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News zur Bundesregierung

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Ab Januar - „Faktisch eine Steuererhöhung“: Aus zwei Gründen wird Ihr Gas bald teurer

Sipplingen am Bodensee IMAGO/imagebroker

Sipplingen am Bodensee IMAGO/imagebroker© IMAGO/imagebroker

Den Verbraucherinnen und Verbrauchern in Deutschland droht eine teils deutliche Erhöhung beim Gaspreis. Schuld sind gleich zwei Effekte.

Zum kommenden Jahr steigt die Umsatzsteuer, die im Zuge des Ukraine-Kriegs von der Ampel-Regierung auf sieben Prozent gesenkt wurde, wieder auf 19 Prozent. So sieht es der Plan von Finanzminister Christian Lindner vor.

Gleichzeitig steigt der CO2-Preis auf 40 Euro pro Tonne. Das sorgt dafür, dass der Gaspreis teils deutlich steigt. Der Bund der Steuerzahler hat für die „ Bild “-Zeitung ausgerechnet, wer von diesem doppelten Effekt wie stark betroffen ist.

  • Single , Verbrauch von 600 Kilowattstunden: 100,92 Euro mehr pro Jahr
  • Paar , Verbrauch von 1000 Kilowattstunden: 168,24 Euro mehr pro Jahr
  • Familie (Wohnung) , Verbrauch von 1500 Kilowattstunden: 252,36 Euro mehr pro Jahr
  • Familie (Eigenheim) , Verbrauch von 2000 Kilowattstunden: 336,48 Euro mehr pro Jahr

Spahn kritisiert Lindner-Plan: „Faktisch eine Steuererhöhung“

Gegenüber der „Bild“-Zeitung forderte CDU-Mann Jens Spahn: „Mitten im kalten Winter wird Gas durch die Regierung verteuert. Damit bricht die Ampel ihr Entlastungsversprechen. Dieser Lindner-Plan ist faktisch eine Steuererhöhung.“

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„Wertschöpfung, Betriebe und Arbeitsplätze in Gefahr“ – Industrie greift Kanzler an

Zum Auftakt des eigenen Klimakongresses des BDI geht sein Chef Siegfried Russwurm auf Konfrontationskurs. „Wir brauchen Entscheidungen“, forderte er und verwies auf eine Aussage von Kanzler Scholz im Mai. Ein existenzieller Bereich steht besonders im Fokus der Industrie.

„Das Licht an immer mehr deutschen Standorten wird buchstäblich ausgeschaltet“, sagt BDI-Chef Russwurm picture alliance/dpa/Jörg Carstensen

„Das Licht an immer mehr deutschen Standorten wird buchstäblich ausgeschaltet“, sagt BDI-Chef Russwurm picture alliance/dpa/Jörg Carstensen© Bereitgestellt von WELT

Der Ton zwischen der Industrie und der Bundesregierung wird zunehmend schärfer. Zum Auftakt eines eigenen Klimakongresses in Berlin griff der Chef des Bundesverbands der deutschen Industrie (BDI), Siegfried Russwurm, die Koalition aus SPD, Grünen und FDP frontal an.

„Das Hin und Her innerhalb der Ampel-Regierung und das Verweisen von Verantwortung vom Bund auf die Länder auf die Kommunen und umgekehrt müssen endlich aufhören. Wir brauchen Entscheidungen“, forderte Russwurm. Er zitierte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), der im Mai gesagt hatte, Deutschland habe sich „mit Vorschriften zugemauert“. „Manchmal frage ich mich: Wem hält der Bundeskanzler da eigentlich den Spiegel vor?“, sagte Russwurm.

Hintergrund der Auseinandersetzung zwischen Wirtschaft und Politik sind die aktuellen Debatten um die Reform des Klimaschutzgesetzes im Deutschen Bundestag und der Streit um die Einführung eines reduzierten Strompreises für energieintensive Industriebetriebe. Bei beiden Themen gibt es auch innerhalb der Ampel-Koalition unterschiedliche Positionen.

Der Kanzler ist gegen einen Industriestrompreis, während Teile der SPD und der Grünen dafür sind. Beim Klimaschutzgesetz wiederum hat sich die FDP mit der Aufhebung verbindlicher Ziele für einzelne Sektoren wie Energie und Verkehr durchgesetzt – was einige Grüne und die Umwelt-Lobbygruppen ablehnen.

„Das Licht an immer mehr deutschen Standorten wird buchstäblich ausgeschaltet“

Die Industrie-Lobby fordert schnelle Beschlüsse. „Wertschöpfung, Betriebe und Arbeitsplätze weiter Teile der energieintensiven Industrie an ihren Standorten in Deutschland sind konkret in Gefahr“, sagte Russwurm mit Blick auf die hohen Strompreise im Land. Nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine und dem Ende der russischen Gaslieferungen hatten sich die Energiekosten in Deutschland enorm verteuert.

Zusätzlich sind mit der Abschaltung der letzten drei Atomkraftwerke diese billigen Stromproduzenten weggefallen. Vor diesem Hintergrund warnte Russwurm davor, dass industrielle Produktion wegbreche oder ins Ausland verlagert werde. „Das Licht an immer mehr deutschen Standorten wird buchstäblich ausgeschaltet“, sagte er. „Ohne international wettbewerbsfähige Energiekosten für die Unternehmen geht das nicht gut aus.“

Bei der Forderung nach staatlich subventionierten Strom-Rabatten hat die Industrie auch die Arbeitnehmer auf ihrer Seite. Gerade hat die IG Metall eine bundesweite Aktionswoche gestartet, um den Druck auf die Bundesregierung für die Einführung eines Brückenstrompreises – wie sie ihn nennt – zu erhöhen. Die Gewerkschaft fordert einen verbilligten Preis von fünf Cent pro Kilowattstunde für energieintensive Betriebe wie beispielsweise Stahlwerke, Gießereien und Aluminiumhersteller.

Bedingung aus Sicht der Arbeitnehmer wäre es, dass sich die Unternehmen zu Standort- und Tariftreue verpflichten. Klima- und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatte einen Industriestrompreis von sechs Cent pro Kilowattstunde ins Gespräch gebracht. Dieses Vorhaben liegt in der Koalition aber vorerst auf Eis.

