/imago images)

Wegen der umstrittenen Gasumlage üben SPD und FDP verstärkt Druck auf Robert Habeck aus. Ein neuer Bericht dürfte den Ton in der Ampelkoalition noch verschärfen.

Der Druck auf die Ampelkoalition steigt, denn eine neue Recherche wirft weitere Fragen zur Gasumlage auf. Darin wird berichtet, dass die Chefs der Energiefirmen an der umstrittenen Verordnung mitgeschrieben haben sollen. Wie das Wirtschaftsmagazin "Business Insider" schreibt, sei die Idee zur Gasumlage bei den Verhandlungen entstanden, die den Energiekonzern Uniper vor der Pleite bewahren sollten.

Den Recherchen zufolge sei dies auf Drängen der Ratingagenturen passiert, die die Kreditwürdigkeit des strauchelnden Energieriesen herabstufen wollten. Die Details zur Gasumlage seien dann unter hohem Zeitdruck mit den Chefs zweier Energiekonzerne, Vertretern von Uniper und Beamten des Wirtschafts- und Finanzministeriums erarbeitet worden. "Business Insider" beruft sich bei den Informationen auf mehrere Insider aus Regierungskreisen.

Gasumlage soll Idee aus Umfeld von Uniper gewesen sein

Offenbar wurden in den Verhandlungen mehrere Ansätze diskutiert. Der Knackpunkt sei gewesen: Wie man die Gaskunden an den gestiegenen Kosten beteiligen könne. Die Energiechefs wollten dem Bericht zufolge vermeiden, dass sie bei einer 1:1-Lösung bei Millionen Kunden Preisanpassungen hätten durchführen müssen. Das hätte demnach Milliardenkosten verursacht und eine ungleiche Behandlung der Kunden zur Folge gehabt. Von den Ratingagenturen und aus dem Umfeld von Uniper sei daraufhin die Idee zur Gasumlage als sogenannte "Backstop-Lösung" gekommen.

Die Umlage aus Habecks Ministerium soll die wegen russischer Lieferkürzungen stark gestiegenen Kosten von Gasgroßimporteuren ausgleichen, um diese vor einer Pleite und das Energiesystem vor dem Kollaps zu bewahren. Alle Gaskunden sollen zusätzlich 2,4 Cent pro Kilowattstunde bezahlen. Kritisiert wird, dass auch Firmen profitieren könnten, denen es wirtschaftlich gut geht. Deshalb prüft die Bundesregierung nun Korrekturen, was juristisch kompliziert ist.

Uniper hatte immense Verluste im ersten Halbjahr dieses Jahres gemacht und sollte von einem Rettungspaket der Bundesregierung unter anderem mit der Gasumlage aufgefangen werden. Dass die Umlage jedoch auch ausgenutzt werden würde, habe man damals in der Hektik angeblich übersehen, heißt es in dem "Business Insider"-Bericht.

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Der Fall auf der Beliebtheitsskala: Lauterbach als Minister verwirrt nur und verbreitet Panik

Er war der Gesundheitsminister der Herzen – nun sinkt sein Stern rapide. Wie lange wird er das durchstehen? Ein Kommentar.

Ninmt er hier etwa gerade seinen Hut? Karl Lauterbach Bundesminister für Gesundheit, bei der Klausurtagung des Bundeskabinetts im Gästehaus Meseberg.

Ninmt er hier etwa gerade seinen Hut? Karl Lauterbach Bundesminister für Gesundheit, bei der Klausurtagung des Bundeskabinetts im Gästehaus Meseberg.© Foto: IMAGO/Christian Spicker

Der Herbst steht vor der Tür – und Herbstzeit ist Lauterbach-Zeit. Achtung, da läuft der Gesundheitsminister zu Hochform auf. Denn dann kann er sich aufs Neue ganz dem Thema widmen, das ihn überhaupt erst ins Amt gebracht hat: Corona. Und Karl Lauterbach warnt auch schon wieder, dass alles schlimm kommen könnte.

Das kennen wir aus dem vorigen Jahr. Nein, nicht dass es schlimm kommen wird, sagt er; nur eine Art Vorahnung treibt ihn an. Der Minister warnt sozusagen in Varianten, auch deshalb, weil er ja mit seinen Ahnungen beileibe nicht immer recht hatte.

Gottlob, muss man sagen. Und er wird sowieso sagen: Eben weil ich gewarnt habe. Aber so richtig wissenschaftlich war das nicht, ist es auch jetzt nicht. Dabei will doch der Herr Professor ein Mann der Wissenschaft sein. Na ja, nicht alle in der Wissenschaft – und der Ärzteschaft – sehen ihn so wie er sich selbst. Hinter vorgehaltener Hand sind die Urteile deutlich.

