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Zitat von Gast am 20. September 2021, 08:18 UhrFDP und AfD fordern Änderung der Quarantäne-Anordnung
Die Fraktionen von FDP und AfD im Kreistag Potsdam-Mittelmark haben die Kreisverwaltung erneut aufgefordert, ein harsches Schreiben zur Quarantäne-Anordnung für Kinder neu zu fassen. «Das Schreiben sollte in verständlichem Deutsch und verbindlich abgefasst werden, sagte der FDP-Kreisverbandsvorsitzende Hans-Peter Goetz am Sonntag auf Anfrage. «Da die meisten Bürger gesetzestreu sind, muss man ihnen nicht die volle Ladung vor den Bug knallen», meinte Goetz. «Damit verschreckt man die Leute.» Er habe bereits angeboten, bei der Formulierung zu helfen.
Die Schweizer «Weltwoche» hatte zuerst über ein Schreiben des Gesundheitsamtes an die Eltern eines Kindes berichtet. Darin heißt es: «Sollten Sie den der Absonderung für Ihr Kind betreffenden Anordnungen nicht nachkommen, so hat die Absonderung zwangsweise durch Unterbringung in einer geeigneten abgeschlossenen Einrichtung zu erfolgen.» Zudem wird «rein vorsorglich» darauf hingewiesen, dass die Eltern bei Zuwiderhandlung mit einer Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit einer Geldbuße rechnen müssten.
Auch die AfD-Fraktion im Kreistag kritisiert den Tonfall des Schreibens. «Die AfD-Kreistagsfraktion lehnt diese Form der Anschreiben an Eltern entschieden ab und sieht weiteren Klärungsbedarf», teilte Fraktionschef Peer Dorow auf Anfrage mit. Dies habe er bereits im Kreisausschuss am Donnerstag thematisiert. Doch Landrat Wolfgang Blasig (SPD) habe an der Sitzung nicht teilgenommen. «Daher bemüht sich die AfD-Fraktion nun um ein persönliches Gespräch mit Herrn Blasig», sagte Dorow.
Eine Sprecherin des Landkreises hatte nach erster massiver Kritik am Montag erklärt, der Text des «bereits hundertfach versandten Schreibens» werde nicht geändert. Denn: «Sollte es doch mal einen Verstoß geben, der entsprechende Konsequenzen nach sich zieht, dann kann sich der Bürger nicht darauf zurückziehen, er hätte nicht gewusst, was in dem betreffenden Paragrafen steht.»
FDP und AfD fordern Änderung der Quarantäne-Anordnung
Die Fraktionen von FDP und AfD im Kreistag Potsdam-Mittelmark haben die Kreisverwaltung erneut aufgefordert, ein harsches Schreiben zur Quarantäne-Anordnung für Kinder neu zu fassen. «Das Schreiben sollte in verständlichem Deutsch und verbindlich abgefasst werden, sagte der FDP-Kreisverbandsvorsitzende Hans-Peter Goetz am Sonntag auf Anfrage. «Da die meisten Bürger gesetzestreu sind, muss man ihnen nicht die volle Ladung vor den Bug knallen», meinte Goetz. «Damit verschreckt man die Leute.» Er habe bereits angeboten, bei der Formulierung zu helfen.
Die Schweizer «Weltwoche» hatte zuerst über ein Schreiben des Gesundheitsamtes an die Eltern eines Kindes berichtet. Darin heißt es: «Sollten Sie den der Absonderung für Ihr Kind betreffenden Anordnungen nicht nachkommen, so hat die Absonderung zwangsweise durch Unterbringung in einer geeigneten abgeschlossenen Einrichtung zu erfolgen.» Zudem wird «rein vorsorglich» darauf hingewiesen, dass die Eltern bei Zuwiderhandlung mit einer Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit einer Geldbuße rechnen müssten.
Auch die AfD-Fraktion im Kreistag kritisiert den Tonfall des Schreibens. «Die AfD-Kreistagsfraktion lehnt diese Form der Anschreiben an Eltern entschieden ab und sieht weiteren Klärungsbedarf», teilte Fraktionschef Peer Dorow auf Anfrage mit. Dies habe er bereits im Kreisausschuss am Donnerstag thematisiert. Doch Landrat Wolfgang Blasig (SPD) habe an der Sitzung nicht teilgenommen. «Daher bemüht sich die AfD-Fraktion nun um ein persönliches Gespräch mit Herrn Blasig», sagte Dorow.
Eine Sprecherin des Landkreises hatte nach erster massiver Kritik am Montag erklärt, der Text des «bereits hundertfach versandten Schreibens» werde nicht geändert. Denn: «Sollte es doch mal einen Verstoß geben, der entsprechende Konsequenzen nach sich zieht, dann kann sich der Bürger nicht darauf zurückziehen, er hätte nicht gewusst, was in dem betreffenden Paragrafen steht.»
Zitat von Gast am 21. September 2021, 14:24 UhrÖsterreich, Holland, Schweden
Wie Deutschlands Nachbarn in Rente gehen
Das Rentensystem muss reformiert werden, so die einhellige Expertenmeinung. Aber wie? Deutschlands Nachbarn zeigen, welche Ideen es auch für Deutschland geben könnte.
ÜBERBLICK
- Deutschland
- Österreich
- Niederlande
- Frankreich
- Schweiz
- Italien
- Norwegen
- Schweden
- Welches europäische System wird in Deutschland diskutiert?
Rente mit 63, mit 67, 68 – oder gar mit 70? Die staatliche Altersvorsorge und besonders das Rentenalter wird ein beherrschendes Thema im aufziehenden Wahlkampf. Erst jüngst forderte der Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger eine Debatte über eine längere Lebensarbeitszeit.
Doch nicht nur in Deutschland wird über ein gerechtes Rentensystem diskutiert. Der Blick ins Ausland zeigt: Einige von Deutschlands Nachbarn gehen deutlich später als hierzulande in Rente – und das nicht erst in Jahrzehnten, sondern schon jetzt.
t-online hat sich eingehend mit den Rentensystemen in ausgewählten Ländern beschäftigt, darunter jene von Italien, Norwegen, den Niederlanden, Schweden, Österreich, Frankreich und der Schweiz. Im Folgenden ziehen wir einen Vergleich zur Höhe der Rente, dem Renteneintrittsalter und der Beitragshöhe.
Hinweis: Wir betrachten in unserer Übersicht lediglich die gesetzlichen Rentensysteme. Darüber hinaus gibt es vielfältige betriebliche und private Vorsorgeangebote. Auch Invaliden- oder Hinterbliebenenrenten lassen wir in der Betrachtung außen vor, es werden nur Altersrenten betrachtet. Bei all dem gilt: Ein direkter Vergleich zwischen den Rentensystemen ist nur bedingt möglich, da sich etwa die gesellschaftliche und wirtschaftliche Strukturen bisweilen stark unterscheiden, insbesondere die Lebenshaltungskosten.
Deutschland
Das deutsche Rentensystem basiert auf einem Umlageverfahren. Das heißt: Wer aktuell erwerbstätig ist, zahlt mit seinen Beiträgen zur Rentenversicherung die Rentenzahlungen an die heutigen Senioren. Die Renten der aktuell Erwerbstätigen wird dagegen von den künftigen Arbeitnehmern gezahlt. Das nennt man auch "Generationenvertrag". Selbstständige zahlen nicht automatisch in die Rentenversicherung ein.
Renteneintrittsalter: In Deutschland hängt die Regelaltersgrenze vom Geburtsjahrgang ab. Wer früher in Rente geht, muss in der Regel mit zum Teil hohen Abschlägen auf die Rentenzahlungen rechnen. Beim Erreichen des 67. Lebensjahres wird die monatliche Rente allen ausbezahlt, die ab 1964 geboren wurden. Für Arbeitnehmer, die vor dem 1. Januar 1947 geboren wurden, gilt noch die Rente mit 65 Jahren. Für alle dazwischen liegenden Jahrgänge gilt eine gestaffelte Regelung. Mehr dazu lesen Sie hier.
Rentenhöhe: Die durchschnittliche Bruttorente in Deutschland beträgt rund 1.400 Euro.
Rentenbeiträge: Aktuell liegt der sogenannte Beitragssatz zur gesetzlichen Rentenversicherung bei 18,6 Prozent des Bruttolohns. Arbeitnehmer teilen sich diesen Betrag mit dem Arbeitgeber.
Besonderheiten: Zusätzlich zur gesetzlichen Rente gibt es zwei weitere zum Teil staatlich geförderten Säulen der Altersvorsorge, die die betriebliche Vorsorge sowie die private Vorsorge darstellen.
Österreich
In Österreich zahlen alle Erwerbstätigen über ein Umlagesystem in die Rente ein – auch Selbstständige. In Österreich heißt die Rente Pension.
Renteneintrittsalter: Das Regelpensionsalter liegt in Österreich bei 60 Jahren für Frauen und 65 Jahren für Männer. Das Pensionsalter für Frauen soll in der Zukunft schrittweise an das der Männer angepasst werden.
Rentenhöhe: Die Durchschnittsrente in Österreich liegt bei rund 26.500 Euro im Jahr, also gut 2.200 Euro im Monat.
Rentenbeiträge: Der Beitragssatz zur Rente beträgt in Österreich 22,8 Prozent, wobei die Arbeitgeber 12,55 Prozent tragen und die Beschäftigten 10,25 Prozent.
Besonderheiten: Beamte werden zwar nicht direkt in die Rentenversicherung einbezogen, ihre Leistungen aus der Versicherung werden jedoch Schritt für Schritt denen von Erwerbstätigen angepasst. In Österreich gibt es für Senioren auch ein Weihnachts- und Urlaubsgeld. Im Grunde wird die Rente also 14 Mal im Jahr statt 12 Mal ausgezahlt.
Niederlande
In den Niederlanden ist der zentrale Baustein des Systems eine gesetzliche Grundrente, auch AOW-Rente genannt. Die ist jedoch deutlich höher als die deutsche Grundrente, die nur als Aufschlag auf kleine Renten gezahlt wird. Anspruch auf die volle Grundrente hat, wer mindestens 50 Jahre lang in den Niederlande gelebt hat und dort gemeldet war. Für jedes Jahr, das davon abgeht, werden zwei Prozent abgezogen.
Renteneintrittsalter: Das Rentenalter für die Grundrente liegt bei 66 Jahren und 4 Monaten im Jahr 2021. Es wird bis 2024 auf 67 Jahre ansteigen.
Rentenhöhe: Die AOW-Rente beträgt ab dem Jahr 2021 monatlich 1.218 Euro.
Rentenbeiträge: Die AOW-Beiträge liegen bei 17,9 Prozent des sogenannten Beitragseinkommens, das etwa auch Wohnkosten einbezieht. Die Arbeitnehmer zahlen die Beiträge komplett, der Arbeitgeber zahlt nichts.
Besonderheiten: Das Rentensystem basiert wie in Deutschland auf drei Säulen, also zusätzlich zur AWO-Rente gibt es die betriebliche Zusatzvorsorge und die private Vorsorge.
Frankreich
Das französische Rentensystem ist sehr kompliziert, da es spezielle Regelungen je nach Branche gibt, in der man tätig ist. Es gibt 42 Einzel-Rentensysteme in Frankreich. So gelten für Seeleute andere Regeln als für Bankangestellte, für Lokführer andere als für Tänzerinnen der Pariser Oper. Teils gehen die Rentensysteme noch auf den "Sonnenkönig" Ludwig XIV. zurück.
