Als ARD-Chefin zurückgetreten, jetzt als RBB-Intendantin unter Druck: Patricia Schlesinger
Auf die Trennung von dienstlichen und privaten Dingen legt Patricia Schlesinger in ihrem Postfach keinen großen Wert. Nicht nur für interne Nachrichten nutzt die Intendantin des Rundfunks Berlin-Brandenburg (RBB) ihre private Mailadresse. Sogar vertrauliche Dokumente des Senders lässt sich die Medienmanagerin auf ihren AOL-Account schicken.
Damit Angestellte des RBB so nicht handeln, gibt es in der öffentlich-rechtlichen Anstalt eigentlich die Dienstanweisung „Informationsmanagement“. Nach ein wenig Blättern stößt der Mitarbeiter dann auf das Kapitel „IT-Nutzung“ in Anlage 8. Dort heißt es: „Dienstliche Kommunikation hat über dienstliche Kommunikationswege (z.B. RBB-E-Mail-Postfach) zu erfolgen.“ Klingt ziemlich eindeutig.
Schlesingers eigenwillige E-Mail-Praxis fügt sich in das Bild einer Medienmanagerin, bei der die Grenzen zwischen Amt und Privatleben auffällig häufig verschwimmen. Recherchen von Business Insider haben in den vergangenen sechs Wochen Interna und Missstände aufgedeckt, die Schlesinger und RBB-Verwaltungsratschef Wolf-Dieter Wolf mit Vetternwirtschaft, Verschwendung und Maßlosigkeit in Verbindung bringen. Beide weisen die Vorwürfe zurück. Aber die bisherige Unfähigkeit, den Verdacht durch Transparenz zu entkräften, führte dazu, dass Wolf sein Amt ruhen lässt und Schlesinger als ARD-Chefin zurücktreten musste. Als RBB-Intendantin will die einst mächtigste Medienfrau des Landes aber weitermachen, angeblich um die Aufklärung der Affäre zu unterstützen.
Während der ARD-Vorsitz ihr lediglich Ruhm und Ehre einbrachte, erhält Schlesinger seit vergangenem Jahr ein Grundgehalt von 303.000 Euro als RBB-Intendantin - 16 Prozent mehr als in ihrer ersten Amtsperiode zwischen 2016 und 2020. Ihre Gesamtvergütung ist aber noch wesentlich höher. Nach Informationen von Business Insider hat Schlesinger 2021 neben ihrem Grundgehalt einen Bonus von mehr als 20.000 Euro erhalten. Der RBB sagt zu der Höhe: nichts. Stattdessen erklärt ein Sprecher: „Die ARD weist für die Intendantinnen und Intendanten die Grundvergütung aus, das tut auch der RBB. Variable Gehaltsanteile für außertariflich bezahlte Führungskräfte sind im RBB seit Jahren gängige Praxis. Das Modell und die praktische Umsetzung sind nicht intransparent, sondern wurden mit der Personalberatung Kienbaum entwickelt und mit dem Verwaltungsrat abgestimmt, zu weiteren Details äußern wir uns nicht.“
Andere ARD-Intendanten kassieren keinen Bonus
Business Insider machte daher bereits vor einer Woche eine Umfrage bei anderen ARD-Anstalten: Erhält auch dort eine Intendantin oder ein Intendant eine variable Vergütung? WDR, SWR, MDR und Co. verneinen dies. Demnach zahlt nur der quotenschwächste RBB seiner Senderchefin einen (fünfstelligen) Bonus - und katapultiert Schlesingers Gehalt damit still und heimlich in die Champions-League der ARD-Intendanten.
Wie aus internen Unterlagen hervorgeht, koppelte der RBB die variable Vergütung von diversen Führungskräften u.a. an den Bau des „Digitalen Medienhauses“. Dabei handelt es sich um das umstrittene Prestige-Projekt, für das Berater engagiert wurden, die Verwaltungsratschef Wolf zuvor empfohlen hatte und mit denen der Immobilienunternehmen geschäftliche Beziehungen pflegt. Um das Bonusziel von 100 Prozent zu erfüllen, musste ein RBB-Direktor aber keine großen Erfolge vorweisen. Es reichte, Schlesinger eine „Wirtschaftlichkeitsbetrachtung für die Grossinvestition“ zu präsentieren. Gar 125 Prozent gab es, wenn der Manager „ein mögliches Szenario“, also was sein könnte, vorlegt.
Welche konkreten Ziele für die Intendantin maßgeblich waren, behält der RBB für sich. Allerdings gibt es auch nur ganz wenige Personen, die darüber etwas wissen können. Denn ihren Bonus verhandelte Schlesinger mit dem Verwaltungsratschef – ihrem Duz-Freund Wolf.
Neben Grundgehalt und Geheim-Bonus erhält die RBB-Intendantin aber offenbar noch etwas. Dabei geht es um die Versteuerung des geldwerten Vorteils ihres Dienstwagens. Wie berichtet, mietet der RBB seit 2017 luxuriöse Limousinen im Wert von rund 150.000 Euro jeweils für zwölf Monate an, die Schlesinger dienstlich und privat nutzen darf. Zwar greift der Sender für die Finanzierung auf fragwürdige Sonderrabatte der Hersteller von bis 70 Prozent zurück, allerdings orientiert sich der geldwerte Vorteil am Listenpreis der Fahrzeuge. Bei einer pauschalen Versteuerung von einem Prozent des Neuwerts – bzw. 0,5 Prozent bei einem Hybridfahrzeug – müssen also mehrere Tausend Euro pro Jahr an den Fiskus abgeführt werden. Wer zahlt das?
Der RBB sagt dazu etwas umständlich: „Die private Nutzung von Fahrzeug und Fahrer ist der Besteuerung bei der Intendantin unterworfen worden.“ Auf Nachfrage heißt es, dass die Versteuerung über Bestandteile der Vergütung erfolge. So macht es auch der WDR. Laut Geschäftsbericht erhielt der Intendant Tom Buhrow 2020 rund 4300 Euro an Sachbezügen zusätzlich zu seinem Gehalt für den „privat zu versteuernden geldwerten Vorteil" seines Dienstwagens.
Bei Schlesinger dürfte diese Summe aber nicht ausreichen. Denn als einzige ARD-Intendantin hat sie sich vertraglich zusichern lassen, auch ihre beiden persönlichen Chauffeure für private Zwecke nutzen zu dürfen. Auch dieses Privileg muss als geldwerter Vorteil versteuert werden. Was kostet das alles? "Zu steuerlichen Themen machen wir keine keine weiteren Angaben", sagt dazu der RBB-Sprecher.
Ehemann ließ sich zu Geschäftsterminen in ihrem Dienstwagen vorfahren
Die Dimension, mit der Schlesinger ihren Dienstwagen samt RBB-Fahrer für dienstfremde Angelegenheiten eingesetzt hat, ist juristisch wohl zu rechtfertigen, offenbart aber ein fehlendes Fingerspitzengefühl bei der Intendantin. Nach Informationen von Business Insider ließ sich der Ehemann von Schlesinger, der Ex-"Spiegel"-Journalist Gerhard Spörl, mehrmals vom RBB-Chauffeur im Audi A8 bei Geschäftsterminen staatsmännisch vorfahren.
Angestellte der Berliner Messegesellschaft versichern, wie sie Spörl vor Terminen auf dem Messegelände aus der Schlesinger-Limousine aussteigen sehen haben und der Fahrer anschließend wieder wegfuhr. „Einmal wurde Spörl gefragt, ob er eine Fahrgelegenheit braucht“, so ein Angestellter zu Business Insider. „Kurz darauf fuhr ein A8 mit dem Kennzeichen (…) vor" – der Dienstwagen von Schlesinger.
Demnach nutzte Spörl den RBB-Fahrer ausgerechnet für seinen umstrittenen Beraterjob bei der Messe Berlin. Wie aus einer vertraulichen E-Mail hervorgeht, spielte Wolf in seiner weiteren Funktion als Messe-Aufsichtsratschef dem Ehemann von Schlesinger Ende 2020 einen lukrativen Auftrag ohne Ausschreibung zu. Spörls fragwürdiges „Mediencoaching“ des Messe-Chefs lässt die landeseigene Gesellschaft derzeit von einer externen Kanzlei hinsichtlich Compliance überprüfen.
Auf eine Anfrage äußerte sich Spörl nicht zu seinen Fahrten mit dem beitragsfinanzierten RBB-Chauffeur am Steuer. Und was sagt der RBB, der um Aufklärung und Transparenz bemüht sein will? „Wir kommentieren einzelne Fahrten nicht“, so ein Sprecher. „Der RBB hat der Intendantin einen Wagen mit Fahrer zur dienstlichen und privaten Nutzung zur Verfügung gestellt.“ Daher, so die Lesart, kann sie mit dem Auto und den RBB-Chauffeuren machen, was sie will.
„Frau Schlesinger nutzt ihre persönlichen Fahrer intensiv für private Zwecke“, behauptet ein RBB-Fahrer. „Sie wird zu Hause abgeholt und abgesetzt, zur Physiotherapie gebracht, ihre Wäsche abgeholt, Einkäufe erledigt.“ Mehrere mit den Vorgängen vertraute Personen schildern einen Vorgang, bei denen ein RBB-Chauffeur sogar einen prominenten Bekannten von Schlesinger durch die Republik fahren musste. Auf Anfrage äußerte sich der RBB dazu nicht.
Exklusives Dinner-Format mit Catering-Service auf RBB-Kosten
Gegenüber dem Brandenburger Parlament betonte Schlesinger jüngst erst wieder, wie erfreut sie über die Möglichkeit sei, zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen. Nichts werde verheimlicht. Dabei interessiert sich der parlamentarische Hauptausschuss sehr für die dienstliche Abrechnung von Abendessen in Schlesingers Privatwohnung, die Business Insider Anfang Juli enthüllt hat. Gleich mehrere Fragen haben die Politiker zu dem exklusiven Dinner-Format mit Catering-Service schriftlich gestellt: Wann waren die Abendessen, wer war dabei, wie hoch waren die Spesen, was wurde über die Geschäftsessen schriftlich festgehalten?
In der Beantwortung nennt der RBB neun dienstliche Abendessen zwischen 2018 und 2022 in den Privaträumen der Intendantin. Die Spesen für die drei bis elf Gäste würden sich im Durchschnitt auf 69,20 Euro pro Person belaufen. Namen nennt Schlesinger aber nicht. Sicher ist nach Informationen von Business Insider nur: Schlesingers Ehemann war dabei. Dies bestätigte der RBB auch auf Anfrage.
Aber wurden die Abendessen korrekt abgerechnet? Business Insider hatte berichtet, dass die Anzahl der Gäste auf Rechnungen reduziert wurde und nicht mit der Personenzahl in den Angeboten des Catering-Service übereinstimmte. Schlesinger erklärt dies dem Brandenburger Landtag mit diesen Worten: „Rechnungsbeträge wurden transparent im Verhältnis zum Angebot angepasst, wenn im Verhältnis zum Angebot eine größere oder geringere Anzahl an Gästen anwesend waren.“
Das macht Sinn - nach einer Veranstaltung. Eine vertrauliche E-Mail vom 17. Februar 2021 zeigt allerdings, wie Schlesingers persönliche Assistentin eine Mitarbeiterin des Berliner Catering-Service bereits im Vorfeld eines Abendessens am 19. Februar 2021 angewiesen hat, unterschiedliche Gästezahlen für das Angebot und die spätere Rechnung anzugeben.
Business Insider gibt die Mail vollständig wieder:
„Liebe Frau (…), die Rechnung 21014 muss bitte geändert werden. Bei der Rechnungslegung müssen 3 Menüs aufgelistet werden - wie bei der Rechnung 21011. Sobald die Personenzahl auf der Rechnung angepasst wurde, leite ich die Rechnung an unsere Buchhaltung weiter. Mit Ihrem Angebot für den 19.02. ist Frau Schlesinger einverstanden und freut sich. Bitte beachten Sie auch hier, dass auf dem Angebot vier Personen stehen, in der Rechnung müsste dann wieder auf drei Personen gerechnet werden. Herzlichen Dank und viele Grüße.“
Weshalb Schlesinger offenbar regelmäßig vier Menüs bestellt hat, der Dienstleister die Kosten aber später "auf drei Personen" rechnen sollte, dürfte für die mittlerweile begonnene Untersuchung der Kanzlei Lutz Abel noch von Interesse sein. Ein Ergebnis der externen Prüfung ist nicht vor Oktober zu erwarten. Ob der RBB-Rundfunkrat so lange warten wird, um über Schlesingers Schicksal zu entscheiden, ist fraglich.
Nach dem historischen Rücktritt als ARD-Vorsitzende steht Patricia Schlesinger mächtig unter Druck. Erste Politiker fordern auch ihren Rücktritt als RBB-Intendantin. Am Montag kommt der Rundfunkrat zu einer Sondersitzung zusammen. Zur Begründung erklärt die Vorsitzende des Rundfunkrates, Friederike von Kirchbach: „Wegen des anhaltenden Drucks auf Intendantin Schlesinger an der RBB-Spitze auch nach dem Rückzug von der ARD-Spitze müssen wir uns darüber verständigen, ob das Vertrauen des Rats in Schlesinger als RBB-Chefin weiterhin gegeben ist.“
Prima, wenn das so weiter geht, dann werden die Gebühren bald wieder erhöht!
Geheim-Bonus, frisierte Spesenabrechnungen und ein RBB-Chauffeur für den Ehemann: Neue Dokumente belasten Patricia Schlesinger
Als ARD-Chefin zurückgetreten, jetzt als RBB-Intendantin unter Druck: Patricia Schlesinger
Auf die Trennung von dienstlichen und privaten Dingen legt Patricia Schlesinger in ihrem Postfach keinen großen Wert. Nicht nur für interne Nachrichten nutzt die Intendantin des Rundfunks Berlin-Brandenburg (RBB) ihre private Mailadresse. Sogar vertrauliche Dokumente des Senders lässt sich die Medienmanagerin auf ihren AOL-Account schicken.
Damit Angestellte des RBB so nicht handeln, gibt es in der öffentlich-rechtlichen Anstalt eigentlich die Dienstanweisung „Informationsmanagement“. Nach ein wenig Blättern stößt der Mitarbeiter dann auf das Kapitel „IT-Nutzung“ in Anlage 8. Dort heißt es: „Dienstliche Kommunikation hat über dienstliche Kommunikationswege (z.B. RBB-E-Mail-Postfach) zu erfolgen.“ Klingt ziemlich eindeutig.
Schlesingers eigenwillige E-Mail-Praxis fügt sich in das Bild einer Medienmanagerin, bei der die Grenzen zwischen Amt und Privatleben auffällig häufig verschwimmen. Recherchen von Business Insider haben in den vergangenen sechs Wochen Interna und Missstände aufgedeckt, die Schlesinger und RBB-Verwaltungsratschef Wolf-Dieter Wolf mit Vetternwirtschaft, Verschwendung und Maßlosigkeit in Verbindung bringen. Beide weisen die Vorwürfe zurück. Aber die bisherige Unfähigkeit, den Verdacht durch Transparenz zu entkräften, führte dazu, dass Wolf sein Amt ruhen lässt und Schlesinger als ARD-Chefin zurücktreten musste. Als RBB-Intendantin will die einst mächtigste Medienfrau des Landes aber weitermachen, angeblich um die Aufklärung der Affäre zu unterstützen.