Vielmehr ist es so, wie es Marco Buschmann sagt, der Justizminister von der FDP. Zugegeben, die fährt bei Corona einen anderen Kurs; den kann man auch falsch finden. Aber Lauterbach geht halt inzwischen nicht nur ihnen gehörig auf die Nerven.

Also, Buschmann sagt: „Von Panikmache halte ich gar nichts. Für solche Virusvarianten gibt es derzeit nirgendwo Anzeichen.“ Er meint Virusvarianten, die zu einer epidemischen Lage nationaler Tragweite führen könnten, wieder zu Schulschließungen und allem. Dafür sehen Ärzte, insgesamt die Fachleute keinen Hinweis.

Klar ist – auch Lauterbach –, dass es für weiterführende Maßnahmen keine Mehrheit im Bundestag gibt. Nicht allein, weil die Freien Demokraten finden, „es müsste sich schon regelrecht die Hölle unter uns auftun, ehe wir dem zustimmen“, sondern weil die anderen Koalitionäre immer skeptischer werden, was Lauterbach und seine Prognosen angeht.

Fast wäre eine Frau an seiner Stelle gewesen

Wenn die SPD ehrlich ist, dann gibt sie zu: Er ist bloß Minister geworden, weil er sich so hervorgetan hatte in Talkshows und auf Twitter. Damit hat er sich beliebt gemacht. Lauterbach als Gesundheitsminister der Herzen – irgendwann konnte Olaf Scholz als Kanzler nicht mehr anders.

Und brachte für Lauterbach die Statik des Kabinetts durcheinander. Sonst wäre heute eine Frau Gesundheitsministerin, Bärbel Bas wahrscheinlich. Im Ministerium wären sie darüber so froh wie die übrige Politik. Lauterbach ist einfach nicht einzufangen.

Man hört: Er denkt, er wisse alles besser. Dabei verwirrt der Minister, bereitet Panik den Weg und erschwert den anderen das Handwerk des Regierens. Immerhin ist nicht alles Corona, es geht in seinem Ressort um viel Kompliziertes, um Krankenhäuser, Krankenkassen, Zuschüsse. Die Staatssekretäre haben es da nicht leicht.

Zumal es noch nicht mal bei Corona richtig gut läuft. Ein aktueller Entwurf zur Betrugsbekämpfung bei Corona-Schnelltests führt gerade Grüne und CSU in strammer Ablehnung zusammen. Der Entwurf sieht vor, dass Robert-Koch-Institut (RKI) und Gesundheitsämter der Städte und Landkreise noch mehr Betrügereien verhindern sollen.

Baden-Württemberg und Bayern erklären das Vorhaben von Lauterbach allerdings zur „denkbar schlechtesten Lösung“. Und jetzt ist er auch noch nicht mal mehr der Gesundheitsminister der Herzen. In der Beliebtheitsskala wird er nach hinten durchgereicht – Karl Lauterbach im Herbst seines Wirkens.

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„Egal, was meine deutschen Wähler denken“: Baerbocks Äußerung sorgt für Wirbel

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„Egal, was meine deutschen Wähler denken“: Baerbocks Äußerung sorgt für Wirbel

„Egal, was meine deutschen Wähler denken“: Baerbocks Äußerung sorgt für Wirbel© Bereitgestellt von Berliner Zeitung

Mögliche Proteste wegen hoher Energiepreise im Herbst und Winter werden den Worten von Außenministerin Annalena Baerbock zufolge nicht zur Aufhebung von Sanktionen gegen Russland führen. „Wir werden an der Seite der Ukraine stehen, und das bedeutet, dass die Sanktionen auch im Winter aufrechterhalten werden, selbst wenn es für Politiker sehr schwierig wird“, sagte die Grünen-Politikerin bei einer Podiumsdiskussion am Mittwoch in Prag.

Ihr sei bewusst, dass Menschen auf die Straße gehen und sagen würden: „Wir können unsere Energiepreise nicht bezahlen.“ Dagegen müsse man mit Sozialmaßnahmen vorgehen, aber sie werde deswegen nicht sagen, man müsse die Sanktionen gegen Russland aufheben.

„Wenn ich den Menschen in der Ukraine das Versprechen gebe: ‚Wir stehen an eurer Seite, solange ihr uns braucht‘, dann will ich es einhalten. Egal, was meine deutschen Wähler denken. Aber ich will das Versprechen dem ukrainischen Volk gegenüber einhalten“, betonte die Außenministerin.

