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News aus Deutschland

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CDU bemängelt Millionensummen für externe Gutachter

Knapp 6,3 Millionen Euro haben Bezirksämter und Behörden in Hamburg im vergangenen Jahr für externe Gutachten ausgegeben. Das geht aus der Auswertung einer Senatsantwort auf eine Schriftliche Kleine Anfrage des Sprechers der CDU-Fraktion für Verfassung und Bezirke, André Trepoll, hervor. Gegenüber 2020, als noch mehr als 7,7 Millionen Euro für den Einkauf externen Sachverstands ausgegeben wurden, ist das zwar ein Rückgang um fast 19 Prozent, für Trepoll aber immer noch unverständlich viel.
«Es ist schon erstaunlich wie häufig Hamburgs Verwaltung auf externen Sachverstand zurückgreifen muss», sagte Trepoll der Deutschen Presse-Agentur. Als Hauptgründe für die Auftragsvergabe habe der rot-grüne Senat zusätzliche beziehungsweise in der Verwaltung fehlende Expertise, Kapazitätsmangel, Eilbedürftigkeit oder die Erhöhung von Bearbeitungskapazitäten genannt.

«Insbesondere bei der Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen, der Behörde für Umwelt, Klima, Energie und Agrarwirtschaft sowie bei der Behörde für Verkehr und Mobilitätswende scheint offenbar zu fast allen wichtigen Fragen und Themen Sachverstand von außen eingeholt zu werden», sagte er.

Die drei Behörden kamen 2021 laut Senat allein auf Gesamtkosten von gut 2,9 Millionen Euro, nach knapp 3,4 Millionen in 2020.

«Man fragt sich, ob es den eigenen Behördenmitarbeitern an der entsprechenden Expertise fehlt», konstatierte Trepoll. «Dass der Steuerzahler dadurch jedes Jahr für Millionen aufkommen muss, ist kaum nachvollziehbar. Umso weniger, da gerade die Umweltbehörde und die Verkehrsbehörde weiter fleißig neues Personal einstellen.»

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Falls Moskau Lieferungen drosselt: Kann Gas aus Katar Ausfälle in Europa kompensieren?

Das Emirat könnte im Fall eines russischen Boykotts einspringen – einfach sind die Lieferungen aber nicht. Eskaliert die Ukraine-Krise, wird die Zeit knapp.

Als in Großbritannien das Gas knapp wurde, sprang Katar als Retter ein. Im November schickte das kleine Emirat am Persischen Golf auf Bitten des Londoner Premiers Boris Johnson vier riesige Flüssiggas-Tanker durch den Suezkanal und das Mittelmeer in die Nordsee, um den Briten zu helfen.

Nun soll Katar dasselbe für ganz Europa tun, falls Russland wegen der Ukraine-Krise den Hahn zudreht. Der Emir von Katar, Scheich Tamim bin Hamad al Thani, reist an diesem Montag nach Washington, um mit US-Präsident Joe Biden über die Nothilfe für Europa zu reden. Die Frage ist jedoch, ob Katar genug Gas abzweigen kann, um Europa vor einer Krise zu bewahren.

Gas hat Katar reich gemacht

Bisher liefert Katar gut fünf Prozent der europäischen Gasimporte. Etwa 40 Prozent ihrer Einfuhren bezieht die EU aus Russland. Norwegen und Algerien sind weitere wichtige Lieferanten. Zumindest theoretisch könnte Katar den Europäern wesentlich mehr Gas verkaufen als bisher. Das Emirat ist der weltweit größte Exporteur von Flüssiggas und besitzt Reserven von fast 25 Billionen Kubikmetern Erdgas, die vor seiner Küste lagern. Damit sitzt Katar auf den weltweit größten Erdgasreserven nach Russland und dem Iran.

Das Gas hat Katar reich gemacht: Das Pro-Kopfeinkommen liegt bei 45.000 Euro im Jahr. Katar nutzt das Geld für eine Außenpolitik mit regionalpolitischen Ambitionen. Den Partner Türkei stützte das Emirat während einer Finanzkrise vor zwei Jahren mit Investitionszusagen in Höhe von 15 Milliarden Dollar; die Hilfe wird bis heute fortgesetzt.

Den Ruf verbessern vor der umstrittenen WM

Als Standort eines wichtigen US-Militärstützpunktes mit rund 10.000 Soldaten ist Katar ein wichtiger Partner Washingtons im Nahen Osten. Derzeit versucht das Emirat, im Atomstreit zwischen Teheran und Washington zu vermitteln.

Vor der ersten Fußball-Weltmeisterschaft auf arabischen Boden im Dezember arbeitet Gastgeber Katar außerdem daran, seinen Ruf aufzupolieren, der durch Berichte über die Ausbeutung von Arbeitern bei Bauarbeiten für das Großereignis ramponiert wurde.

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Fast jeder Vierte hegt Zweifel an der Demokratie in Deutschland

Fast ein Viertel der Bundesbürger hegt Zweifel an der Demokratie in Deutschland. 23 Prozent sind der Meinung, die Bundesrepublik befinde sich auf dem Weg in eine Diktatur. Diese Zahl wurde den Abgeordneten der CDU/CSU-Gruppe in der EVP-Fraktion des Europarlaments am 18. Januar in Straßburg präsentiert.
Hermann Binkert, Geschäftsführer des Sozialforschungsinstituts INSA, war bei den Unionsparteien eingeladen, um zur politischen Lage in Deutschland zu referieren. Auf Anfrage von WELT AM SONNTAG bestätigte Binkert seinen Befund: In einer repräsentativen Umfrage seines Instituts mit 2130 Befragten aus dem Januar hielten gut 20 Prozent der West- und 30 Prozent der Ostdeutschen die Demokratie für bedroht. Frauen sind besorgter als Männer. Etwa 15 Prozent, also fast ein Sechstel der Befragten, erwägen zudem, aus Deutschland auszuwandern.

Eine repräsentative Umfrage des Marktforschungsinstituts YouGov für diese Zeitung ermittelte außerdem, dass derzeit 46 Prozent der Deutschen der Ansicht sind, man könne in Deutschland nicht mehr offen seine Meinung sagen. 50 Prozent halten dies nach wie vor für möglich, vier Prozent machten keine Angaben.