Während der ARD-Vorsitz ihr lediglich Ruhm und Ehre einbrachte, erhält Schlesinger seit vergangenem Jahr ein Grundgehalt von 303.000 Euro als RBB-Intendantin - 16 Prozent mehr als in ihrer ersten Amtsperiode zwischen 2016 und 2020. Ihre Gesamtvergütung ist aber noch wesentlich höher. Nach Informationen von Business Insider hat Schlesinger 2021 neben ihrem Grundgehalt einen Bonus von mehr als 20.000 Euro erhalten. Der RBB sagt zu der Höhe: nichts. Stattdessen erklärt ein Sprecher: „Die ARD weist für die Intendantinnen und Intendanten die Grundvergütung aus, das tut auch der RBB. Variable Gehaltsanteile für außertariflich bezahlte Führungskräfte sind im RBB seit Jahren gängige Praxis. Das Modell und die praktische Umsetzung sind nicht intransparent, sondern wurden mit der Personalberatung Kienbaum entwickelt und mit dem Verwaltungsrat abgestimmt, zu weiteren Details äußern wir uns nicht.“
Andere ARD-Intendanten kassieren keinen Bonus
Business Insider machte daher bereits vor einer Woche eine Umfrage bei anderen ARD-Anstalten: Erhält auch dort eine Intendantin oder ein Intendant eine variable Vergütung? WDR, SWR, MDR und Co. verneinen dies. Demnach zahlt nur der quotenschwächste RBB seiner Senderchefin einen (fünfstelligen) Bonus - und katapultiert Schlesingers Gehalt damit still und heimlich in die Champions-League der ARD-Intendanten.
Wie aus internen Unterlagen hervorgeht, koppelte der RBB die variable Vergütung von diversen Führungskräften u.a. an den Bau des „Digitalen Medienhauses“. Dabei handelt es sich um das umstrittene Prestige-Projekt, für das Berater engagiert wurden, die Verwaltungsratschef Wolf zuvor empfohlen hatte und mit denen der Immobilienunternehmen geschäftliche Beziehungen pflegt. Um das Bonusziel von 100 Prozent zu erfüllen, musste ein RBB-Direktor aber keine großen Erfolge vorweisen. Es reichte, Schlesinger eine „Wirtschaftlichkeitsbetrachtung für die Grossinvestition“ zu präsentieren. Gar 125 Prozent gab es, wenn der Manager „ein mögliches Szenario“, also was sein könnte, vorlegt.
Welche konkreten Ziele für die Intendantin maßgeblich waren, behält der RBB für sich. Allerdings gibt es auch nur ganz wenige Personen, die darüber etwas wissen können. Denn ihren Bonus verhandelte Schlesinger mit dem Verwaltungsratschef – ihrem Duz-Freund Wolf.
Neben Grundgehalt und Geheim-Bonus erhält die RBB-Intendantin aber offenbar noch etwas. Dabei geht es um die Versteuerung des geldwerten Vorteils ihres Dienstwagens. Wie berichtet, mietet der RBB seit 2017 luxuriöse Limousinen im Wert von rund 150.000 Euro jeweils für zwölf Monate an, die Schlesinger dienstlich und privat nutzen darf. Zwar greift der Sender für die Finanzierung auf fragwürdige Sonderrabatte der Hersteller von bis 70 Prozent zurück, allerdings orientiert sich der geldwerte Vorteil am Listenpreis der Fahrzeuge. Bei einer pauschalen Versteuerung von einem Prozent des Neuwerts – bzw. 0,5 Prozent bei einem Hybridfahrzeug – müssen also mehrere Tausend Euro pro Jahr an den Fiskus abgeführt werden. Wer zahlt das?
Der RBB sagt dazu etwas umständlich: „Die private Nutzung von Fahrzeug und Fahrer ist der Besteuerung bei der Intendantin unterworfen worden.“ Auf Nachfrage heißt es, dass die Versteuerung über Bestandteile der Vergütung erfolge. So macht es auch der WDR. Laut Geschäftsbericht erhielt der Intendant Tom Buhrow 2020 rund 4300 Euro an Sachbezügen zusätzlich zu seinem Gehalt für den „privat zu versteuernden geldwerten Vorteil" seines Dienstwagens.
Bei Schlesinger dürfte diese Summe aber nicht ausreichen. Denn als einzige ARD-Intendantin hat sie sich vertraglich zusichern lassen, auch ihre beiden persönlichen Chauffeure für private Zwecke nutzen zu dürfen. Auch dieses Privileg muss als geldwerter Vorteil versteuert werden. Was kostet das alles? "Zu steuerlichen Themen machen wir keine keine weiteren Angaben", sagt dazu der RBB-Sprecher.
Ehemann ließ sich zu Geschäftsterminen in ihrem Dienstwagen vorfahren
Die Dimension, mit der Schlesinger ihren Dienstwagen samt RBB-Fahrer für dienstfremde Angelegenheiten eingesetzt hat, ist juristisch wohl zu rechtfertigen, offenbart aber ein fehlendes Fingerspitzengefühl bei der Intendantin. Nach Informationen von Business Insider ließ sich der Ehemann von Schlesinger, der Ex-"Spiegel"-Journalist Gerhard Spörl, mehrmals vom RBB-Chauffeur im Audi A8 bei Geschäftsterminen staatsmännisch vorfahren.
Angestellte der Berliner Messegesellschaft versichern, wie sie Spörl vor Terminen auf dem Messegelände aus der Schlesinger-Limousine aussteigen sehen haben und der Fahrer anschließend wieder wegfuhr. „Einmal wurde Spörl gefragt, ob er eine Fahrgelegenheit braucht“, so ein Angestellter zu Business Insider. „Kurz darauf fuhr ein A8 mit dem Kennzeichen (…) vor" – der Dienstwagen von Schlesinger.
Demnach nutzte Spörl den RBB-Fahrer ausgerechnet für seinen umstrittenen Beraterjob bei der Messe Berlin. Wie aus einer vertraulichen E-Mail hervorgeht, spielte Wolf in seiner weiteren Funktion als Messe-Aufsichtsratschef dem Ehemann von Schlesinger Ende 2020 einen lukrativen Auftrag ohne Ausschreibung zu. Spörls fragwürdiges „Mediencoaching“ des Messe-Chefs lässt die landeseigene Gesellschaft derzeit von einer externen Kanzlei hinsichtlich Compliance überprüfen.
Auf eine Anfrage äußerte sich Spörl nicht zu seinen Fahrten mit dem beitragsfinanzierten RBB-Chauffeur am Steuer. Und was sagt der RBB, der um Aufklärung und Transparenz bemüht sein will? „Wir kommentieren einzelne Fahrten nicht“, so ein Sprecher. „Der RBB hat der Intendantin einen Wagen mit Fahrer zur dienstlichen und privaten Nutzung zur Verfügung gestellt.“ Daher, so die Lesart, kann sie mit dem Auto und den RBB-Chauffeuren machen, was sie will.
„Frau Schlesinger nutzt ihre persönlichen Fahrer intensiv für private Zwecke“, behauptet ein RBB-Fahrer. „Sie wird zu Hause abgeholt und abgesetzt, zur Physiotherapie gebracht, ihre Wäsche abgeholt, Einkäufe erledigt.“ Mehrere mit den Vorgängen vertraute Personen schildern einen Vorgang, bei denen ein RBB-Chauffeur sogar einen prominenten Bekannten von Schlesinger durch die Republik fahren musste. Auf Anfrage äußerte sich der RBB dazu nicht.
Exklusives Dinner-Format mit Catering-Service auf RBB-Kosten
Gegenüber dem Brandenburger Parlament betonte Schlesinger jüngst erst wieder, wie erfreut sie über die Möglichkeit sei, zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen. Nichts werde verheimlicht. Dabei interessiert sich der parlamentarische Hauptausschuss sehr für die dienstliche Abrechnung von Abendessen in Schlesingers Privatwohnung, die Business Insider Anfang Juli enthüllt hat. Gleich mehrere Fragen haben die Politiker zu dem exklusiven Dinner-Format mit Catering-Service schriftlich gestellt: Wann waren die Abendessen, wer war dabei, wie hoch waren die Spesen, was wurde über die Geschäftsessen schriftlich festgehalten?
In der Beantwortung nennt der RBB neun dienstliche Abendessen zwischen 2018 und 2022 in den Privaträumen der Intendantin. Die Spesen für die drei bis elf Gäste würden sich im Durchschnitt auf 69,20 Euro pro Person belaufen. Namen nennt Schlesinger aber nicht. Sicher ist nach Informationen von Business Insider nur: Schlesingers Ehemann war dabei. Dies bestätigte der RBB auch auf Anfrage.
Aber wurden die Abendessen korrekt abgerechnet? Business Insider hatte berichtet, dass die Anzahl der Gäste auf Rechnungen reduziert wurde und nicht mit der Personenzahl in den Angeboten des Catering-Service übereinstimmte. Schlesinger erklärt dies dem Brandenburger Landtag mit diesen Worten: „Rechnungsbeträge wurden transparent im Verhältnis zum Angebot angepasst, wenn im Verhältnis zum Angebot eine größere oder geringere Anzahl an Gästen anwesend waren.“
Das macht Sinn - nach einer Veranstaltung. Eine vertrauliche E-Mail vom 17. Februar 2021 zeigt allerdings, wie Schlesingers persönliche Assistentin eine Mitarbeiterin des Berliner Catering-Service bereits im Vorfeld eines Abendessens am 19. Februar 2021 angewiesen hat, unterschiedliche Gästezahlen für das Angebot und die spätere Rechnung anzugeben.
Business Insider gibt die Mail vollständig wieder:
„Liebe Frau (…), die Rechnung 21014 muss bitte geändert werden. Bei der Rechnungslegung müssen 3 Menüs aufgelistet werden - wie bei der Rechnung 21011. Sobald die Personenzahl auf der Rechnung angepasst wurde, leite ich die Rechnung an unsere Buchhaltung weiter. Mit Ihrem Angebot für den 19.02. ist Frau Schlesinger einverstanden und freut sich. Bitte beachten Sie auch hier, dass auf dem Angebot vier Personen stehen, in der Rechnung müsste dann wieder auf drei Personen gerechnet werden. Herzlichen Dank und viele Grüße.“
Weshalb Schlesinger offenbar regelmäßig vier Menüs bestellt hat, der Dienstleister die Kosten aber später "auf drei Personen" rechnen sollte, dürfte für die mittlerweile begonnene Untersuchung der Kanzlei Lutz Abel noch von Interesse sein. Ein Ergebnis der externen Prüfung ist nicht vor Oktober zu erwarten. Ob der RBB-Rundfunkrat so lange warten wird, um über Schlesingers Schicksal zu entscheiden, ist fraglich.
Nach dem historischen Rücktritt als ARD-Vorsitzende steht Patricia Schlesinger mächtig unter Druck. Erste Politiker fordern auch ihren Rücktritt als RBB-Intendantin. Am Montag kommt der Rundfunkrat zu einer Sondersitzung zusammen. Zur Begründung erklärt die Vorsitzende des Rundfunkrates, Friederike von Kirchbach: „Wegen des anhaltenden Drucks auf Intendantin Schlesinger an der RBB-Spitze auch nach dem Rückzug von der ARD-Spitze müssen wir uns darüber verständigen, ob das Vertrauen des Rats in Schlesinger als RBB-Chefin weiterhin gegeben ist.“
Prima, wenn das so weiter geht, dann werden die Gebühren bald wieder erhöht!
Niedrigwasser auf dem Rhein bedroht Benzinversorgung im Südwesten
Die Raiffeisenverbände in Bayern und Baden-Württemberg stehen derzeit besonders unter Druck. Die Bauern fahren die Getreideernte ein und der Weitertransport aus den Kornspeichern per Binnenschiff über die Donau, den Neckar und den Rhein wird von Woche zu Woche schwieriger.
Das liegt an einem Mangel an Schiffskapazitäten – und zunehmend am Niedrigwasser auf dem Oberrhein. „Die Nerven liegen blank bei den Genossenschaften“, sagt ein Experte, der nicht mit Namen genannt werden möchte. Auch die Betreiber von Kohlekraftwerken im Südwesten des Landes melden absehbare Engpässe bei ihren Kohlevorräten. Sie fahren gerade Anlangen wieder an, um Erdgas aus russischer Lieferung bei der Verstromung durch heimische oder aus anderen Ländern importierte Kohle zu ersetzen.
Vier Jahre nach dem Jahrhundert-Niedrigwasser von 2018 auf dem Oberrhein entsteht gerade erneut eine Problemlage auf dem wichtigsten Wassertransportweg Deutschlands. Das könnte Industrie und Verbraucher schwer treffen. Der Wasserstand auf dem Rhein sinkt im südlichen Teil des Flusses auf Werte, die eine wirtschaftlich sinnvolle Binnenschifffahrt in den Regionen in wenigen Wochen nicht mehr möglich machen könnte. Grund dafür ist die anhaltende Trockenheit.
Auf der Messstation in Kaub in Rheinland-Pfalz wurde zuletzt ein Pegelstand von 53 Zentimeter gemessen. Der Extremwert aus dem Krisenjahr 2018 betrug 23 Zentimeter. Die Pegelstände sind eine rechnerische Größe, hinzukommt je nach Region der übliche geringste Wasserstand. Zusammen ergibt sich daraus die Wassertiefe.
Für die Binnenschiffer bedeutet dies, dass sie je nach Beladung den Rhein nur mit halb vollen Frachtern passieren können. Kohlefrachter haben statt 10.000 Tonnen nur die Hälfte an Bord und müssen für die Liefermengen entsprechend öfter fahren. Die Sperrung der Schifffahrt auf dem Rhein wird es auch bei weiter fallenden Pegelständen nicht geben. Solange die Binnenschiffer ihre Fahrt mit geringer Beladung fortsetzen wollen, ist dies möglich.
Dabei ist die Lage auf dem Rhein sehr unterschiedlich: Am Niederrhein bei Duisburg liegen Pegelstand und Wassertiefe noch bei den für diese Jahreszeit üblichen Werten. Rund 1,80 Meter beträgt dort die aktuelle Wassertiefe. Die gesamte dort tätige Schiffsflotte ist nach Aussage des Branchenverbandes im Einsatz.
Kohlekraftwerke am Niederrhein würden weitgehend mit Nachschub versorgt. Anders ist dies im Südwesten. Der Kraftwerksbetreiber Energie Baden-Württemberg (EnBW) musste nach Informationen des „Handelsblatts“ den Betrieb der Anlagen in Heilbronn, Marbach und Walheim einschränken.
Auch die Versorgung mit Benzin, Diesel und Heizöl im Südwesten des Landes ist weitgehend von der Binnenschifffahrt abhängig. Im Jahr 2018 war es dazu gekommen, dass einige Tankstellen keinen Treibstoff mehr verkaufen konnten. Ebenso hängen die Chemieindustrie etwa der BASF in Ludwigshafen sowie die Stahlkocher zum Großteil von der Versorgung über den Rhein ab.
Rumänische Firmen kaufen deutsche Binnenschiffe auf
Entscheidend für die weitere Entwicklung der Rheinschifffahrt wird es sein, ob es bis in den September hinein zu mehrtägigem Landregen am Oberrhein kommen wird. Über Tage anhaltender Regen etwa im Schwarzwald kann den gesamten Rhein derart mit Wasser auffüllen, dass die Binnenschifffahrt umgehend wieder zunimmt. Die Prognosen der Bundesanstalt für Gewässerkunde gehen jedoch nicht von einer raschen Änderung der Lage aus.
Doch selbst wenn die Wasserstände für die Binnenschiffer noch nicht außergewöhnlich für diese Jahreszeit sind, das Transportproblem ist es allemal. Denn aufgrund der beginnenden Getreidelieferungen aus der Ukraine fehlt es am Rhein an Schiffskapazitäten.
Vor allem rumänische Unternehmer haben in den vergangenen Monaten Binnenschiffe aus dem deutschen Markt gekauft, um damit den Getreidetransport entlang der Donauhäfen abwickeln können. Dort wartet ein großes Geschäft auf die Transportunternehmen, wenn nämlich der Abtransport aus dem Hafen Odessa innerhalb Europas auf den Binnenwasserstraßen weitergeführt wird.