Auf Twitter ging eine gekürzte Version der Aufnahme von Baerbocks Äußerungen auf der Podiumsdiskussion mit einer falschen Übersetzung viral. Demnach habe Baerbock gesagt: „Ich werde die Ukraine an erste Stelle stellen, egal, was meine deutschen Wähler denken und egal, wie hart es wird.“ Die Annahme, dass Baerbock diesen Satz sagte, führte dazu, dass der Hashtag #BaerbockRuecktritt trendete.

Tatsächlich sagte die Außenministerin auf Englisch aber folgende Worte: „If I give the promise as a politician – and luckily in democracy it could be the chance that people disagree with me and they say in four years ‚Well, you didn't tell us the truth‘. But if I give the promise to people in Ukraine, ‚we stand with you as long as you need us‘, then I want to deliver. No matter what my German voters think, but I want to deliver to the people of Ukraine. And this is why for me it’s important to be always frank and clear. And this means, every measure I’m taking, I have to be clear that this holds on as long as Ukraine needs me. And this is why I think it’s so important that we have to be frank. Yes everybody wishes from us that tomorrow the war stops, but in case tomorrow it wouldn’t stop, I will be also there in two years time. “

Die AfD-Vorsitzende Alice Weidel forderte Baerbocks Rücktritt: „Wer ausdrücklich auf die Interessen der Wähler in Deutschland pfeift, hat in einem Ministeramt nichts mehr verloren“, schrieb Weidel bei Twitter.

Die Bundestagsabgeordnete Sevim Dagdelen von der Linken kritisierte an gleicher Stelle, eine Außenministerin, die nach dem Motto „Ukraine first, Bürger egal“ handle, sei ein „Totalausfall“.

Der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen schrieb auf Twitter von „Schein-Heroismus“, weil die Mehrheit der Deutschen zur Unterstützung der Ukraine bereit sei. „Demokratische Politiker müssen versuchen, die Anderen mit guten Argumenten zu überzeugen und nicht mit Basta.“

Im Rahmen der Prager Diskussion hatte Baerbock allerdings auch vor einer Spaltung der westlichen Demokratien gewarnt. In diesem Zusammenhang versicherte sie, sie stehe ebenso in Solidarität zu den Menschen in Deutschland wie zu den Menschen in der Ukraine.

Nach Darstellung des Auswärtigen Amts wurde die Kritik an Baerbocks Ukraine-Äußerung durch prorussische Desinformation befördert. „Der Klassiker: Sinnenstellend zusammengeschnittenes Video, geboostert von prorussischen Accounts und schon ist das Cyber-Instant-Gericht fertig, Desinformation von der Stange“, schrieb der Ministeriumsbeauftragte für strategische Kommunikation, Peter Ptassek, am Donnerstag auf Twitter. „Ob wir uns so billig spalten lassen? Glaube ich nicht.“ Sein Tweet wurde vom offiziellen Twitterkanal des Auswärtigen Amts weiterverbreitet.

Die Kritik war noch am Mittwochabend unter anderem auf Twitter von einem Account geteilt worden, der während des Ukraine-Krieges häufig pro-russische Inhalte verbreitete. Dieser Tweet wurde binnen weniger Stunden über Nacht tausendfach geteilt und gelikt.

Baerbock hatte beim informellen EU-Außenministertreffen zudem für eine strategische Neuausrichtung der Russlandpolitik der EU geworben. Der Vorschlag der Außenministerin umfasste vier Punkte: die Stärkung der eigenen Wehrhaftigkeit, die Unterstützung von russischen Regimegegnern, die Unterstützung der Ukraine sowie die Zusammenarbeit mit weltweiten Partnern bei der Verteidigung des internationalen Rechts.

Den Vorschlag für die vier Punkte hat Baerbock nach eigenen Angaben zusammen mit ihrer französischen Kollegin Catherine Colonna erarbeitet. Er wurde den anderen Mitgliedstaaten zu dem informellen EU-Außenministertreffen an diesem Dienstag und Mittwoch in Prag als Diskussionsvorschlag zugeschickt.

In dem Text wird auch ganz deutlich festgehalten, was das Ziel der Unterstützung der Ukraine sein sollte. „Um künftigen Aggressionen vorzubeugen, muss sich Russlands Krieg gegen die Ukraine in ein strategisches Scheitern verwandeln“, heißt es in dem als Verschlusssache eingestuften Papier, das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Dieses Scheitern definiere man im weitesten Sinne und es umfasse auch eine Entkopplung von Russland im Bereich der Energie.