Für die meisten Arbeitnehmer gibt es jedoch ein allgemeines Rentensystem, Beamte zahlen indes in Pensionskassen ein. Darüber hinaus gibt es noch Betriebsrenten und die private Vorsorge als Ergänzung.
Renteneintrittsalter: Das frühestmögliche Rentenalter liegt bei 62 Jahren, allerdings müssen hier bestimmte Wartezeiten erfüllt sein. Je nach Branche gibt es jedoch große Unterschiede. Besonders Staatsdiener gehen deutlich vor 62 in Rente, in der freien Wirtschaft arbeitet man in Frankreich dagegen häufig länger.
Rentenhöhe: Im Schnitt erhalten die Franzosen rund 1.389 Euro an monatlichen Rentenzahlungen.
Rentenbeiträge: Die Arbeitnehmer zahlen 11,2 Prozent in die Rentenkasse ein, die Arbeitgeber sogar 16,3 Prozent.
Besonderheiten: Das komplizierte System will Emmanuel Macron, Frankreichs Präsident, vereinfachen und zusammenführen. Anfang 2020 beschloss die Regierung eine entsprechende Reform – nach wochenlangen teils heftigen Protesten. Künftig wird es in Frankreich ein Punktesystem geben, ähnlich wie in Deutschland. Das Rentenalter von 62 Jahren bleibt jedoch vorerst.
Schweiz
Das Rentensystem der Eidgenossen galt lange Zeit als Vorbild in Europa: niedrige Beiträge, hohe Renten. Doch seit kurzem steht auch dieses Rentensystem vor großen Problem. Denn die Beitragszahler werden immer weniger, dagegen steigt die Lebenserwartung – ein Problem, das auch in Deutschland besteht. Ein Ausgleichsfonds springt immer dann ein, wenn die Rentenkasse Verluste schreibt. Doch dieser Fonds schmilzt auf Dauer auch dahin.
Schon mehrfach wurde versucht, das Schweizer Rentensystem anzupassen. Jedoch scheiterten Reformen seit 26 Jahren immer an Volksabstimmungen oder dem Parlament; die Eidgenossen lassen anders als in Deutschland üblich über Verfassungsänderungen direktdemokratisch abstimmen.
Renteneintrittsalter: Das Rentenalter für Männer liegt bei 65 Jahren, im Juni 2021 beschloss der Schweizer Nationalrat das Renteneintrittsalter von Frauen ebenfalls auf 65 Jahre zu erhöhen. Das war Teil einer großen Rentenreform, bei der auch die Mehrwertsteuer um 0,4 Prozentpunkte erhöht werden soll, derzeit beträgt sie 7,7 Prozent. Allerdings ist es fraglich, ob das Gesetzesvorhaben nicht noch durch die nötige Volksabstimmung abgelehnt wird.
Rentenhöhe: 2019 betrug die Durchschnittsrente bei Männern 1.850 Franken, bei Frauen 1.875 Euro pro Monat. Das entspricht rund 1.711 bzw. 1.735 Euro.
Rentenbeiträge: Die Arbeitnehmer und Arbeitgeber teilen sich einen Rentenbeitrag von 10,6 Prozent.
Besonderheiten: Das schweizerische Rentensystem besteht wie das deutsche aus drei Säulen. Neben der staatlichen Vorsorge, der sogenannten AHV, gibt es die berufliche Vorsorge sowie die private. Die erste Säule beruht wie in Deutschland auf einem Umlageverfahren. Das Besondere hierbei ist jedoch, dass die Eidgenossen keine Beitragsbemessungsgrenze kennen. Das heißt: Die gesamten Einnahmen werden für die Beiträge zur Rentenversicherung herangezogen, allerdings gibt es eine monatliche Maximalrente von 2.390 Franken (rund 2.200 Euro) aus der ersten Säule. Es findet also de facto eine extreme Umverteilung statt.
Italien
Zuständig für die Auszahlung der Rente in Italien ist der Sozialversicherungsträger INPS. Die zentrale Rente ist die Regelaltersrente, auch Altersruhegeld genannt.
Renteneintrittsalter: Wie in Deutschland gibt es in Italien ebenfalls eine Regelaltersgrenze. Sie liegt zurzeit bei 67 Jahren, steigt jedoch weiter an. Für Frauen gelten je nach Beruf andere Grenzen. Doch es gibt auch in Italien eine vorgezogene Altersrente, vergleichbar mit der Rente für langjährig Versicherte. Sie funktioniert nach dem Prinzip: Ab einer bestimmten Wartezeit darf man in Rente gehen – auch ohne das Regelalter überschritten zu haben.
Rentenhöhe: Die Höhe der durchschnittlichen Altersrente lag laut INPS zum Stichtag 1. Januar 2019 bei 1.196,98 Euro.
Rentenbeiträge: Die Rentenbeiträge richten sich nach dem Bruttogehalt, in der Mehrheit der Fälle beträgt der Prozentsatz 33 Prozent. Davon trägt der Arbeitnehmer ein Drittel, die restlichen zwei Drittel zahlt der Arbeitgeber.
Besonderheiten: In Italien darf man zu der Regelaltersrente ohne Begrenzung hinzuverdienen. Zur Regelaltersrente gibt es noch eine Mindestrente, wenn Beschäftigte unter einer bestimmten Grenze verdient haben. In Italien wird zudem eine 13. Rente im Jahr ausgezahlt.
Norwegen
In Norwegen sind alle Bürger Mitglied in einer Einwohnerversicherung. Dazu zählen auch Menschen, die zwar in Norwegen arbeiten, aber nicht dort wohnen. Die Versicherung zahlt eine garantierte Rente aus, die jedem Bürger zusteht. Darüber hinaus gibt es eine Zusatzversicherung; die Höhe der Zahlungen hängen vom Einkommen ab.
Renteneintrittsalter: Das Rentenalter liegt bei 67 Jahren. Wenn man genügend Rentenanwartschaften gesammelt hat, kann man jedoch ab 62 Jahren in Rente gehen. Die Bürger haben dabei die Möglichkeit, auch über das Alter von 67 Jahren hinaus zu arbeiten und so ihre Rente aufzustocken.
Rentenhöhe: Die Garantierente beträgt im Schnitt rund 1.600 Euro, dazu kommen die Zahlungen aus der Zusatzversicherung.
Rentenbeiträge: Arbeitnehmer zahlen 8,2 Prozent in die Rente ein, der Arbeitgeber gibt in der Regel 14,1 Prozent hinzu.
Besonderheiten: Norwegen betreibt den weltgrößten Staatsfonds. Auf diese Weise sorgt Norwegen für die Zeit vor, wenn die Ölreserven des Landes aufgebraucht sind. Ein kleiner Teil aus dem Staatsfonds fließt auch in das Rentensystem.
Schweden
Anders als in Deutschland basiert das schwedische Rentensystem seit Jahren auf einer breit gestreuten Aktienanlage, zumindest zum Teil. 2,5 Prozent des Beitrags eines jeden Bürgers an die gesetzliche Rente muss in einen Aktienfonds fließen, in die sogenannte Prämienrente. Der Großteil der gesetzlichen Rente, die Einkommensrente, ist wie in Deutschland umlagefinanziert.
Dabei haben die Norweger die Wahl zwischen privat gemanagten Fonds oder dem staatlich verwalteten Aktienfonds, dem "AP7". Dieser Fonds investiert das Geld der Beitragszahler über Indexfonds in Aktiengesellschaften, die über der ganzen Welt verteilt sind.
Renteneintrittsalter: Anders als in Deutschland entscheidet in Schweden jeder individuell, wann sie oder er in Rente gehen möchte. Als unterste Grenze gilt ein Alter von 62 Jahren, früher geht das nur gegen teils sehr hohe Abschläge von fünf bis sechs Prozent im Jahr. Die Schweden haben das Recht, bis 68 zu arbeiten. Darüber hinaus geht es nur, wenn sie sich mit ihrem Arbeitgeber darauf verständigen.
Rentenhöhe: Die durchschnittliche Rentenhöhe in Schweden anzugeben, ergibt aufgrund der sehr unterschiedlichen individuellen Renteneintrittsalter nur bedingt Sinn.
Rentenbeiträge: Der Rentenbeitrag liegt bei 18,5 Prozent des Einkommens, davon fließen 16 Prozent in den umlagefinanzierten Teil des Systems, 2,5 Prozent werden angelegt.
Besonderheiten: Wer während seines Erwerbslebens ein sehr geringes Einkommen hat, hat Anspruch auf die sogenannte Garantierente. Vor allem Betriebsrenten stocken die gesetzliche Rente deutlich auf.
Welches europäische System wird in Deutschland diskutiert?
Die Debatte läuft seit einigen Wochen an – und der Blick richtet sich zunehmend ins Ausland. Der Vergleich zeigt dabei: Die europäischen Nachbarn setzen auch aufs umlagefinanzierte System wie in Deutschland. Lediglich in Schweden wird dies durch einen staatlich verwalteten Aktienfonds ergänzt.
Für Deutschland schlug die Linke bereits im Herbst 2020 vor, ein Rentenmodell nach österreichischem Vorbild einzuführen, Selbstständige und Beamte sollten in die gesetzliche Rente einzahlen.
Möglich, dass auch Beamte künftig gesetzlich pflichtrentenversichert sind – als wahrscheinlicher gilt jedoch, dass die Beiträge zur Rente nach 2025 steigen werden. Bis dahin sind sie durch eine sogenannte Haltelinie bei maximal 20 Prozent gedeckelt.
Kommt ein Staatsfonds wie in Schweden?
Auch das Renteneintrittsalter wird angepasst werden müssen, wie stark, ist unklar. SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz kündigte an, dass es mit ihm kein höheres Renteneintrittsalter gebe.
Die FDP möchte derweil ein flexibles Renteneintrittsalter nach schwedischem Vorbild, auch aus einer CDU-Arbeitsgruppe kam bereits eine solche Idee. Die Liberalen hatten zudem vorgeschlagen, eine Aktienrente einzuführen.
Die Idee eines Staatsfonds nach schwedischem oder norwegischem Vorbild ist zurzeit ohnehin en vogue – neben der FDP wünschen sich auch die Grünen einen solchen, allerdings für Betriebsrenten und die private Altersvorsorge.
Österreich, Holland, Schweden
Wie Deutschlands Nachbarn in Rente gehen
Das Rentensystem muss reformiert werden, so die einhellige Expertenmeinung. Aber wie? Deutschlands Nachbarn zeigen, welche Ideen es auch für Deutschland geben könnte.
ÜBERBLICK
- Deutschland
- Österreich
- Niederlande
- Frankreich
- Schweiz
- Italien
- Norwegen
- Schweden
- Welches europäische System wird in Deutschland diskutiert?
Rente mit 63, mit 67, 68 – oder gar mit 70? Die staatliche Altersvorsorge und besonders das Rentenalter wird ein beherrschendes Thema im aufziehenden Wahlkampf. Erst jüngst forderte der Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger eine Debatte über eine längere Lebensarbeitszeit.
Doch nicht nur in Deutschland wird über ein gerechtes Rentensystem diskutiert. Der Blick ins Ausland zeigt: Einige von Deutschlands Nachbarn gehen deutlich später als hierzulande in Rente – und das nicht erst in Jahrzehnten, sondern schon jetzt.
t-online hat sich eingehend mit den Rentensystemen in ausgewählten Ländern beschäftigt, darunter jene von Italien, Norwegen, den Niederlanden, Schweden, Österreich, Frankreich und der Schweiz. Im Folgenden ziehen wir einen Vergleich zur Höhe der Rente, dem Renteneintrittsalter und der Beitragshöhe.