Die offene Frage nach den Back-up-Kraftwerken

BDI-Präsident Russwurm kritisierte nicht nur diese fehlende Entlastung der Betriebe, sondern auch die unklare Finanzierung des Stromnetzausbaus und die bisher offene Frage, wie in Deutschland sogenannte Back-up-Kraftwerke entstehen können, die mit Wasserstoff betrieben werden. „Eine weitere politisch induzierte Verteuerung von elektrischem Strom, während etliche Branchen in extreme Bedrängnis geraten und den Glauben an die Zukunftsfähigkeit ihrer deutschen Standorte verlieren, macht Unternehmerinnen und Unternehmer einfach nur fassungslos“, sagte er mit Blick auf Habecks Energiepolitik.

Der Wirtschaftsminister wird am Dienstag auf der BDI-Klimakonferenz die Gelegenheit bekommen, auf die Vorwürfe aus der Industrie zu antworten. Vor und nach ihm werden Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) und Bauministerin Klara Geywitz (SPD) auf der Bühne erwartet.

Alle drei Minister stehen für Sektoren, in denen es mit der Senkung der CO₂-Emissionen nicht richtig vorangeht und der Weg zur Klimaneutralität heftig umstritten ist. „Deutschland ist definitiv nicht gut unterwegs in Richtung seiner Klimaziele und deren Zeitpläne. Das ist schon schlimm genug“, sagte Russwurm. Gleichzeitig wachse täglich das Risiko, weitere Teile der Industrie zu verlieren.

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AfD verklagt Bundesregierung

Die AfD-Bundestagsfraktion fordert die Offenlegung von Namen und Honoraren von Journalisten, die für die Bundesregierung tätig waren.

Die AfD-Bundestagsfraktion hat Klage gegen die Bundesregierung eingereicht. Der Streitpunkt: Die Offenlegung von Namen und Honoraren von Journalisten. © dpa

Die AfD-Bundestagsfraktion hat Klage gegen die Bundesregierung eingereicht. Der Streitpunkt: Die Offenlegung von Namen und Honoraren von Journalisten. © dpa© dpa

Berlin. Die AfD-Bundestagsfraktion hat vor dem Bundesverfassungsgericht Klage gegen die Bundesregierung zur Freigabe von Namen und Honoraren von Journalisten eingelegt, die für die Regierung etwa Veranstaltungen moderiert oder Vorträge gehalten haben. Das teilte der Parlamentarische Geschäftsführer der Fraktion, Stephan Brandner, am Dienstag in Berlin mit.

Die AfD hatte diese Informationen in mehreren parlamentarischen Anfragen an die Regierung abgefragt, sieht ihre Anfragen aber nicht ausreichend beantwortet, da nicht alle Namen und Honorare öffentlich, sondern ein Teil davon nur in der Geheimschutzstelle des Bundestags zugänglich gemacht wurden. Dort konnte die AfD diese einsehen.

Die Regierung hatte mit dem Datenschutz und dem Persönlichkeitsrecht der Betroffenen argumentiert. Die AfD-Fraktion wirft ihr dagegen vor, Aufträge und Honorare verheimlichen zu wollen. "Stichwort: Eine Hand wäscht die andere", sagte Brandner.

Aus einer der Antworten der Bundesregierung geht hervor, dass in den vergangenen fünf Jahren für Moderationen, Vorträge, Interviews und andere Leistungen knapp 1,5 Millionen Euro an 200 verschiedene Journalistinnen und Journalisten gezahlt wurden. Dabei handelt es sich sowohl um Festangestellte als auch Freie, die für öffentlich-rechtliche oder private Medien arbeiten. (dpa)

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Opposition fordert neue Aussage

Neue Irritationen bei Schönbohm-Affäre: Internes Schreiben setzt Faeser weiter unter Druck

Markus Richter und Nancy Faeser

Markus Richter und Nancy Faeser© IMAGO/Frederic Kern

Ein Dokument bringt Innenministerin Faeser in Bedrängnis. Es lobt Schönbohm, den sie wegen Vertrauensverlust versetzt hat. Die Opposition fordert Antworten.

Berlin – Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte bei einer Befragung im Innenausschuss des Bundestags jegliches Fehlverhalten in der Affäre um die Versetzung von Behördenchef Arne Schönbohm zurückgewiesen. Als „unverschämt“ kritisierte Faeser nach der dreistündigen Befragung am Mittwoch (20. September) den Vorwurf der Opposition, sie habe den Verfassungsschutz instrumentalisiert, um Erkundungen über Schönbohm anstellen lassen. Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang stützte die Darstellung der Ministerin, dass es keinen Versuch der Instrumentalisierung seiner Behörde gegeben habe.

Schönbohms Versetzung in eine andere Behörde rechtfertigte Faeser mit einem Vertrauensverlust, der bereits lange vor Bekanntwerden der Russland-Vorwürfe eingesetzt habe.

Faeser über Schönbohm: „Gravierende fachliche Differenzen“

„Bereits deutlich vor meinem Amtsantritt und unter verschiedenen Innenministern der Union gab es immer wieder Beanstandungen der Fachaufsicht hinsichtlich der Amtsausübung durch Herrn Schönbohm“, sagte sie. „Zudem gab es gravierende fachliche Differenzen hinsichtlich von Fragen der Bewertung von Gefahren durch Cyberangriffe im Zuge der russischen Invasion in der Ukraine.“

Die herabsetzende Charakterisierung des ehemaligen Leiters der Cyberabwehr soll im Bundesinnenministerium für Erstaunen gesorgt haben, wie jetzt die Bild berichtet. Unter Faesers Vorgänger Horst Seehofer (CSU) war Markus Richter der Staatssekretär und Leiter der Fachaufsicht. In den Unterlagen des Ministeriums befindet sich ein Dokument des bis heute im Amt befindlichen Staatssekretärs, der für IT-Sicherheit verantwortlich ist, datiert auf den 28. Januar 2021. Dieses Dokument hat das Blatt nach eigenen Angeben mittlerweile einsehen können.

Von „hochkompetenter Zuarbeit“ sei die Rede. Richter schätze Schönbohms „herausragende Expertise, unermüdliches Engagement und die offene Kommunikation“. Der IT-Staatssekretär führte laut Bild aus: „Es gilt, die Digitalisierung in Deutschland weiter voranzutreiben und gleichzeitig den damit verbundenen, erhöhten Anforderungen an die IT-Sicherheit Rechnung zu tragen. Das tun Sie mit Ihrer Arbeit und mit Ihrem Team in beispielgebender Art und Weise.“

CDU und CSU fordern Stellungnahme Faesers

Christoph de Vries, Innenexperte der CDU, sieht Faesers Aussage im Bundestagsausschuss damit widerlegt. „Die kritischen Aussagen der Innenministerin widersprechen fundamental dem Dankschreiben des zuständigen Staatssekretärs, der die fachliche Expertise, die offene Kommunikation und die erfolgreiche Abwehr massiver Cyberattacken ausdrücklich lobt“, sagte der dem Blatt.