Dabei wird eingeräumt, dass die Unterstützung der Ukraine einen Preis hat, der voraussichtlich auch noch einmal steigen werde. Strategische Kommunikationsbemühungen sollten deswegen darauf abzielen zu zeigen, wie die Unterstützung für die Ukraine langfristig die Sicherheit Europas erhöhe und warum Sanktionen notwendig und effizient seien.

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Verschleierung der wahren Schulden – Rechnungshof übt harte Kritik am Finanzminister

Finanzminister Christian Lindner (FDP). Seiner Finanzplanung fehlt die nötige Transparenz über die ausufernde Verschuldung, kritisieren die Prüfer Quelle: dpa

Finanzminister Christian Lindner (FDP). Seiner Finanzplanung fehlt die nötige Transparenz über die ausufernde Verschuldung, kritisieren die Prüfer Quelle: dpa© dpa

Der Bundesrechnungshof hat den Entwurf des Bundeshaushalts 2023 von Christian Lindner (FDP) scharf kritisiert. „Aus dem Haushaltsentwurf wird die wahre Lage der Bundesfinanzen nicht deutlich“, heißt es in einem Bericht, der am Donnerstag an die Mitglieder des Haushaltsausschusses verschickt wurde und WELT vorliegt. Die Verlagerung von Ausgaben und Schulden in Sondervermögen sowie Buchungspraktiken verstellten das Bild.

Die „echte Nettokreditaufnahme“, wie die Experten des Bundesrechnungshofs dies nennen, sei „mit rund 78 Milliarden Euro vierfach höher als im Bundeshaushaltsplan ausgewiesen“, wo lediglich 17,2 Milliarden Euro stehen.

Letztlich wird Finanzminister Lindner Augenwischerei vorgeworfen, wenn er davon spricht, dass 2023 die Schuldenbremse wieder scharf geschaltet wird. So heißt es in dem Bericht des Rechnungshofs: „Die Schuldenregel wird zwar auf dem Papier eingehalten und suggeriert so eine auf Begrenzung der Neuverschuldung ausgerichtete Finanzpolitik. Wegen der tatsächlich wesentlich höheren Nettoneuverschuldung wird ihre Wirksamkeit jedoch stark eingeschränkt.“

Die oberste Bundesbehörde mit Sitz in Bonn fordert das Finanzministerium auf, dass es den Abgeordneten „bessere und klarere Informationen zur wahren Lage der Bundesfinanzen“ gibt. Insbesondere müsse die „echte Nettokreditaufnahme“ offen aus dem Bundeshaushaltsplan ersichtlich sein.

Die „erhebliche offene und verdeckte Verschuldung des Bundes“ müsse beendet werden. „Der Entwurf des Bundeshaushalts 2023 und die Finanzplanung der Bundesregierung bis 2026 lassen die tatsächliche Lage der Bundesfinanzen nicht unmittelbar erkennen“, schreiben sie.

Der vom Rechnungshof ausgewiesene höhere Kreditbedarf errechnet sich, wenn man die Beträge hinzurechnet, die bei der Auflösung der Allgemeinen Rücklage und in verschiedenen Sondervermögen 2023 anfallen.

Quelle: Infografik WELT

Quelle: Infografik WELT© Infografik WELT

Demnach müssen auch die 40,5 Milliarden Euro, die kommendes Jahr aus der einstigen Asylrücklage entnommen werden sollen, aus haushaltssystematischen Gründen per Kredit erst wieder beschafft werden. „In Folge der Buchungspraxis findet dieser Vorgang im Bundeshaushalt jedoch keinen Niederschlag“, schreiben die Experten.

Ähnlich verhält es sich mit dem „Klima- und Transformationsfonds“ (KTF), sowie den Sondervermögen „Digitale Infrastruktur“, „Aufbauhilfe 2021“ und „Bundeswehr“. Der KTF soll laut Haushaltsentwurf im nächsten Jahr Kredite in Höhe von 9,3 Milliarden Euro aufnehmen, im Sondervermögen Digitale Infrastruktur sind 2,7 Milliarden Euro zu erwarten, für die Aufbauhilfe 2021 werden kreditfinanzierte Ausgaben von 3,2 Milliarden Euro anfallen. Auch diese Beträge seien durch eine im Vorjahr geänderte Buchungspraxis „dem Ausweis im Bundeshalt entzogen“, schreibt der Bundesrechnungshof.

Dann gibt es noch den 100-Milliarden-Euro-Topf für die bessere Ausstattung der Bundeswehr. Auch diese Mittel sind noch nicht vorhanden. Verfassungsrechtlich sind sie von der Schuldenregel ausgenommen. Schulden bleiben es. Im kommenden Jahr sollen dafür Kredite in Höhe von 8,5 Milliarden Euro aufgenommen werden.