Hinweis: Wir betrachten in unserer Übersicht lediglich die gesetzlichen Rentensysteme. Darüber hinaus gibt es vielfältige betriebliche und private Vorsorgeangebote. Auch Invaliden- oder Hinterbliebenenrenten lassen wir in der Betrachtung außen vor, es werden nur Altersrenten betrachtet. Bei all dem gilt: Ein direkter Vergleich zwischen den Rentensystemen ist nur bedingt möglich, da sich etwa die gesellschaftliche und wirtschaftliche Strukturen bisweilen stark unterscheiden, insbesondere die Lebenshaltungskosten.
Deutschland
Das deutsche Rentensystem basiert auf einem Umlageverfahren. Das heißt: Wer aktuell erwerbstätig ist, zahlt mit seinen Beiträgen zur Rentenversicherung die Rentenzahlungen an die heutigen Senioren. Die Renten der aktuell Erwerbstätigen wird dagegen von den künftigen Arbeitnehmern gezahlt. Das nennt man auch "Generationenvertrag". Selbstständige zahlen nicht automatisch in die Rentenversicherung ein.
Renteneintrittsalter: In Deutschland hängt die Regelaltersgrenze vom Geburtsjahrgang ab. Wer früher in Rente geht, muss in der Regel mit zum Teil hohen Abschlägen auf die Rentenzahlungen rechnen. Beim Erreichen des 67. Lebensjahres wird die monatliche Rente allen ausbezahlt, die ab 1964 geboren wurden. Für Arbeitnehmer, die vor dem 1. Januar 1947 geboren wurden, gilt noch die Rente mit 65 Jahren. Für alle dazwischen liegenden Jahrgänge gilt eine gestaffelte Regelung. Mehr dazu lesen Sie hier.
Rentenhöhe: Die durchschnittliche Bruttorente in Deutschland beträgt rund 1.400 Euro.
Rentenbeiträge: Aktuell liegt der sogenannte Beitragssatz zur gesetzlichen Rentenversicherung bei 18,6 Prozent des Bruttolohns. Arbeitnehmer teilen sich diesen Betrag mit dem Arbeitgeber.
Besonderheiten: Zusätzlich zur gesetzlichen Rente gibt es zwei weitere zum Teil staatlich geförderten Säulen der Altersvorsorge, die die betriebliche Vorsorge sowie die private Vorsorge darstellen.
Österreich
In Österreich zahlen alle Erwerbstätigen über ein Umlagesystem in die Rente ein – auch Selbstständige. In Österreich heißt die Rente Pension.
Renteneintrittsalter: Das Regelpensionsalter liegt in Österreich bei 60 Jahren für Frauen und 65 Jahren für Männer. Das Pensionsalter für Frauen soll in der Zukunft schrittweise an das der Männer angepasst werden.
Rentenhöhe: Die Durchschnittsrente in Österreich liegt bei rund 26.500 Euro im Jahr, also gut 2.200 Euro im Monat.
Rentenbeiträge: Der Beitragssatz zur Rente beträgt in Österreich 22,8 Prozent, wobei die Arbeitgeber 12,55 Prozent tragen und die Beschäftigten 10,25 Prozent.
Besonderheiten: Beamte werden zwar nicht direkt in die Rentenversicherung einbezogen, ihre Leistungen aus der Versicherung werden jedoch Schritt für Schritt denen von Erwerbstätigen angepasst. In Österreich gibt es für Senioren auch ein Weihnachts- und Urlaubsgeld. Im Grunde wird die Rente also 14 Mal im Jahr statt 12 Mal ausgezahlt.
Niederlande
In den Niederlanden ist der zentrale Baustein des Systems eine gesetzliche Grundrente, auch AOW-Rente genannt. Die ist jedoch deutlich höher als die deutsche Grundrente, die nur als Aufschlag auf kleine Renten gezahlt wird. Anspruch auf die volle Grundrente hat, wer mindestens 50 Jahre lang in den Niederlande gelebt hat und dort gemeldet war. Für jedes Jahr, das davon abgeht, werden zwei Prozent abgezogen.
Renteneintrittsalter: Das Rentenalter für die Grundrente liegt bei 66 Jahren und 4 Monaten im Jahr 2021. Es wird bis 2024 auf 67 Jahre ansteigen.
Rentenhöhe: Die AOW-Rente beträgt ab dem Jahr 2021 monatlich 1.218 Euro.
Rentenbeiträge: Die AOW-Beiträge liegen bei 17,9 Prozent des sogenannten Beitragseinkommens, das etwa auch Wohnkosten einbezieht. Die Arbeitnehmer zahlen die Beiträge komplett, der Arbeitgeber zahlt nichts.
Besonderheiten: Das Rentensystem basiert wie in Deutschland auf drei Säulen, also zusätzlich zur AWO-Rente gibt es die betriebliche Zusatzvorsorge und die private Vorsorge.
Frankreich
Das französische Rentensystem ist sehr kompliziert, da es spezielle Regelungen je nach Branche gibt, in der man tätig ist. Es gibt 42 Einzel-Rentensysteme in Frankreich. So gelten für Seeleute andere Regeln als für Bankangestellte, für Lokführer andere als für Tänzerinnen der Pariser Oper. Teils gehen die Rentensysteme noch auf den "Sonnenkönig" Ludwig XIV. zurück.
Für die meisten Arbeitnehmer gibt es jedoch ein allgemeines Rentensystem, Beamte zahlen indes in Pensionskassen ein. Darüber hinaus gibt es noch Betriebsrenten und die private Vorsorge als Ergänzung.
Renteneintrittsalter: Das frühestmögliche Rentenalter liegt bei 62 Jahren, allerdings müssen hier bestimmte Wartezeiten erfüllt sein. Je nach Branche gibt es jedoch große Unterschiede. Besonders Staatsdiener gehen deutlich vor 62 in Rente, in der freien Wirtschaft arbeitet man in Frankreich dagegen häufig länger.
Rentenhöhe: Im Schnitt erhalten die Franzosen rund 1.389 Euro an monatlichen Rentenzahlungen.
Rentenbeiträge: Die Arbeitnehmer zahlen 11,2 Prozent in die Rentenkasse ein, die Arbeitgeber sogar 16,3 Prozent.
Besonderheiten: Das komplizierte System will Emmanuel Macron, Frankreichs Präsident, vereinfachen und zusammenführen. Anfang 2020 beschloss die Regierung eine entsprechende Reform – nach wochenlangen teils heftigen Protesten. Künftig wird es in Frankreich ein Punktesystem geben, ähnlich wie in Deutschland. Das Rentenalter von 62 Jahren bleibt jedoch vorerst.
Schweiz
Das Rentensystem der Eidgenossen galt lange Zeit als Vorbild in Europa: niedrige Beiträge, hohe Renten. Doch seit kurzem steht auch dieses Rentensystem vor großen Problem. Denn die Beitragszahler werden immer weniger, dagegen steigt die Lebenserwartung – ein Problem, das auch in Deutschland besteht. Ein Ausgleichsfonds springt immer dann ein, wenn die Rentenkasse Verluste schreibt. Doch dieser Fonds schmilzt auf Dauer auch dahin.
Schon mehrfach wurde versucht, das Schweizer Rentensystem anzupassen. Jedoch scheiterten Reformen seit 26 Jahren immer an Volksabstimmungen oder dem Parlament; die Eidgenossen lassen anders als in Deutschland üblich über Verfassungsänderungen direktdemokratisch abstimmen.
Renteneintrittsalter: Das Rentenalter für Männer liegt bei 65 Jahren, im Juni 2021 beschloss der Schweizer Nationalrat das Renteneintrittsalter von Frauen ebenfalls auf 65 Jahre zu erhöhen. Das war Teil einer großen Rentenreform, bei der auch die Mehrwertsteuer um 0,4 Prozentpunkte erhöht werden soll, derzeit beträgt sie 7,7 Prozent. Allerdings ist es fraglich, ob das Gesetzesvorhaben nicht noch durch die nötige Volksabstimmung abgelehnt wird.
Rentenhöhe: 2019 betrug die Durchschnittsrente bei Männern 1.850 Franken, bei Frauen 1.875 Euro pro Monat. Das entspricht rund 1.711 bzw. 1.735 Euro.
Rentenbeiträge: Die Arbeitnehmer und Arbeitgeber teilen sich einen Rentenbeitrag von 10,6 Prozent.
Besonderheiten: Das schweizerische Rentensystem besteht wie das deutsche aus drei Säulen. Neben der staatlichen Vorsorge, der sogenannten AHV, gibt es die berufliche Vorsorge sowie die private. Die erste Säule beruht wie in Deutschland auf einem Umlageverfahren. Das Besondere hierbei ist jedoch, dass die Eidgenossen keine Beitragsbemessungsgrenze kennen. Das heißt: Die gesamten Einnahmen werden für die Beiträge zur Rentenversicherung herangezogen, allerdings gibt es eine monatliche Maximalrente von 2.390 Franken (rund 2.200 Euro) aus der ersten Säule. Es findet also de facto eine extreme Umverteilung statt.
Italien
Zuständig für die Auszahlung der Rente in Italien ist der Sozialversicherungsträger INPS. Die zentrale Rente ist die Regelaltersrente, auch Altersruhegeld genannt.
Renteneintrittsalter: Wie in Deutschland gibt es in Italien ebenfalls eine Regelaltersgrenze. Sie liegt zurzeit bei 67 Jahren, steigt jedoch weiter an. Für Frauen gelten je nach Beruf andere Grenzen. Doch es gibt auch in Italien eine vorgezogene Altersrente, vergleichbar mit der Rente für langjährig Versicherte. Sie funktioniert nach dem Prinzip: Ab einer bestimmten Wartezeit darf man in Rente gehen – auch ohne das Regelalter überschritten zu haben.
Rentenhöhe: Die Höhe der durchschnittlichen Altersrente lag laut INPS zum Stichtag 1. Januar 2019 bei 1.196,98 Euro.
Rentenbeiträge: Die Rentenbeiträge richten sich nach dem Bruttogehalt, in der Mehrheit der Fälle beträgt der Prozentsatz 33 Prozent. Davon trägt der Arbeitnehmer ein Drittel, die restlichen zwei Drittel zahlt der Arbeitgeber.
Besonderheiten: In Italien darf man zu der Regelaltersrente ohne Begrenzung hinzuverdienen. Zur Regelaltersrente gibt es noch eine Mindestrente, wenn Beschäftigte unter einer bestimmten Grenze verdient haben. In Italien wird zudem eine 13. Rente im Jahr ausgezahlt.
Norwegen
In Norwegen sind alle Bürger Mitglied in einer Einwohnerversicherung. Dazu zählen auch Menschen, die zwar in Norwegen arbeiten, aber nicht dort wohnen. Die Versicherung zahlt eine garantierte Rente aus, die jedem Bürger zusteht. Darüber hinaus gibt es eine Zusatzversicherung; die Höhe der Zahlungen hängen vom Einkommen ab.
Renteneintrittsalter: Das Rentenalter liegt bei 67 Jahren. Wenn man genügend Rentenanwartschaften gesammelt hat, kann man jedoch ab 62 Jahren in Rente gehen. Die Bürger haben dabei die Möglichkeit, auch über das Alter von 67 Jahren hinaus zu arbeiten und so ihre Rente aufzustocken.