Die CSU-Fraktionsvize Andrea Lindholz forderte eine Stellungnahme der Innenministerin. Es gehe um Vorwürfe der Täuschung der Öffentlichkeit. „Ich erwarte von der Innenministerin, dass sie dazu am Mittwoch im Innenausschuss Stellung nimmt. Eine Verfassungsministerin, die die Öffentlichkeit täuscht, wäre nicht haltbar“, sagte Lindholz laut Bild.

Das Bundesinnenministerium sieht den Brief jedoch nur als „gewöhnliches Schreiben“ an. Eine Sprecherin erklärte der Zeitung: „Das Schreiben vom Januar 2021 an den seinerzeitigen Präsidenten des BSI war ein gewöhnliches Schreiben zum Dank zum Jahreswechsel, wie es in ähnlicher Form auch andere Behördenleitungen erhielten.“

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Robert Habeck: Brisantes Papier aufgetaucht! Bürger bei AKW-Aus bewusst getäuscht?

Hat Habecks Ministerium Textpassagen in dem AKW-Papier streichen lassen? ©picture alliance/dpa | Bernd von Jutrczenka

Hat Habecks Ministerium Textpassagen in dem AKW-Papier streichen lassen? ©picture alliance/dpa | Bernd von Jutrczenka© news.de

Im April 2023 hat Deutschland die letzten drei verbliebenen Atomkraftwerke abgeschaltet. Durch das Aus der Kraftwerke Emsland in Niedersachsen, Isar 2 in Bayern und Neckarwestheim 2 in Baden-Württemberg ist der Atomausstieg in Deutschland vollzogen. Lange hatte ein Atomstreit in der Ampel-Regierung geschwelt, bis Kanzler Olaf Scholz schließlich von seiner Richtlinienkompetenz Gebrauch gemacht hatte und ein Machtwort sprach.

Nach AKW-Aus: Union fordert Weiterbetrieb der drei abgeschalteten Atomkraftwerke

Doch auch nach dem AKW-Aus sprachen sich einige Politiker dafür aus, die Kernkraftwerke vorübergehend weiter zu betreiben. So hatte die Union gefordert, die drei AKWs noch mindestens bis Ende 2024 weiterlaufen zu lassen. Die Kernkraftwerke abzuschalten, sei laut Jens Spahn schon fahrlässig gewesen. "Noch fahrlässiger wäre, sie abzubauen. Wer Kohlekraft in die Reserve nimmt, sollte auch klimaneutrale Kernkraftwerke in die Reserve nehmen", so Spahn im April 2023.

Robert Habeck: Eklat um brisantes Papier zum AKW-Aus

Doch Monate nach dem AKW-Aus geraten Robert Habeck und sein Wirtschaftsministerium erneut in die Schlagzeilen. Der Grund: Ein brisantes internes AKW-Papier ist aufgetaucht. Darüber berichtet aktuell die "Bild"-Zeitung. Man wirft Habeck und seinen Mitarbeitern vor, Informationen zur CO-Einsparung bei einem AKW-Weiterbetrieb aus dem Papier gestrichen zu haben.

Ins Rollen gebracht hatte das Ganze die Klage eines Redakteurs der Zeitschrift "Cicero", der Einsicht in Unterlagen des Bundeswirtschaftsministeriums zum Weiterbetrieb von Kernkraftwerken verlangt hatte. Während das Wirtschaftsministerium laut "Cicero" auf Zeit spielte und "alle Fristen verstreichen ließ", um die Unterlagen zu übergeben, erhielt das Magazin zumindest vom Umweltministerium, bei dem es ebenfalls eine Anfrage gestellt hatte, Antwort.

Vorwürfe gegen Habecks Ministerium: Passage zur CO2-Einsparung durch AKW-Weiterbetrieb gestrichen

Das Ministerium gab laut "Bild" den Schriftverkehr mit dem Habeck-Ministerium preis. Laut "Bild" sollen in diesen Unterlagen die Vorteile der Kernkraftwerke deutlich benannt worden sein. Habeck jedoch soll die Öffentlichkeit über diese nicht ausreichend informiert haben. Stattdessen soll unter anderem die Textpassage "Mit Blick auf die - in der Diskussion teilweise als Argument angeführte - CO₂-Reduktion dürften die etwa 30 Terawattstunden zusätzlicher Atomstrom pro Jahr ab 2024 etwa 25 bis 30 Mio. Tonnen CO₂-Reduktion im deutschen Strommix bewirken" gestrichen worden sein.

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Migration: Scholz spricht Machtwort: Deutschland gibt Asylblockade in der EU auf

Polen, Ungarn, Tschechien und einigen anderen Ländern sind die vorgeschlagenen Regeln beim Asylrecht nicht hart genug. Foto: dpadata-portal-copyright=

Polen, Ungarn, Tschechien und einigen anderen Ländern sind die vorgeschlagenen Regeln beim Asylrecht nicht hart genug. Foto: dpadata-portal-copyright=© Bereitgestellt von Handelsblatt

Außenministerin Baerbock lehnte eine wichtige EU-Verordnung ab, damit drohte der ganzen Asylreform die Blockade. Nun hat sich der Kanzler eingeschaltet – und entschieden.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) setzt sich mit einem Machtwort über die Einwände der Grünen gegen die geplante Reform des europäischen Asylrechts hinweg.

Deutschland werde einen Kompromiss nicht aufhalten, erfuhr das Handelsblatt aus Regierungskreisen. Der Kanzler habe die Grünen über seine Entscheidung am Mittwoch im Kabinett informiert, hieß es.

Damit scheint in Brüssel der Weg für die sogenannte EU-Krisenverordnung frei zu sein, über die die Innenminister der Mitgliedstaaten am Donnerstag beraten wollen. Diese soll in Extremsituationen greifen, etwa dann, wenn andere Staaten versuchen, Migranten gegen Europa zu „instrumentalisieren“ – so wie es der belarussische Diktator Alexander Lukaschenko im Herbst 2021 getan hat.