Dass das Grundgesetz durch Anti-Corona-Maßnahmen der Exekutive und durch die Einschränkung einiger Grundrechte ausgehöhlt würde, ist ein Dauervorwurf aus der Corona-Protestbewegung. Man müsse bei dem Ergebnis der Aussage dennoch vorsichtig sein, sagt Wolfgang Merkel, ehemaliger Direktor am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB): Die Frage nach der Diktatur „unterscheidet nicht zwischen einer grundlegenden Ablehnung der Demokratie als Idee und System und einer aktuellen Unzufriedenheit mit den demokratischen Institutionen“.

Dass die Unzufriedenheit mit Exekutive und Parlamenten gegenwärtig erheblich sei, bestätigten allerdings auch andere Untersuchungen zum Institutionenvertrauen, so Merkel weiter. „Es droht tatsächlich die Gefahr, dass sich eine Vielzahl von Menschen von der Demokratie abwendet, weil sie die Corona-Maßnahmen der Regierung nicht mehr als Pandemiebekämpfung, sondern als Erziehungsmaßnahmen wahrnehmen“, sagt Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP).

„Diktatur ist natürlich übertrieben“, sagt die Politikerin der Linken, Sahra Wagenknecht. „Aber die Willkür und Selbstverständlichkeit, mit der mittlerweile in Deutschland für einen Teil der Bevölkerung elementare Grundrechte außer Kraft gesetzt werden, wäre noch vor wenigen Jahren undenkbar gewesen.“ Linke-Fraktionschef Dietmar Bartsch sagte, man müsse die Befunde „sehr ernst nehmen“.

„Je länger die Pandemie dauert, desto stärker erlebt unsere Gesellschaft einen Stresstest“, findet auch der neue Co-Vorsitzende der Grünen, Omid Nouripour, im Interview mit dieser Zeitung. Nouripour sagt: „Da wird individuelles Misstrauen auf eine Gesamtlage projiziert.“ Er sehe bei den Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen einen harten Kern, der Systemopposition von rechts propagiere. „Aber wir müssen im Dialog bleiben mit denen, die Kritik an Corona-Maßnahmen oder berechtigte Fragen zur Klima- und Energiepolitik haben.“

Die Umfrage von YouGov ergab außerdem: 18 Prozent der Bundesbürger sind grundsätzlich bereit, sich an Protesten zu beteiligen, wenn die Corona-Maßnahmen noch länger andauerten. In der Altersgruppe der 35- bis 44-Jährigen haben das fast 30 Prozent vor.

YouGov wollte wissen, bei welchen Themen sich die Deutschen vorstellen könnten, an Demonstrationen teilzunehmen. 16 Antworten standen zur Auswahl. Mehrfachnennungen waren möglich. Demnach können sich 28 Prozent der Befragten vorstellen, gegen steigende Energiepreise, aber auch gegen Rassismus auf die Straße zu gehen, und 22 Prozent gegen die Inflation. 31 Prozent sagten allerdings, sie könnten sich nicht vorstellen, von ihrem Demonstrationsrecht Gebrauch zu machen. YouGov befragte 2056 Personen über 18 Jahre zwischen dem 1. und 3. Februar.

Die Stimmungslage im Land hat auch Auswirkungen auf die Zustimmung zur neuen Ampel-Regierung. Bundeskanzler Olaf Scholz hat seit Beginn des Jahres einen Absturz seiner Beliebtheit von 17 Prozentpunkten erleben müssen – ein beispielloser Einbruch. Nach den Erhebungsdaten mehrerer Institute büßt die rot-grün-gelbe Koalition sogar bereits ihre Mehrheit ein.

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Scholz und seine Linie im Ukraine-Konflikt: Man muss nicht immer alle Karten auf den Tisch legen

Der Bundeskanzler hat Nord Stream 2 nicht gleich abgesagt. Wer das kritisiert, hat Scholz und seinen Ansatz einfach nicht verstanden. Ein Kommentar.

Was ist eigentlich so falsch daran, wenn der Bundeskanzler in den USA bei seiner Linie bleibt? Will sagen, bei seiner Linie im Ukraine-Konflikt. Das wünscht man sich doch eigentlich: einen Politiker, der nicht situativ oder intuitiv handelt, sondern in einer der größten Sicherheitskrisen auf dem europäischen Kontinent nach dem Zweiten Weltkrieg konsekutiv.

Das ist ja schon fast militärisch: Lage beurteilen, Optionen wägen, dann erst vorgehen. So gesehen ist Olaf Scholz auch in Washington, bei seinem neuen Freund Joe Biden, ziemlich cool geblieben.

Und was ist, um den Gedanken weiterzuspinnen, eigentlich falsch daran, nicht alle Karten in diesem Konflikt sofort auf den Tisch zu legen? Will sagen: Russlands Präsidenten Wladimir Putin nicht schon vorher genau zu erklären, was geschehen wird, wenn seine Truppen die Grenze zur Ukraine überschreiten. Umgekehrt ist es doch viel besser.

Das Gegenüber bleibt im Unklaren über die verschiedenen Maßnahmen, die dann ergriffen werden. Auf dass in diesem Fall Putin sich nicht jetzt schon quasi in aller Ruhe ausrechnen kann, ob er (und sein Land) diese Sanktionen zu tragen bereit oder in der Lage sind. Ihm diese Möglichkeit zu verschaffen, wäre eher unklug.

Strategische Ambiguität

Ein bisschen „strategische Ambiguität“, wie Scholz das auf seine Art, auf Scholzisch, nannte, ist also schon ganz gut. Und wer jetzt noch kritisiert, dass der deutsche Kanzler Nord Stream 2 nicht gleich abgesagt hat, der hat ihn und seinen Ansatz einfach nicht verstanden. Zumal Scholz es doch gar nicht sagen musste, weil das der amerikanische Präsident gesagt hat, unwidersprochen: Aus für Nord Stream 2 bei Einmarsch. Und der Kanzler fügte hinzu, dass ganz bestimmt einig gehandelt werde.