Niedrigwasser auf dem Rhein bedroht Benzinversorgung im Südwesten
Die Raiffeisenverbände in Bayern und Baden-Württemberg stehen derzeit besonders unter Druck. Die Bauern fahren die Getreideernte ein und der Weitertransport aus den Kornspeichern per Binnenschiff über die Donau, den Neckar und den Rhein wird von Woche zu Woche schwieriger.
Das liegt an einem Mangel an Schiffskapazitäten – und zunehmend am Niedrigwasser auf dem Oberrhein. „Die Nerven liegen blank bei den Genossenschaften“, sagt ein Experte, der nicht mit Namen genannt werden möchte. Auch die Betreiber von Kohlekraftwerken im Südwesten des Landes melden absehbare Engpässe bei ihren Kohlevorräten. Sie fahren gerade Anlangen wieder an, um Erdgas aus russischer Lieferung bei der Verstromung durch heimische oder aus anderen Ländern importierte Kohle zu ersetzen.
Vier Jahre nach dem Jahrhundert-Niedrigwasser von 2018 auf dem Oberrhein entsteht gerade erneut eine Problemlage auf dem wichtigsten Wassertransportweg Deutschlands. Das könnte Industrie und Verbraucher schwer treffen. Der Wasserstand auf dem Rhein sinkt im südlichen Teil des Flusses auf Werte, die eine wirtschaftlich sinnvolle Binnenschifffahrt in den Regionen in wenigen Wochen nicht mehr möglich machen könnte. Grund dafür ist die anhaltende Trockenheit.
Auf der Messstation in Kaub in Rheinland-Pfalz wurde zuletzt ein Pegelstand von 53 Zentimeter gemessen. Der Extremwert aus dem Krisenjahr 2018 betrug 23 Zentimeter. Die Pegelstände sind eine rechnerische Größe, hinzukommt je nach Region der übliche geringste Wasserstand. Zusammen ergibt sich daraus die Wassertiefe.
Für die Binnenschiffer bedeutet dies, dass sie je nach Beladung den Rhein nur mit halb vollen Frachtern passieren können. Kohlefrachter haben statt 10.000 Tonnen nur die Hälfte an Bord und müssen für die Liefermengen entsprechend öfter fahren. Die Sperrung der Schifffahrt auf dem Rhein wird es auch bei weiter fallenden Pegelständen nicht geben. Solange die Binnenschiffer ihre Fahrt mit geringer Beladung fortsetzen wollen, ist dies möglich.
Dabei ist die Lage auf dem Rhein sehr unterschiedlich: Am Niederrhein bei Duisburg liegen Pegelstand und Wassertiefe noch bei den für diese Jahreszeit üblichen Werten. Rund 1,80 Meter beträgt dort die aktuelle Wassertiefe. Die gesamte dort tätige Schiffsflotte ist nach Aussage des Branchenverbandes im Einsatz.
Kohlekraftwerke am Niederrhein würden weitgehend mit Nachschub versorgt. Anders ist dies im Südwesten. Der Kraftwerksbetreiber Energie Baden-Württemberg (EnBW) musste nach Informationen des „Handelsblatts“ den Betrieb der Anlagen in Heilbronn, Marbach und Walheim einschränken.
Auch die Versorgung mit Benzin, Diesel und Heizöl im Südwesten des Landes ist weitgehend von der Binnenschifffahrt abhängig. Im Jahr 2018 war es dazu gekommen, dass einige Tankstellen keinen Treibstoff mehr verkaufen konnten. Ebenso hängen die Chemieindustrie etwa der BASF in Ludwigshafen sowie die Stahlkocher zum Großteil von der Versorgung über den Rhein ab.
Rumänische Firmen kaufen deutsche Binnenschiffe auf
Entscheidend für die weitere Entwicklung der Rheinschifffahrt wird es sein, ob es bis in den September hinein zu mehrtägigem Landregen am Oberrhein kommen wird. Über Tage anhaltender Regen etwa im Schwarzwald kann den gesamten Rhein derart mit Wasser auffüllen, dass die Binnenschifffahrt umgehend wieder zunimmt. Die Prognosen der Bundesanstalt für Gewässerkunde gehen jedoch nicht von einer raschen Änderung der Lage aus.
Doch selbst wenn die Wasserstände für die Binnenschiffer noch nicht außergewöhnlich für diese Jahreszeit sind, das Transportproblem ist es allemal. Denn aufgrund der beginnenden Getreidelieferungen aus der Ukraine fehlt es am Rhein an Schiffskapazitäten.
Vor allem rumänische Unternehmer haben in den vergangenen Monaten Binnenschiffe aus dem deutschen Markt gekauft, um damit den Getreidetransport entlang der Donauhäfen abwickeln können. Dort wartet ein großes Geschäft auf die Transportunternehmen, wenn nämlich der Abtransport aus dem Hafen Odessa innerhalb Europas auf den Binnenwasserstraßen weitergeführt wird.
Studentinnen aus Indien und Deutschland an der TU Chemnitz
Der Blick auf die Zuwanderung nach Deutschland ist meist von großen Flüchtlingswellen geprägt. Über viele Jahre kamen die meisten Menschen aus Syrien und Afghanistan. Seit Russlands Angriff suchen nun vor allem Menschen aus der Ukraine Zuflucht in Deutschland.
Neben den Fluchtbewegungen spielt aber auch die gezielte Einwanderung in den deutschen Arbeitsmarkt eine große und für Deutschland wichtige Rolle.
Ökonomen sind sich einig, dass Deutschland wegen der Altersstruktur seiner Bevölkerung auf Zuwanderung angewiesen ist, um seinen Wohlstand halten zu können. Bereits jetzt haben Firmen 1,7 Millionen offene Stellen gemeldet, so viele wie noch nie. In den kommenden Jahren fehlen nochmals hunderttausende Arbeitskräfte, spätestens wenn die Generation der Babyboomer in den Ruhestand geht.
Eine Chance liegt darin, Geflüchtete in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Daneben versucht Deutschland seit Jahren attraktiver für gut ausgebildete und ambitionierte Fachkräfte aus dem Ausland zu werden. Bekanntheit erlangte dabei Aktion der rot-grünen Bundesregierung im Jahr 2000 zur Anwerbung von IT-Fachleuten aus Indien. 20.000 "Green Cards" wollte die Regierung Schröder ausstellen. Doch nur gut 13.000 IT-Experten kamen. Der geringe Erfolg führte zu Diskussionen, wie attraktiv Deutschland als Ziel im internationalen Wettbewerb um Talente sei.
Seither haben sich Dinge verändert und - vielen Unkenrufen zum Trotz - auch verbessert: Besonders die Zuwanderung aus Indien nach Deutschland nimmt zu - mit wachsender Dynamik. Ökonomen der Deutschen Bank Research stellten die Prognose auf, dass Indien in diesem Jahrzehnt das wichtigste Herkunftsland für die Zuwanderung nach Deutschland wird.
Zunächst brachte die Corona-Pandemie die Zuwanderung aus Indien 2020 ins Stocken. Doch im vergangenen Jahr erreichte sie mit 23.100 Personen einen neuen Rekord. Indien habe damit die Corona-Delle aufgeholt und sei wieder auf den Prognosepfad aus dem Jahr 2020 eingeschwenkt, schreibt die Deutsche Bank in einer aktuellen Analyse.
Bereits jetzt sind Inder nach Zahlen des Statistischen Bundesamtes die größte Gruppe von Nicht-EU-Bürgern, die mit einer befristeten Arbeitserlaubnis in Deutschland arbeiten. In Berlin war Indien 2021 sogar das wichtigste Herkunftsland für Zuwanderung in Jobs in der Stadt. Als Gründe sieht die Deutsche Bank „sowohl die hohe Nachfrage nach IT-Kräften als auch die niedrigen sprachlichen Barrieren. Englisch ist im Zentrum Berlins alltäglich".
Insgesamt nimmt die Einwanderung mit einer Zusage für einen Arbeitsplatz in Deutschland von außerhalb der EU zu. 2021 arbeiteten in deutschen Betrieben rund 295.000 Nicht-EU-Bürger mit einer solchen befristeten Aufenthaltserlaubnis. Ihre Zahl hat sich innerhalb von zehn Jahren mehr als verdreifacht. Mit fast 34.000 Beschäftigten beziehungsweise einem Anteil von elf Prozent stellen Männer und Frauen aus Indien dabei die größte Gruppe. Es folgen Zuwanderer vom Balkan.
Hoch qualifizierte Zuwanderer
Ein knappes Viertel dieser Arbeitskräfte waren Ende 2021 akademische Fachkräfte mit einer sogenannten Blue Card. Sie wurde 2012 EU-weit mit dem Ziel eingeführt, hoch qualifizierten Fachkräften die Zuwanderung zu erleichtern. Voraussetzung ist ein Hochschulabschluss sowie ein Arbeitsplatzangebot mit einem Bruttojahresgehalt von mindestens 56.400 Euro. Ende 2021 arbeitete knapp die Hälfte der Zuwanderer mit Blue Card in einem Mangelberuf, etwa als Ärztinnen und Ärzte oder in der IT.
Das Beispiel Indien sieht auch das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW) als „großen Erfolg für Deutschland". Es verweist auf die weit überdurchschnittliche Qualifikation vieler Zuwanderer aus Indien. "2021 arbeiteten 57,6 Prozent der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten Inder in Deutschland in Spezialisten- oder Expertentätigkeiten, die typischerweise ein Hochschulstudium oder einen Fortbildungsabschluss, wie den Meister, voraussetzen", schreibt das IW. Dieser Anteil ist nicht nur höher als bei allen beschäftigten Ausländern insgesamt (16,5 Prozent), sondern auch deutlich höher als bei deutschen Beschäftigten (28,3 Prozent).
"Besonders stark vertreten waren sie bei den von Fachkräfteengpässen besonders betroffen Expertentätigkeiten im MINT-Bereich, wo ihr Anteil mit 1,3 Prozent rund siebenmal so hoch lag wie bei der Gesamtbeschäftigung." MINT steht für die Bereiche Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik.
In der Folge der Zuwanderung ist die Zahl der indischen Staatsangehörigen in Deutschland von 2010 bis 2020 von 48.000 auf 151.000 gewachsen. „Dabei haben sich auch die Zugangswege deutlich verschoben“, schreibt das IW. Kamen die Inder zu Beginn des Jahrzehnts vorwiegend im Rahmen der Erwerbszuwanderung, absolviert inzwischen ein bedeutender Teil (zunächst) ein Hochschulstudium in Deutschland." Das IW begrüßt dies, weil die Qualifikation so genauer den Anforderungen des Arbeitsmarkts entsprechen - und weil sich Deutschland an den Investitionen in die Ausbildung beteiligt.“
Deutsche Erfolge im Wettbewerb und Talente
Der Erfolg bei der Zuwanderung aus Indien sei nicht selbstverständlich, schreibt das IW. Deutschland stehe in starker Konkurrenz mit angelsächsischen Ländern wie Großbritannien, USA oder Kanada, die mit der englischen Sprache und indischstämmigen Communities zwei große Vorteile hätten. "Ein wichtiger Faktor sei neben einem positiveren Deutschlandbild in der Welt die gezielte Ansprache interessierter Personen in Indien durch die Onlineplattform "Make it in Germany" gewesen sein", schreibt das IW.
Die Ökonomen halten es auf längere Sicht sogar für sinnvoll "einen sehr großen Teil von einem Drittel und mehr der in Deutschland benötigten Zuwanderer aus Indien zu gewinnen".
Die komplette Analyse des Instituts der deutschen Wirtschaft findet ihr hier.
Prognose: Die meisten Zuwanderer nach Deutschland könnten schon bald aus Indien kommen - warum das ein später Erfolg ist
Studentinnen aus Indien und Deutschland an der TU Chemnitz
Der Blick auf die Zuwanderung nach Deutschland ist meist von großen Flüchtlingswellen geprägt. Über viele Jahre kamen die meisten Menschen aus Syrien und Afghanistan. Seit Russlands Angriff suchen nun vor allem Menschen aus der Ukraine Zuflucht in Deutschland.
Neben den Fluchtbewegungen spielt aber auch die gezielte Einwanderung in den deutschen Arbeitsmarkt eine große und für Deutschland wichtige Rolle.
Ökonomen sind sich einig, dass Deutschland wegen der Altersstruktur seiner Bevölkerung auf Zuwanderung angewiesen ist, um seinen Wohlstand halten zu können. Bereits jetzt haben Firmen 1,7 Millionen offene Stellen gemeldet, so viele wie noch nie. In den kommenden Jahren fehlen nochmals hunderttausende Arbeitskräfte, spätestens wenn die Generation der Babyboomer in den Ruhestand geht.
Eine Chance liegt darin, Geflüchtete in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Daneben versucht Deutschland seit Jahren attraktiver für gut ausgebildete und ambitionierte Fachkräfte aus dem Ausland zu werden. Bekanntheit erlangte dabei Aktion der rot-grünen Bundesregierung im Jahr 2000 zur Anwerbung von IT-Fachleuten aus Indien. 20.000 "Green Cards" wollte die Regierung Schröder ausstellen. Doch nur gut 13.000 IT-Experten kamen. Der geringe Erfolg führte zu Diskussionen, wie attraktiv Deutschland als Ziel im internationalen Wettbewerb um Talente sei.
Seither haben sich Dinge verändert und - vielen Unkenrufen zum Trotz - auch verbessert: Besonders die Zuwanderung aus Indien nach Deutschland nimmt zu - mit wachsender Dynamik. Ökonomen der Deutschen Bank Research stellten die Prognose auf, dass Indien in diesem Jahrzehnt das wichtigste Herkunftsland für die Zuwanderung nach Deutschland wird.
Zunächst brachte die Corona-Pandemie die Zuwanderung aus Indien 2020 ins Stocken. Doch im vergangenen Jahr erreichte sie mit 23.100 Personen einen neuen Rekord. Indien habe damit die Corona-Delle aufgeholt und sei wieder auf den Prognosepfad aus dem Jahr 2020 eingeschwenkt, schreibt die Deutsche Bank in einer aktuellen Analyse.
Bereits jetzt sind Inder nach Zahlen des Statistischen Bundesamtes die größte Gruppe von Nicht-EU-Bürgern, die mit einer befristeten Arbeitserlaubnis in Deutschland arbeiten. In Berlin war Indien 2021 sogar das wichtigste Herkunftsland für Zuwanderung in Jobs in der Stadt. Als Gründe sieht die Deutsche Bank „sowohl die hohe Nachfrage nach IT-Kräften als auch die niedrigen sprachlichen Barrieren. Englisch ist im Zentrum Berlins alltäglich".
Insgesamt nimmt die Einwanderung mit einer Zusage für einen Arbeitsplatz in Deutschland von außerhalb der EU zu. 2021 arbeiteten in deutschen Betrieben rund 295.000 Nicht-EU-Bürger mit einer solchen befristeten Aufenthaltserlaubnis. Ihre Zahl hat sich innerhalb von zehn Jahren mehr als verdreifacht. Mit fast 34.000 Beschäftigten beziehungsweise einem Anteil von elf Prozent stellen Männer und Frauen aus Indien dabei die größte Gruppe. Es folgen Zuwanderer vom Balkan.
Hoch qualifizierte Zuwanderer
Ein knappes Viertel dieser Arbeitskräfte waren Ende 2021 akademische Fachkräfte mit einer sogenannten Blue Card. Sie wurde 2012 EU-weit mit dem Ziel eingeführt, hoch qualifizierten Fachkräften die Zuwanderung zu erleichtern. Voraussetzung ist ein Hochschulabschluss sowie ein Arbeitsplatzangebot mit einem Bruttojahresgehalt von mindestens 56.400 Euro. Ende 2021 arbeitete knapp die Hälfte der Zuwanderer mit Blue Card in einem Mangelberuf, etwa als Ärztinnen und Ärzte oder in der IT.