Rentenhöhe: Die Garantierente beträgt im Schnitt rund 1.600 Euro, dazu kommen die Zahlungen aus der Zusatzversicherung.
Rentenbeiträge: Arbeitnehmer zahlen 8,2 Prozent in die Rente ein, der Arbeitgeber gibt in der Regel 14,1 Prozent hinzu.
Besonderheiten: Norwegen betreibt den weltgrößten Staatsfonds. Auf diese Weise sorgt Norwegen für die Zeit vor, wenn die Ölreserven des Landes aufgebraucht sind. Ein kleiner Teil aus dem Staatsfonds fließt auch in das Rentensystem.
Schweden
Anders als in Deutschland basiert das schwedische Rentensystem seit Jahren auf einer breit gestreuten Aktienanlage, zumindest zum Teil. 2,5 Prozent des Beitrags eines jeden Bürgers an die gesetzliche Rente muss in einen Aktienfonds fließen, in die sogenannte Prämienrente. Der Großteil der gesetzlichen Rente, die Einkommensrente, ist wie in Deutschland umlagefinanziert.
Dabei haben die Norweger die Wahl zwischen privat gemanagten Fonds oder dem staatlich verwalteten Aktienfonds, dem "AP7". Dieser Fonds investiert das Geld der Beitragszahler über Indexfonds in Aktiengesellschaften, die über der ganzen Welt verteilt sind.
Renteneintrittsalter: Anders als in Deutschland entscheidet in Schweden jeder individuell, wann sie oder er in Rente gehen möchte. Als unterste Grenze gilt ein Alter von 62 Jahren, früher geht das nur gegen teils sehr hohe Abschläge von fünf bis sechs Prozent im Jahr. Die Schweden haben das Recht, bis 68 zu arbeiten. Darüber hinaus geht es nur, wenn sie sich mit ihrem Arbeitgeber darauf verständigen.
Rentenhöhe: Die durchschnittliche Rentenhöhe in Schweden anzugeben, ergibt aufgrund der sehr unterschiedlichen individuellen Renteneintrittsalter nur bedingt Sinn.
Rentenbeiträge: Der Rentenbeitrag liegt bei 18,5 Prozent des Einkommens, davon fließen 16 Prozent in den umlagefinanzierten Teil des Systems, 2,5 Prozent werden angelegt.
Besonderheiten: Wer während seines Erwerbslebens ein sehr geringes Einkommen hat, hat Anspruch auf die sogenannte Garantierente. Vor allem Betriebsrenten stocken die gesetzliche Rente deutlich auf.
Welches europäische System wird in Deutschland diskutiert?
Die Debatte läuft seit einigen Wochen an – und der Blick richtet sich zunehmend ins Ausland. Der Vergleich zeigt dabei: Die europäischen Nachbarn setzen auch aufs umlagefinanzierte System wie in Deutschland. Lediglich in Schweden wird dies durch einen staatlich verwalteten Aktienfonds ergänzt.
Für Deutschland schlug die Linke bereits im Herbst 2020 vor, ein Rentenmodell nach österreichischem Vorbild einzuführen, Selbstständige und Beamte sollten in die gesetzliche Rente einzahlen.
Möglich, dass auch Beamte künftig gesetzlich pflichtrentenversichert sind – als wahrscheinlicher gilt jedoch, dass die Beiträge zur Rente nach 2025 steigen werden. Bis dahin sind sie durch eine sogenannte Haltelinie bei maximal 20 Prozent gedeckelt.
Kommt ein Staatsfonds wie in Schweden?
Auch das Renteneintrittsalter wird angepasst werden müssen, wie stark, ist unklar. SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz kündigte an, dass es mit ihm kein höheres Renteneintrittsalter gebe.
Die FDP möchte derweil ein flexibles Renteneintrittsalter nach schwedischem Vorbild, auch aus einer CDU-Arbeitsgruppe kam bereits eine solche Idee. Die Liberalen hatten zudem vorgeschlagen, eine Aktienrente einzuführen.
Die Idee eines Staatsfonds nach schwedischem oder norwegischem Vorbild ist zurzeit ohnehin en vogue – neben der FDP wünschen sich auch die Grünen einen solchen, allerdings für Betriebsrenten und die private Altersvorsorge.
Zitat von Gast am 22. September 2021, 08:41 UhrWahlkampf-Affäre bei Berliner Verkehrsbetrieben: Es brodelt nicht nur in der Chefetage der BVG
Der Personalrat der Verkehrsbetriebe und die CDU fordern externe Aufklärer und verschärfen Kritik an der Aufsichtsratschefin Ramona Pop. Die schweigt weiter.
Der Konflikt in den Leitungsgremien der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) weitet sich zur Affäre aus, die zunehmend auch auf die Landespolitik übergreift. Führungskräfte äußern sich entsetzt über die Einmischung der Politik und das Krisenmanagement ihres Vorstandes.
Der Tagesspiegel hatte am Wochenende berichtet, dass die BVG-Vorstandsvorsitzende Eva Kreienkamp eine Managerin offenbar wegen ihres Engagements für die CDU dazu gedrängt hatte, ihre Arbeit ruhen zu lassen (T+) . Die Betroffene ist Ute Bonde, die Leiterin der Abteilung Recht der BVG sowie Finanzgeschäftsführerin der internen Projektgesellschaft, die die Linie U5 vom Alexanderplatz bis zum Hauptbahnhof verlängert hatte.
Kreienkamp (hier ein Interview mit ihr über Ticketpreise, T+) soll Bonde gesagt haben, sie handle auf Wunsch der Aufsichtsratschefin der BVG, Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne). Nun stellt sich die Frage: Hat die Politikerin damit versucht, eine mögliche politische Konkurrentin kaltzustellen?
Bei der Berliner CDU, die Eva Bonde in dieser Woche – also wenige Tage vor der Wahl zum Abgeordnetenhaus – als mögliche Verkehrssenatorin vorstellen will, sollte die Partei künftig im Senat mitregieren, reagierte man erwartungsgemäß empört und forderte bereits am Wochenende Pop auf, sich dazu zu verhalten. Die Senatorin äußerte sich aber nicht persönlich zu dem Vorgang, hatte am Wochenende ihren Sprecher erklären lassen, dass man die Vorgänge „so nicht bestätigen“ könne und sich nicht zu „internen Personalangelegenheiten“ äußere. Pop ließ ihn zudem auf die Neutralitätspflicht aller Führungskräfte hinweisen. Persönlich äußern wollte sie sich auch auf Nachfragen am Montag und Dienstag nicht.
„Hier geht es nicht um eine Personalangelegenheit, hier geht es um demokratische Grundsätze“, sagte CDU-Generalsekretär Stefan Evers dem Tagesspiegel. „Da kann Frau Pop sich nicht einfach wegducken. Dass die Grünen ein Problem damit haben, dass die CDU endlich wieder einen Profi an der Spitze der Verkehrsverwaltung sehen möchte, ist nicht überraschend.“ Es gehe aber auf keinen Fall, darauf mit „unrechtmäßigen und undemokratischen Maßnahmen“ zu reagieren, sagte der CDU-Wahlkampfmanager.
Sein Parteifreund Christian Gräff, wirtschaftspolitischer Sprecher der Fraktion, forderte eine externe Untersuchung. Weder Pop noch interne Gremien seien offenbar bereit beziehungsweise in der Lage, den Verdacht, dass eine Führungskraft aus politischen Gründen kaltgestellt werden sollte, aufzuklären. „Wir fordern daher einen externen Sonderaufklärer, der in diesem pikanten Vorgang Licht ins Dunkel bringt“, schrieb Gräff in einer Pressemitteilung. Auf Nachfrage sagte er, eine Fachanwaltskanzlei, die auf Corporate Governance und Arbeitsrecht spezialisiert ist, könne die Aufgabe übernehmen. „Wir werden den weiteren Verlauf sehr genau beobachten und politisch hinterfragen, sobald nach den Wahlen die Ausschüsse wieder ihre Arbeit aufnehmen.“ Auch in den Führungsgremien des Unternehmens artikuliert sich Protest über die Vorgänge: Lothar Stephan, der Vorsitzende des Gesamtpersonalrates der BVG und stellvertretender Vorsitzende des Aufsichtsrates, bezeichnete die Vorgänge als „nicht hinnehmbar“ (hier das Interview im Wortlaut).
Jürgen Radel, Professor für Betriebswirtschaftslehre und Experte für gruppendynamische Prozesse an der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW), will sich nicht zu dem konkreten Fall äußern, würde aber zunächst für Aufklärung plädieren. „Und zwar sehr unaufgeregt – im Rahmen der Wahl scheinen die Emotionen ab und an etwas hochzukochen.“ Grundsätzlich sehe er es aber problematisch, „wenn im Zusammenhang mit dem politischen Engagement im Rahmen der demokratisch gewählten Parteien dazu führt, dass Druck auf Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ausgeübt wird.“
Der Fall bei der BVG wirft grundsätzlich Fragen zum Verhältnis von Politik und Wirtschaft auf: Wie sehr dürfen oder sollen Vertreterinnen und Vertreter demokratisch legitimierte Regierungen Entscheidungen in Unternehmen mitbestimmen, sofern sie auch – wie BVG, Stadtreinigung , Wasserbetriebe und mehr als 50 weitere Unternehmen – in öffentlicher Hand sind? Bestimmt Politik „nur“ die generelle Ausrichtung, zum Beispiel im Hinblick auf ökologisches Wirtschaften mit? Oder darf sie sich auch ins Alltagsgeschäft einmischen, konkrete Personalentscheidungen treffen?
Für Landesbetriebe gibt es Regeln: Sie sollen zum Beispiel drei Monate vor Wahlen keine Politikerinnen und Politiker empfangen, die sich dort mit Helm und Schaufel in der Hand ablichten lassen könnten, um sich als besonders bodenständig zu inszenieren.
Auch für Mitarbeiter bei Landesunternehmen gibt es ein "Hinweise", wie die zuständige Senatsverwaltung für Finanzen erklärt. Es komme im Einzelfall auf die Regelungen im Anstellungsvertrag an. Und darüber habe man keinen Überblick, räumt Verwaltungssprecher Alexis Demos ein. Grundsätzlich gelte: "Gemäß den Beteiligungshinweisen des Landes Berlin ist ein Sponsoring der Landesunternehmen zugunsten von politischen Parteien, ihrer Mandatsträgerinnen und Mandatsträger und sonstiger Mitglieder grundsätzlich auszuschließen." Bei der tatsächlichen Inanspruchnahme für politische Aufgaben komme es darauf an, dass die Pflichten, die sich aus dem Anstellungsvertrag ergeben, nicht verletzt werden.
Im Umgang mit Privatunternehmen ist es für Politiker ungleich leichter: So ließ sich Ramona Pop am 8. September zum Beispiel von der Grünen-Spitzenkandidatin Bettina Jarasch bei ihrem Besuch bei Berlins neuem Dax-Konzern Hello Fresh begleiten. Auf Nachfrage des Tagesspiegels in Pops Verwaltung hieß es, Jarasch habe Pop in ihrer Funktion als integrationspolitische Sprecherin begleitet, da auch Fragen der Ansiedlung von Fachkräften aus dem Ausland behandelt worden seien. Was in Erinnerung blieb von dem Besuch war ein Foto mit den erfolgreichen Start-up-Chefs, blauem Himmel und Fernsehturm.