Dass das Wort Nord Stream 2 von seiner Seite so explizit ungesagt bleibt, auch dafür kann diplomatisch gedacht durchaus einiges sprechen. Was das sein könnte? Also, dafür sollte man Putins Rationalität vielleicht nicht überschätzen. Das ist das gängige Bild von ihm: immer kühl, immer rational.

Aber so apodiktisch stimmt das womöglich gar nicht, es kann gut auch Emotionalität im Spiel sein. Der Politikwissenschaftler Herfried Münkler, der sich mit dem Entstehen von Kriegen auskennt, meint ja, das Problem bei Putin sei, dass der sich in einer Situation befinde, in der er relativ leicht sein Gesicht verlieren könne.

Da könnte doch etwas dran sein, oder? Putin hat sich so weit vorgewagt, dass es schwierig ist, verbal wie militärisch abzurüsten. Die Gefahr, das Gesicht zu verlieren, wächst dann logischerweise, wenn niemand den Versuch unternimmt, seine Situation zu verstehen. Verstehen heißt nun nicht, Putins Vorstellung von einer Lösung zu übernehmen. Vielmehr gehört es zum Wägen der eigenen Optionen.

Vorhut in Moskau

Insofern wirkt es geradezu wie kluge, abgestimmte Politik, dass Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sich quasi als Vorhut in Moskau angehört hat, was Putin antreibt. Nicht dass der Präsident meint, er müsse mehr gewaltsam tun, als er ursprünglich vorhatte, um nach außen wie – Obacht – nach innen Stärke zu zeigen.

Also: Ein Ziel gemeinschaftlicher und verteilter Aktionen kann sein, dass Putin bei alledem sein Gesicht nicht verliert. Was von ferne an eine Strategie erinnert, die schon Willy Brandt verfolgt hat, der Meister der Entspannungspolitik. In diesem Fall wäre das, auf der Basis eindeutig (vor-)abgesprochener Sanktionen zugleich den Gesprächsfaden mit Russland nicht abreißen zu lassen.

Denn, noch einmal, zu Putins Emotionalität: Möglicherweise fühlt er sich tatsächlich eingekreist. Vom Baltikum bis zum Schwarzen Meer. Was, wenn er sich gegen diese, nach Münkler, „Einkreisungsobsessionen“ am Ende unvernünftig wehrt? Darum gilt es, auf diese Frage des Kriegsexperten schnell eine Antwort zu suchen: ob das russische Handeln gar nicht vom Wunsch nach Stärke, sondern von Angst und Sorge getrieben ist.

Gute Arbeitsteilung

Die Arbeitsteilung des Westens läuft hier doch anscheinend ziemlich gut. Die einen können ja Waffen an die Ukraine liefern, die anderen aber müssen versuchen, die Russen zu verstehen. Und verstehen zu wollen, ist eine notwendige Voraussetzung für jede Strategie, zumal zur Deeskalation. Die Deutschen, Scholz, auch Annalena Baerbock, schaffen ihren Anteil daran nicht mit weiterer Konfrontation, sprich Waffenlieferungen.

Es ist dazu schon auch so: Jahrzehntelang sollten die Deutschen raus aus den Knobelbechern. Nun sind sie es – und es ist auch nicht recht? Die Zurückhaltung lässt sich nicht wegkommandieren, sagte Volker Rühe als Verteidigungsminister. Immer noch nicht. Gut so!

Krieg ist nicht einfach die Fortsetzung von Diplomatie mit anderen Mitteln; Krieg folgt, wenn Diplomatie versagt hat. Womöglich war es in der Rückschau ganz gut von Scholz als Kanzler, geradezu stoisch cool zu bleiben.

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Privatisierungskritiker fordern Stopp der S-Bahn-Ausschreibung in Berlin

Berlin - Es ist ein Vorgang, von dem in Berlin kaum jemand weiß – der aber schon seit vielen Monaten läuft und der später einmal von großer Tragweite für den Alltag vieler Menschen sein wird. Gesucht werden Unternehmen, die für zwei Drittel des Streckennetzes neue S-Bahnen bauen und sie 15 Jahre im Auftrag des Landes Berlin betreiben. 2020 setzte der Senat das bisher größte Vergabeverfahren für den Nahverkehr in Gang, bei dessen Abschluss Aufträge für insgesamt acht Milliarden Euro warten. Jetzt haben Kritiker ihre Forderung nach einem Abbruch bekräftigt. „Die Ausschreibung der S-Bahn muss gestoppt werden“, sagte Jorinde Schulz vom Aktionsbündnis „Eine S-Bahn für alle“ während einer Diskussion bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung. „Dafür braucht man Mut“ – aber es sei rechtlich möglich. Nach Jahren vertaner Zeit sollte endlich die Kommunalisierung der S-Bahn in Angriff genommen werden, so Schulz.

Der Startschuss fiel vor anderthalb Jahren. Bis Anfang November des vergangenen Jahres hatten Interessenten die Möglichkeit, erste Angebote einzureichen. Verbindliche Offerten sollen in diesem Jahr folgen. Im vierten Quartal 2022 soll dann laut Senat feststehen, wer die Fahrtzeuge für die insgesamt elf Nord-Süd- und Ost-West-Linien bauen und betreiben wird. Von 2027 bis 2034, so der Plan, sollen mindestens 1308 S-Bahnen-Wagen geliefert werden, die Eigentum des Landes Berlin werden.

Als Lehre aus der S-Bahn-Krise, die vor mehr als einem Jahrzehnt Großteile des Verkehrs lahmlegte, sei ein zuverlässiger Betrieb ein wichtiges Ziel, hieß es. Es gehe aber auch um Kosten. So werde der Wettbewerb „Monopolpreise“ der bundeseigenen Deutschen Bahn (DB) verhindern, dass Steuerzahler über 15 Jahre insgesamt 800 Millionen Euro sparen könnten. „Dafür ließen sich viele Schulen renovieren“, so eine Einschätzung. Das Land Berlin zahlt für jeden gefahrenen S-Bahn-Kilometer Geld, das ihm vom Bund überwiesen wird. Doch die Beträge, die derzeit dem DB-Unternehmen S-Bahn Berlin GmbH zukommen, seien „sehr ordentlich“ – sehr hoch, sagen Beteiligte.