Quelle: Infografik WELT

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Diese Buchungspraktiken stützen sich alle auf Gesetze, die vom Parlament beschlossen wurden. Der Bundesrechnungshof stört sich jedoch an der fehlenden Transparenz. Haushaltsklarheit und -wahrheit seien weder Selbstzweck noch hätten sie eine rein formale Funktion. Es sei nicht vermittelbar, wenn das Bundesfinanzministerium dem Haushaltsgesetzgeber, also den Bundestagsabgeordneten, das Maß an Transparenz vorenthalte, das möglich wäre.

Dabei beziehen sie sich auch darauf, dass die Ausgaben in den kommenden Jahren keineswegs sinken, sondern „unter Einbeziehung der Sondervermögen stark expansiv“ bleiben. So liegen sie beispielsweise im Jahr 2026 aus Sicht des Bundesrechnungshofs eigentlich bei 504,6 Milliarden statt bei 436,3 Milliarden Euro, wie im Bundeshaushalt ausgewiesen. Im kommenden Jahr seien es 492,6 Milliarden Euro statt 445,2 Milliarden Euro.

Das Bundesfinanzministerium weist in seiner im Bericht aufgeführten Stellungnahme die Vorwürfe zurück. Dem Haushaltsentwurf mangele es „weder an Transparenz noch werde die parlamentarische Kontrolle eingeschränkt“. Die detaillierten Wirtschaftspläne der Sondervermögen seien dem Haushaltsentwurf beigefügt.

Quelle: Infografik WELT

Quelle: Infografik WELT© Infografik WELT

Aus Sicht des Rechnungshofs reicht es allerdings nicht, entscheidende Informationen einzeln an den unterschiedlichsten Stellen des Entwurfs des Bundeshaushalts aufzuführen. „Das zutreffende Bild der wahren Lage der Staatsfinanzen darf nicht der Analyse von Spezialisten des Haushaltsrechts und der Haushaltssystematik vorbehalten bleiben“, erwidern wiederum die Prüfer auf die Stellungnahme des Ministeriums.

Kritik äußern die Experten des Rechnungshofs auch an der zunehmenden Unwucht bei der finanziellen Ausstattung des Bundes und der Länder. In dem Bericht heißt es dazu: „Bei der Steuerverteilung entgehen dem Bund von 2022 bis 2026 rund 100 Milliarden Euro durch Verzichte zugunsten der Länder.“ Während der Bund 2019 noch 41,2 Prozent des Gesamtsteueraufkommens bekommen habe, werde sich dieser Anteil 2023 bei 39,3 Prozent einpendeln.

Zusätzlich zu seinem kontinuierlichen Verzicht auf Einnahmen zugunsten der Länder, finanziere der Bund aus seinem Haushalt Aufgaben mit, die im Kern bei den Ländern und Kommunen liegen, schreiben die Prüfer. Als Beispiele nennen sie die Finanzierung von Schulen und Hochschulen, Kosten der Unterkunft und Heizung, Städtebauförderung, Digitale Infrastruktur und Kommunalinvestitionen. Diese Unwucht kritisiert auch Bundesfinanzminister Lindner.

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Merz: Union wenn nötig sofort regierungsfähig

CDU und CSU haben der Ampel-Koalition das Verschleppen dringend notwendiger Entscheidungen vorgeworfen - und die sofortige Regierungsfähigkeit der Union betont. «Wenn die Regierung heute scheitert, sind wir morgen bereit zu übernehmen», sagte Bundestagsfraktionschef Friedrich Merz (CDU) am Donnerstag zum Start einer Klausur der Unions-Fraktionsführung auf der Zugspitze. Dort will die Union den Druck auf die Bundesregierung mit eigenen Vorschlägen für Entlastungen der Bürger und der deutschen Wirtschaft wegen der drastisch gestiegenen Energiepreise erhöhen.

Unionsfraktionschef Friedrich Merz (CDU) spricht zum Start der Klausur auf der Zugspitze.

Unionsfraktionschef Friedrich Merz (CDU) spricht zum Start der Klausur auf der Zugspitze.© Angelika Warmuth/dpa

CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sagte angesichts der jüngsten Klausur der Bundesregierung im brandenburgischen Meseberg, die noch ohne konkrete Entlastungsbeschlüsse geblieben war, die Ampel-Regierung habe nicht die Kraft für Entscheidungen. «Die Ampel hat jetzt schon wieder einen kompletten Sommer verkommen lassen und die notwendigen Entscheidungen verschleppt», sagte Dobrindt und warnte, dadurch werde Deutschland «jeden Tag ein Stück ärmer».