Das Beispiel Indien sieht auch das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW) als „großen Erfolg für Deutschland". Es verweist auf die weit überdurchschnittliche Qualifikation vieler Zuwanderer aus Indien. "2021 arbeiteten 57,6 Prozent der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten Inder in Deutschland in Spezialisten- oder Expertentätigkeiten, die typischerweise ein Hochschulstudium oder einen Fortbildungsabschluss, wie den Meister, voraussetzen", schreibt das IW. Dieser Anteil ist nicht nur höher als bei allen beschäftigten Ausländern insgesamt (16,5 Prozent), sondern auch deutlich höher als bei deutschen Beschäftigten (28,3 Prozent).
"Besonders stark vertreten waren sie bei den von Fachkräfteengpässen besonders betroffen Expertentätigkeiten im MINT-Bereich, wo ihr Anteil mit 1,3 Prozent rund siebenmal so hoch lag wie bei der Gesamtbeschäftigung." MINT steht für die Bereiche Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik.
In der Folge der Zuwanderung ist die Zahl der indischen Staatsangehörigen in Deutschland von 2010 bis 2020 von 48.000 auf 151.000 gewachsen. „Dabei haben sich auch die Zugangswege deutlich verschoben“, schreibt das IW. Kamen die Inder zu Beginn des Jahrzehnts vorwiegend im Rahmen der Erwerbszuwanderung, absolviert inzwischen ein bedeutender Teil (zunächst) ein Hochschulstudium in Deutschland." Das IW begrüßt dies, weil die Qualifikation so genauer den Anforderungen des Arbeitsmarkts entsprechen - und weil sich Deutschland an den Investitionen in die Ausbildung beteiligt.“
Deutsche Erfolge im Wettbewerb und Talente
Der Erfolg bei der Zuwanderung aus Indien sei nicht selbstverständlich, schreibt das IW. Deutschland stehe in starker Konkurrenz mit angelsächsischen Ländern wie Großbritannien, USA oder Kanada, die mit der englischen Sprache und indischstämmigen Communities zwei große Vorteile hätten. "Ein wichtiger Faktor sei neben einem positiveren Deutschlandbild in der Welt die gezielte Ansprache interessierter Personen in Indien durch die Onlineplattform "Make it in Germany" gewesen sein", schreibt das IW.
Die Ökonomen halten es auf längere Sicht sogar für sinnvoll "einen sehr großen Teil von einem Drittel und mehr der in Deutschland benötigten Zuwanderer aus Indien zu gewinnen".
Die komplette Analyse des Instituts der deutschen Wirtschaft findet ihr hier.
Nürnberger Metzger: "Meine Firma hat zwei Weltkriege überstanden"
Jürgen Krön in seinem Betrieb: Der Metzger muss schweren Herzens sein Traditionsgeschäft schließen.
In Nürnberg muss eine Metzgerei im jahrhundertealten Familienbetrieb schließen, auch aufgrund der unbezahlbaren Preise. Der Inhaber wird emotional.
Das 125-jährige Jubiläum wird sie nicht mehr erleben: Nur noch wenige Tage, dann macht die Traditionsmetzgerei Krön in Nürnberg dicht. Der Grund: Die stark steigenden Energie- und Lebensmittelpreise zwingen den Familienbetrieb in die Knie. Schon die Corona-Zeit sei für den Familienbetrieb hart gewesen, die Aufträge seien zurückgegangen. Ende September gehen nun die letzten Würste über den Tresen.
"Da fließt schon die eine oder andere Träne", berichtet Inhaber Jürgen Krön in den "Nürnberger Nachrichten" von Reaktionen der Kunden im Laden. Die Entscheidung sei für ihn und seine Familie hart gewesen, aber er habe keine andere Wahl gehabt. "Wir würden jetzt definitiv in die Verlustzone rutschen", so der 42-Jährige.
Nürnberger Metzger: "Meine Firma hat zwei Weltkriege überstanden"
In einem Facebook-Video hat er sich mit der emotionalen Rede zum Aus der Metzgerei geäußert. "Meine Firma hat zwei Weltkriege überstanden. Aber nun sind wir gezwungen, die Produktion einzustellen", beginnt Krön mit ernster Miene das Video. "Es können sich leider viele Kunden meine Produkte nicht mehr leisten – oder wollen sie sich nicht leisten, weil sie sparen müssen." Der Produktionsstopp hat nicht die Insolvenz zur Folge – damit habe Herr Habeck recht, so Krön weiter. "Allerdings werde ich den Betrieb nach dem Stopp nicht wiederaufnehmen können, denn meine Mitarbeiter haben zum Glück neue Arbeitsplätze gefunden."
Auch er müsse wieder Geld verdienen. "Ich kann mich nicht ein halbes Jahr ausruhen und dann einfach weitermachen. Ich brauche in dieser Zeit einen Verdienst." Die enormen Energie- und Lebensmittelpreise können nicht mehr abgefangen werden. "Rindfleisch, Speiseöl oder Gewürze – die Ausgaben dafür haben sich stark erhöht", berichtet Krön den "Nürnberger Nachrichten". Und die Kundschaft sei sehr preissensibel. Trotz Stammkundschaft kommen immer weniger. "Mir sind 30 Prozent der Kundschaft weggebrochen."
Krön bringt seine Not mit einem Vergleich auf den Punkt: "Es ist, wie Herr Habeck gesagt hat: Ein Produktionsstopp ist nicht zwingend die Insolvenz. Aber es ist wie mit Atmen: Wenn ich aufhöre zu atmen, werde ich sterben", so Krön in dem Video.
Gastronomie in den Alpen: Neuer lenkt im "Forsthaus-Streit" ein
Klischee und Sprachverhunzung: Die peinlichsten Oktoberfest-Kopien
Beleidigungen und Hitlergruß: Rassistin mit Kinnhaken niedergestreckt
Deshalb wünsche er allen Betrieben für die kommende Zeit einen langen Atem. Dann äußert er einen dringenden Wunsch an die Politik: "Und von unserer Regierung wünsche ich mir, die Sorgen und Nöte der Bevölkerung ernstzunehmen."
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Jürgen Krön in seinem Betrieb: Der Metzger muss schweren Herzens sein Traditionsgeschäft schließen.
In Nürnberg muss eine Metzgerei im jahrhundertealten Familienbetrieb schließen, auch aufgrund der unbezahlbaren Preise. Der Inhaber wird emotional.
Das 125-jährige Jubiläum wird sie nicht mehr erleben: Nur noch wenige Tage, dann macht die Traditionsmetzgerei Krön in Nürnberg dicht. Der Grund: Die stark steigenden Energie- und Lebensmittelpreise zwingen den Familienbetrieb in die Knie. Schon die Corona-Zeit sei für den Familienbetrieb hart gewesen, die Aufträge seien zurückgegangen. Ende September gehen nun die letzten Würste über den Tresen.
"Da fließt schon die eine oder andere Träne", berichtet Inhaber Jürgen Krön in den "Nürnberger Nachrichten" von Reaktionen der Kunden im Laden. Die Entscheidung sei für ihn und seine Familie hart gewesen, aber er habe keine andere Wahl gehabt. "Wir würden jetzt definitiv in die Verlustzone rutschen", so der 42-Jährige.
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Auch er müsse wieder Geld verdienen. "Ich kann mich nicht ein halbes Jahr ausruhen und dann einfach weitermachen. Ich brauche in dieser Zeit einen Verdienst." Die enormen Energie- und Lebensmittelpreise können nicht mehr abgefangen werden. "Rindfleisch, Speiseöl oder Gewürze – die Ausgaben dafür haben sich stark erhöht", berichtet Krön den "Nürnberger Nachrichten". Und die Kundschaft sei sehr preissensibel. Trotz Stammkundschaft kommen immer weniger. "Mir sind 30 Prozent der Kundschaft weggebrochen."
Krön bringt seine Not mit einem Vergleich auf den Punkt: "Es ist, wie Herr Habeck gesagt hat: Ein Produktionsstopp ist nicht zwingend die Insolvenz. Aber es ist wie mit Atmen: Wenn ich aufhöre zu atmen, werde ich sterben", so Krön in dem Video.
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Deshalb wünsche er allen Betrieben für die kommende Zeit einen langen Atem. Dann äußert er einen dringenden Wunsch an die Politik: "Und von unserer Regierung wünsche ich mir, die Sorgen und Nöte der Bevölkerung ernstzunehmen."
Neuer Rekord: So viele Einwohner hat Deutschland jetzt
Wiesbaden - Dass Sänger Max Giesinger (33) mit seinem Song "80 Millionen" schon immer etwas tief stapelte, war allen bewusst. Eine vorläufige Statistik zeigt jetzt, wie viele Einwohner die Bundesrepublik wirklich hat - und das sind so viele wie noch nie!
So leben in Deutschland erstmals mehr als 84 Millionen Menschen. Allein im ersten Halbjahr 2022 kamen 843.000 oder etwas mehr als ein Prozent dazu. Zum Vergleich: Im Jahr zuvor war die Bevölkerungszahl nur um 82.000 Menschen oder rund 0,1 Prozent gestiegen.
Im ersten Halbjahr 2022 lag die Nettozuwanderung (gesamte Zuzüge Minus Abwanderung) allein von Ukrainern bei rund 750.000 Menschen, insgesamt bei rund einer Million. Siebenmal so viel wie im Vorjahreshalbjahr! Dass zeitgleich 161.000 Menschen mehr starben als geboren wurden, schmälerte das Bevölkerungswachstum etwas.
Jedes deutsche Bundesland mit Bevölkerungswachstum
Dass vor allem junge Frauen und Mädchen aus der Ukraine nach Deutschland kamen, belegen die Zahlen der Statistiker. So stieg deren Zahl um 526.000, während der Männer- und Jungen-Zuwachs mit 317.000 deutlich geringer ausfiel.
Ebenfalls interessant ist die Erkenntnis der Statistiker, dass die Bevölkerungszahl in allen deutschen Bundesländern anstieg. Das regional teils aber sehr unterschiedlich. Den höchsten Zuwachs an Menschen verzeichneten Berlin (1,3 Prozent) sowie Bayern und Hessen (je 1,2 Prozent).
Im Gegenzug wuchsen Bremen (0,5 Prozent), Thüringen (0,6 Prozent) und das Saarland (0,7 Prozent) deutlich geringfügiger. Sachsen verzeichnete ein Plus von 0,9 Prozent.
Übrigens: Ein ähnliches Bevölkerungswachstum hat es laut Statistischem Bundesamt bislang nur in den Jahren 1992 und 2015 gegeben. Damals kamen infolge der Grenzöffnungen in Osteuropa, des Jugoslawien-Krieges und der Flüchtlingskrise 700.000 beziehungsweise 978.000 Menschen hinzu.
Neuer Rekord: So viele Einwohner hat Deutschland jetzt
Wiesbaden - Dass Sänger Max Giesinger (33) mit seinem Song "80 Millionen" schon immer etwas tief stapelte, war allen bewusst. Eine vorläufige Statistik zeigt jetzt, wie viele Einwohner die Bundesrepublik wirklich hat - und das sind so viele wie noch nie!
So leben in Deutschland erstmals mehr als 84 Millionen Menschen. Allein im ersten Halbjahr 2022 kamen 843.000 oder etwas mehr als ein Prozent dazu. Zum Vergleich: Im Jahr zuvor war die Bevölkerungszahl nur um 82.000 Menschen oder rund 0,1 Prozent gestiegen.
Im ersten Halbjahr 2022 lag die Nettozuwanderung (gesamte Zuzüge Minus Abwanderung) allein von Ukrainern bei rund 750.000 Menschen, insgesamt bei rund einer Million. Siebenmal so viel wie im Vorjahreshalbjahr! Dass zeitgleich 161.000 Menschen mehr starben als geboren wurden, schmälerte das Bevölkerungswachstum etwas.
Jedes deutsche Bundesland mit Bevölkerungswachstum
Dass vor allem junge Frauen und Mädchen aus der Ukraine nach Deutschland kamen, belegen die Zahlen der Statistiker. So stieg deren Zahl um 526.000, während der Männer- und Jungen-Zuwachs mit 317.000 deutlich geringer ausfiel.
Ebenfalls interessant ist die Erkenntnis der Statistiker, dass die Bevölkerungszahl in allen deutschen Bundesländern anstieg. Das regional teils aber sehr unterschiedlich. Den höchsten Zuwachs an Menschen verzeichneten Berlin (1,3 Prozent) sowie Bayern und Hessen (je 1,2 Prozent).
Im Gegenzug wuchsen Bremen (0,5 Prozent), Thüringen (0,6 Prozent) und das Saarland (0,7 Prozent) deutlich geringfügiger. Sachsen verzeichnete ein Plus von 0,9 Prozent.
Übrigens: Ein ähnliches Bevölkerungswachstum hat es laut Statistischem Bundesamt bislang nur in den Jahren 1992 und 2015 gegeben. Damals kamen infolge der Grenzöffnungen in Osteuropa, des Jugoslawien-Krieges und der Flüchtlingskrise 700.000 beziehungsweise 978.000 Menschen hinzu.
Chance oder Kollaps? - Millionen-Urlaubsprojekt auf Pütnitz
Am Saaler Boden werden die Weichen für den Bau eines Ferienresorts gestellt. Es geht um die früher auch von der Sowjetarmee genutzte Halbinsel Pütnitz und eine 250 Hektar große Fläche. Und um Gesamtinvestitionen von rund 350 Millionen Euro.
Die Stadt Ribnitz-Damgarten ist Eigentümerin der Fläche. Die Stadtvertreter der rund 16.000 Einwohner zählenden Kommune entscheiden, ob der Bebauungsplan Nr. 109 «Sondergebiet touristische Entwicklung Halbinsel Pütnitz» aufgestellt werden soll.
Entwicklung wichtig für die Region
Vom rein formellen Verfahren sei dies zwar der Startschuss, aber zugleich das Ergebnis jahrelanger Arbeit, sagt Bürgermeister Thomas Huth. Der Nutzungszweck ist im Grundsatz unstrittig. «Seit 1994, seitdem die Russen weg sind, ging das in Richtung touristische Nutzung», so Huth.
Hauptinvestor ist der Freizeitpark-Betreiber Center Parcs. Pütnitz soll dessen siebte Anlage in Deutschland werden. Zudem will die Supreme GmbH (Rostock) eine Sport- und Erlebniswelt («Pangea Island») entstehen lassen. Die Bernsteinreiter planen einen weiteren Reiterhof, auch das bestehende Technikmuseum gehört zum Konzept. Die Kapazität liegt bei 3200 Betten plus 300 Campingstellplätze.
Für Ribnitz-Damgarten sei das Projekt von immenser Bedeutung. Allein schon um die Funktion als Mittelzentrum aufrecht zu erhalten, argumentiert der Bürgermeister. Dazu sei ein gewisses Wachstum nötig. «Andernfalls gehen irgendwann die letzten Krankenkassen weg, die letzten Fachärzte, die letzten Kreditinstitute und ein Bus fährt auch nicht mehr. Wir brauchen ein gewisses Wachstum - Nichts machen ist keine Option.»
Es gibt nicht nur Befürworter des Projekts
Er weiß aber auch um die Dimension des Projektes. «Wir gehen davon aus, dass wir frühestens 2024 einen rechtskräftigen B-Plan, also ein Baurecht, haben.» Diesen Zeitplan findet Steffen Schmidt optimistisch. «Das ist ein Riesenprojekt und wahnsinnig komplex», sagt Schmidt, der den Bebauungsplan am liebsten gar nicht verwirklicht sehen will. Er kämpft mit der Bürgerinitiative «Pütnitz - Kein Massentourismus» gegen das Projekt. Befürworter und Gegner schenken sich wenig.