Gewerkschafter, Linke, Sozialdemokraten und Menschen, die etwas gegen Privatisierungen haben, sehen das Vergabeverfahren unverändert kritisch. Sie wenden sich gegen die ihrer Ansicht nach drohende Zerschlagung und Privatisierung der S-Bahn. Zu den Protagonisten gehört auch das Bündnis „Eine S-Bahn für alle“, in dem die Neuköllner Linken-Politikerin Jorinde Schulz aktiv ist. Sie gab nun im Veranstaltungsraum „Helle Panke“ in Prenzlauer Berg ein Update.

Schulz teilt die prinzipielle Kritik, dass es sich um ein neoliberales Vorhaben handelt, das Kapitalinteressen den Weg ebnet, die Daseinsvorsorge und den klimafreundlichen Umbau der Mobilität gefährdet. In den vergangenen Jahren habe die S-Bahn GmbH, die derzeit für den S-Bahn-Verkehr in Berlin und Brandenburg zuständig ist, jährlich zweistellige Millionensummen an den DB-Konzern abgeführt, sagte sie. Verständlich, dass Privatfirmen scharf darauf seien, diese Gelder als Gewinne für sich zu verbuchen.

Weil die Ausschreibung mit den Teilnetzen Nord-Süd und Stadtbahn zwei Lose umfasst, drohe in der Tat eine Aufteilung des Systems auf mehrere Unternehmen, was bei Störungen und auch sonst einen enormen Abstimmungsbedarf mit sich bringen wird, so die Kritik. Schon jetzt sei eine „nicht unbeträchtliche Wettbewerbsbürokratie“ herangewachsen, in der zahlreiche Juristen und Berater Honorare vom Staat kassieren. Noch teurer seien die zu erwartenden Doppelstrukturen, die zum Beispiel deshalb entstehen, weil neue Zugbetreiber Werkstättenstandorte benötigen. Berichten zufolge sind derzeit Fredersdorf und Wannsee in der Diskussion.

Weitere, noch viel höhere Kosten drohen dem Land Berlin, wenn es nach der Zuschlagserteilung zu Problemen kommt wie derzeit anderswo mit Abellio. Das Unternehmen der niederländischen Staatsbahn NS, das nach Ausschreibungen auf bundesweit mehr als 50 Strecken den Regionalzugbetrieb aufgenommen hatte, geriet in die Bredouille und musste schließlich ein Schutzschirmverfahren beantragen. In Baden-Württemberg sprang das Land ein, in Nordrhein-Westfalen sollen nach einer Notvergabe die DB und andere Zugbetreiber den Verkehr übernehmen. Dem Staat entstehen hohe Kosten – auch weil er die Löhne und Gehälter zahlt, wie Schulz sagte. „Das Ausschreibungsabenteuer endete mit drohendem Chaos und zusätzlichen Zuschüssen.“

In Berlin sendet Rot-Grün-Rot unterschiedliche Signale. Zum einen soll das Vergabeverfahren weitergeführt werden, steht im Koalitionsvertrag. Zum anderen ist dort ebenfalls zu lesen: „Die Koalition verfolgt unabhängig von der Ausschreibung das Ziel einer Kommunalisierung der S-Bahn. Sie tritt in zügige Verhandlungen mit dem Bund und der Deutschen Bahn zum Kauf der S-Bahn ein und entwickelt bis Herbst 2022 einen Fahrplan zum Aufbau eines eigenen Eisenbahnverkehrsunternehmens.“ Dabei gibt es ein solches Unternehmen im Landesbesitz schon: die Behala. In den Grundsätzen für die Regierungsarbeit wird kein Datum mehr genannt. „Eine S-Bahn für alle“ fordert, keine Zeit mehr zu verschwenden und die Kommunalisierung rasch zu beginnen.

Bei der Diskussion mit Jorinde Schulz ging es um mögliche Formen des Widerstands gegen die bisherige Politik, wobei ein Streik wohl ausscheidet. Die Linke sehe das Verfahren ebenfalls kritisch, habe sich in der Vergangenheit all zu oft „Sachzwangargumenten“ gebeugt. Eine Debattenteilnehmerin sagte, dass die staatliche S-Bahn Berlin GmbH „kein vertrauenswürdiges Unternehmen“ sei, obwohl sie sich in öffentlichem Besitz befindet. Ein Fahrdienstleiter von DB Netz befürchtet Probleme, wenn nach einer Kommunalisierung nicht auch die Infrastruktur ins Landeseigentum übergeht. Ein einheitliches S-Bahn-Unternehmen sei wichtig, so die allgemeine Einschätzung. Kein „Tochterfirmenzirkus“ mehr, forderte Schulz.

Unterdessen mehren sich die Hinweise darauf, dass sich zentrale Befürchtungen der Kritiker wohl nicht bewahrheiten werden. Einschätzungen zufolge hat das Konsortium DB/Stadler/Siemens gute Chancen, den Zuschlag für beide Teillose zu bekommen. Das DB-Unternehmen S-Bahn Berlin GmbH punktet mit Erfahrungen und Werkstätten, die beiden Fahrzeugproduzenten wiederum haben die derzeit jüngste S-Bahn-Generation entwickelt – was sie als Basis für eine Neuentwicklung nehmen können.

Damit bliebe der gesamte S-Bahn-Betrieb in Berlin und Brandenburg auch künftig unter staatlicher Ägide. Ob außer dem Bahnhersteller Alstom weitere Unternehmen an dem laufenden Vergabeverfahren teilnehmen, ist unklar. Zu hören ist, dass der französische Zugbetreiber Transdev kein Angebot abgegeben hat. Ob MTR aus Hongkong dabei ist, gilt als ungewiss. „Was in Berlin geschieht, wirkt auf private Unternehmen abschreckend“, hieß es in der Branche. Jorinde Schulz und ihre Mitstreiter werden es gern hören.