Nach Vorstellung Union sollten Alleinstehende und Familien bis zu einer bestimmten Einkommensgrenze 2022 und 2023 mit Freibeträgen bei der Einkommenssteuer entlastet werden. Dobrindt sagte, die Spitze der Fraktion schlage vor, jetzt schnell eine Entlastungsentscheidung zu treffen «mit 3000 Euro für jede Familie plus 1000 Euro für jedes Kind, um das Signal zu geben: Niemand wird mit diesen explodierenden Energiepreisen jetzt alleine gelassen».

In einem Beschlussentwurf für die Klausur heißt es, der Freibetrag von 3000 Euro und der weitere Zuschlag von 1000 Euro für jedes Kind solle pro Haushalt für Alleinstehende mit einem Jahresbruttoeinkommen von maximal 30.000 Euro gelten. Für ein verheiratetes Paar sieht der Vorschlag eine Einkommensgrenze von 60.000 Euro vor. Geringverdienern, die nicht einkommensteuerpflichtig sind, müsse eine Direktzahlung ermöglicht werden, heißt es weiter.

Abgesehen davon sieht ein Unionsvorschlag vor, die Gasspeicher in Deutschland künftig in staatliche Verantwortung zu stellen. Außerdem verlangt die Union erneut ein sofortiges Aus der Gasumlage-Pläne von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). Habeck müsse einsehen, dass er «ganz großen Bockmist» gebaut habe, sagte Dobrindt. Erneut forderten Merz und Dobrindt eine längere Kernkraft-Nutzung.

Die Spitze der Unionsfraktion will sich zudem für die Herauslösung des Gaspreises aus der Bildung des Strompreises einsetzen, um für eine Entlastung der Bürger in Deutschland zu sorgen. Auch die Bundesregierung strebt eine Reform des Strommarktes an. Skeptisch äußerte sich Merz zur Idee einer Übergewinnsteuer für Unternehmen, die wegen der hohen Energiepreise sehr große Gewinne erzielen. Dies werde steuer- und verfassungsrechtlich nicht möglich sein, sagte er.

Merz attackierte Kanzler Olaf Scholz (SPD) scharf und warf ihm «geradezu erschütternde» Ereignisse während des Sommers vor: konkret Erinnerungslücken im Cum-Ex-Skandal sowie Scholz' anfängliche Nicht-Reaktion nach dem Holocaust-Vorwurf von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas gegen Israel bei einem Auftritt im Kanzleramt. «Es gibt Fehler, die in einem solchen Amt nicht passieren dürfen», betonte Merz. «Ich bin geneigt zu sagen, das wäre keinem seiner Amtsvorgänger in dieser Form passiert.» Das belaste das Ansehen Deutschlands in der ganzen Welt. Spätestens Scholz' Mitarbeiter hätten reagieren müssen.

Auf Nachfrage sagte Merz, er sei «noch nicht so weit», ein endgültiges Urteil darüber abzugeben, ob Scholz angesichts all dessen dem Amt des Bundeskanzlers wirklich gewachsen sei. Aber ein solch schwerer Fehler lasse diese Zweifel «in der Tat aufkommen».

Abbas hatte Israel bei einer Pressekonferenz mit Scholz im Kanzleramt vielfachen «Holocaust» an den Palästinensern vorgeworfen und damit Empörung ausgelöst. Der Kanzler erwiderte darauf in der Pressekonferenz nichts und distanzierte sich erst später deutlich. Das wurde zuletzt schon von vielen Seiten als zu spät kritisiert.

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Wagenknecht attackiert Baerbock: „Eine Gefahr für unser Land“

Bild: DIE LINKE, Sahra Wagenknecht und Oskar Lafontaine in Weimar, CC BY 2.0, via Wikimedia Commons (Bildgröße geändert)

Bild: DIE LINKE, Sahra Wagenknecht und Oskar Lafontaine in Weimar, CC BY 2.0, via Wikimedia Commons (Bildgröße geändert)© Bereitgestellt von Z-LiVE NEWS

Die Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht hat in einem Twitter-Post die deutsche Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Die Grünen) scharf kritisiert. Wagenknecht schreibt:

„Eine Außenministerin, die erklärtermaßen nicht die Interessen der dt. Wähler sondern der Ukraine vertritt & im Interesse der US-Reg. Verhandlungen zur Kriegsbeendigung ablehnt, ist nicht nur eine eklatante Fehlbesetzung, sondern eine Gefahr für unser Land.“