Der Entwurf sieht vor, die Rechte von Flüchtlingen im Krisenfall erheblich einzuschränken. So sollen noch mehr Menschen in Lagern festgehalten werden dürfen, bis zu acht Monate lang.

Auf diese Weise will die EU verhindern, dass ein „Massenzustrom“ dazu führt, „dass das Asyl-, Aufnahme- oder Rückführungssystem eines Mitgliedstaats nicht mehr funktionsfähig wäre“, wie es in dem Verordnungstext heißt.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) rechnet nach der Entscheidung des Kanzlers fest mit einer Einigung. „Wir müssen jetzt die Gesetzgebung zum gemeinsamen europäischen Asylsystem abschließen. Ich bin davon überzeugt, dass uns das gelingen wird“, sagte Faeser dem Handelsblatt.

Asylreform: Grüne lehnten Krisenverordnung der EU ab

Deutschland ist nach Angaben Faesers einer der „zentralen Antreiber dieser Reform“. Genau das wolle sie jetzt auch am Donnerstag mit ihren europäischen Amtskolleginnen und Amtskollegen deutlich machen. Die Neuordnung der europäischen Asylpolitik sei „der wichtigste Schritt zu einer deutlichen Begrenzung irregulärer Migration“.

Doch die Grünen waren bis zuletzt anderer Ansicht. Die Krisenverordnung lehnten sie entschieden ab. Sie sei genau das Gegenteil von dem, was man mit der geplanten Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (Geas) eigentlich erreichen wolle, nämlich Ordnung, sagte Irene Mihalic, parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen im Bundestag, noch am Mittwochmorgen. „Mit einem Nein zur Krisenverordnung blockieren wir das Chaos.“

Verwirrung um Position der Grünen im Streit um Asylreform

Mihalics Argumentation: Wenn die Krisenverordnung Teile des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems wieder außer Kraft setzen könne, „dann haben wir wahrscheinlich am Ende die Situation, dass Anreize gesetzt werden für die Weiterleitung großer Zahlen unregistrierter Flüchtlinge Richtung Deutschland“. Dies könne die Bundesregierung nicht verantworten.

Ähnlich hatte sich Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) vor ein paar Tagen geäußert – und damit in Brüssel erhebliche Verwirrung gestiftet.

Denn zuvor hatte Deutschland der Krisenverordnung aus humanitären Bedenken die Zustimmung verweigert. So begründeten auch die Grünen im Europaparlament ihre Ablehnung. Der grüne Migrationspolitiker Erik Marquardt etwa beklagte die „Legalisierung von Leid“. Auch Damian Boeselager (Volt), der sich im EU-Parlament der Grünenfaktion angeschlossen hat, kritisierte, dass der Vorschlag darauf hinausliefe, „Gefangenenlager für Asylbewerber“ einzurichten.

Für südeuropäische Länder wie Italien ist die Regelung von Krisenfällen dagegen von entscheidender Bedeutung. Ohne sie steht der gesamte Kompromiss infrage, mit dem die EU-Staaten im Juni eine siebenjährige Selbstblockade in der Migrationspolitik überwunden hatten. Bundeskanzler Scholz sprach damals von einer „historischen Einigung“, die zeige, „dass die EU ihre Differenzen auch bei den kontroversesten Themen überwinden kann“.

Asylreform der EU: Keine Mehrheit ohne Deutschland

Nun versucht der Kanzler, seine Koalition mit einem Machtwort auf Linie zu bringen. Dass dies nötig war, liegt an den Mehrheitsverhältnissen im europäischen Rat, in dem die EU-Staaten organisiert sind. Ohne deutsche Zustimmung wäre die Krisenverordnung wohl gescheitert.

Mit Polen und Ungarn lehnen zwei EU-Länder die europäische Asylpolitik grundsätzlich ab. Auch Staaten wie Österreich und Tschechien sperrten sich gegen die Reform. Das bedeutet: Die nötige qualifizierte Mehrheit kann nur zustande kommen, wenn Deutschland sich bewegt.

Die Migrationskrise hat sich in den vergangenen Monaten erheblich verschärft und in mehreren Mitgliedstaaten Sorgen vor Stimmzuwächsen rechtspopulistischer, antieuropäischer Parteien bei den Europawahlen im kommenden Juni geschürt. Gerade deshalb sei es wichtig, dass die EU in der Migrationsfrage Handlungsfähigkeit beweise, hieß es in Brüssel.

Seit der Flüchtlingskrise von 2015 ist kaum ein Thema in Europa politisch so aufgeladen wie die Migration. Etliche Versuche, einen Kompromiss zu finden, scheiterten. Erst in diesem Jahr gelang ein Durchbruch. Im Sommer einigten sich die Innenminister auf eine Reform, der zufolge jeder Ankömmling an den EU-Außengrenzen strikt überprüft und registriert wird. Wer nur eine geringe Aussicht auf Schutz in der EU hat, muss sein Asylverfahren an den Außengrenzen durchlaufen und wird bei einer Ablehnung direkt zurückgeschickt.

Die EU verspricht sich davon eine erhebliche Entlastung und mehr innereuropäische Solidarität bei der Verteilung von Geflüchteten. Doch als Deutschland kurz nach dem Kompromiss von Anfang Juni ankündigte, die ergänzend geplante Krisenverordnung nicht mittragen zu wollen, geriet die gesamte Konstruktion ins Wanken.

Machtwort von Kanzler Olaf Scholz überrascht die Grünen

Scholz erkannte die Gefahr offenbar. Es ist das zweite Mal in der Regierungszeit der Ampelkoalition, dass der Kanzler ein Machtwort gegen die Grünen spricht. Ende Oktober vergangenen Jahres ließ Scholz in einem Brief an seine Minister wissen, dass die drei verbleibenden Atommeiler bis Mitte April weiterlaufen könnten – gegen den Widerstand der Grünen. Der Konflikt hatte sich über Monate hingezogen.

Die Entscheidung des Kanzlers in der Asylreform traf die Grünen unvorbereitet. In der Fraktion war man sich bis zuletzt sicher, dass die Krisenverordnung in der jetzigen Form nicht kommen werde.

Die ablehnende Haltung der Grünen-Spitze ist ein Zugeständnis an den linken Flügel, der mit zunehmendem Unmut auf die Regierungsbeteiligung der Grünen schaut. Migration und eine humane Flüchtlingspolitik gehören zu grünen Kernthemen.