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Wölfe in Deutschland: Historische Gesetzesänderung beschlossen

Wer hat Angst vorm großen, bösen Wolf? Landwirte in Niedersachsen nicht mehr, zumindest nicht die mit Waffenschein. Denn Isegrim ist zum Abschuss freigegeben!

Der Agrarausschuss des Niedersächsischen Landtages hat sich nach jahrelangem Hin und Her nun dazu durchgerungen, für die Aufnahme des Wolfs in das Landesjagdrecht zu stimmen. Das bedeutet für das Tier nichts Gutes. "Für Halter von Weidetieren ist dies ein ganz wichtiger und historischer Tag", sagt dagegen der landwirtschaftspolitische Sprecher der FDP-Landtagsfraktion, Hermann Grupe.

Dank eines bisherigen Jagdverbotes und konsequenten Naturschutzes ist die Wolfs-Population in Niedersachsen entsprechend angestiegen, was in der Folge zu deutlich erhöhtem Wildriss geführt hat. Grupe weist darauf hin, welches Konsequenzen dies habe: "Nach wie vor ist diese Situation für viele Nutztierhalter finanziell existenzbedrohend und psychisch sehr belastend." Vor allem unter Schäfern ist die Zahl derer, die aufgrund der aktuellen Situation ihren Job aufgegeben haben, besonders hoch, berichtet die Gifhorner Rundschau.

Wolfs-Population reduzieren

Naturschützer werden das anders sehen, aber natürlich vertritt Grupe zunächst einmal die Interessen seiner Klientel. "Durch die Aufnahme des Wolfes ins Jagdrecht ist nun endlich der erste Schritt in die richtige Richtung erfolgt, um die Wolfspopulation auf ein verträgliches Maß zu regulieren", ist sich der FDP-Mann sicher.

Sofortige Folgen hat der Beschluss noch nicht, denn er muss nun zunächst als Antrag der niedersächsischen Landesregierung durch entsprechende Ausschüsse und anschließend ins Plenum. Gleichwohl dürfte er all diese Stellen mit ziemlicher Sicherheit passieren und danach entsprechend in Kraft treten.

Laut NDR steht Niedersachsen nach Brandenburg und gleichauf mit Sachsen auf Platz zwei der bundesdeutschen Wolfspopulations-Statistik. Vor einem Jahr wurden 35 Rudel gezählt, 2020 waren es noch 23. In Gesamtdeutschland sind 157 Wolfsrudel erfasst, 403 der gezählten Graupelze waren dabei voll ausgewachsen.

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Die ignorierte Gefahr
Robert Habeck, Brandenburgs Ministerpräsident Woidke (r.) vor der Raffinerie in Schwedt: "Jetzt müssen Taten folgen", sagte Woidke nach dem Besuch des Bundeswirtschaftsministers.
Robert Habeck, Brandenburgs Ministerpräsident Woidke (r.) vor der Raffinerie in Schwedt: "Jetzt müssen Taten folgen", sagte Woidke nach dem Besuch des Bundeswirtschaftsministers. 

das Blatt im Ukraine-Krieg scheint sich zu wenden, die Truppen von Präsident Selenskyj gewinnen Boden zurück. Selbst im russischen Staatsfernsehen, wo Propaganda sonst gern jede Wahrheit erstickt, warnte am Dienstag ein Militärexperte mit ungewohnt kritischen Worten vor der Schlagkraft der ukrainischen Armee und den Folgen der geopolitischen Isolation Russlands: "Die Welt ist gegen uns", sagte er. "Die Situation ist nicht normal."

Das ist für die Ukraine und den Westen so etwas wie ein Hoffnungsschimmer. Ein Ende des Krieges aber ist damit noch lange nicht in Sicht. Es werden weiter Ukrainer durch russische Bomben und Kugeln sterben, der Rest der Welt die sozialen Folgen von Embargos und Machtspielen unter anderem auf dem Energiemarkt spüren. In Deutschland droht diese Entwicklung einen Riss zu vertiefen, der bei Staatsakten gerne geleugnet wird, der sich aber auch mehr als 30 Jahre nach der Wiedervereinigung tief durch das Land zieht.

Denn Ostdeutschland ist von den Energielieferungen aus Russland und der Ukraine in höherem Maße abhängig als der Westen des Landes. Das hat mit der geografischen Lage zu tun, aber auch mit der Sozialisierung vieler Politiker und Industrieller. In der DDR war es zum Beispiel für alle Schüler Pflicht, Russisch zu lernen. Was von Vorteil war, als billiges Gas und Öl aus Russland noch weltweit begehrt waren, entwickelt sich nun zu einem Nachteil, der zusehends verheerende Ausmaße annimmt.

Raffinerie in Schwedt: Mehr als 1.000 Menschen arbeiten hier – und der russische Staatskonzern Rosneft hält die Mehrheit der Anteile.
Raffinerie in Schwedt: Mehr als 1.000 Menschen arbeiten hier – und der russische Staatskonzern Rosneft hält die Mehrheit der Anteile. 

Dabei geht es nicht nur um die Raffinerie im brandenburgischen Schwedt, die bisher zu 100 Prozent am russischen Öl hängt. Es geht um Chemieparks in Sachsen-Anhalt, um die Glasindustrie in Thüringen, um die Autoproduktion und die Landwirtschaft, der ohne russisches Gas der Dünger ausgehen könnte. Tausende Jobs sind potenziell in Gefahr.

Glasmacherin im thüringischen Lauscha bei der Arbeit (Archivbild): Der Ort gilt als Wiege des gläsernen Christbaumschmucks.
Glasmacherin im thüringischen Lauscha bei der Arbeit (Archivbild): Der Ort gilt als Wiege des gläsernen Christbaumschmucks.

Mit Blick auf die Anlage in Schwedt warnt Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) bei dem geplanten Ölembargo der EU außerdem vor einer Benzinknappheit speziell in Ostdeutschland und Berlin. Es könne passieren, dass "für eine begrenzte Zeit zu wenig Öl und damit zu wenig Benzin verfügbar ist". Die Preise an den Zapfsäulen werden dann unweigerlich in nie gekannte Höhen schießen. Auch das trifft viele im Osten hart – die Zahl der Pendler ist hier besonders groß.