Beide Seiten werfen sich vor, Informationen entweder bewusst zu verfälschen oder zurückzuhalten. Der Bürgermeister spricht von unfairem Verhalten, die Bürgerinitiative von bewusster Täuschung und einem drohenden «Millionengrab». Huth kritisiert, dass die Gegner immer wieder die falsche Zahl von 800.000 Touristen im Jahr propagierten, obwohl es sich dabei um die Zahl der Übernachtungen handelte. «Das ist mehr als ärgerlich.»
Dagegen bemängelt Schmidt, der die Gesamtsituation als «politisch verfestigt» umschreibt, dass die Stadt von 3200 Betten ausgehe, obwohl die Zahl bei 4500 liege. «Wir zählen auch die Schlafmöglichkeiten der geplanten Campingstellplätze mit.» Es drohe ein Verkehrskollaps, auch sei die Gesamtkommunikation intransparent.
Informationsgespräche und Austausch
Wirtschaftsminister Reinhard Meyer (SPD), aus dessen Haus Fördermittel fließen sollen, macht keinen Hehl aus seiner Unterstützung für das Projekt. Er sagte vorige Woche in Rostock aber auch, dass die Diskussion darüber notwendig sei und offen geführt werden müsse. Wer über Qualitätstourismus spreche, müsse auch fragen, wie Beschäftigte der Branche und die Menschen in den Tourismusgebieten mitgenommen werden könnten.
Die Betroffenen in der Region werden in den kommenden Monaten jedenfalls reichlich Gelegenheit haben, sich mit dem Für und Wider des Vorhabens auf Pütnitz auseinander zu setzen. Eine Zustimmung des Stadtvertretung zum Aufstellungsbeschluss gilt am Mittwoch als sicher. Für den 13. November ist eine Informationsveranstaltung vor Ort geplant.
Chance oder Kollaps? - Millionen-Urlaubsprojekt auf Pütnitz
Am Saaler Boden werden die Weichen für den Bau eines Ferienresorts gestellt. Es geht um die früher auch von der Sowjetarmee genutzte Halbinsel Pütnitz und eine 250 Hektar große Fläche. Und um Gesamtinvestitionen von rund 350 Millionen Euro.
Die Stadt Ribnitz-Damgarten ist Eigentümerin der Fläche. Die Stadtvertreter der rund 16.000 Einwohner zählenden Kommune entscheiden, ob der Bebauungsplan Nr. 109 «Sondergebiet touristische Entwicklung Halbinsel Pütnitz» aufgestellt werden soll.
Entwicklung wichtig für die Region
Vom rein formellen Verfahren sei dies zwar der Startschuss, aber zugleich das Ergebnis jahrelanger Arbeit, sagt Bürgermeister Thomas Huth. Der Nutzungszweck ist im Grundsatz unstrittig. «Seit 1994, seitdem die Russen weg sind, ging das in Richtung touristische Nutzung», so Huth.
Hauptinvestor ist der Freizeitpark-Betreiber Center Parcs. Pütnitz soll dessen siebte Anlage in Deutschland werden. Zudem will die Supreme GmbH (Rostock) eine Sport- und Erlebniswelt («Pangea Island») entstehen lassen. Die Bernsteinreiter planen einen weiteren Reiterhof, auch das bestehende Technikmuseum gehört zum Konzept. Die Kapazität liegt bei 3200 Betten plus 300 Campingstellplätze.
Für Ribnitz-Damgarten sei das Projekt von immenser Bedeutung. Allein schon um die Funktion als Mittelzentrum aufrecht zu erhalten, argumentiert der Bürgermeister. Dazu sei ein gewisses Wachstum nötig. «Andernfalls gehen irgendwann die letzten Krankenkassen weg, die letzten Fachärzte, die letzten Kreditinstitute und ein Bus fährt auch nicht mehr. Wir brauchen ein gewisses Wachstum - Nichts machen ist keine Option.»
Es gibt nicht nur Befürworter des Projekts
Er weiß aber auch um die Dimension des Projektes. «Wir gehen davon aus, dass wir frühestens 2024 einen rechtskräftigen B-Plan, also ein Baurecht, haben.» Diesen Zeitplan findet Steffen Schmidt optimistisch. «Das ist ein Riesenprojekt und wahnsinnig komplex», sagt Schmidt, der den Bebauungsplan am liebsten gar nicht verwirklicht sehen will. Er kämpft mit der Bürgerinitiative «Pütnitz - Kein Massentourismus» gegen das Projekt. Befürworter und Gegner schenken sich wenig.
Beide Seiten werfen sich vor, Informationen entweder bewusst zu verfälschen oder zurückzuhalten. Der Bürgermeister spricht von unfairem Verhalten, die Bürgerinitiative von bewusster Täuschung und einem drohenden «Millionengrab». Huth kritisiert, dass die Gegner immer wieder die falsche Zahl von 800.000 Touristen im Jahr propagierten, obwohl es sich dabei um die Zahl der Übernachtungen handelte. «Das ist mehr als ärgerlich.»
Dagegen bemängelt Schmidt, der die Gesamtsituation als «politisch verfestigt» umschreibt, dass die Stadt von 3200 Betten ausgehe, obwohl die Zahl bei 4500 liege. «Wir zählen auch die Schlafmöglichkeiten der geplanten Campingstellplätze mit.» Es drohe ein Verkehrskollaps, auch sei die Gesamtkommunikation intransparent.
Informationsgespräche und Austausch
Wirtschaftsminister Reinhard Meyer (SPD), aus dessen Haus Fördermittel fließen sollen, macht keinen Hehl aus seiner Unterstützung für das Projekt. Er sagte vorige Woche in Rostock aber auch, dass die Diskussion darüber notwendig sei und offen geführt werden müsse. Wer über Qualitätstourismus spreche, müsse auch fragen, wie Beschäftigte der Branche und die Menschen in den Tourismusgebieten mitgenommen werden könnten.
Die Betroffenen in der Region werden in den kommenden Monaten jedenfalls reichlich Gelegenheit haben, sich mit dem Für und Wider des Vorhabens auf Pütnitz auseinander zu setzen. Eine Zustimmung des Stadtvertretung zum Aufstellungsbeschluss gilt am Mittwoch als sicher. Für den 13. November ist eine Informationsveranstaltung vor Ort geplant.
Pessimismus an sich ist nichts Neues, wenn es um Deutschlands Geschäftsmodell geht. Schon lange ärgert sich das Land darüber, dass es nicht so viele große Internetkonzerne hinkriegt, wie es gerne hätte. Dass die Produktion von Solar- und Batteriezellen inzwischen vor allem in China stattfindet. Und dass die Autoindustrie sich viel zu langsam fortentwickelt. Zuletzt aber hat sich die Laune im Land noch deutlich verschlechtert. In der Folge von Russlands Aggression ist Energie teuer geworden – so teuer, dass Warnungen vor einer Deindustrialisierung gleich aus Dutzenden von Mündern kommen. Und dann ist da die Globalisierung. Der ehemalige Exportweltmeister Deutschland leidet besonders darunter, wenn internationaler Handel eingeschränkt wird, weil sich Blöcke von Ländern bilden, zwischen denen die Abhängigkeit verringert werden soll.
Da muss Deutschland einerseits gut überlegen, wo es künftig seine Rohstoffe herbekommt. Mindestens genauso wichtig aber ist die Frage, wofür Deutschland künftig noch Rohstoffe braucht: Was wird die Bundesrepublik produzieren? Wie soll das Land in Zukunft noch Geld verdienen – das Geld, das es braucht, um seine alternde Bevölkerung zu versorgen und die angehäuften Staatsschulden zu bedienen?
Deutschland ist teure Energie gewohnt
Hier kommt ein bisschen Grund zum Optimismus: Deutschlands Perspektiven sind vielleicht besser, als es in dem schwierigen Jahr 2022 scheint. Drei Gründe zur Hoffnung gibt es – und am Ende trotzdem noch viel zu tun.
Das erste bisschen Optimismus stammt aus der simplen Betrachtung der Lage in der bestehenden Industrie. Obwohl Strom und vor allem Gas in den vergangenen Monaten sehr teuer geworden sind, ist die Produktion insgesamt kaum zurückgegangen.
Das hat nicht zuletzt zwei Ursachen, die eng zusammenhängen: Erstens ist es nicht so, dass Deutschland vor der Ukrainekrise ein Billigenergieland gewesen wäre. In Europa gab es schon lange Länder mit günstigerem Gas, in den USA war es noch viel billiger. Und über den Strompreis klagte die Industrie schon lange, er sei einer der weltweit höchsten. Nun stellen sich zwei Dinge heraus: Energieintensive Betriebe waren schon immer trotz der hohen Energiepreise hier, einige können dann doch halbwegs damit umgehen (wenn auch nicht alle). Und auch in Branchen, die allgemein als energieintensiv gelten, ist längst nicht jeder einzelne Betrieb ein großer Strom- oder Gasverbraucher. Insgesamt machen die gefährdeten Betriebe offenbar einen kleineren Teil der deutschen Wirtschaft aus, als man befürchten musste – und ihre Probleme übertragen sich auch nicht ungebremst auf die übrigen Unternehmen.
„Hohe Innovationsfähigkeit, hohes Know-how“
Gleichzeitig hat Deutschland immer noch einige Stärken, was die Automatisierung angeht. Die Verknüpfung von Maschinen, großen industriellen Produkten und intelligenter Software – da ist Deutschland nach wie vor ganz vorne dabei. Industriepräsident Siegfried Russwurm klingt wieder optimistischer: „Deutschlands Modell der Spezialisierung auf hochwertige, technologisch führende Industriegüter und damit verbundene Dienstleistungen war immer wieder Schocks ausgesetzt – und ist schon oft totgesagt worden. Auch dieses Mal wird dies trotz aller Risiken nicht zutreffen“, sagt er. Und: „Die Unternehmen beweisen immer wieder, dass sie sich in der Summe flexibel auf neue Chancen und Gefahren einstellen und ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit erhalten können.“
Auch Christian Klein, Chef des Software-Konzerns SAP, will nicht in den Pessimismus einstimmen. „Deutschland hat sehr gute Voraussetzungen, um auch im nächsten Jahrzehnt eine führende Stellung in der Weltwirtschaft zu behalten“, sagt er. „Das liegt an der in Deutschland immer noch hohen Innovationsfähigkeit durch großes technologisches Know-how, vor allem auch in den weiterhin international sehr starken Industriebranchen wie Mobilität, Maschinenbau oder Chemie. Und es liegt am hohen Verständnis für die globale Vernetzung.“
Der Westen rückt zusammen
Was aber, wenn man diese Maschinen künftig vielleicht nicht mehr so gut in alle Länder verkaufen kann, zum Beispiel nicht mehr nach China? Da kommt das zweite bisschen Optimismus – nicht allzu viel, aber immerhin ein bisschen. Es ist das Gute im Schlechten, und es manifestiert sich zum Beispiel in den Chipwerken, die Intel und Infineon demnächst in Deutschland bauen wollen. Der Punkt dahinter ist folgender: Wenn Deutschland und Europa von China unabhängiger werden wollen, dann wird das eine oder andere an Produktion auch hier im Land stattfinden. Seien es Computerchips oder Batteriezellen, Arzneimittelwirkstoffe oder Solarpanels: Auch das muss produziert werden. Nicht alles davon bringt viele Arbeitsplätze, aber an Arbeit mangelt es Deutschland sowieso nicht. Das eine oder andere bringt wenigstens Gewinn ins Land – und sorgt dafür, dass Deutschland seinerseits weniger Geld für Importe ausgibt.
Insgesamt wird dieses neue Geschäftsmodell Deutschland nicht reicher machen. Das zeigt sich heute schon daran, dass die Chip- und Batteriezellwerke nur mit milliardenschweren Subventionen in Betrieb gehen können. Manches wird also Staatsgeld kosten, anderes wird für die Verbraucher teurer werden – am Ende ist sicher: Wenn die internationale Spezialisierung nicht mehr greift, dann ist der Wohlstand kleiner. Zu tun gibt es in diesem Prozess aber gar nicht so wenig.
Die Branche der Zukunft: Pharma
Drittens, und da ist wieder ein größeres bisschen Zuversicht fällig: Deutschland hat durchaus die eine oder andere Branche, die in den kommenden Jahren etwas erreichen kann. Der Sachverständigenrat der Wirtschaftsweisen hat gerade erst aufgelistet, wie sich Deutschlands unterschiedliche Industriebranchen in den vergangenen 20 Jahren entwickelt haben. Es ist ein Überblick über die relative Wettbewerbsfähigkeit – und zwar nicht in theoretischen Kenngrößen, sondern gemessen an tatsächlichen Exporten. Dabei stellt sich heraus: Schon vor Corona hatte Deutschlands Pharmaindustrie viel an Boden gewonnen. Allein in den Zehnerjahren sind Deutschlands Arzneiexporte um 60 Prozent gestiegen.
Von der Öffentlichkeit nicht sonderlich beachtet, hat es Deutschland seit den Neunzigerjahren offenbar allmählich geschafft, wieder an die große Zeit als Apotheke der Welt anzuknüpfen. Nicht mit den altbekannten, simplen Medikamenten, die bis jetzt oft aus Indien und China kommen. Sondern an der Spitze der Forschung – mit Medikamenten, die auch China aus Deutschland importiert. Dieser Erfolg geschah ganz ohne industriepolitische Lautsprechereien, nicht zuletzt deshalb, weil pharmazeutische und biotechnische Forschung in den vergangenen 30 Jahren öffentlich nicht mehr so verpönt war wie in den Siebziger- und Achtzigerjahren. Dieser Aufschwung hat auch Biontech mit nach oben gezogen, das jetzt seinerseits für Erfolge sorgt und wiederum die Grundlage dafür legt, dass noch mehr Unternehmen entstehen können.
Weitere Hoffnungen richten sich auf grüne Geschäftsmodelle rund um Wasserstofftechnik und andere Technologien, die für den Klimaschutz an Bedeutung gewinnen. Wenn Deutschland in Sachen Klimaschutz Ernst macht, dann könnte das Land auch in diesen Bereichen an die Spitze der Technik kommen. „Klimaschutz kann und muss ein Geschäftsmodell sein“, sagt Industriepräsident Siegfried Russwurm. „Deutschland will rasch klimaneutral werden – das ist Herausforderung und Chance zugleich.“ Der Düsseldorfer Ökonom Jens Südekum stimmt zu: „Beim Wasserstoff ist Deutschland noch top, aber US-Präsident Biden schielt schon darauf.“
Digitalisierung und Entbürokratisierung dringend nötig
Chancen gibt es also. Gleichzeitig muss Deutschland etwas dafür tun, dass aus all diesen Chancen wirklich künftiger Wohlstand wächst. „Wenn wir das jetzt verschlafen, dann kann es tatsächlich eng werden für den Industriestandort“, warnt Ökonom Südekum.
Die Rezepte sind nicht neu, aber trotzdem für den einen oder anderen immer wieder überraschend. SAP-Chef Christian Klein verweist rollengerecht auf die Bedeutung der Digitalisierung. Außerdem gehört dazu vor allem, der Innovation ihren Lauf zu lassen – das heißt: die Bildung stärken und bürokratische Fesseln lösen. Auch die Gesellschaft ist wichtig, wie die Entwicklung der Pharmaindustrie zeigt: Wenn die Bürger sich neuen Technologien zu sehr verschließen, geht es mit dem Land ebenfalls nicht aufwärts – oder wenn sie von vorneherein zu wissen glauben, dass Technik A einer Technik B völlig unterlegen ist. Selbst Digitales stößt in Deutschland noch oft auf Misstrauen.