Nun steht die Partei düpiert da. Eine Resthoffnung richtet sich noch auf mögliche Gespräche zwischen dem Bundesinnenministerium und der spanischen Ratspräsidentschaft. Aus der Fraktion hieß es, es sei gut, dass es „neue Verhandlungen gebe, um die Schwachstellen der Krisenverordnung zu beheben”. Ob diese aber „mehrheitsfähige Fortschritte ergeben, muss sich zeigen”.

Der Spielraum für Zugeständnisse an die Grünen ist auf EU-Ebene stark begrenzt. Man könne vielleicht ein paar Details ändern, aber „wenn man sich zu weit auf eine Seite zubewegt, verliert man die andere Seite“, sagte ein EU-Diplomat, der in die Verhandlungen involviert ist.

Die Bundesinnenministerin, die am Mittwoch auch Kontrollen an den Grenzen zu Tschechien und Polen ankündigte, richtet den Blick schon nach vorn – und unterstreicht die Bedeutung des Asylkompromisses: „Nur wenn künftig die Außengrenzen geschützt werden, wird das Europa der offenen Grenzen im Inneren noch eine Zukunft haben“, sagte Faeser am Mittwoch. Es gehe darum, die „zentrale Errungenschaft“ für die Bürgerinnen und Bürger und für Handel und Wirtschaft in der EU zu erhalten.

Auch die wirksame und dauerhafte Entlastung der Kommunen in Deutschland gelinge nur mit dem gemeinsamen europäischen Asylsystem, fügte die Ministerin hinzu: „Denn nur so wird die Verantwortung für Geflüchtete in Europa gerechter verteilt.“

Bevor die Reform in Kraft treten kann, muss Position der Mitgliedstaaten mit der des EU-Parlaments und der EU-Kommission in Einklang gemacht werden, dafür gibt es in Brüssel das sogenannte Trilog-Verfahren.

Das EU-Parlament hatte vergangene Woche klargestellt, dass es die Verhandlungen über die Asylreform erst aufnehmen werde, wenn sich der Regierungen auf die Krisenverordnung verständigt haben. „Das europäische Parlament kann nicht in Gespräche eintreten, solange nicht alles auf dem Tisch liegt“, bekräftige der Fraktionschef der Europäischen Volkspartei, Manfred Weber, am Mittwoch.

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Braunkohle: Bund reaktiviert klimaschädliche Winterreserve

Braunkohlemeiler stoßen mehr klimaschädliches CO₂ aus als alle anderen Kraftwerkstypen. Doch um Gas zu sparen, setzt die Bundesregierung sie nun schon den zweiten Winter in Folge als Reserve ein.

Braunkohle: Bund reaktiviert klimaschädliche Winterreserve

Braunkohle: Bund reaktiviert klimaschädliche Winterreserve© Patrick Pleul/ DPA

Braunkohlekraftwerke können zur Sicherung der Energieversorgung im kommenden Winter wieder in den Strommarkt zurückkehren. Das Kabinett billigte am Mittwoch eine befristete Verlängerung der sogenannten Versorgungsreserve. Das Wirtschaftsministerium sprach von einem vorsorglichen Absicherungsinstrument für den Winter.

Es werde die Möglichkeit geschaffen, dass Stromerzeugungsanlagen der Versorgungsreserve – das sind Braunkohlekraftwerke – von Anfang Oktober 2023 befristet bis zum 31. März 2024 am Strommarkt teilnehmen können. Die Reserve werde reaktiviert, um Gas in der Stromerzeugung einzusparen und dadurch Versorgungsengpässen mit Gas in der kommenden Heizperiode vorzubeugen.

In der sogenannten Versorgungsreserve befinden sich Braunkohlekraftwerksblöcke etwa von RWE in Niederaußem oder von Leag in Jänschwalde. Diese Reserve war bereits vom 1. Oktober 2022 bis zum 30. Juni 2023 aktiv – das bedeutet, Braunkohlekraftwerke kehrten an den Strommarkt zurück. Sie werden laut Ministerium aktuell für einen etwaigen erneuten Abruf betriebsbereit gehalten.

Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck (Grüne) hatte im vergangenen Jahr die Rückkehr klimaschädlicher Kohlekraftwerke mit Blick auf den Klimaschutz erneut als bittere Nachricht bezeichnet – sie sei aber wegen der Folgen des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine unvermeidlich. Wenn Braunkohlekraftwerke auf den Markt zurückkehren, steigen die CO₂-Emissionen.

Das Wirtschafts- und Klimaschutzministerium betonte am Mittwoch, das Ziel, den Kohleausstieg »idealerweise« im Jahr 2030 zu vollenden, bleibe von der Maßnahme unberührt. Dasselbe gelte für die Klimaziele. Für das rheinische Revier hatten die Bundesregierung und RWE einen um acht Jahre auf 2030 vorgezogenen Kohleausstieg vereinbart. Für die ostdeutschen Reviere ist das aber noch nicht entschieden.

Die Bundesnetzagentur sieht mit Blick auf den Winter eine deutlich bessere Ausgangslage als vor einem Jahr, wie die Behörde Ende September mitgeteilt hatte. Es verblieben jedoch Restrisiken. Ein sparsamer Gasverbrauch bleibe wichtig. Die Erdgasspeicher in Deutschland sind zu mehr als 95 Prozent gefüllt. Vor dem vergangenen Winter waren die Sorgen vor einer Gasmangellage groß, weil Russland Gaslieferungen eingestellt hatte – zu einer Mangellage kam es aber nicht.

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Kein sicherer Hafen: Verlieren Investoren den Glauben an Deutschland?