Der Konflikt bei der BVG wirkt aber auch intern tiefer als nur bis zu Ute Bonde von der Rechtsabteilung. Mehrere Führungskräfte berichten dem Tagesspiegel – unter der Bedingung, nicht genannt zu werden – von einer insgesamt schlechten Stimmung seit Beginn dieses Jahres. Viele bringen diese direkt mit der Berufung von Eva Kreienkamp zur Vorstandchefin im Oktober 2020 in Verbindung. „Sie hat kein Gefühl dafür, wie man auch schwierige Themen mit menschlicher Wärme rüberbringt“, sagt eine Führungskraft. Niemand wisse zudem, wohin sie mit der BVG wolle. „Diese Frau passt einfach nicht zu uns.“
Wahlkampf-Affäre bei Berliner Verkehrsbetrieben: Es brodelt nicht nur in der Chefetage der BVG
Der Personalrat der Verkehrsbetriebe und die CDU fordern externe Aufklärer und verschärfen Kritik an der Aufsichtsratschefin Ramona Pop. Die schweigt weiter.
Der Konflikt in den Leitungsgremien der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) weitet sich zur Affäre aus, die zunehmend auch auf die Landespolitik übergreift. Führungskräfte äußern sich entsetzt über die Einmischung der Politik und das Krisenmanagement ihres Vorstandes.
Der Tagesspiegel hatte am Wochenende berichtet, dass die BVG-Vorstandsvorsitzende Eva Kreienkamp eine Managerin offenbar wegen ihres Engagements für die CDU dazu gedrängt hatte, ihre Arbeit ruhen zu lassen (T+) . Die Betroffene ist Ute Bonde, die Leiterin der Abteilung Recht der BVG sowie Finanzgeschäftsführerin der internen Projektgesellschaft, die die Linie U5 vom Alexanderplatz bis zum Hauptbahnhof verlängert hatte.
Kreienkamp (hier ein Interview mit ihr über Ticketpreise, T+) soll Bonde gesagt haben, sie handle auf Wunsch der Aufsichtsratschefin der BVG, Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne). Nun stellt sich die Frage: Hat die Politikerin damit versucht, eine mögliche politische Konkurrentin kaltzustellen?
Bei der Berliner CDU, die Eva Bonde in dieser Woche – also wenige Tage vor der Wahl zum Abgeordnetenhaus – als mögliche Verkehrssenatorin vorstellen will, sollte die Partei künftig im Senat mitregieren, reagierte man erwartungsgemäß empört und forderte bereits am Wochenende Pop auf, sich dazu zu verhalten. Die Senatorin äußerte sich aber nicht persönlich zu dem Vorgang, hatte am Wochenende ihren Sprecher erklären lassen, dass man die Vorgänge „so nicht bestätigen“ könne und sich nicht zu „internen Personalangelegenheiten“ äußere. Pop ließ ihn zudem auf die Neutralitätspflicht aller Führungskräfte hinweisen. Persönlich äußern wollte sie sich auch auf Nachfragen am Montag und Dienstag nicht.
„Hier geht es nicht um eine Personalangelegenheit, hier geht es um demokratische Grundsätze“, sagte CDU-Generalsekretär Stefan Evers dem Tagesspiegel. „Da kann Frau Pop sich nicht einfach wegducken. Dass die Grünen ein Problem damit haben, dass die CDU endlich wieder einen Profi an der Spitze der Verkehrsverwaltung sehen möchte, ist nicht überraschend.“ Es gehe aber auf keinen Fall, darauf mit „unrechtmäßigen und undemokratischen Maßnahmen“ zu reagieren, sagte der CDU-Wahlkampfmanager.
Sein Parteifreund Christian Gräff, wirtschaftspolitischer Sprecher der Fraktion, forderte eine externe Untersuchung. Weder Pop noch interne Gremien seien offenbar bereit beziehungsweise in der Lage, den Verdacht, dass eine Führungskraft aus politischen Gründen kaltgestellt werden sollte, aufzuklären. „Wir fordern daher einen externen Sonderaufklärer, der in diesem pikanten Vorgang Licht ins Dunkel bringt“, schrieb Gräff in einer Pressemitteilung. Auf Nachfrage sagte er, eine Fachanwaltskanzlei, die auf Corporate Governance und Arbeitsrecht spezialisiert ist, könne die Aufgabe übernehmen. „Wir werden den weiteren Verlauf sehr genau beobachten und politisch hinterfragen, sobald nach den Wahlen die Ausschüsse wieder ihre Arbeit aufnehmen.“ Auch in den Führungsgremien des Unternehmens artikuliert sich Protest über die Vorgänge: Lothar Stephan, der Vorsitzende des Gesamtpersonalrates der BVG und stellvertretender Vorsitzende des Aufsichtsrates, bezeichnete die Vorgänge als „nicht hinnehmbar“ (hier das Interview im Wortlaut).
Jürgen Radel, Professor für Betriebswirtschaftslehre und Experte für gruppendynamische Prozesse an der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW), will sich nicht zu dem konkreten Fall äußern, würde aber zunächst für Aufklärung plädieren. „Und zwar sehr unaufgeregt – im Rahmen der Wahl scheinen die Emotionen ab und an etwas hochzukochen.“ Grundsätzlich sehe er es aber problematisch, „wenn im Zusammenhang mit dem politischen Engagement im Rahmen der demokratisch gewählten Parteien dazu führt, dass Druck auf Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ausgeübt wird.“
Der Fall bei der BVG wirft grundsätzlich Fragen zum Verhältnis von Politik und Wirtschaft auf: Wie sehr dürfen oder sollen Vertreterinnen und Vertreter demokratisch legitimierte Regierungen Entscheidungen in Unternehmen mitbestimmen, sofern sie auch – wie BVG, Stadtreinigung , Wasserbetriebe und mehr als 50 weitere Unternehmen – in öffentlicher Hand sind? Bestimmt Politik „nur“ die generelle Ausrichtung, zum Beispiel im Hinblick auf ökologisches Wirtschaften mit? Oder darf sie sich auch ins Alltagsgeschäft einmischen, konkrete Personalentscheidungen treffen?
Für Landesbetriebe gibt es Regeln: Sie sollen zum Beispiel drei Monate vor Wahlen keine Politikerinnen und Politiker empfangen, die sich dort mit Helm und Schaufel in der Hand ablichten lassen könnten, um sich als besonders bodenständig zu inszenieren.
Auch für Mitarbeiter bei Landesunternehmen gibt es ein "Hinweise", wie die zuständige Senatsverwaltung für Finanzen erklärt. Es komme im Einzelfall auf die Regelungen im Anstellungsvertrag an. Und darüber habe man keinen Überblick, räumt Verwaltungssprecher Alexis Demos ein. Grundsätzlich gelte: "Gemäß den Beteiligungshinweisen des Landes Berlin ist ein Sponsoring der Landesunternehmen zugunsten von politischen Parteien, ihrer Mandatsträgerinnen und Mandatsträger und sonstiger Mitglieder grundsätzlich auszuschließen." Bei der tatsächlichen Inanspruchnahme für politische Aufgaben komme es darauf an, dass die Pflichten, die sich aus dem Anstellungsvertrag ergeben, nicht verletzt werden.
Im Umgang mit Privatunternehmen ist es für Politiker ungleich leichter: So ließ sich Ramona Pop am 8. September zum Beispiel von der Grünen-Spitzenkandidatin Bettina Jarasch bei ihrem Besuch bei Berlins neuem Dax-Konzern Hello Fresh begleiten. Auf Nachfrage des Tagesspiegels in Pops Verwaltung hieß es, Jarasch habe Pop in ihrer Funktion als integrationspolitische Sprecherin begleitet, da auch Fragen der Ansiedlung von Fachkräften aus dem Ausland behandelt worden seien. Was in Erinnerung blieb von dem Besuch war ein Foto mit den erfolgreichen Start-up-Chefs, blauem Himmel und Fernsehturm.
Der Konflikt bei der BVG wirkt aber auch intern tiefer als nur bis zu Ute Bonde von der Rechtsabteilung. Mehrere Führungskräfte berichten dem Tagesspiegel – unter der Bedingung, nicht genannt zu werden – von einer insgesamt schlechten Stimmung seit Beginn dieses Jahres. Viele bringen diese direkt mit der Berufung von Eva Kreienkamp zur Vorstandchefin im Oktober 2020 in Verbindung. „Sie hat kein Gefühl dafür, wie man auch schwierige Themen mit menschlicher Wärme rüberbringt“, sagt eine Führungskraft. Niemand wisse zudem, wohin sie mit der BVG wolle. „Diese Frau passt einfach nicht zu uns.“
Zitat von Gast am 23. September 2021, 06:26 UhrDigitalisierung : Regierung ist bei Start-ups im Blindflug unterwegs
Eigentlich will die Regierung Start-ups fördern, auch über öffentliche Aufträge. Doch wie oft Innovatoren zum Zuge kommen, weiß sie nicht – denn bisher hat sie nicht einmal geklärt, was überhaupt ein Start-up ist.
Bei einer Blutvergiftung zählt jede Minute, schnelles Handeln ist überlebenswichtig. Um Patientinnen und Patienten mit erhöhtem Sepsis-Risiko besser zu überwachen, haben Krankenhäuser aus den Niederlanden, Spanien, Belgien und Finnland eine telemedizinische Plattform aufgebaut. Für den öffentlichen Auftrag hatten sie zuvor nicht nur auf den üblichen Branchenseiten geworben, sondern auch in Start-up-Foren – und tatsächlich ging der Zuschlag am Ende an zwei Start-ups und ein großes Unternehmen.
Gemeinsam entwickelten sie Diagnosetools zur Früherkennung. Die sepsisbedingte Sterblichkeit könne so um 25 Prozent verringert, die Verweildauer im Krankenhaus um 20 bis 50 Prozent verkürzt werden, heißt es in einem Bericht der EU-Kommission zur innovationsfördernden öffentlichen Auftragsvergabe.
Bundesregierung versäumt Begriffsdefinition und Statistik
Wie oft Start-ups in Deutschland bei solchen öffentlichen Vergabeverfahren zum Zuge kommen, ist allerdings nicht bekannt – denn die Regierung hat für sich noch nicht einmal geklärt, was überhaupt ein Start-up ist. Dabei hat sie mit Thomas Jarzombek einen Start-up-Beauftragten im Wirtschaftsministerium sitzen.
„Bisher existiert keine allgemeingültige Definition dieses Begriffs“, teilt das Wirtschaftsministerium auf eine Anfrage der Grünen mit. Deshalb finde auch „keine systematische Erfassung“ darüber statt, ob es sich bei Unternehmen, die sich an einem Vergabeverfahren beteiligen, „um Start-ups handelt“, schreibt Staatssekretär Ulrich Nußbaum.
Folglich hätte die Regierung auch „keine Informationen“ darüber, wie oft Start-ups an den Vergabeverfahren beteiligt waren, die vom Kanzleramt und den Ministerien für Gesundheit, Forschung, Verteidigung, Verkehr, Wirtschaft und Inneres zwischen 2015 und 2020 ausgeschrieben worden sind.
Die Regierung hat sich zwar vorgenommen, Start-ups zu fördern, auch durch die Vergabe von Aufträgen – aber ob und wie das gelingt, weiß sie offensichtlich nicht.