Protest im sächsischen Annaberg-Buchholz: Bereits Ende März demonstrierten Dutzende Kraftfahrer und Speditionen gegen die hohen Benzinpreise.
Protest im sächsischen Annaberg-Buchholz: Bereits Ende März demonstrierten Dutzende Kraftfahrer und Speditionen gegen die hohen Benzinpreise. 

Die neuen Probleme gesellen sich zu alten Ungerechtigkeiten. Denn nach wie vor verdienen Arbeitnehmer im Osten deutlich weniger als Arbeitnehmer im Rest des Landes. Die Zahlen des Statistischen Bundesamts für das Jahr 2021 lesen sich bitter: 26,81 Euro erhielten Arbeitnehmer im Westen im Durchschnitt als Stundenlohn. Im Osten waren es nur 20,91 Euro. Auf eine 40-Stunden-Woche gerechnet macht das einen Unterschied von 240 Euro. Pro Monat sind es also rund 1.000 Euro weniger. Entsprechend machen sich die gestiegenen Lebenshaltungs- und Energiekosten im Osten für viele deutlicher bemerkbar als im Westen.

"Strukturschwach" wird der Osten gerne genannt. Präziser aber ist: abgehängt, vernachlässigt, ignoriert, vergessen. Die Ostdeutsche Angela Merkel hat das erst ganz am Ende ihrer 16 Jahre als Bundeskanzlerin in einer Rede in Worte gefasst, aus denen tiefe Verletzung sprach: Es sei so, als zähle das Leben vor der deutschen Einheit nicht wirklich, als sei es Ballast. "Bestenfalls zum Gewichtsausgleich tauglich, im Grunde aber als unnütze Last abzuwerfen."

Ex-Kanzlerin Angela Merkel: Sie hielt am Tag der Deutschen Einheit 2021 ihre wohl emotionalste Rede.
Ex-Kanzlerin Angela Merkel: Sie hielt am Tag der Deutschen Einheit 2021 ihre wohl emotionalste Rede. 

Mit der Linken und der AfD adressieren diese im Osten verbreiteten Gefühle vor allem die politischen Ränder. Auch in der aktuellen Situation machen sich beide Parteien bemerkbar, fordern etwa ein Aussetzen des Ölembargos der EU für Ostdeutschland. Ganz so, als wäre dieser Teil der Republik ein eigenständiges Land.

Gerade auch bei diesem Thema wird der Riss wieder überdeutlich. Und die große Aufgabe, die nun einem Bundeskabinett zukommt, das nur mit zwei Ministerinnen aus dem Osten besetzt ist: Mit dem Weghören, Kleinreden, mit der Wessi-Ignoranz muss endlich Schluss sein. Die Bundesregierung muss die speziellen ostdeutschen Probleme erkennen, sie muss die ostdeutschen Politiker anhören, sie muss dringend vorsorgen, damit die Stimmung nicht kippt. Mit PR-Auftritten in Ölraffinerien ist es nicht getan.

Sprung aufs Podium von Wirtschaftsminister Habeck bei einem Besuch in der Ölraffinerie Schwedt: Er verspricht, sein Ministerium habe Ostdeutschland "im Blick".
Sprung aufs Podium von Wirtschaftsminister Habeck bei einem Besuch in der Ölraffinerie Schwedt: Er verspricht, sein Ministerium habe Ostdeutschland "im Blick". 

Sonst droht der Osten erneut abgehängt zu werden. Arme Regionen würden noch ärmer, Menschen noch tiefer verletzt. Der Politikverdruss nähme zu – und die Populisten würden profitieren. Nicht täuschen lassen darf man sich da von den jüngsten Landtagswahlen, bei denen AfD und Linke zu den Verlierern gehörten. Denn sie fanden alle im Westen statt.

Ein Anfang wäre es, einen gern zitierten Slogan endlich wahrzumachen – und tatsächlich für "Gleichen Lohn für gleiche Arbeit" zu sorgen.

Die soziale Bombe tickt. Der Kanzler und sein Kabinett müssen sie dringender denn je entschärfen.

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Deutschland: Zuwanderung lässt Bevölkerung leicht wachsen

Neue Zahlen zum Bevölkerungswachstum: Ende 2021 lebten in Deutschland rund 82.000 Menschen mehr als im Jahr zuvor. Der Anstieg um gerade mal 0,1 Prozent ist Ergebnis der Zuwanderung.

Die Bevölkerung in Deutschland ist im vergangenen Jahr geringfügig gewachsen. Wie das Statistische Bundesamt am Montag in Wiesbaden mitteilte, erhöhte sich die Zahl der hierzulande lebenden Menschen im Vergleich zum Jahr 2020 um 0,1 Prozent oder etwa 82.000 auf gut 83,2 Millionen. Im Jahr davor hatte die Zahl praktisch stagniert. Laut Bundesamt war der Anstieg vor allem auf einen Einwanderungsüberschuss zurückzuführen.

Demnach ließen sich im vergangenen Jahr insgesamt rund 317.000 Menschen mehr im Bundesgebiet nieder, als ins Ausland wegzogen. Damit näherte sich die sogenannte Nettozuwanderung wieder dem Niveau vor dem Ausbruch der Coronapandemie. 2019 hatte die Nettozuwanderung bei 327.000 gelegen, im ersten Coronajahr war sie zwischenzeitlich auf 220.000 zurückgegangen.

228.000 mehr Sterbefälle als Geburten

Eine gegenläufige Entwicklung gab es indes beim sogenannten Überschuss der Sterbefälle. Er stieg im vergangenen Jahr laut vorläufigen Daten der Behörden weiter an auf rund 228.000. Im Jahr 2020 waren in Deutschland dagegen lediglich 220.000 Menschen mehr gestorben, als hier geboren wurden.

Wie aus der Statistik auch hervorgeht, erhöhte sich der Anteil älterer Menschen an der Gesamtbevölkerung weiter:
  • Die Zahl der Einwohnerinnen und Einwohner ab 60 Jahren stieg im Vergleich zum Vorjahr um 1,4 Prozent auf 24,4 Millionen.