Robert Habeck und Olaf Scholz während der Kabinettssitzung am Mittwoch. 
Robert Habeck und Olaf Scholz während der Kabinettssitzung am Mittwoch. © AFP

Die Schlagzeilen in den Finanzmedien vom Mittwoch erinnerten an die Eurokrise: Bloomberg und Financial Times berichteten von steigenden Renditen für Staatsanleihen. Doch anders als vor mehr als zehn Jahren standen nicht die Bonds der europäischen „Südstaaten“ im Blickpunkt, sondern neben den amerikanischen Staatsanleihen (Treasuries) waren vor allem die deutschen Papiere (Bunds) betroffen. Die US-Papiere kratzten an der Fünf-Prozent-Marke, die zehnjährigen Bunds notierten zwischenzeitlich bei 3,01 Prozent. Zugleich verbilligten sich die Papiere. Noch im Januar waren die Bunds bei 1,8 Prozent gelegen. Die Höhe der Renditen bei Staatsanleihen zeigt in der Regel, für wie risikoreich Anleger eine Volkwirtschaft halten. Zu Zeiten der Niedrigzinsen hatten Investoren von deutschen Papieren überhaupt keine Rendite mehr erhalten, im Gegenteil: Sie bezahlten dafür, dass sie ihr Geld in Deutschland „parken“ durften. Deutschland galt – vor allem im Vergleich mit Italien – als „sicherer Hafen“. Dies hatte den Vorteil, dass der Staat reichlich Schulden machen konnte. Bei höheren Zinsen werden die Schulden teurer – weshalb der amtierende Bundesfinanzminister Christian Linder seit einiger Zeit bei Ausgaben auf die Bremse tritt. Denn die Wahrnehmung von Deutschland als Hort der wirtschaftlichen Stabilität ist verflogen. Zwar glaubt Folker Hellmeyer, Chefökonom der Netfonds AG, nicht, dass es sich bei dem Abverkauf der einst als krisensicher eingestuften deutschen Papiere um einen nachhaltigen Trend handelt. Hellmeyer sagte der Berliner Zeitung, dass diese Entwicklung die logische Folge der Zinserhöhung der Europäischen Zentralbank (EZB) sei. Außerdem zeigten mehrere Indikatoren, dass sich die Lage kurzfristig wieder entspannen werde: So sei der Rückgang der Erzeugerpreise noch nicht berücksichtigt, weil das Sinken der Verbraucherpreise noch ausstehe. Im August lagen die Erzeugerpreise 11,5 Prozent tiefer als ein Jahr zuvor, wie das Statistikamt Eurostat am Mittwoch in Luxemburg mitteilte. Verglichen mit dem Vormonat Juli stiegen die Preise allerdings um 0,6 Prozent. Die Energiepreise gaben im Jahresvergleich mit 30,6 Prozent am deutlichsten nach. Auch Vorleistungsgüter waren günstiger als vor einem Jahr. Für Investitions- und Verbrauchsgüter musste allerdings mehr gezahlt werden.

Die Bond-Märkte reagieren im übrigen traditionell mit einer Zeitverzögerung von etwa zwölf Monaten. Hellmeyer glaubt, dass sich die Renditen für zehnjährige Bunds in den kommenden sechs Monaten bei zwischen 2,50 und 2,70 Prozent einpendeln würden. Und in der Tat: Bereits am Mittwochnachmittag signalisierte der Bond-Markt wieder eine gewisse Entspannung.

Doch Hellmeyer ist überzeugt, die Bundesregierung müsse schleunigst umsteuern, will sie nicht das Vertrauen der Finanzmärkte verspielen. Im Vorjahr habe es einen Nettokapitalabfluss aus Deutschland von 132 Milliarden Euro gegeben – eine bemerkenswerte Entwicklung. Hellmeyer sagt, noch habe Deutschland von den Ratingagenturen die Höchstnote Triple A erhalten. Doch diese gute Bewertung sei nicht in Stein gemeißelt: „Wenn die Bundesregierung nicht rasch einen Kurswechsel vornimmt, dann könnte es hinsichtlich der Bonität Deutschlands zu weiteren Risikoaufschlägen kommen,“ sagt Hellmeyer. Für ihn ist der wichtigste Hebel die Energiepolitik: „Wir müssen die Energiepreise wieder auf ein Niveau bringen, auf dem die deutsche Industrie wettbewerbsfähig produzieren kann.“ Dazu müssten alle Maßnahmen ergriffen werden, die kurzfristig Wirkung zeigen: Ein Industriestrompreis ist für Hellmeyer genauso nötig wie die Diskussion über Kernenergie und eine aktive Friedenspolitik in Europa. Zwar sei die Errichtung von Flüssiggasterminals (LNG) für Notzeiten richtig, weil Deutschland in der internationalen Geopolitik keine führende Rolle spiele und sich daher für eine Krise wappnen müsse. Doch müsse Deutschland auf mittlere Sicht darauf dringen, seine Energiepolitik unter Beachtung des Grundsatzes der „Nichteinmischung“ praktizieren zu können. Weiters nennt Hellmeyer eine große Steuerreform sowie Investitionen in Infrastruktur und Bildung als Voraussetzung für eine „Ertüchtigung“ der deutschen Gesellschaft. Hellmeyer: „Wir müssen auf allen Ebenen weg vom Anspruchsprinzip, hin zum Leistungsprinzip.“ Hellmeyer verweist darauf, dass andere europäische Länder Deutschland bereits überholt hätten: Die aktuellen Zahlen des Internationalen Währungsfonds (IWF) würden zeigen, dass nur noch Argentinien schlechter dastehe als Deutschland. „Die anderen Länder – vor allem Frankreich, Spanien, Irland, Portugal oder auch Griechenland hätten ihre Performance nach der Eurokrise deutlich verbessert“. Es sein falsch, wenn Wirtschaftsminister Robert Habeck „beschönigend von einer Konjunkturflaute“ spreche: „Deutschland hat nur noch zwei bis drei Jahre Zeit, um ein strukturelles ökonomisches Problem zu lösen“. Wenn dies nicht gelinge, werde sich dies bei „Deutschlands Rolle in Europa signifikant widerspiegeln“. Deutschland könnte seine Ausnahmestellung als Exportnation in der Eurozone verlieren und zu einem Importland werden. Der damit einhergehende Verlust an ökonomischer Bedeutung habe Folgen, die weit über die Wirtschaft hinausgingen, so Hellmeyer: „Wir sprechen auch von einem politischen Machtverlust in Europa.“

Zeit dazu sei noch vorhanden, wenngleich nicht unbegrenzt. Hellmeyer: „Wir leben von der Substanz, die die Generationen vor uns geschaffen haben. Doch irgendwann ist die Substanz aufgebraucht – und dieser Prozess hat bereits begonnen. Wir müssen unsere Reserven nicht in den Konsum stecken, sondern müssen investieren.“

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„Die Mauterhöhung müssen wir zu 100 Prozent weitergeben“

Die Mautgebühr für schwere Lkw wird bald deutlich erhöht – um satte 83 Prozent. Das bringt kleine Speditionen in Existenznot. Auch im Handel ist der Aufschrei groß. Beide Branchen sind sich einig, wer die Mehrkosten tragen muss.