Und wer ebenfalls nicht glauben darf, dass er besser weiß, wo es hingehen kann: die Regierung. Diesen Punkt macht selbst die Ökonomin Mariana Mazzucato, die große Verfechterin der Industriepolitik. Sie beschrieb fast auf den Tag genau vor zwei Jahren in der F.A.S., wie ein industriepolitisches Programm für Deutschland aussehen müsse – nämlich anders, als die Politik es jetzt schreibt. Derzeit nutze Deutschland eher seine bereits vorhandenen Werte, als neue zu schaffen, schrieb sie. Und sie forderte nicht etwa große Subventionen als Mittel einer deutschen Industriepolitik. Der Staat solle seine eigenen Aufträge als Nachfrager einsetzen. Nicht vorher schon definieren, welche Firma die beste ist, sondern als Kunde aus den Angeboten aller verschiedenen Wettbewerber das Beste auswählen.
Vielleicht braucht es auch gar nicht allzu viel Industriepolitik. „Wer weiß, ob die Politik die Güter trifft, die den Verbrauchern dann wichtig sind. Wir produzieren ja nur für die Verbraucher und für niemanden sonst“, warnt der Ökonom Stefan Kooths vom Kieler Institut für Weltwirtschaft. „Die Zukunftstechnologien sind oft die, mit denen man gar nicht rechnet.“
In diesem Sinn weiß niemand zuverlässig, mit welcher Technik Deutschland in den nächsten zwanzig Jahren sein Geld verdienen wird. Fest steht aber: Es gibt durchaus vielversprechende Ideen.
Ende der Industrie: Wie soll Deutschland in Zukunft bloß Geld verdienen?
Pessimismus an sich ist nichts Neues, wenn es um Deutschlands Geschäftsmodell geht. Schon lange ärgert sich das Land darüber, dass es nicht so viele große Internetkonzerne hinkriegt, wie es gerne hätte. Dass die Produktion von Solar- und Batteriezellen inzwischen vor allem in China stattfindet. Und dass die Autoindustrie sich viel zu langsam fortentwickelt. Zuletzt aber hat sich die Laune im Land noch deutlich verschlechtert. In der Folge von Russlands Aggression ist Energie teuer geworden – so teuer, dass Warnungen vor einer Deindustrialisierung gleich aus Dutzenden von Mündern kommen. Und dann ist da die Globalisierung. Der ehemalige Exportweltmeister Deutschland leidet besonders darunter, wenn internationaler Handel eingeschränkt wird, weil sich Blöcke von Ländern bilden, zwischen denen die Abhängigkeit verringert werden soll.
Da muss Deutschland einerseits gut überlegen, wo es künftig seine Rohstoffe herbekommt. Mindestens genauso wichtig aber ist die Frage, wofür Deutschland künftig noch Rohstoffe braucht: Was wird die Bundesrepublik produzieren? Wie soll das Land in Zukunft noch Geld verdienen – das Geld, das es braucht, um seine alternde Bevölkerung zu versorgen und die angehäuften Staatsschulden zu bedienen?
Deutschland ist teure Energie gewohnt
Hier kommt ein bisschen Grund zum Optimismus: Deutschlands Perspektiven sind vielleicht besser, als es in dem schwierigen Jahr 2022 scheint. Drei Gründe zur Hoffnung gibt es – und am Ende trotzdem noch viel zu tun.
Das erste bisschen Optimismus stammt aus der simplen Betrachtung der Lage in der bestehenden Industrie. Obwohl Strom und vor allem Gas in den vergangenen Monaten sehr teuer geworden sind, ist die Produktion insgesamt kaum zurückgegangen.
Das hat nicht zuletzt zwei Ursachen, die eng zusammenhängen: Erstens ist es nicht so, dass Deutschland vor der Ukrainekrise ein Billigenergieland gewesen wäre. In Europa gab es schon lange Länder mit günstigerem Gas, in den USA war es noch viel billiger. Und über den Strompreis klagte die Industrie schon lange, er sei einer der weltweit höchsten. Nun stellen sich zwei Dinge heraus: Energieintensive Betriebe waren schon immer trotz der hohen Energiepreise hier, einige können dann doch halbwegs damit umgehen (wenn auch nicht alle). Und auch in Branchen, die allgemein als energieintensiv gelten, ist längst nicht jeder einzelne Betrieb ein großer Strom- oder Gasverbraucher. Insgesamt machen die gefährdeten Betriebe offenbar einen kleineren Teil der deutschen Wirtschaft aus, als man befürchten musste – und ihre Probleme übertragen sich auch nicht ungebremst auf die übrigen Unternehmen.
„Hohe Innovationsfähigkeit, hohes Know-how“
Gleichzeitig hat Deutschland immer noch einige Stärken, was die Automatisierung angeht. Die Verknüpfung von Maschinen, großen industriellen Produkten und intelligenter Software – da ist Deutschland nach wie vor ganz vorne dabei. Industriepräsident Siegfried Russwurm klingt wieder optimistischer: „Deutschlands Modell der Spezialisierung auf hochwertige, technologisch führende Industriegüter und damit verbundene Dienstleistungen war immer wieder Schocks ausgesetzt – und ist schon oft totgesagt worden. Auch dieses Mal wird dies trotz aller Risiken nicht zutreffen“, sagt er. Und: „Die Unternehmen beweisen immer wieder, dass sie sich in der Summe flexibel auf neue Chancen und Gefahren einstellen und ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit erhalten können.“
Auch Christian Klein, Chef des Software-Konzerns SAP, will nicht in den Pessimismus einstimmen. „Deutschland hat sehr gute Voraussetzungen, um auch im nächsten Jahrzehnt eine führende Stellung in der Weltwirtschaft zu behalten“, sagt er. „Das liegt an der in Deutschland immer noch hohen Innovationsfähigkeit durch großes technologisches Know-how, vor allem auch in den weiterhin international sehr starken Industriebranchen wie Mobilität, Maschinenbau oder Chemie. Und es liegt am hohen Verständnis für die globale Vernetzung.“
Der Westen rückt zusammen
Was aber, wenn man diese Maschinen künftig vielleicht nicht mehr so gut in alle Länder verkaufen kann, zum Beispiel nicht mehr nach China? Da kommt das zweite bisschen Optimismus – nicht allzu viel, aber immerhin ein bisschen. Es ist das Gute im Schlechten, und es manifestiert sich zum Beispiel in den Chipwerken, die Intel und Infineon demnächst in Deutschland bauen wollen. Der Punkt dahinter ist folgender: Wenn Deutschland und Europa von China unabhängiger werden wollen, dann wird das eine oder andere an Produktion auch hier im Land stattfinden. Seien es Computerchips oder Batteriezellen, Arzneimittelwirkstoffe oder Solarpanels: Auch das muss produziert werden. Nicht alles davon bringt viele Arbeitsplätze, aber an Arbeit mangelt es Deutschland sowieso nicht. Das eine oder andere bringt wenigstens Gewinn ins Land – und sorgt dafür, dass Deutschland seinerseits weniger Geld für Importe ausgibt.
Insgesamt wird dieses neue Geschäftsmodell Deutschland nicht reicher machen. Das zeigt sich heute schon daran, dass die Chip- und Batteriezellwerke nur mit milliardenschweren Subventionen in Betrieb gehen können. Manches wird also Staatsgeld kosten, anderes wird für die Verbraucher teurer werden – am Ende ist sicher: Wenn die internationale Spezialisierung nicht mehr greift, dann ist der Wohlstand kleiner. Zu tun gibt es in diesem Prozess aber gar nicht so wenig.
Die Branche der Zukunft: Pharma
Drittens, und da ist wieder ein größeres bisschen Zuversicht fällig: Deutschland hat durchaus die eine oder andere Branche, die in den kommenden Jahren etwas erreichen kann. Der Sachverständigenrat der Wirtschaftsweisen hat gerade erst aufgelistet, wie sich Deutschlands unterschiedliche Industriebranchen in den vergangenen 20 Jahren entwickelt haben. Es ist ein Überblick über die relative Wettbewerbsfähigkeit – und zwar nicht in theoretischen Kenngrößen, sondern gemessen an tatsächlichen Exporten. Dabei stellt sich heraus: Schon vor Corona hatte Deutschlands Pharmaindustrie viel an Boden gewonnen. Allein in den Zehnerjahren sind Deutschlands Arzneiexporte um 60 Prozent gestiegen.
Von der Öffentlichkeit nicht sonderlich beachtet, hat es Deutschland seit den Neunzigerjahren offenbar allmählich geschafft, wieder an die große Zeit als Apotheke der Welt anzuknüpfen. Nicht mit den altbekannten, simplen Medikamenten, die bis jetzt oft aus Indien und China kommen. Sondern an der Spitze der Forschung – mit Medikamenten, die auch China aus Deutschland importiert. Dieser Erfolg geschah ganz ohne industriepolitische Lautsprechereien, nicht zuletzt deshalb, weil pharmazeutische und biotechnische Forschung in den vergangenen 30 Jahren öffentlich nicht mehr so verpönt war wie in den Siebziger- und Achtzigerjahren. Dieser Aufschwung hat auch Biontech mit nach oben gezogen, das jetzt seinerseits für Erfolge sorgt und wiederum die Grundlage dafür legt, dass noch mehr Unternehmen entstehen können.
Weitere Hoffnungen richten sich auf grüne Geschäftsmodelle rund um Wasserstofftechnik und andere Technologien, die für den Klimaschutz an Bedeutung gewinnen. Wenn Deutschland in Sachen Klimaschutz Ernst macht, dann könnte das Land auch in diesen Bereichen an die Spitze der Technik kommen. „Klimaschutz kann und muss ein Geschäftsmodell sein“, sagt Industriepräsident Siegfried Russwurm. „Deutschland will rasch klimaneutral werden – das ist Herausforderung und Chance zugleich.“ Der Düsseldorfer Ökonom Jens Südekum stimmt zu: „Beim Wasserstoff ist Deutschland noch top, aber US-Präsident Biden schielt schon darauf.“
Digitalisierung und Entbürokratisierung dringend nötig
Chancen gibt es also. Gleichzeitig muss Deutschland etwas dafür tun, dass aus all diesen Chancen wirklich künftiger Wohlstand wächst. „Wenn wir das jetzt verschlafen, dann kann es tatsächlich eng werden für den Industriestandort“, warnt Ökonom Südekum.
Die Rezepte sind nicht neu, aber trotzdem für den einen oder anderen immer wieder überraschend. SAP-Chef Christian Klein verweist rollengerecht auf die Bedeutung der Digitalisierung. Außerdem gehört dazu vor allem, der Innovation ihren Lauf zu lassen – das heißt: die Bildung stärken und bürokratische Fesseln lösen. Auch die Gesellschaft ist wichtig, wie die Entwicklung der Pharmaindustrie zeigt: Wenn die Bürger sich neuen Technologien zu sehr verschließen, geht es mit dem Land ebenfalls nicht aufwärts – oder wenn sie von vorneherein zu wissen glauben, dass Technik A einer Technik B völlig unterlegen ist. Selbst Digitales stößt in Deutschland noch oft auf Misstrauen.
Und wer ebenfalls nicht glauben darf, dass er besser weiß, wo es hingehen kann: die Regierung. Diesen Punkt macht selbst die Ökonomin Mariana Mazzucato, die große Verfechterin der Industriepolitik. Sie beschrieb fast auf den Tag genau vor zwei Jahren in der F.A.S., wie ein industriepolitisches Programm für Deutschland aussehen müsse – nämlich anders, als die Politik es jetzt schreibt. Derzeit nutze Deutschland eher seine bereits vorhandenen Werte, als neue zu schaffen, schrieb sie. Und sie forderte nicht etwa große Subventionen als Mittel einer deutschen Industriepolitik. Der Staat solle seine eigenen Aufträge als Nachfrager einsetzen. Nicht vorher schon definieren, welche Firma die beste ist, sondern als Kunde aus den Angeboten aller verschiedenen Wettbewerber das Beste auswählen.
Vielleicht braucht es auch gar nicht allzu viel Industriepolitik. „Wer weiß, ob die Politik die Güter trifft, die den Verbrauchern dann wichtig sind. Wir produzieren ja nur für die Verbraucher und für niemanden sonst“, warnt der Ökonom Stefan Kooths vom Kieler Institut für Weltwirtschaft. „Die Zukunftstechnologien sind oft die, mit denen man gar nicht rechnet.“
In diesem Sinn weiß niemand zuverlässig, mit welcher Technik Deutschland in den nächsten zwanzig Jahren sein Geld verdienen wird. Fest steht aber: Es gibt durchaus vielversprechende Ideen.
Der Zustand zentraler Infrastrukturen in Deutschland lähmt das Geschäft vieler Unternehmen. Das ist das Ergebnis einer Umfrage des Instituts der deutschen Wirtschaft unter mehr als 1.000 Unternehmen in der Bundesrepublik. Demnach beeinträchtigen gesperrte Autobahnen, überlastete Häfen und ein unzuverlässiger Schienengüterverkehr die Geschäftsabläufe spürbar.
Etwa 27 Prozent der befragten Firmen haben angegeben, dass ihr Betrieb deutlich beeinträchtigt wurde. Das sind rund elf Prozentpunkte mehr als zum letzten Zeitpunkt der Befragung im Jahr 2018. Weitere 52 Prozent der teilnehmenden Unternehmen meldeten eine geringe Beeinträchtigung. Der Anteil der Betriebe, die nicht durch schlechte Infrastruktur beeinflusst werden, ist seit 2013 von 41 Prozent auf nur noch 21 Prozent gesunken.
Allgemein besonders betroffen sind größere Firmen, die beispielsweise das Verkehrsnetz deutlich häufiger nutzen. Die stärksten Beeinträchtigungen verursachen laut IW Köln weiterhin die unzureichenden Straßennetze. Diese Probleme haben sich über viele Jahre durch eine Unterfinanzierung aufgebaut. Die stärkste Veränderungen gegenüber 2018 zeigt sich jedoch bei der Energieversorgung und beim Schiffsverkehr.
Die Grafik bildet den Anteil der Unternehmen in Deutschland mit Beeinträchtigung durch Infrastrukturmängel ab.
Infrastrukturmängel schwächen deutsche Wirtschaft
Der Zustand zentraler Infrastrukturen in Deutschland lähmt das Geschäft vieler Unternehmen. Das ist das Ergebnis einer Umfrage des Instituts der deutschen Wirtschaft unter mehr als 1.000 Unternehmen in der Bundesrepublik. Demnach beeinträchtigen gesperrte Autobahnen, überlastete Häfen und ein unzuverlässiger Schienengüterverkehr die Geschäftsabläufe spürbar.
Etwa 27 Prozent der befragten Firmen haben angegeben, dass ihr Betrieb deutlich beeinträchtigt wurde. Das sind rund elf Prozentpunkte mehr als zum letzten Zeitpunkt der Befragung im Jahr 2018. Weitere 52 Prozent der teilnehmenden Unternehmen meldeten eine geringe Beeinträchtigung. Der Anteil der Betriebe, die nicht durch schlechte Infrastruktur beeinflusst werden, ist seit 2013 von 41 Prozent auf nur noch 21 Prozent gesunken.
Allgemein besonders betroffen sind größere Firmen, die beispielsweise das Verkehrsnetz deutlich häufiger nutzen. Die stärksten Beeinträchtigungen verursachen laut IW Köln weiterhin die unzureichenden Straßennetze. Diese Probleme haben sich über viele Jahre durch eine Unterfinanzierung aufgebaut. Die stärkste Veränderungen gegenüber 2018 zeigt sich jedoch bei der Energieversorgung und beim Schiffsverkehr.
Die Grafik bildet den Anteil der Unternehmen in Deutschland mit Beeinträchtigung durch Infrastrukturmängel ab.
Riesiger See in NRW: Milliarden Liter Wasser aus dem Rhein sollen umgeleitet werden
Im RWE-Tagebau Hambach soll der zweitgrößte See Deutschlands entstehen. Doch das ist gar nicht umsetzbar, sagen Umweltschützer und warnen vor einem Risiko.