  • Die Zahl der Menschen im Alter zwischen 20 und 59 Jahren sank um 0,8 Prozent auf 43,4 Millionen,

  • während die Zahl der Kinder und Jugendlichen bis 20 Jahre um 0,6 Prozent auf rund 15,4 Millionen stieg.

10,9 Millionen Menschen mit ausländischer Staatsbürgerschaft

Auch der Anteil der Menschen mit einer ausländischen Staatsangehörigkeit erhöhte sich auf 13,1 Prozent. Im Jahr zuvor hatte er bei 12,7 Prozent gelegen. Zum Jahresende 2021 lebten demnach

  • 10,9 Millionen Menschen mit ausländischer Staatsbürgerschaft in Deutschland;

  • 72,3 Millionen Menschen hatten nach den Angaben des Bundesamts die deutsche Staatsbürgerschaft.

In den westdeutschen Bundesländern ohne Berlin lebten demnach 67,1 Millionen Menschen, in den ostdeutschen Länder ohne Bundeshauptstadt 12,5 Millionen. Die Bevölkerung im Westen erhöhte sich im Vergleich zum Vorjahr um 98.000, während sie im Osten leicht um 30.000 weiter abnahm.

Laut Statistischen Bundesamt basieren die Angaben auf einer sogenannten Bevölkerungsfortschreibung. Diese fußt auf den Ergebnissen des Zensus 2011, die jährlich durch Daten der Standes- und Meldeämter auf einen neuen Stand gebracht werden. Diese sind laut Bundesamt vorläufig, mit größeren Verschiebungen ist nachträglich jedoch nicht mehr zu rechnen.

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Zehntausende Fachkräfte fehlen für Ganztags-Grundschule
Mutter spaziert mit ihrem Kind (Archiv): Bund und Länder hatten im vergangenen September einen Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung in der Grundschule beschlossen.

Mutter spaziert mit ihrem Kind (Archiv): Bund und Länder hatten im vergangenen September einen Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung in der Grundschule beschlossen. (Quelle: Michael Gstettenbauer/imago-images-bilder)

Jedes Grundschulkind wird bald Anspruch auf eine ganztägige Betreuung haben. Doch die Umsetzung könnte scheitern, warnt jetzt eine neue Studie.

Jedes einzelne Grundschulkind hat künftig einen Anspruch auf Ganztagsbetreuung – für die Umsetzung bis Ende des Jahrzehnts fehlen einer Studie zufolge aber Zehntausende Erzieherinnen und Sozialpädagogen in Deutschland. Die Bundesländer müssten gemeinsam mit allen Verantwortlichen schon jetzt handeln, um dem steigenden Personalmangel in Grundschulen und Horten vorzubeugen, sagte Anette Stein von der Bertelsmann Stiftung, die die Studie am Dienstag veröffentlichte.

Insgesamt könnten mehr als 100.000 pädagogische Fachkräfte fehlen. Vor allem im Westen wird die Umsetzung des Rechtsanspruchs demnach schwierig, im Osten sollte dagegen der vergleichsweise schlechtere Personalschlüssel auf West-Niveau verbessert werden. Am Geld scheitert es der Studie zufolge nicht – es gibt schlicht zu wenige Menschen, die den Beruf ergreifen wollen.

Bund und Länder hatten im vergangenen September einen Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung in der Grundschule beschlossen, der schrittweise eingeführt wird. Ab dem Schuljahr 2026/2027 greift die Regelung bei Kindern der 1. Klasse, ab 2029/2030 bei allen Klassen.

Im Osten bereits 83 Prozent der Grundschulkinder in Ganztagesbetreuung

Die Ausgangslagen in den Bundesländern unterscheiden sich stark: Im Osten nutzen bereits heute im Schnitt 83 Prozent der Grundschulkinder ein Ganztagsangebot. Dazu kommen 3,5 Prozent, die ein Übermittagsangebot bis 14.30 Uhr besuchen. Im Westen sind es dagegen nur 47 Prozent im Ganztag und 18 Prozent im Übermittagsangebot. Dafür hinkt die Personalausstattung im Osten hinterher: In Horten etwa muss eine Vollzeit-Fachkraft dort rechnerisch mehr als doppelt so viele Kinder betreuen wie eine Kollegin oder Kollege im Westen.

Ein gutes Zeugnis stellt die Studie nur BerlinHamburg und Thüringen aus. Dort gibt es bis Ende des Jahrzehnts laut der Prognose genügend Personal, um jedem einzelnen Grundschulkind einen Ganztagsplatz anzubieten – und das bei einem guten Betreuungsschlüssel.

Gang in einer Grundschule mit Jacke und Tasche an der Garderobe (Archiv): Ein gutes Zeugnis stellt die Studie nur Berlin, Hamburg und Thüringen aus.
Gang in einer Grundschule mit Jacke und Tasche an der Garderobe (Archiv): Ein gutes Zeugnis stellt die Studie nur Berlin, Hamburg und Thüringen aus. (Quelle: biky/imago-images-bilder)

Auch alle weiteren ostdeutschen Bundesländer können bis 2030 jedem Kind ein Ganztagsangebot machen. Allerdings plädiert die Bertelsmann Stiftung dafür, die personelle Situation an Grundschulen und Horten zu verbessern. Würde man sich an Westdeutschland orientieren, wären laut der Prognose dafür rund 26.000 zusätzliche Fachkräfte nötig. Die könnten laut der Studie mit Bundesmitteln aus dem Ganztagsförderungsgesetz finanziert werden.

Rund 76.000 Fachkräfte in Westdeutschland gebraucht

Die westdeutschen Bundesländer müssten sich dagegen auf den Platzausbau konzentrieren. Sollte jedem einzelnen Kind in der Grundschule ein Ganztagsangebot gemacht werden, bräuchte es bis 2030 aber mehr als eine Million zusätzliche Plätze und rund 76.000 Fachkräfte. Selbst wenn nur die heutige Quote Ostdeutschlands – wo mehr als vier von fünf Grundschülern ganztags betreut werden – angepeilt würde, fehlten noch 55.000 Fachkräfte. Und auch wenn ein Teil der Kinder weiter das Übermittagsangebot nutze, bliebe noch ein Minus von 34.000 Fachkräften, heißt es in der Studie.