Ab Dezember steigt die Straßennutzungsgebühr für Lastwagen, ein halbes Jahr später folgt diese Erhöhung auch für Kleinlaster picture alliance/blickwinkel/H. Blossey

Ab Dezember steigt die Straßennutzungsgebühr für Lastwagen, ein halbes Jahr später folgt diese Erhöhung auch für Kleinlaster picture alliance/blickwinkel/H. Blossey© Bereitgestellt von WELT

Selbst wenn das Jahr schon viele Verteuerungen für Familien und Haushalte gebracht hat, kommt zum Jahresende noch eine weitere hinzu. Und diese Belastung findet bislang kaum Beachtung: die Maut für schwere Lkw. Ab Dezember steigt die Straßennutzungsgebühr für Lastwagen um 83 Prozent, ein halbes Jahr später folgt diese Erhöhung auch für Kleinlaster.

Das bringt zum einen die Speditionsbranche auf die Barrikaden. Die zumeist mittelständischen Betriebe fürchten, die Mauterhöhung nicht in vollem Umfang an ihre Kunden weitergeben zu können. Bei Leerfahrten etwa auf dem Weg von der Kundenfahrt zurück zum Betrieb kommt nur der Spediteur selbst für die Mautgebühren auf. Manchen ohnehin klammen Mittelständler kann das rasch die Existenz kosten.

Zum anderen beginnen nun auch Hersteller etwa aus der Getränke- und Nahrungsmittelindustrie mit ihrem Protest. Schließlich werden sie es sein, die die Gebührensteigerung an den Einzelhandel weiterreichen müssen.

„Die anstehende Mauterhöhung müssen wir zu 100 Prozent an unsere Kunden der Lebensmittelproduktion weitergeben. Das wird die Inflation massiv verstärken“, sagt Jes-Christian Hansen, Geschäftsführer der HaBeMA Vertriebsgesellschaft aus Hamburg, die Futtermittel für die Landwirtschaft ausliefert.

„Bei jeder Mauterhöhung können wir einen Teil der gestiegenen Kosten nur schwer umlegen, zum Beispiel bei Leerfahrten in Phasen schwacher Konjunktur“, sagt Lars Soltau, Chef des Transportunternehmens Soltau. Ihr Lobbyverband kontert die Politik des Bundesverkehrsministeriums mit einer Kampagne unter dem Motto: „Mauteverest – so kommen wir nicht über den Berg. Diese Mauterhöhung treibt nur die Inflation an, aber keine Güter“, wie es beim Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) heißt. Der Bund wiederum erwartet Maut-Mehreinnahmen im Jahr von 7,6 Milliarden Euro, die er in den Ausbau der Güterbahn und des Schienennetzes investieren will.

50 Cent mehr für eine Getränkekiste

Ein konkretes Beispiel der zusätzlichen Belastungen der Haushalte kommt aus der Getränkebranche. „Mit der neuen CO₂-Maut der Ampel-Regierung kann eine Getränkekiste in Deutschland je nach Hersteller und Entfernung zum Absatzgebiet bis zu 50 Cent mehr kosten“, kündigt Markus Rütters, der Vorsitzende der Geschäftsführung der Deutschen Getränke-Logistik, gegenüber WELT an.

Gemeint ist ein Gemeinschaftsunternehmen der Brauereien Veltins und Radeberger mit einer Flotte von 360 Lkw. Seiner Branche werde angesichts extrem niedriger Margen gar nichts anderes übrig bleiben, als die Mehrkosten an die Händler weiterzureichen.

In dem Geschäft geht es um besonders viele Transporte, noch dazu mit einem großen Ladevolumen. Zudem haben Getränke im Verhältnis zu ihrem monetären Wert ein hohes Gewicht. Höhere Logistikkosten schlagen also schnell durch auf die Preise von Wasser, Limonade, Bier und Co.

Dass die Politik die geplante Mauterhöhung als Instrument in Richtung E-Mobilität und damit zu mehr Klimaschutz ankündigt – Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) jedenfalls spricht von einem „starken Anreiz für die Branche, auf klimafreundliche Fahrzeuge umzusteigen“ –, hält Manager Rütters für scheinheilig. „Tatsächlich ist in der Getränkelogistik ein kurzfristiges Ausweichen auf E-Mobilität gegenwärtig gar nicht möglich, denn die Voraussetzungen seitens der Nutzfahrzeugindustrie sind überhaupt noch nicht gegeben“, erklärt der DGL-Chef. Es fehlen schlichtweg Lkw mit Batterieantrieb.

Michael Huber, der Generalbevollmächtigte der Privatbrauerei Veltins, sagt: „Die Zusatzmaut ist ein bedauerlicher Kosten- und Inflationstreiber.“

Mauterhöhung könnte zur Existenzfrage werden

Auch im Handel ist der Aufschrei groß. „Wir sind darauf angewiesen, unsere Güter auf der Straße zu transportieren“, sagt Dirk Jandura, Präsident des Bundesverbandes Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA). Eine Verlagerung auf die Schiene sei keine Option angesichts der schlechten Infrastruktur. Laut den Berechnungen des BGA führt die Mauterhöhung zu einer finanziellen Belastung der Unternehmen von bis zu 40.000 Euro pro eingesetztem Lkw.

Zwar fällt die Straßenmaut etwa für Lastwagen mit Elektroantrieb oder Wasserstoffantrieb deutlich niedriger aus. Bei diesen Fahrzeugen gibt es jedoch lange Bestelllisten und Wartezeiten von einem Jahr und länger – oder aber sie sind gar nicht am Markt verfügbar. „Von den rund 800.000 schweren Lkw, die täglich in Deutschland ihre Strecken fahren, sind heute etwa 400 Fahrzeuge mit einem batterieelektrischen Antrieb unterwegs“, sagt Dirk Engelhardt, Vorstandssprecher des BGL.

Rund 84 Prozent der Güter werden in Deutschland über die Straße transportiert. Täglich ist auf den Autobahnen und Autobahnraststätten zu sehen, wie stark der Lkw den Verkehr dominiert. Ein Ausbau etwa der Raststätten wird seit Jahren gefordert.

Nun werden auch aus der neuen Maut keine Finanzmittel dafür zur Verfügung stehen. Ohnehin dürfte die Mauterhöhung für manche Spedition zur Existenzfrage werden. „Die Gewinnmargen in unserer Branche liegen zwischen weniger als einem Prozent und drei Prozent und das wäre dann schon die Königsklasse“, sagt Engelhardt. Der Umfang der Mautanhebung entspreche vielfach dem gesamten Gewinn eines Transportunternehmens.