Dazu verlinkt Wagenknecht auf einen Artikel von welt.de, in dem sich auf eine vorausgegangene Aussage Baerbocks bezogen wird. Die Grünen-Politikerin versprach, ihr Versprechen, die Ukraine zu unterstützen, einzuhalten und fügte hinzu: „Egal, was meine deutschen Wähler denken.“

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Putin schlägt zu – Deutschland reagiert
Kremlchef Putin inspiziert in Kaliningrad einen Stützpunkt der russischen Marine.
Kremlchef Putin inspiziert in Kaliningrad einen Stützpunkt der russischen Marine. (Quelle: Sputnik/Alexey Maishev/Reuters-bilder)

das erste Septemberwochenende 2022 wird in die politischen Annalen eingehen. Wir werden uns künftig ebenso daran erinnern, wie wir uns an den 5. Oktober 2008 und an den 18. März 2020 erinnern: jenen Sonntag auf dem Höhepunkt der Finanzkrise, als Kanzlerin Merkel und Finanzminister Steinbrück die Einlagensicherung verkündeten ("die Spareinlagen sind sicher"). Und jenen Mittwoch zu Beginn der Corona-Pandemie, als Merkel den Lockdown verkündete ("es ist ernst. Nehmen Sie es auch ernst.").

Im Herbst 2008 garantierten Merkel und Steinbrück die deutschen Sparguthaben.
Im Herbst 2008 garantierten Merkel und Steinbrück die deutschen Sparguthaben. (Quelle: Rainer Jensen/dpa-bilder)
Im Frühjahr 2020 warnte Merkel die Deutschen vor der ersten Corona-Welle.
Im Frühjahr 2020 warnte Merkel die Deutschen vor der ersten Corona-Welle. (Quelle: imago-images-bilder)
Gestern verkündeten die Ampelkoalitionäre Milliardenhilfen gegen die Energiekrise
Gestern verkündeten die Ampelkoalitionäre Milliardenhilfen gegen die Energiekrise (Quelle: Christian Mang/Reuters-bilder)

In den vergangenen drei Tagen haben sich die Ereignisse überschlagen. Unter einem Vorwand haben Putins Gazprom-Schergen am Freitag angekündigt, Deutschland nun gar kein Erdgas mehr zu liefern. Der Kreml kappt Deutschlands Lebensader Nord Stream 1. Putin schlägt zu und weiß natürlich, wie hart er uns am Herbstbeginn trifft.

Damit ist der Druck auf die Bundesregierung enorm gestiegen. Zwar sind die deutschen Gasspeicher schon zu 84 Prozent gefüllt, doch in den kühleren Wochen werden sie sich leeren, und wenn nicht genug Gas aus Norwegen, Holland und Belgien nachkommt, wird es im Frühjahr eng. Schon jetzt spielen die Energiepreise verrückt: steigen, fallen, steigen wieder. Von Butter über Benzin bis zur Heizung verteuert sich das Leben, die Mittelschicht droht zu verarmen, bei Niedrigverdienern geht es buchstäblich ums tägliche Brot. "So schlimm wie jetzt war es noch nie", sagt Sabine Werth von der Berliner "Tafel", die Lebensmittel an Bedürftige verteilt, im Interview mit meiner Kollegin Lisa Becke. Im Kanzleramt fürchtet man um den sozialen Frieden, "Gelbwesten-Proteste" muss es ja nicht nur in Frankreich geben.

Im selben Tempo, in dem die Preise steigen, sinkt die Zufriedenheit mit der Ampelregierung. Die Fehler und Zankereien der vergangenen Wochen haben Spuren hinterlassen: Sieben von zehn Deutschen sind unzufrieden mit der Arbeit von SPD, Grünen und FDP, meldet die ARD im "Deutschlandtrend" – mehr als je zuvor.

Schlechte Werte für die Regierung im "Deutschlandtrend".
Schlechte Werte für die Regierung im "Deutschlandtrend". (Quelle: tagesschau.de)

Putin dreht den Gashahn zu, und der Rückhalt in der eigenen Bevölkerung schwindet: Unter dem doppelten Druck von außen und innen ist die Ampelregierung notgedrungen in die Offensive gegangen – und hat dieselbe Antwort gegeben wie alle Bundesregierungen der vergangenen Jahre, wenn sie mit akuten Krisen konfrontiert waren. Sie greift tief in die Staatskasse und versucht, die Krisenwunden mit einem riesigen Geldpflaster zuzukleben. Die Beschlüsse im Überblick:

Rentner bekommen zum 1. Dezember eine einmalige Energiepreispauschale von 300 Euro. Studenten und Azubis erhalten 200 Euro.