Köln – Man braucht schon eine Menge Fantasie, um sich vorstellen zu können, dass es hier jemals wieder Leben geben wird. Wer am Rand des RWE-Tagebaus Hambach steht, blickt auf eine Landschaft wie aus einem Endzeitfilm: Eine graubraune Kraterfläche, die sich kilometerweit bis zum Horizont zieht. Ein gigantisches Nichts. Ausgerechnet hier soll der zweitgrößte See von ganz Deutschland entstehen. Doch das Mammut-Projekt könnte zu einem echten Risiko werden und ist in der geplanten Form gar nicht umsetzbar, sagen Umweltschützer gegenüber 24RHEIN.
Wassermenge für den geplanten Hambacher See
3,6 Milliarden Kubikmeter
Fläche des Sees
4200 Hektar (entspricht fast 6000 Fußballfeldern)
Tiefe
400 Meter
Ab wann entsteht der See?
Böschungen werden vorbereitet, Flutung ab 2030
Hambacher See in NRW: Nur der Bodensee ist größer
RWE baut seit 1978 Braunkohle in Hambach ab, es ist der größte Tagebau des Energieunternehmens. Ab 2029 ist damit wegen des gesetzlichen Kohleausstiegs Schluss, 15 Jahre früher als ursprünglich angedacht. Damit startet auch die Rekultivierung des Geländes im Rheinischen Braunkohlerevier vorzeitig: Geplant ist ein 400 Meter tiefer See mit einer Fläche von 4200 Hektar zwischen Köln und Aachen. Eine Fläche so groß wie fast 6000 Fußballfelder. Mindestens genauso beeindruckend ist diese Zahl: 3,6 Milliarden Kubikmeter Wasser wird der See fassen. Das entspricht etwa der Menge Wasser, die alle 18 Millionen Einwohner von NRW zusammen innerhalb von vier Jahren verbrauchen. Nur der Bodensee hat hierzulande ein größeres Volumen.
Gewaltige Wassermengen soll aus dem Rhein genommen werden
Die benötigten gewaltigen Wassermengen will RWE aus dem Rhein bei Dormagen entnehmen und zum Tagebau leiten. „Es würde zu lange dauern, bis das Grundwasser wieder ansteigt und das Loch füllt. Deshalb brauchen wir Wasser aus dem Rhein“, erklärt RWE-Sprecher Guido Steffen. Der Konzern schätzt, dass es etwa 40 Jahre dauern wird, bis der See komplett gefüllt ist.
„Das ist Unsinn“, glaubt Dirk Jansen vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) NRW. Aufgrund des Klimawandels werde der Rhein vor allem im Sommer deutlich weniger Wasser führen. „Manche Experten gehen sogar davon aus, dass der Fluss in den Sommermonaten quasi vorübergehend austrocknet, da kann man dann nichts mehr umleiten“, so Jansen. „So wie RWE sich das vorstellt, ist es nicht umsetzbar.“ Selbst wenn es, wie von Klimaforschern prognostiziert, künftig zu mehr Starkregenfällen kommt, werde es mindestens 80 Jahre dauern, bis der Hambacher See den Namen See verdient.
Tagebau Hambach in NRW: Schwermetalle, Sulfite und andere Stoffe im Grundwasser
Ein weiteres Problem aus Sicht der Umweltschützer: das Wasser selbst. „Wir fordern, dass die Plörre aus dem Rhein nicht ungereinigt in die Landschaft gespült wird“, sagt Jansen. Das Rheinwasser sei zu stark belastet, um es für eine Renaturierung zu verwenden. Schon das wieder ansteigende Grundwasser werde wegen des Tagebaus Schwermetalle, Sulfite und andere Schadstoffe enthalten. „Die Wasserqualität ist für Jahrhunderte verdorben, das kennen wir von anderen Tagebauseen. Hier ausgerechnet mit Rheinwasser aufzufüllen, wäre fatal“, so Jansen.
RWE verstoße gar gegen die Wasserrahmenrichtlinie der EU. Gemäß der Richtlinie sind alle Mitgliedstaaten dazu verpflichtet, bis zum Jahr 2015 und in Ausnahmefällen bis 2027 alle Gewässer in einen guten ökologischen Zustand zu bringen. Das heißt: Der Zustand von Gewässern soll möglichst verbessert, darf aber auf keinen Fall verschlechtert werden. „Aus unserer Sicht verstößt RWE aber mit dem Plan gegen das Verschlechterungsverbot“, so Jansen.
RWE: Manheimer Bucht ist „alternativlos“
Doch die Kritik geht noch weiter. Vor allem die geplante sogenannte Manheimer Bucht werde zum Umweltrisiko für die Region. Im Südosten des Sees soll es nach RWE-Plänen eine Ausbuchtung bis zum ehemaligen Kerpener Stadtteil Manheim geben. „Das ist alternativlos“ so RWE-Sprecher Guido Steffen. Damit die Böschungen des Sees stabil sind, sollen sie deutlich abgeflacht werden. Dazu sind nach RWE-Angaben über 700 Millionen Kubikmeter Bodenmaterial nötig. Um auf diese Menge zu kommen, müsse man die Bucht ausgraben, auf einer Fläche von 600 Hektar. Mit dem Material soll zudem ein anderer Bereich am Tagebau rekultiviert werden.
„Das ist absurd. Man will 600 Hektar uraltes Kulturland abbaggern, um woanders zu verfüllen“, schimpft Dirk Jansen. In dem Bereich der geplanten Bucht lebten nicht nur streng geschützte Vogelarten, deren Lebensraum zerstört werde. Auch die Waldflächen würden durch die Bucht auseinandergerissen, es könne kein zusammenhängendes Biotop entstehen. Ausgerechnet das Ökosystem im Hambacher Forst, der nach jahrelangem Streit vor der Abholzung gerettet wurde, werde darunter empfindlich leiden. „Man zieht einfach den alten Stiefel durch, den man sich schon in den 1970er Jahren ausgedacht hat, statt einfach flexibel umzudenken“, so Jansen.
BUND NRW: „RWE hat den billigsten Weg gewählt“
Er glaubt: „RWE hat nicht den ökologisch sinnvollen Weg gewählt, sondern schlicht den billigsten.“ Überdies mache der Konzern über die RWE-Tochter RBS Kies noch jede Menge Geld mit gefördertem Kies, der verkauft werde, statt ihn für die Stabilisierung des Tagebaulochs zu verwenden.
RWE-Sprecher Guido Steffen lässt das so nicht gelten. „Es sind noch andere Firmen an den Grabungen beteiligt, nicht nur unsere Tochtergesellschaft.“ Er sagt: „Am liebsten hätte es der BUND NRW, wenn wir einen Zaun um den Tagebau errichten und gar nichts mehr mit dem Gelände anstellen.“ Tatsächlich sei das eine theoretische Alternative, den Tagebau komplett der Natur zu überlassen und nicht mehr einzugreifen, heißt es beim BUND. Doch das sei völlig unrealistisch, so Guido Steffen: „Das ist ja keine kleine Kiesgrube.“ Man habe gute Erfahrungen mit Tagebauseen. „Das stößt auf große Akzeptanz, und das ist es, was die Kommunen sich wünschen.“
Wie der See dann eines Tages konkret genutzt wird, ist noch unklar. Aber es gibt bereits Ideen:
Der See wird zum Naherholungsgebiet zwischen Köln und Aachen, mit Badebereich und Strand sowie Gastronomie.
Außerdem könnte der See als Speicher für elektrische Energie dienen: Mithilfe von Pumpen könnte Wasser aus dem Restloch des Tagebaus nach oben gepumpt und bei Strombedarf durch Turbinen wieder nach unten abgelassen werde.
Auf der riesigen Oberfläche des Sees könnte zudem ein großer schwimmender Solarpark treiben und Strom produzieren.
Schon im Vorfeld plant RWE Solaranlagen auf den Böschungen. Eine Anlage mit einer Leistung von zwölf Megawatt soll in Höhe von Elsdorf auf einem mehrere Kilometer langen Randstreifen des Tagebaus entstehen. Damit soll grüner Strom erzeugt werden. Außerdem will der Konzern eine Verbindung von der Abraumhalde Sophienhöhe zum geplanten Hambacher See bauen.
Riesiger See in NRW: Milliarden Liter Wasser aus dem Rhein sollen umgeleitet werden
Riesiger See in NRW: Milliarden Liter Wasser aus dem Rhein sollen umgeleitet werden
Im RWE-Tagebau Hambach soll der zweitgrößte See Deutschlands entstehen. Doch das ist gar nicht umsetzbar, sagen Umweltschützer und warnen vor einem Risiko.
Köln – Man braucht schon eine Menge Fantasie, um sich vorstellen zu können, dass es hier jemals wieder Leben geben wird. Wer am Rand des RWE-Tagebaus Hambach steht, blickt auf eine Landschaft wie aus einem Endzeitfilm: Eine graubraune Kraterfläche, die sich kilometerweit bis zum Horizont zieht. Ein gigantisches Nichts. Ausgerechnet hier soll der zweitgrößte See von ganz Deutschland entstehen. Doch das Mammut-Projekt könnte zu einem echten Risiko werden und ist in der geplanten Form gar nicht umsetzbar, sagen Umweltschützer gegenüber 24RHEIN.
Wassermenge für den geplanten Hambacher See
3,6 Milliarden Kubikmeter
Fläche des Sees
4200 Hektar (entspricht fast 6000 Fußballfeldern)
Tiefe
400 Meter
Ab wann entsteht der See?
Böschungen werden vorbereitet, Flutung ab 2030
Hambacher See in NRW: Nur der Bodensee ist größer
RWE baut seit 1978 Braunkohle in Hambach ab, es ist der größte Tagebau des Energieunternehmens. Ab 2029 ist damit wegen des gesetzlichen Kohleausstiegs Schluss, 15 Jahre früher als ursprünglich angedacht. Damit startet auch die Rekultivierung des Geländes im Rheinischen Braunkohlerevier vorzeitig: Geplant ist ein 400 Meter tiefer See mit einer Fläche von 4200 Hektar zwischen Köln und Aachen. Eine Fläche so groß wie fast 6000 Fußballfelder. Mindestens genauso beeindruckend ist diese Zahl: 3,6 Milliarden Kubikmeter Wasser wird der See fassen. Das entspricht etwa der Menge Wasser, die alle 18 Millionen Einwohner von NRW zusammen innerhalb von vier Jahren verbrauchen. Nur der Bodensee hat hierzulande ein größeres Volumen.
Gewaltige Wassermengen soll aus dem Rhein genommen werden
Die benötigten gewaltigen Wassermengen will RWE aus dem Rhein bei Dormagen entnehmen und zum Tagebau leiten. „Es würde zu lange dauern, bis das Grundwasser wieder ansteigt und das Loch füllt. Deshalb brauchen wir Wasser aus dem Rhein“, erklärt RWE-Sprecher Guido Steffen. Der Konzern schätzt, dass es etwa 40 Jahre dauern wird, bis der See komplett gefüllt ist.
„Das ist Unsinn“, glaubt Dirk Jansen vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) NRW. Aufgrund des Klimawandels werde der Rhein vor allem im Sommer deutlich weniger Wasser führen. „Manche Experten gehen sogar davon aus, dass der Fluss in den Sommermonaten quasi vorübergehend austrocknet, da kann man dann nichts mehr umleiten“, so Jansen. „So wie RWE sich das vorstellt, ist es nicht umsetzbar.“ Selbst wenn es, wie von Klimaforschern prognostiziert, künftig zu mehr Starkregenfällen kommt, werde es mindestens 80 Jahre dauern, bis der Hambacher See den Namen See verdient.
Tagebau Hambach in NRW: Schwermetalle, Sulfite und andere Stoffe im Grundwasser
Ein weiteres Problem aus Sicht der Umweltschützer: das Wasser selbst. „Wir fordern, dass die Plörre aus dem Rhein nicht ungereinigt in die Landschaft gespült wird“, sagt Jansen. Das Rheinwasser sei zu stark belastet, um es für eine Renaturierung zu verwenden. Schon das wieder ansteigende Grundwasser werde wegen des Tagebaus Schwermetalle, Sulfite und andere Schadstoffe enthalten. „Die Wasserqualität ist für Jahrhunderte verdorben, das kennen wir von anderen Tagebauseen. Hier ausgerechnet mit Rheinwasser aufzufüllen, wäre fatal“, so Jansen.
RWE verstoße gar gegen die Wasserrahmenrichtlinie der EU. Gemäß der Richtlinie sind alle Mitgliedstaaten dazu verpflichtet, bis zum Jahr 2015 und in Ausnahmefällen bis 2027 alle Gewässer in einen guten ökologischen Zustand zu bringen. Das heißt: Der Zustand von Gewässern soll möglichst verbessert, darf aber auf keinen Fall verschlechtert werden. „Aus unserer Sicht verstößt RWE aber mit dem Plan gegen das Verschlechterungsverbot“, so Jansen.
RWE: Manheimer Bucht ist „alternativlos“
Doch die Kritik geht noch weiter. Vor allem die geplante sogenannte Manheimer Bucht werde zum Umweltrisiko für die Region. Im Südosten des Sees soll es nach RWE-Plänen eine Ausbuchtung bis zum ehemaligen Kerpener Stadtteil Manheim geben. „Das ist alternativlos“ so RWE-Sprecher Guido Steffen. Damit die Böschungen des Sees stabil sind, sollen sie deutlich abgeflacht werden. Dazu sind nach RWE-Angaben über 700 Millionen Kubikmeter Bodenmaterial nötig. Um auf diese Menge zu kommen, müsse man die Bucht ausgraben, auf einer Fläche von 600 Hektar. Mit dem Material soll zudem ein anderer Bereich am Tagebau rekultiviert werden.
„Das ist absurd. Man will 600 Hektar uraltes Kulturland abbaggern, um woanders zu verfüllen“, schimpft Dirk Jansen. In dem Bereich der geplanten Bucht lebten nicht nur streng geschützte Vogelarten, deren Lebensraum zerstört werde. Auch die Waldflächen würden durch die Bucht auseinandergerissen, es könne kein zusammenhängendes Biotop entstehen. Ausgerechnet das Ökosystem im Hambacher Forst, der nach jahrelangem Streit vor der Abholzung gerettet wurde, werde darunter empfindlich leiden. „Man zieht einfach den alten Stiefel durch, den man sich schon in den 1970er Jahren ausgedacht hat, statt einfach flexibel umzudenken“, so Jansen.
BUND NRW: „RWE hat den billigsten Weg gewählt“
Er glaubt: „RWE hat nicht den ökologisch sinnvollen Weg gewählt, sondern schlicht den billigsten.“ Überdies mache der Konzern über die RWE-Tochter RBS Kies noch jede Menge Geld mit gefördertem Kies, der verkauft werde, statt ihn für die Stabilisierung des Tagebaulochs zu verwenden.
RWE-Sprecher Guido Steffen lässt das so nicht gelten. „Es sind noch andere Firmen an den Grabungen beteiligt, nicht nur unsere Tochtergesellschaft.“ Er sagt: „Am liebsten hätte es der BUND NRW, wenn wir einen Zaun um den Tagebau errichten und gar nichts mehr mit dem Gelände anstellen.“ Tatsächlich sei das eine theoretische Alternative, den Tagebau komplett der Natur zu überlassen und nicht mehr einzugreifen, heißt es beim BUND. Doch das sei völlig unrealistisch, so Guido Steffen: „Das ist ja keine kleine Kiesgrube.“ Man habe gute Erfahrungen mit Tagebauseen. „Das stößt auf große Akzeptanz, und das ist es, was die Kommunen sich wünschen.“
Wie der See dann eines Tages konkret genutzt wird, ist noch unklar. Aber es gibt bereits Ideen:
Der See wird zum Naherholungsgebiet zwischen Köln und Aachen, mit Badebereich und Strand sowie Gastronomie.
Außerdem könnte der See als Speicher für elektrische Energie dienen: Mithilfe von Pumpen könnte Wasser aus dem Restloch des Tagebaus nach oben gepumpt und bei Strombedarf durch Turbinen wieder nach unten abgelassen werde.