Grünen kritisieren „Desinteresse“
„Dass die Bundesregierung bis heute nicht einmal eine Definition von Start-ups hat, zeigt das Desinteresse gegenüber einer innovativen öffentlichen Vergabe an junge Unternehmen“, kritisiert Anna Christmann, innovationspolitische Sprecherin der Grünen. Wer nicht einmal wisse, wie viele Start-ups in öffentlichen Ausschreibungen zum Zug kommen, könne auch nicht besser werden. „Alles Reden über Modernisierung bringt nichts, solange der Staat nicht selbst vorangeht“, betont Christmann, die für eine grüne „Gründungsoffensive“ wirbt.
Wie es anders gehen könne, zeige beispielsweise Frankreich. Dort könnten innovative Technologien unter 100.000 Euro ohne umständliche Verfahren beschafft werden. Ein Beispiel, das auch die EU-Kommission lobt.
EU-Nachbarn haben Strategien und Aktionspläne
Frankreich habe wie Dänemark, Estland, Griechenland und Schweden „umfassende nationale Strategien oder Programme“, in denen „spezifische Ziele und konkrete Maßnahmen“ zur innovationsfördernden Auftragsvergabe festgelegt sind, heißt es in dem Bericht. Auch Österreich, Belgien, Finnland und die Niederlande hätten bereits einen eigenen Aktionsplan für innovationsfördernde Auftragsvergabe angenommen.
Während die einen also Strategien und Aktionspläne haben, scheitert Deutschland schon an der Begriffsdefinition und dem Führen von Statistiken – ein Blindflug, der negative Folgen für die Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit haben kann.
EU beklagt „erhebliche Unterinvestitionen“
In Europa werde „nur die Hälfte des Potenzials der innovationsfördernden Auftragsvergabe“ genutzt, kritisiert die Kommission. Gerade bei digitalen Lösungen sowie in Forschung und Entwicklung gehe es darum, die „strategische Unabhängigkeit und die Wettbewerbsfähigkeit der EU“ zu stärken. Hier seien jedoch „erhebliche Unterinvestitionen“ zu verzeichnen, wie die Benchmarking-Studie der Kommission zeige.
Öffentliche Auftraggeber müssten deshalb „die innovationsfördernde Auftragsvergabe ankurbeln“ und Unternehmen dabei unterstützen, innovative Lösungen in wichtigen industriellen Ökosystemen zu entwickeln, insbesondere in den Bereichen, „in denen öffentliche Auftraggeber entscheidende Investoren sind“.
Deutschland belegt in der EU-Benchmarking-Studie unter den 27 Mitgliedstaaten den zehnten Platz. Start-ups sowie kleine und mittelständische Unternehmen stehen auch hierzulande vor der Herausforderung, weder die Kapazitäten noch eine Erfolgsbilanz vorzuweisen, die von öffentlichen Auftraggebern oft verlangt wird.
Weniger Bürokratie bringt noch keinen Auftrag
Zwar hat die EU bereits die Vorschriften für diese Anforderungen dahingehend vereinfacht, dass Bewerber in einer Eigenerklärung angeben können, ob sie sämtliche verwaltungstechnische Anforderungen erfüllen – doch weniger Bürokratie allein bringt noch kein Start-up in die Auftragsvergabe.
„Die künftige Bundesregierung sollte in den ersten 100 Tagen eine umfassende Start-up-Strategie in Angriff nehmen“, fordert deshalb Christian Miele, Chef des Bundesverbands Deutsche Startups. Ziel müsse auch sein, „das Innovationspotential öffentlicher Ausschreibungen zu heben“.
Beispielsweise sei die öffentliche Hand zwar der größte IT-Einkäufer in Deutschland, bisher würde Start-ups jedoch häufig „der Zugang versperrt, weil die Ausschreibungen Start-up-spezifische Besonderheiten außer Acht lassen“. Wenn Eignungsanforderungen angepasst und verstärkt auf Innovationspartnerschaften gesetzt werde, könne „kurzfristig und ohne rechtliche Anpassungen Abhilfe geschaffen werden“, erklärt Miele. Öffentliche Auftragsvergabe an Start-ups sei „Innovationspolitik“ quasi „zum Nulltarif“.
Parteien wollen Vergabeverfahren erleichtern
Tatsächlich wollen Parteien die Vergabeverfahren für Start-ups nach der Bundestagswahl erleichtern. Die Grünen wollen eine „Gründungsoffensive“ angehen, die SPD will die öffentliche Beschaffung so ausrichten, „dass sie Innovationsimpulse setzt und den Zielen des sozial-ökologischen Wandels dient“.
Die FDP will sich beispielsweise im Gesundheitswesen für eine „unbürokratischer Vergabe von Fördergeldern, gerade an Start-ups“ einsetzen. Die Union plant in ihrem 25-Punkte-Programm zur Digitalisierung eine Strategie, um Deep-Tech-Start-ups „durch staatliche Aufträge groß“ zu machen
Start-ups und Verwaltung vernetzen
Aber neben den Rahmenbedingungen sei die öffentliche Auftragsvergabe auch „eine Frage der Mentalität“, erklärt Miele: „Wir brauchen Lust auf Fortschritt und Innovation in der Verwaltung“, fordert er, „dafür sollten wir die Vernetzung zwischen Verwaltung und Start-ups vorantreiben, um das gegenseitige Verständnis zu fördern“.
Damit das gelingen kann, muss die neue Regierung aber wohl schleunigst für sich klären, was überhaupt ein Start-up ist.
Digitalisierung : Regierung ist bei Start-ups im Blindflug unterwegs
Eigentlich will die Regierung Start-ups fördern, auch über öffentliche Aufträge. Doch wie oft Innovatoren zum Zuge kommen, weiß sie nicht – denn bisher hat sie nicht einmal geklärt, was überhaupt ein Start-up ist.
Bei einer Blutvergiftung zählt jede Minute, schnelles Handeln ist überlebenswichtig. Um Patientinnen und Patienten mit erhöhtem Sepsis-Risiko besser zu überwachen, haben Krankenhäuser aus den Niederlanden, Spanien, Belgien und Finnland eine telemedizinische Plattform aufgebaut. Für den öffentlichen Auftrag hatten sie zuvor nicht nur auf den üblichen Branchenseiten geworben, sondern auch in Start-up-Foren – und tatsächlich ging der Zuschlag am Ende an zwei Start-ups und ein großes Unternehmen.
Gemeinsam entwickelten sie Diagnosetools zur Früherkennung. Die sepsisbedingte Sterblichkeit könne so um 25 Prozent verringert, die Verweildauer im Krankenhaus um 20 bis 50 Prozent verkürzt werden, heißt es in einem Bericht der EU-Kommission zur innovationsfördernden öffentlichen Auftragsvergabe.
Bundesregierung versäumt Begriffsdefinition und Statistik
Wie oft Start-ups in Deutschland bei solchen öffentlichen Vergabeverfahren zum Zuge kommen, ist allerdings nicht bekannt – denn die Regierung hat für sich noch nicht einmal geklärt, was überhaupt ein Start-up ist. Dabei hat sie mit Thomas Jarzombek einen Start-up-Beauftragten im Wirtschaftsministerium sitzen.
„Bisher existiert keine allgemeingültige Definition dieses Begriffs“, teilt das Wirtschaftsministerium auf eine Anfrage der Grünen mit. Deshalb finde auch „keine systematische Erfassung“ darüber statt, ob es sich bei Unternehmen, die sich an einem Vergabeverfahren beteiligen, „um Start-ups handelt“, schreibt Staatssekretär Ulrich Nußbaum.
Folglich hätte die Regierung auch „keine Informationen“ darüber, wie oft Start-ups an den Vergabeverfahren beteiligt waren, die vom Kanzleramt und den Ministerien für Gesundheit, Forschung, Verteidigung, Verkehr, Wirtschaft und Inneres zwischen 2015 und 2020 ausgeschrieben worden sind.
Die Regierung hat sich zwar vorgenommen, Start-ups zu fördern, auch durch die Vergabe von Aufträgen – aber ob und wie das gelingt, weiß sie offensichtlich nicht.
Grünen kritisieren „Desinteresse“
„Dass die Bundesregierung bis heute nicht einmal eine Definition von Start-ups hat, zeigt das Desinteresse gegenüber einer innovativen öffentlichen Vergabe an junge Unternehmen“, kritisiert Anna Christmann, innovationspolitische Sprecherin der Grünen. Wer nicht einmal wisse, wie viele Start-ups in öffentlichen Ausschreibungen zum Zug kommen, könne auch nicht besser werden. „Alles Reden über Modernisierung bringt nichts, solange der Staat nicht selbst vorangeht“, betont Christmann, die für eine grüne „Gründungsoffensive“ wirbt.
Wie es anders gehen könne, zeige beispielsweise Frankreich. Dort könnten innovative Technologien unter 100.000 Euro ohne umständliche Verfahren beschafft werden. Ein Beispiel, das auch die EU-Kommission lobt.
EU-Nachbarn haben Strategien und Aktionspläne
Frankreich habe wie Dänemark, Estland, Griechenland und Schweden „umfassende nationale Strategien oder Programme“, in denen „spezifische Ziele und konkrete Maßnahmen“ zur innovationsfördernden Auftragsvergabe festgelegt sind, heißt es in dem Bericht. Auch Österreich, Belgien, Finnland und die Niederlande hätten bereits einen eigenen Aktionsplan für innovationsfördernde Auftragsvergabe angenommen.
Während die einen also Strategien und Aktionspläne haben, scheitert Deutschland schon an der Begriffsdefinition und dem Führen von Statistiken – ein Blindflug, der negative Folgen für die Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit haben kann.
EU beklagt „erhebliche Unterinvestitionen“
In Europa werde „nur die Hälfte des Potenzials der innovationsfördernden Auftragsvergabe“ genutzt, kritisiert die Kommission. Gerade bei digitalen Lösungen sowie in Forschung und Entwicklung gehe es darum, die „strategische Unabhängigkeit und die Wettbewerbsfähigkeit der EU“ zu stärken. Hier seien jedoch „erhebliche Unterinvestitionen“ zu verzeichnen, wie die Benchmarking-Studie der Kommission zeige.
Öffentliche Auftraggeber müssten deshalb „die innovationsfördernde Auftragsvergabe ankurbeln“ und Unternehmen dabei unterstützen, innovative Lösungen in wichtigen industriellen Ökosystemen zu entwickeln, insbesondere in den Bereichen, „in denen öffentliche Auftraggeber entscheidende Investoren sind“.
Deutschland belegt in der EU-Benchmarking-Studie unter den 27 Mitgliedstaaten den zehnten Platz. Start-ups sowie kleine und mittelständische Unternehmen stehen auch hierzulande vor der Herausforderung, weder die Kapazitäten noch eine Erfolgsbilanz vorzuweisen, die von öffentlichen Auftraggebern oft verlangt wird.
Weniger Bürokratie bringt noch keinen Auftrag
Zwar hat die EU bereits die Vorschriften für diese Anforderungen dahingehend vereinfacht, dass Bewerber in einer Eigenerklärung angeben können, ob sie sämtliche verwaltungstechnische Anforderungen erfüllen – doch weniger Bürokratie allein bringt noch kein Start-up in die Auftragsvergabe.
„Die künftige Bundesregierung sollte in den ersten 100 Tagen eine umfassende Start-up-Strategie in Angriff nehmen“, fordert deshalb Christian Miele, Chef des Bundesverbands Deutsche Startups. Ziel müsse auch sein, „das Innovationspotential öffentlicher Ausschreibungen zu heben“.