Expertin Stein von der Bertelsmann Stiftung forderte eine "langfristig angelegte Fachkräfteoffensive von Bund und Ländern". Für eine bessere und bundeseinheitliche Ausstattung müsse die Politik jetzt gesetzliche Rahmenbedingungen, genügend Ausbildungskapazitäten und Anreize für den Einstieg ins Berufsbild schaffen.

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Bald 86 Millionen: Rekord-Zuwanderung treibt Deutschlands Einwohnerzahl – mit Folgen für Wirtschaft, Arbeit und Umwelt

Bald 86 Millionen: Zuwanderung treibt Einwohnerzahl in Deutschland – das sind die Folgen für Wirtschaft, Arbeit und Umwelt

© Winfried Rothermel / picture allianceBald 86 Millionen: Zuwanderung treibt Einwohnerzahl in Deutschland – das sind die Folgen für Wirtschaft, Arbeit und Umwelt

Die Bevölkerung in Deutschland dürfte in den kommenden Jahren in einem historischen Ausmaß wachsen. Im Jahr 2030 könnten in Deutschland bereits nahezu 86 Millionen Menschen leben, fünf Millionen mehr als 2011. Dies sei ein "historischer Anstieg der Einwohnerzahl", schreiben die Ökonomen der Deutsche Bank Research in ihrem Monatsbericht August. Der starke Zuwachs habe "bedeutende ökonomische Folgen". Wirtschaftlich dürfte der Zuzug für Deutschland langfristig Vorteile haben. Für Klima und Umwelt falle die Bilanz dagegen negativ aus.

Bereits im vergangenen Jahr waren 329.000 mehr Menschen nach Deutschland gezogen, als das Land verließen. Die Einwohnerzahl erhöhte sich durch den gegenläufigen Trend höherer Sterbe- als Geburtenzahlen um gut 100.000.

In diesem Jahr nun führt Russlands Angriff auf die Ukraine zu einer starken Zunahme der Zuwanderung. Die Deutschen Bank erwartet, dass allein 1,3 Millionen Menschen aus der Ukraine in Deutschland Schutz suchen. Hinzu kämen Flüchtlinge aus Russland, Belarus, Georgien und Moldau. Gemeinsam mit einem unveränderten Zuzug aus anderen Ländern erwartet die Deutsche Bank für dieses Jahr einen Nettozuzug von 1,7 Millionen Menschen nach Deutschland. Für das kommende Jahr sei mit einer Zahl von 600.000 zu rechnen. Die Einwohnerzahl erhöhe sich damit von 83,3 Millionen im Jahr 2021 auf 85,4 Millionen 2023. "Damit wäre die Flüchtlingswelle deutlich größer als im Jahr 2015. Sie wird wohl nur von der Zuwanderung nach dem 2. Weltkrieg übertroffen."

"Dies hat bedeutende ökonomische Folgen"

Die Bank-Experten rechnen damit, dass die Netto-Zuwanderung auch über 2023 hinaus auf einem Niveau von über 300.000 Menschen im Jahr verharrt. "Den in vielen Studien unterstellten Rückgang auf jährlich nur 200.000 oder 200.000 Personen halten wir für falsch." Die Einwohnerzahl in Deutschland steige in der Folge bis zum Jahr 2030 auf nahezu 86 Millionen.

Die wirtschaftlichen Folgen für Deutschland bewerten die Ökonomen insgesamt positiv. Es gebe aber auch Risiken und kurzfristige finanzielle Lasten. Auf der negativen Seite verlängere der Anstieg der Einwohnerzahl den Wohnungsmangel, belaste kurzfristig die Staatshaushalte und erschwere es, die Ziele beim Klimaschutz einzuhalten. Dies gelte nicht nur für Deutschland selbst.

"Auch die globalen CO2-Emissionen und der globale Ressourcenverbrauch erhöhen sich tendenziell, insbesondere, wenn der Zuzug aus Ländern mit deutlich geringerem Lebensstandard und folglich geringerer Klima- und Umweltbelastung pro Kopf erfolgt".

Auf der positiven Seite würden Konsum und Wirtschaftswachstum angeregt, der Mangel an Arbeits- und Fachkräften gemildert und die negativen Folgen der alternden Gesellschaft gedämpft. Langfristig dürfte sich der starke Zuzug auch für öffentlichen Finanzen lohnen, wenn gut ausgebildete Schüler und Hochschulabsolventen auf den Arbeitsmarkt kämen. "Insgesamt dürften mittelfristig die positiven Aspekte überwiegen", folgern die Bank-Ökonomen.

Deutliche Belege sehen die Autoren in den jüngsten Zahlen für den Zusammenhang zwischen wirtschaftlicher Entwicklung und Migration. So habe die EU-Binnenwanderung in jüngster Zeit stark abgenommen. "Hier bremst wohl hauptsächlich der auf breiter Front verbesserte Arbeitsmarkt in Süd- und Osteuropa." In der EU habe die Arbeitslosenrate mit 6,1 Prozent ein Allzeittief erreicht. "Europa steuert damit trotz der vielen aktuellen Krisen tendenziell auf Vollbeschäftigung zu", schreiben die Ökonomen. Insbesondere viele Länder in Süd- und auch Osteuropa böten Menschen aktuell viel bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt und damit geringere Anreize, ihre Heimat zu verlassen. Dies gelte für Portugal oder Italien, aber auch für Slowenien und Kroatien und besonders für Bulgarien und Rumänien.

Auf der anderen Seite nimmt die Zuwanderung aus Nicht-EU- und außereuropäischen Ländern weiter zu. Die Deutsche Bank rechnet damit, dass der Ukraine-Krieg und seine krisenhaften Folgen über die Ukraine hinaus gerade außerhalb der EU die Zuwanderungsdynamik erhöhen.