Das Speditionsgewerbe in Deutschland wird vom Mittelstand geprägt. Unter den rund 70.000 Fuhrunternehmen sind mehr als zwei Drittel Betriebe mit einem bis zehn Lkw. „Es ist absehbar, dass der benötigte Frachtraum nicht mehr zur Verfügung stehen wird“, sagt Engelhardt. Die Mauterhöhung werde zum „schleichenden Tod des Mittelstands“ im Transportgewerbe führen.

Doppelbelastung durch Anhebung des CO₂-Preises

Aufregung gibt es bei den Kunden der Spediteure jedoch nicht nur auf der Seite des Großhandels. Auch mittelständische Geschäfte üben Kritik an den Wissing-Plänen, zumal ab Mitte nächsten Jahres kleine Nutzfahrzeuge ab 3,5 Tonnen in die Mautpflicht einbezogen werden.

Eingesetzt werden sie vielfach als Auslieferungsfahrzeuge. „Das zeigt, dass die Bundesregierung vor allem nach Einnahmequellen sucht“, sagt Ulrich Binnebößel, Abteilungsleiter Logistik beim Handelsverband Deutschland (HDE).

Hinzu komme die schon beschlossene Anhebung des CO₂-Preises auf Diesel und Benzin zum Januar 2024. „Dabei hatte die Bundesregierung eine solche Doppelbelastung laut Koalitionsvertrag noch vermeiden wollen“, sagt der Manager. Der HDE fordert daher eine Ausnahme für Fahrzeuge des Einzelhandels – so wie es im Mautgesetz schon für das Handwerk vorgesehen ist.

Fehlender Wille zu mehr Klimaschutz könne der Getränkebranche nicht abgesprochen werden, heißt es zum Beispiel bei Gerolsteiner. „Die Logistik und der Transport unserer Güter sind essenzielle Stellschrauben für unsere Ambitionen, die klimarelevanten Emissionen zu reduzieren“, sagt Ulrich Rust, Geschäftsführer Technik und Logistik des Mineralbrunnens.

Gerolsteiner setze dabei auf den kombinierten Verkehr und Bio-LNG als Antrieb. „Beides wird durch die Novellierung der Maut nicht mit emissionsfreien Lkw gleichgestellt. Für uns als Unternehmen ist das enttäuschend“, sagt Rust.

Entsorgungswirtschaft fordert Politik zur Kursänderung auf

Unterdessen fordert auch die Entsorgungswirtschaft die Politik zur Kursänderung auf. In einem Schreiben an die Mitglieder des Verkehrsausschusses des Deutschen Bundestages verlangt der Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung die Aussetzung der Mauterhöhung bis zum Jahr 2027.

Logistische Dienstleistungen spielten in der Industrie eine bedeutende Rolle. „Wir reden hier von einer geplanten Mauterhöhung, die aufgrund der Erhöhung der CO₂-Komponente und weiterer Faktoren auf eine Verdoppelung hinausläuft“, sagt Eric Rehbock, Hauptgeschäftsführer des Verbands.

Eine Weitergabe der Kosten prognostiziert auch Patrick Lepperhoff, der Experte für Lieferkettenmanagement bei der Beratungsgesellschaft Inverto. „Wir gehen davon aus, dass die Kosten an die Kunden weitergegeben werden“, sagt er. Er rät Händlern und Herstellern zu einer Überprüfung ihrer Logistikketten. Denn ein nachhaltiger Transport senke auch die Mautkosten.

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Mit Abstand höchste Kosten unter Ministern - Auf dreitägiger Reise zahlt Ministerin Paus 12.000 Euro - nur für Social Media

Lisa Paus, Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Kay Nietfeld/dpa

Lisa Paus, Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Kay Nietfeld/dpa© Kay Nietfeld/dpa

12.000 Euro kostete die Social-Media-Begleitung von Lisa Paus auf ihrer Sommerreise. Die Bundesministerin hat damit mit Abstand das höchste Budget unter den Ministerien verbraucht. Begründet wird das mit Personalmangel.

12.000 Euro hat das Bundesfamilienministerium (BMFSFJ) für die Social-Media-Begleitung von Ministerin Lisa Paus (Grüne) auf ihrer Sommerreise vom 13. bis zum 15. August 2023 bezahlt.

Paus nennt 12.000 Euro Kosten für Social-Media-Begleitung - andere Minister gar nichts

Deutlich weniger gaben ihre Kabinettskollegen im Außenministerium (AA) und im Bundesarbeitsministerium (BMAS) während ihren Sommerreisen für den Posten Social Media aus: Baerbocks Haus kosteten die begleitenden Fotografen der fünftägigen Deutschlandreise rund 6000 Euro; Heils Haus bezahlte für den Fotografen seiner zweitägigen Sommerreise insgesamt 2313,60 Euro brutto.

Andere Ministerien hingegen wie das Bundeswirtschaftsministerium (BMWK) unter Robert Habeck (Die Grünen) oder das Bundesbildungsministerium (BMBF) unter Bettina Stark-Watzinger (FDP) gaben keine zusätzlichen Kosten für die Social- Media-Begleitung ihrer Sommerreisen aus. Stattdessen überließen sie diese Aufgabe eigenen Angaben zufolge ihrem Personal. Übrige Häuser wie das Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) unter Cem Özdemir wollten keine konkreten Zahlen zu ihren Social-Media-Kosten für die Sommerreise angeben, sondern beriefen sich auf Geschäftsgeheimnisse.

Ministerium erklärt Kostenexplosion mit Personalmangel

Das ergab eine Umfrage von Business Insider unter allen 16 Ministerien, inklusive Kanzleramt, zu den Kosten für die Social-Media-Begleitung, also für Fotos und Videos, während der diesjährigen Sommerreisen. Dazu zählten nicht nur die klassischen Pressefahrten, sondern auch all jene Reisen, die Minister und Ministerinnen in der parlamentarischen Sommerpause antraten, etwa die Truppenbesuche von Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD).

Ein Sprecher des Familienministeriums rechtfertigte die hohen Kosten damit, dass das BMFSFJ über personell knapp besetzte Presse- und Öffentlichkeitsreferate verfüge. Die Foto- und Videobegleitung auf den Sommerreisen habe deshalb nicht aus Bordmitteln bereitgestellt werden können, sondern habe über punktuelle Beauftragung externer Dienstleister erfolgen müssen.