Beispielsweise sei die öffentliche Hand zwar der größte IT-Einkäufer in Deutschland, bisher würde Start-ups jedoch häufig „der Zugang versperrt, weil die Ausschreibungen Start-up-spezifische Besonderheiten außer Acht lassen“. Wenn Eignungsanforderungen angepasst und verstärkt auf Innovationspartnerschaften gesetzt werde, könne „kurzfristig und ohne rechtliche Anpassungen Abhilfe geschaffen werden“, erklärt Miele. Öffentliche Auftragsvergabe an Start-ups sei „Innovationspolitik“ quasi „zum Nulltarif“.
Parteien wollen Vergabeverfahren erleichtern
Tatsächlich wollen Parteien die Vergabeverfahren für Start-ups nach der Bundestagswahl erleichtern. Die Grünen wollen eine „Gründungsoffensive“ angehen, die SPD will die öffentliche Beschaffung so ausrichten, „dass sie Innovationsimpulse setzt und den Zielen des sozial-ökologischen Wandels dient“.
Die FDP will sich beispielsweise im Gesundheitswesen für eine „unbürokratischer Vergabe von Fördergeldern, gerade an Start-ups“ einsetzen. Die Union plant in ihrem 25-Punkte-Programm zur Digitalisierung eine Strategie, um Deep-Tech-Start-ups „durch staatliche Aufträge groß“ zu machen
Start-ups und Verwaltung vernetzen
Aber neben den Rahmenbedingungen sei die öffentliche Auftragsvergabe auch „eine Frage der Mentalität“, erklärt Miele: „Wir brauchen Lust auf Fortschritt und Innovation in der Verwaltung“, fordert er, „dafür sollten wir die Vernetzung zwischen Verwaltung und Start-ups vorantreiben, um das gegenseitige Verständnis zu fördern“.
Damit das gelingen kann, muss die neue Regierung aber wohl schleunigst für sich klären, was überhaupt ein Start-up ist.
Zitat von Gast am 24. September 2021, 08:07 UhrAnteil von mindestens 40 Prozent: Wahlleiter rechnet mit Höchstwert bei Briefwählern
Anteil der Briefwähler dürfte sich verdoppeln + Habeck fehlt ohne Twitter nichts +FDP-Chef Lindner neigt zu Jamaika + Der Newsblog.
Bei der Bundestagswahl werden nach Einschätzung des Bundeswahlleiters mindestens 40 Prozent der Wähler vorher per Brief abstimmen. Bei der vergangenen Wahl 2017 waren es im Bundesdurchschnitt 28,6 Prozent, ein Höchststand seit Einführung der Briefwahl 1957, sagte Wahlleiter Georg Thiel. In diesem Jahr werde man „in jedem Fall über 40 Prozent kommen.“ Er rechnet sogar mit mehr: „Wir gehen von einer Verdopplung gegenüber der Bundestagswahl 2017 aus.“
Anteil von mindestens 40 Prozent: Wahlleiter rechnet mit Höchstwert bei Briefwählern
Anteil der Briefwähler dürfte sich verdoppeln + Habeck fehlt ohne Twitter nichts +FDP-Chef Lindner neigt zu Jamaika + Der Newsblog.
Bei der Bundestagswahl werden nach Einschätzung des Bundeswahlleiters mindestens 40 Prozent der Wähler vorher per Brief abstimmen. Bei der vergangenen Wahl 2017 waren es im Bundesdurchschnitt 28,6 Prozent, ein Höchststand seit Einführung der Briefwahl 1957, sagte Wahlleiter Georg Thiel. In diesem Jahr werde man „in jedem Fall über 40 Prozent kommen.“ Er rechnet sogar mit mehr: „Wir gehen von einer Verdopplung gegenüber der Bundestagswahl 2017 aus.“
Zitat von Gast am 27. September 2021, 07:58 UhrKühnert gegen Künast, Baerbock gegen Scholz, Altmaier gegen Maas – das sind die Gewinner in den Promi-Wahlkreisen
Annalena Baerbock (Die Grünen) gegen Olaf Scholz (SPD), Peter Altmaier (CDU) gegen Heiko Maas (SPD) und Eiskunstläuferin Claudia Pechstein gegen Gregor Gysi (Die Linken) – unter den 299 Wahlkreisen kam es zu spannenden Zweikämpfe um die Direktmandate. Dabei entschied das Direktmandat für einige Politiker sogar darüber, ob sie in den Bundestag einziehen oder nicht, da mancher Promi sich nicht zusätzlich über die Landeslisten abgesichert hatte. Unter anderem Karl Lauterbach spielte damit auf volles Risiko. Business Insider hat eine Auswahl der Duelle zusammengestellt.
Wahlkreis 147: Merz erringt das Direktmandat im Hochsauerland
CDU-Wirtschaftspolitiker Friedrich Merz hat das Direktmandat im Hochsauerlandkreis geholt und kehrt damit in den Bundestag zurück. Nach Auszählung aller Stimmbezirke kommt er auf 40,4 Prozent der Erststimmen und distanziert damit den SPD-Kandidaten Dirk Wiese (32,2 Prozent). In der CDU-Hochburg schneidet Merz damit deutlich besser ab als seine Partei. Vorgänger Patrick Sensburg, den Merz als Direktkandidat verdrängt hatte, erreichte 2017 noch 48,0 Prozent.
Wahlkreis 81: Kevin Kühnert gegen Renate Künast
Der ehemalige Juso-Vorsitzende und inzwischen Vize-Parteichef Kevin Kühnert (SPD) trat in seinem Berliner Heimatbezirk Tempelhof-Schöneberg gegen die grüne Spitzenpolitikerin Renate Künast an. Für beide Herausforderer war es eine Premiere: Kühnert kandidierte zum ersten Mal für den Bundestag; Künast wollte zum ersten Mal ein Direktmandat gewinnen. In den vorherigen drei Bundestagswahlen verlor die ehemalige erste grüne Landwirtschaftsministerin bereits dreimal gegen ihren Herausforderer aus der CDU. Auch eine Kandidatur als Bürgermeisterin in Berlin 2011 verlief ohne Erfolg.
Kevin Kühnert mischte das Rennen in Tempelhof-Schöneberg nun auf – und gewann mit 27,1 Prozent der Erststimmen vor Künast, die 25,1 Prozent holte. Prominent wurde der 32-Jährige vor allem mit seinem Protest gegen die Große Koalition, die er als damaliger Juso-Chef verhindern wollte. Er gilt zudem als Unterstützer der SPD-Parteichefs Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans. Zeitgleich werden sich Künast und Kühnert auch die Stimmen aus dem linken Lager streitig machen, davon könnte am Ende auch CDU-Kandidat Jan-Marco Luczak profitieren.
Wahlkreis 61: Olaf Scholz siegt vor Annalena Baerbock
Die Kanzlerkandidierenden Olaf Scholz (SPD) und Annalena Baerbock (Die Grünen) kämpfen nicht nur um das Kanzleramt, sondern auch um ein Direktmandat im gleichen Wahlkreis in Potsdam. Außerdem gingen unter anderem die Ex-Landesvorsitzende der CDU Saskia Ludwig, die frühere FDP-Generalsekretärin Linda Teuteberg und der Linke-Bundestagsabgeordnete Norbert Müller dort ins Rennen.
Dabei standen die Chancen für Olaf Scholz gut: Bei der Bundestagswahl 2017 gewann die SPD in Ostdeutschland nur einen einzigen Wahlkreis außerhalb von Berlin, nämlich Potsdam mit der damaligen SPD-Kandidatin Manja Schüle. Größter Konkurrent waren damals jedoch nicht die Grünen, sondern die CDU. Nichtsdestotrotz hatte sich Baerbock in Potsdam schon länger einen Namen gemacht als Herausforderer Scholz: Sie kämpft hier zum dritten Mal seit 2013 um ein Direktmandat. Vor vier Jahren musste sie sich dabei von den Linken und der AfD überholen lassen.
Der Kanzlerkandidat der SPD hat dieses Rennen mit 34,0 Prozent der Erststimmen für sich entschieden. Allerdings zieht auch Baerbock in den Bundestag ein, weil sie über Listenplatz eins ihrer Partei abgesichert ist. Sie holte 18,8 Prozent der Erststimmen.
Wahlkreis 297: Heiko Maas triumphiert über Peter Altmaier
Der Wahlkreis Saarlouis ist der einzige Wahlkreis in Deutschland, in dem zwei Bundesminister gegeneinander antraten: Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) kämpfte dort gegen den Außenminister Heiko Maas (SPD) um ein Direktmandat. Beide kommen gebürtig aus dem Kreis.
Bei der letzten Bundestagswahl 2017 konnte Altmaier sein Direktmandat mit 38 Prozent der Stimmen verteidigen und gewann damit das dritte Mal in Folge den Wahlkreis. Maas kam bei der letzten Bundestagswahl hingegen auf 32,1 Prozent. In diesem Jahr sicherte sich Maas 36,7 Prozent – Altmaier kommt auf 28,0.
Wahlkreis 101: Karl Lauterbach gewinnt gegen Serap Güler
Die Corona-Pandemie hat SPD-Gesundheitsexperten Karl Lauterbach einen regelrechten Hype beschert. Allein auf Twitter folgen ihm über eine halbe Million Menschen. Doch in seinem Wahlkreis "Leverkusen-Köln IV" hatte Lauterbach auch schon vorher Erfolg: Seit 2005 zog er dort bei jeder Wahl direkt in den Bundestag, 2017 konnte Lauterbach sogar fast zehn Prozentpunkte mehr als sein CDU-Herausforderer Helmut Nowak ergattern.
2021 hatte Lauterbach nun eine prominente CDU-Herausforderin: Serap Güler. Die 40-Jährige ist Staatssekretärin Nordrhein-Westfalen, sitzt seit fast zehn Jahren im Bundesvorstand der Union und zählt zu den Vertrauten des Kanzlerkandidaten Armin Laschet. Güler kandidierte zum ersten Mal für den Bundestag. Zuletzt erlangte die CDUlerin viel Zuspruch, als sie sich kritisch zur Nominierung des bekannten Ex-Verfassungsschutzchefs Hans-Georg Maaßen in Thüringen äußerte. Auf Twitter fragte sie ihre Parteikollegen, wie man "so irre sein" könne.
Lauterbach hat auch diesmal das Direktmandat geholt: Er sicherte sich 45,6 Prozent der Erststimmen; Serap Güler kommt auf 20,4 Prozent.
Wahlkreis 84: Gregor Gysi gewinnt gegen Claudia Pechstein
Im Berliner Wahlkreis Treptow-Köpenick trafen Spitzensportlerin Claudia Pechstein, Deutschlands erfolgreichste Eisschnellläuferin bei Olympia, und der linke Spitzenpolitiker Gregor Gysi aufeinander. Dabei organisierte Pechstein ihren ersten Bundestagswahlkampf für die CDU nebenher zu ihrem Training für ihre achte Teilnahme an Olympia.
Pechstein kam dabei auf 13,5 Prozent der Erststimmen; Gysi holte 35,4.
Schon vor der Wahl war Pechsteins Einzug in den Bundestag jedoch nicht besonders aussichtsreich: Seit 2005 konnte Gysi bereits das Direktmandat in Treptow-Köpenick jedes Mal mit deutlicher Mehrheit gewinnen. Er warb auf Plakaten mit dem Spruch: "Tschuldigung, ich brauch’ mal wieder Ihre Erststimme…". Da Pechstein allerdings Platz sechs der Landesliste der CDU belegt, könnten sich Gysi und Pechstein im Bundestag wiedersehen.