Auf der riesigen Oberfläche des Sees könnte zudem ein großer schwimmender Solarpark treiben und Strom produzieren.
Schon im Vorfeld plant RWE Solaranlagen auf den Böschungen. Eine Anlage mit einer Leistung von zwölf Megawatt soll in Höhe von Elsdorf auf einem mehrere Kilometer langen Randstreifen des Tagebaus entstehen. Damit soll grüner Strom erzeugt werden. Außerdem will der Konzern eine Verbindung von der Abraumhalde Sophienhöhe zum geplanten Hambacher See bauen.
Eine Energieversorgung ganz aus Wind, Sonne und Wasser: Davon träumen in Deutschland viele. Doch der Krieg in der Ukraine offenbart jetzt schonungslos, in welche Sackgasse Deutschland durch seine Energiepolitik geraten ist, schreibt Prof. Hans-Werner Sinn im Gastbeitrag.
München – Man kann über den russischen Präsidenten sagen, was man will. Mit seinem Krieg hat er den Europäern die Augen geöffnet. Das betrifft nicht nur die Erkenntnis, wie gefährlich es ist, die militärische Sicherheit zu vernachlässigen, sondern auch ihre grünen Träume von einer neuen, besseren Energiewelt, die allein auf der Basis einer von Wind und Sonne angetriebenen Stromwirtschaft funktioniert. Seit eine unbekannte militärische Macht Europas wichtigste Gasleitung durch die Nordsee zerstört hat, wissen die Europäer, allen voran die Deutschen, wie sehr sie auf diese billige Energiequelle angewiesen ist.
Noch vor kurzem träumte manch einer von der Idee, Russland unter Druck setzen zu können, indem man kein Gas mehr von dort bezieht. Heute merken die Länder Europas die Last der fehlenden Energieimporte aus Russland und streiten sich über die zu knappen Restmengen, die noch verbleiben.
Gas-Abschaltung: Wohlfahrtseinbußen haben wenig mit dem BIP zu tun
Die Vertreter der Embargo-Forderungen argumentierten, der Verzicht auf russisches Gas sei für eine Volkswirtschaft unbedeutend und könne leicht kompensiert werden, denn der Effekt auf das BIP sei nur gering. Auch kürzlich wieder blies eine neue Studie in das gleiche Horn. Nur etwa 300 Produkte könne die deutsche Wirtschaft nicht mehr herstellen, wenn das Gas fehle. Die könne es sich bei geringen wirtschaftlichen Konsequenzen leicht auf den internationalen Märkten beschaffen.
Tatsächlich aber haben die Wohlfahrtseinbußen aufgrund einer Gasabschaltung mit dem BIP wenig zu tun, denn sie treten bei den Käufern des Gases und der gasintensiv produzierten Güter vor allem in Form von Preissteigerungen bei den Importen ein. Das BIP ist das Bruttoeinkommen, das bei der inländischen Produktion von Gütern entsteht, doch die Wohlfahrtseinbußen entstehen durch die Verteuerung der Importgüter, die aus diesem Einkommen erworben werden (Terms of Trade – Effekt). Diese Verteuerung wird bei der Berechnung des realen BIP nicht erfasst.
Daraus folgt nicht, dass es keine BIP-Effekte gibt. Die kommen erschwerend hinzu. So geht es zum Beispiel in der Chemieindustrie um die Methanol- und Ammoniak-Herstellung, die die Basis der Düngemittelproduktion ist. Ob die nachgelagerten und komplementären Wertschöpfungsbereiche noch wettbewerbsfähig sind, wenn man die Grundstoffe in Europa nicht mehr herstellt, sondern in Amerika kaufen muss, ist zu bezweifeln. Es könnten sehr viele Arbeitsplätze betroffen sein, bis ein neues Gleichgewicht gefunden ist. Kein Wunder, dass die BASF, die größte europäische Chemiefirma, beschlossen hat, fünf Milliarden Euro in den Aufbau einer Chemiefabrik in China zu investieren.
Trotz erneuerbarer Energien: Es benötigt weiterhin regelbare Energien
Eine weitere Erkenntnis aus dem Krieg, die erst allmählich in das Bewusstsein der Öffentlichkeit dringt, ist die, dass die grüne Ersatzenergie aus Wind und Sonne, die heute zur Kompensation für die fossilen Brennstoffe propagiert wird, ohne diese Brennstoffe gar nicht verwertbar ist. Sie ist nämlich wetterabhängig, extrem volatil und kaum regelbar. Damit der grüne Flatterstrom überhaupt nutzbar ist, muss er mit einer regelbaren Energie kombiniert werden, die im Gegenrhythmus variiert, um die Nachfrage zu jedem Zeitpunkt zu befriedigen. Im Extremfall der Dunkelflaute, wenn weder der Wind weht, noch die Sonne scheint, muss die regelbare Energie die gesamte Nachfrage allein bedienen. Und wenn eines Tages drei bis fünfmal so viel Strom benötigt wird wie heute, weil der Verkehr elektrisch ist und die Häuser mit Wärmepumpen geheizt werden, dann wird auch eine drei- bis fünfmal so hohe Kapazität der Anlagen für die Produktion einer regelbaren Energie benötigt.
Vorläufig besteht die regelbare Energie in den Industrieländern nur aus der Kernkraft, der Kohle und dem Gas. Für Deutschlands Energiewende weg von Kohle und Kernkraft bedeutet dies, dass das Land fast allein am Gas hängen würde, wenn es bei dem beschlossenen Fahrplan bliebe. Es kann dabei aber nicht bleiben, denn gerade das Gas fehlt ja nun. Der Krieg ist ein natürliches Experiment der Geschichte, das die Defizite der grünen Energiewende schonungslos bloßgelegt.
Nun ist guter Rat teuer. Viele hoffen auf die Batterien der E-Autos als Puffer zur Glättung des grünen Flatterstroms. Wenn die Verbrenner verboten und größtenteils durch E-Autos ersetzt sind, werden diese Batterien eines Tages in der Tat einen Beitrag leisten können, die ganz kurzfristigen Schwankungen zu glätten, die innerhalb eines Tages stattfinden. Das Hauptproblem sind aber die saisonalen Schwankungen des grünen Stroms. Vor allem müssen die schwierigen Wintermonate bis zum März mit Strom überbrückt werden, der aus den Herbststürmen gewonnen wird. Dafür kommen Autobatterien nicht infrage, weil die Autos ja gefahren werden müssen. Diese Batterien reichen nicht einmal aus, die Energie, die die E-Autos selbst im Winter brauchen, im Herbst zu speichern und bis zum Verbrauch aufzubewahren.
Energiepolitik: Deutschland ist der kranke Mann Europas
In einer entfernten Zukunft wird es nur die Möglichkeit geben, den wetterabhängigen Strom durch Kraftwerke zu glätten, die mit Wasserstoff betrieben werden, denn der Wasserstoff ist die bessere Batterie. Doch muss der Wasserstoff selbst aus einem bereits geglätteten Strom gewonnen werden, damit er sich wenigstens halbwegs wirtschaftlich erzeugen lässt. Er setzt also voraus, was er selbst erst noch schaffen soll. Wie dieses Dilemma wirtschaftlich gelöst werden kann, steht vorläufig noch in den Sternen.
Insofern bleibt Ländern wie Deutschland, die sich auf dem grünen Energiekurs befinden, kaum etwas anderes übrig, als zur Pufferung des grünen Stroms das extrem teure Flüssiggas zu kaufen, selbst nach neuen Gasquellen zu bohren und sich auf die Kernenergie, auch jene seiner Nachbarn in Frankreich und Tschechien zurückzubesinnen. Der Lernprozess wird aber schmerzlich verlaufen. Deutschland ist auch wegen seiner überaus ambitionierten Energiepolitik erneut, wie schon vor zwanzig Jahren, der kranke Mann Europas.
Zum Autor: Prof. Hans-Werner Sinn, Professor für Nationalökonomie und Finanzwissenschaft an der Universität von München, war Präsident des Münchner ifo Instituts für Wirtschaftsforschung und Berater des deutschen Wirtschaftsministeriums. Sein jüngstes Buch hat den Titel: Die wundersame Geldvermehrung: Staatsverschuldung, Negativzinsen, Inflation, Herder, Freiburg 2021.
Eine Energieversorgung ganz aus Wind, Sonne und Wasser: Davon träumen in Deutschland viele. Doch der Krieg in der Ukraine offenbart jetzt schonungslos, in welche Sackgasse Deutschland durch seine Energiepolitik geraten ist, schreibt Prof. Hans-Werner Sinn im Gastbeitrag.
München – Man kann über den russischen Präsidenten sagen, was man will. Mit seinem Krieg hat er den Europäern die Augen geöffnet. Das betrifft nicht nur die Erkenntnis, wie gefährlich es ist, die militärische Sicherheit zu vernachlässigen, sondern auch ihre grünen Träume von einer neuen, besseren Energiewelt, die allein auf der Basis einer von Wind und Sonne angetriebenen Stromwirtschaft funktioniert. Seit eine unbekannte militärische Macht Europas wichtigste Gasleitung durch die Nordsee zerstört hat, wissen die Europäer, allen voran die Deutschen, wie sehr sie auf diese billige Energiequelle angewiesen ist.
Noch vor kurzem träumte manch einer von der Idee, Russland unter Druck setzen zu können, indem man kein Gas mehr von dort bezieht. Heute merken die Länder Europas die Last der fehlenden Energieimporte aus Russland und streiten sich über die zu knappen Restmengen, die noch verbleiben.
Gas-Abschaltung: Wohlfahrtseinbußen haben wenig mit dem BIP zu tun
Die Vertreter der Embargo-Forderungen argumentierten, der Verzicht auf russisches Gas sei für eine Volkswirtschaft unbedeutend und könne leicht kompensiert werden, denn der Effekt auf das BIP sei nur gering. Auch kürzlich wieder blies eine neue Studie in das gleiche Horn. Nur etwa 300 Produkte könne die deutsche Wirtschaft nicht mehr herstellen, wenn das Gas fehle. Die könne es sich bei geringen wirtschaftlichen Konsequenzen leicht auf den internationalen Märkten beschaffen.
Tatsächlich aber haben die Wohlfahrtseinbußen aufgrund einer Gasabschaltung mit dem BIP wenig zu tun, denn sie treten bei den Käufern des Gases und der gasintensiv produzierten Güter vor allem in Form von Preissteigerungen bei den Importen ein. Das BIP ist das Bruttoeinkommen, das bei der inländischen Produktion von Gütern entsteht, doch die Wohlfahrtseinbußen entstehen durch die Verteuerung der Importgüter, die aus diesem Einkommen erworben werden (Terms of Trade – Effekt). Diese Verteuerung wird bei der Berechnung des realen BIP nicht erfasst.
Daraus folgt nicht, dass es keine BIP-Effekte gibt. Die kommen erschwerend hinzu. So geht es zum Beispiel in der Chemieindustrie um die Methanol- und Ammoniak-Herstellung, die die Basis der Düngemittelproduktion ist. Ob die nachgelagerten und komplementären Wertschöpfungsbereiche noch wettbewerbsfähig sind, wenn man die Grundstoffe in Europa nicht mehr herstellt, sondern in Amerika kaufen muss, ist zu bezweifeln. Es könnten sehr viele Arbeitsplätze betroffen sein, bis ein neues Gleichgewicht gefunden ist. Kein Wunder, dass die BASF, die größte europäische Chemiefirma, beschlossen hat, fünf Milliarden Euro in den Aufbau einer Chemiefabrik in China zu investieren.
Trotz erneuerbarer Energien: Es benötigt weiterhin regelbare Energien
Eine weitere Erkenntnis aus dem Krieg, die erst allmählich in das Bewusstsein der Öffentlichkeit dringt, ist die, dass die grüne Ersatzenergie aus Wind und Sonne, die heute zur Kompensation für die fossilen Brennstoffe propagiert wird, ohne diese Brennstoffe gar nicht verwertbar ist. Sie ist nämlich wetterabhängig, extrem volatil und kaum regelbar. Damit der grüne Flatterstrom überhaupt nutzbar ist, muss er mit einer regelbaren Energie kombiniert werden, die im Gegenrhythmus variiert, um die Nachfrage zu jedem Zeitpunkt zu befriedigen. Im Extremfall der Dunkelflaute, wenn weder der Wind weht, noch die Sonne scheint, muss die regelbare Energie die gesamte Nachfrage allein bedienen. Und wenn eines Tages drei bis fünfmal so viel Strom benötigt wird wie heute, weil der Verkehr elektrisch ist und die Häuser mit Wärmepumpen geheizt werden, dann wird auch eine drei- bis fünfmal so hohe Kapazität der Anlagen für die Produktion einer regelbaren Energie benötigt.
Vorläufig besteht die regelbare Energie in den Industrieländern nur aus der Kernkraft, der Kohle und dem Gas. Für Deutschlands Energiewende weg von Kohle und Kernkraft bedeutet dies, dass das Land fast allein am Gas hängen würde, wenn es bei dem beschlossenen Fahrplan bliebe. Es kann dabei aber nicht bleiben, denn gerade das Gas fehlt ja nun. Der Krieg ist ein natürliches Experiment der Geschichte, das die Defizite der grünen Energiewende schonungslos bloßgelegt.
Nun ist guter Rat teuer. Viele hoffen auf die Batterien der E-Autos als Puffer zur Glättung des grünen Flatterstroms. Wenn die Verbrenner verboten und größtenteils durch E-Autos ersetzt sind, werden diese Batterien eines Tages in der Tat einen Beitrag leisten können, die ganz kurzfristigen Schwankungen zu glätten, die innerhalb eines Tages stattfinden. Das Hauptproblem sind aber die saisonalen Schwankungen des grünen Stroms. Vor allem müssen die schwierigen Wintermonate bis zum März mit Strom überbrückt werden, der aus den Herbststürmen gewonnen wird. Dafür kommen Autobatterien nicht infrage, weil die Autos ja gefahren werden müssen. Diese Batterien reichen nicht einmal aus, die Energie, die die E-Autos selbst im Winter brauchen, im Herbst zu speichern und bis zum Verbrauch aufzubewahren.
Energiepolitik: Deutschland ist der kranke Mann Europas
In einer entfernten Zukunft wird es nur die Möglichkeit geben, den wetterabhängigen Strom durch Kraftwerke zu glätten, die mit Wasserstoff betrieben werden, denn der Wasserstoff ist die bessere Batterie. Doch muss der Wasserstoff selbst aus einem bereits geglätteten Strom gewonnen werden, damit er sich wenigstens halbwegs wirtschaftlich erzeugen lässt. Er setzt also voraus, was er selbst erst noch schaffen soll. Wie dieses Dilemma wirtschaftlich gelöst werden kann, steht vorläufig noch in den Sternen.
Insofern bleibt Ländern wie Deutschland, die sich auf dem grünen Energiekurs befinden, kaum etwas anderes übrig, als zur Pufferung des grünen Stroms das extrem teure Flüssiggas zu kaufen, selbst nach neuen Gasquellen zu bohren und sich auf die Kernenergie, auch jene seiner Nachbarn in Frankreich und Tschechien zurückzubesinnen. Der Lernprozess wird aber schmerzlich verlaufen. Deutschland ist auch wegen seiner überaus ambitionierten Energiepolitik erneut, wie schon vor zwanzig Jahren, der kranke Mann Europas.
Zum Autor: Prof. Hans-Werner Sinn, Professor für Nationalökonomie und Finanzwissenschaft an der Universität von München, war Präsident des Münchner ifo Instituts für Wirtschaftsforschung und Berater des deutschen Wirtschaftsministeriums. Sein jüngstes Buch hat den Titel: Die wundersame Geldvermehrung: Staatsverschuldung, Negativzinsen, Inflation, Herder, Freiburg 2021.
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