Der Strompreisdeckel kommt, zumindest für den Basisverbrauch. Sowohl Privathaushalte als auch kleine Firmen sollen davon profitieren. Allein das kostet einen zweistelligen Milliardenbetrag, den die Ampelleute durch eine verkappte Übergewinnsteuer hereinholen wollen. Zwar darf die nicht so heißen, damit die FDP ihr Gesicht wahren kann. Doch Energiefirmen, die von den hohen Preisen profitieren, müssen blechen.

Der Klimaschutz wird hinausgezögert: Der CO2-Preis für Heizen und Tanken steigt nicht wie geplant im nächsten Jahr, sondern erst 2024.

Wohngeldbezieher erhalten einen Heizkostenzuschuss; für einen Einpersonenhaushalt sind es 415 Euro.

Die Einkommensteuer wird angepasst. So will die Regierung verhindern, dass Millionen Bürger trotz Gehaltserhöhungen durch die Inflation Geld verlieren.

Das 9-Euro-Ticket bekommt einen Nachfolger, dessen Preis zwischen 49 und 69 Euro pro Monat liegt. Genaueres muss Verkehrsminister Wissing mit den Bundesländern aushandeln, Herr Kretschmann in Stuttgart läuft sich schon warm.

Im Januar will die Regierung Hartz IV durch ein Bürgergeld ersetzen und die Regelsätze um 50 Euro auf rund 500 Euro erhöhen.

Das Kindergeld steigt ebenfalls ab Januar um 18 Euro monatlich für das erste und zweite Kind.

Das ist der Plan. Anders als bei den ersten beiden Entlastungspaketen greifen die Koalitionäre diesmal vor allem jenen Menschen unter die Arme, die eh schon jeden Euro zweimal umdrehen müssen (mehr zu den Details lesen Sie hier). "Klotzen statt kleckern – das soll die Botschaft sein", berichten unsere Reporter aus dem Berliner Regierungsviertel.

65 Milliarden Euro soll das alles kosten, viel mehr als ursprünglich geplant. "Möglicherweise liegen wir je nach Entwicklung sogar noch darüber", sagt Finanzminister Lindner. Zusammengenommen summieren sich die drei Pakete auf fast 100 Milliarden Euro. Das Sondervermögen für die Bundeswehr in selber Höhe hinzugerechnet, kostet die Ukraine-Krise Deutschland somit nach sechs Monaten schon halb so viel wie das gesamte Corona-Desaster. Und das Drama ist noch lange nicht zu Ende, der Winter kommt ja erst noch. "Es geht darum, unser Land sicher durch diese Krise zu führen", sagt der Kanzler, "wir werden niemanden allein lassen." Ein großes Versprechen, das nur ein reiches Land geben kann.

Ist die Euro-Schwemme also klug? Sicher, so viel Geld kann helfen, wenn es gezielt eingesetzt wird, um die ärgste Not zu lindern und soziale Verwerfungen zu verhindern. Zugleich ist klar: Das XXL-Geldpflaster mag den Schmerz zwar ein paar Monate lang betäuben. Vollständig heilen wird es die Wunden, die der Krisensturm in der Gesellschaft schlägt, sicher nicht. Selbst wenn in der Ukraine irgendwann die Waffen schweigen sollten, selbst wenn Putin irgendwann weg vom Fenster ist: Die Herausforderungen schrumpfen nicht, sie wachsen. Rohstoffe werden knapper; auch Windkraft, Solarenergie und grüner Wasserstoff bleiben noch lange rar und teuer. Zugleich verschärfen sich die Folgen der Erderhitzung. Katastrophen wie derzeit in Pakistan, wo die Sintflut mehr als 30 Millionen Menschen zu Obdachlosen gemacht, die Äcker auf Jahre vernichtet und 20.000 Schulen zerstört hat, sind keine Ausnahmen mehr. Sie werden zur Regel, und ihre Erschütterungen haben immer häufiger globale Folgen.

Die Art und Weise, wie wir gegenwärtig leben, konsumieren, Politik machen, überfordert die Natur. Sie ist kurzfristig, dabei müssten wir endlich vorausschauend handeln. In diesem Modus bleibt ein Planet mit acht Milliarden Zweibeinern nur noch wenige Jahre halbwegs stabil. Deshalb ist es zwar richtig, die Schmerzen von Inflation und Energiemangel jetzt mit einem großen Geldpflaster zu lindern. Aber ab jetzt sollten einflussreiche Länder wie Deutschland den konsequenten Klimaschutz zur obersten Priorität machen. Sonst helfen irgendwann auch keine Geldpflaster mehr, um uns ein gutes Leben zu erhalten.