Wahlkreis 196: Frank Ullrich gewinnt gegen Hans-Georg Maaßen
Bundesweite Aufmerksamkeit erlangte der Wahlkreis 196 "Suhl – Schmalkalden-Meiningen – Hildburghausen – Sonneberg" in Thüringen: Dort hat der umstrittene ehemalige Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen nun das Direktmandat für die CDU an seinen SPD-Herausforderer Frank Ullrich verloren. Letzterer holte in dem Wahlkreis 33,6 Prozent der Erststimmen. Ullrich gewann als Spitzensportler zahlreiche Titel für die DDR und will sich im Bundestag für Schulsport starkmachen. Zu Ullrichs größten Vorteilen zählte dabei, dass er vor allem als "einer von hier" im Wahlkreis wahrgenommen wurde.
Maaßen hingegen kommt aus Mönchengladbach und wollte das Mandat seines Wahlkreis-Vorgängers Mark Hauptmann verteidigen, der wegen Maskendeals und seinen umstrittenen Beziehungen zu Aserbaidschan zurücktreten musste. Er kam nur auf 22,3 Prozent. Auf Twitter hatte Maaßen vor der Wahl bereits angekündigt gegen einen vermeintlichen Linksruck in der Gesellschaft kämpfen zu wollen: "Ich kandidiere für den Bundestag, weil ich die Fehler der Regierung Merkel korrigieren und das Voranschreiten des Sozialismus stoppen will". Der CDU-Politiker wird dem rechten Rand der Union zugerechnet.
Trotz prominenten Herausforderer konnte sich SPD-Politiker Ullrich nun das Direktmandat sichern: Selbst die Grünen hatten ihre Anhänger dazu aufgerufen, ihn zu wählen, damit Maaßen nicht in den Bundestag einzieht.
Kühnert gegen Künast, Baerbock gegen Scholz, Altmaier gegen Maas – das sind die Gewinner in den Promi-Wahlkreisen
Annalena Baerbock (Die Grünen) gegen Olaf Scholz (SPD), Peter Altmaier (CDU) gegen Heiko Maas (SPD) und Eiskunstläuferin Claudia Pechstein gegen Gregor Gysi (Die Linken) – unter den 299 Wahlkreisen kam es zu spannenden Zweikämpfe um die Direktmandate. Dabei entschied das Direktmandat für einige Politiker sogar darüber, ob sie in den Bundestag einziehen oder nicht, da mancher Promi sich nicht zusätzlich über die Landeslisten abgesichert hatte. Unter anderem Karl Lauterbach spielte damit auf volles Risiko. Business Insider hat eine Auswahl der Duelle zusammengestellt.
Wahlkreis 147: Merz erringt das Direktmandat im Hochsauerland
CDU-Wirtschaftspolitiker Friedrich Merz hat das Direktmandat im Hochsauerlandkreis geholt und kehrt damit in den Bundestag zurück. Nach Auszählung aller Stimmbezirke kommt er auf 40,4 Prozent der Erststimmen und distanziert damit den SPD-Kandidaten Dirk Wiese (32,2 Prozent). In der CDU-Hochburg schneidet Merz damit deutlich besser ab als seine Partei. Vorgänger Patrick Sensburg, den Merz als Direktkandidat verdrängt hatte, erreichte 2017 noch 48,0 Prozent.
Wahlkreis 81: Kevin Kühnert gegen Renate Künast
Der ehemalige Juso-Vorsitzende und inzwischen Vize-Parteichef Kevin Kühnert (SPD) trat in seinem Berliner Heimatbezirk Tempelhof-Schöneberg gegen die grüne Spitzenpolitikerin Renate Künast an. Für beide Herausforderer war es eine Premiere: Kühnert kandidierte zum ersten Mal für den Bundestag; Künast wollte zum ersten Mal ein Direktmandat gewinnen. In den vorherigen drei Bundestagswahlen verlor die ehemalige erste grüne Landwirtschaftsministerin bereits dreimal gegen ihren Herausforderer aus der CDU. Auch eine Kandidatur als Bürgermeisterin in Berlin 2011 verlief ohne Erfolg.
Kevin Kühnert mischte das Rennen in Tempelhof-Schöneberg nun auf – und gewann mit 27,1 Prozent der Erststimmen vor Künast, die 25,1 Prozent holte. Prominent wurde der 32-Jährige vor allem mit seinem Protest gegen die Große Koalition, die er als damaliger Juso-Chef verhindern wollte. Er gilt zudem als Unterstützer der SPD-Parteichefs Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans. Zeitgleich werden sich Künast und Kühnert auch die Stimmen aus dem linken Lager streitig machen, davon könnte am Ende auch CDU-Kandidat Jan-Marco Luczak profitieren.
Wahlkreis 61: Olaf Scholz siegt vor Annalena Baerbock
Die Kanzlerkandidierenden Olaf Scholz (SPD) und Annalena Baerbock (Die Grünen) kämpfen nicht nur um das Kanzleramt, sondern auch um ein Direktmandat im gleichen Wahlkreis in Potsdam. Außerdem gingen unter anderem die Ex-Landesvorsitzende der CDU Saskia Ludwig, die frühere FDP-Generalsekretärin Linda Teuteberg und der Linke-Bundestagsabgeordnete Norbert Müller dort ins Rennen.
Dabei standen die Chancen für Olaf Scholz gut: Bei der Bundestagswahl 2017 gewann die SPD in Ostdeutschland nur einen einzigen Wahlkreis außerhalb von Berlin, nämlich Potsdam mit der damaligen SPD-Kandidatin Manja Schüle. Größter Konkurrent waren damals jedoch nicht die Grünen, sondern die CDU. Nichtsdestotrotz hatte sich Baerbock in Potsdam schon länger einen Namen gemacht als Herausforderer Scholz: Sie kämpft hier zum dritten Mal seit 2013 um ein Direktmandat. Vor vier Jahren musste sie sich dabei von den Linken und der AfD überholen lassen.
Der Kanzlerkandidat der SPD hat dieses Rennen mit 34,0 Prozent der Erststimmen für sich entschieden. Allerdings zieht auch Baerbock in den Bundestag ein, weil sie über Listenplatz eins ihrer Partei abgesichert ist. Sie holte 18,8 Prozent der Erststimmen.
Wahlkreis 297: Heiko Maas triumphiert über Peter Altmaier
Der Wahlkreis Saarlouis ist der einzige Wahlkreis in Deutschland, in dem zwei Bundesminister gegeneinander antraten: Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) kämpfte dort gegen den Außenminister Heiko Maas (SPD) um ein Direktmandat. Beide kommen gebürtig aus dem Kreis.
Bei der letzten Bundestagswahl 2017 konnte Altmaier sein Direktmandat mit 38 Prozent der Stimmen verteidigen und gewann damit das dritte Mal in Folge den Wahlkreis. Maas kam bei der letzten Bundestagswahl hingegen auf 32,1 Prozent. In diesem Jahr sicherte sich Maas 36,7 Prozent – Altmaier kommt auf 28,0.
Wahlkreis 101: Karl Lauterbach gewinnt gegen Serap Güler
Die Corona-Pandemie hat SPD-Gesundheitsexperten Karl Lauterbach einen regelrechten Hype beschert. Allein auf Twitter folgen ihm über eine halbe Million Menschen. Doch in seinem Wahlkreis "Leverkusen-Köln IV" hatte Lauterbach auch schon vorher Erfolg: Seit 2005 zog er dort bei jeder Wahl direkt in den Bundestag, 2017 konnte Lauterbach sogar fast zehn Prozentpunkte mehr als sein CDU-Herausforderer Helmut Nowak ergattern.
2021 hatte Lauterbach nun eine prominente CDU-Herausforderin: Serap Güler. Die 40-Jährige ist Staatssekretärin Nordrhein-Westfalen, sitzt seit fast zehn Jahren im Bundesvorstand der Union und zählt zu den Vertrauten des Kanzlerkandidaten Armin Laschet. Güler kandidierte zum ersten Mal für den Bundestag. Zuletzt erlangte die CDUlerin viel Zuspruch, als sie sich kritisch zur Nominierung des bekannten Ex-Verfassungsschutzchefs Hans-Georg Maaßen in Thüringen äußerte. Auf Twitter fragte sie ihre Parteikollegen, wie man "so irre sein" könne.
Lauterbach hat auch diesmal das Direktmandat geholt: Er sicherte sich 45,6 Prozent der Erststimmen; Serap Güler kommt auf 20,4 Prozent.
Wahlkreis 84: Gregor Gysi gewinnt gegen Claudia Pechstein
Im Berliner Wahlkreis Treptow-Köpenick trafen Spitzensportlerin Claudia Pechstein, Deutschlands erfolgreichste Eisschnellläuferin bei Olympia, und der linke Spitzenpolitiker Gregor Gysi aufeinander. Dabei organisierte Pechstein ihren ersten Bundestagswahlkampf für die CDU nebenher zu ihrem Training für ihre achte Teilnahme an Olympia.
Pechstein kam dabei auf 13,5 Prozent der Erststimmen; Gysi holte 35,4.
Schon vor der Wahl war Pechsteins Einzug in den Bundestag jedoch nicht besonders aussichtsreich: Seit 2005 konnte Gysi bereits das Direktmandat in Treptow-Köpenick jedes Mal mit deutlicher Mehrheit gewinnen. Er warb auf Plakaten mit dem Spruch: "Tschuldigung, ich brauch’ mal wieder Ihre Erststimme…". Da Pechstein allerdings Platz sechs der Landesliste der CDU belegt, könnten sich Gysi und Pechstein im Bundestag wiedersehen.
Wahlkreis 196: Frank Ullrich gewinnt gegen Hans-Georg Maaßen
Bundesweite Aufmerksamkeit erlangte der Wahlkreis 196 "Suhl – Schmalkalden-Meiningen – Hildburghausen – Sonneberg" in Thüringen: Dort hat der umstrittene ehemalige Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen nun das Direktmandat für die CDU an seinen SPD-Herausforderer Frank Ullrich verloren. Letzterer holte in dem Wahlkreis 33,6 Prozent der Erststimmen. Ullrich gewann als Spitzensportler zahlreiche Titel für die DDR und will sich im Bundestag für Schulsport starkmachen. Zu Ullrichs größten Vorteilen zählte dabei, dass er vor allem als "einer von hier" im Wahlkreis wahrgenommen wurde.
Maaßen hingegen kommt aus Mönchengladbach und wollte das Mandat seines Wahlkreis-Vorgängers Mark Hauptmann verteidigen, der wegen Maskendeals und seinen umstrittenen Beziehungen zu Aserbaidschan zurücktreten musste. Er kam nur auf 22,3 Prozent. Auf Twitter hatte Maaßen vor der Wahl bereits angekündigt gegen einen vermeintlichen Linksruck in der Gesellschaft kämpfen zu wollen: "Ich kandidiere für den Bundestag, weil ich die Fehler der Regierung Merkel korrigieren und das Voranschreiten des Sozialismus stoppen will". Der CDU-Politiker wird dem rechten Rand der Union zugerechnet.
Trotz prominenten Herausforderer konnte sich SPD-Politiker Ullrich nun das Direktmandat sichern: Selbst die Grünen hatten ihre Anhänger dazu aufgerufen, ihn zu wählen, damit Maaßen nicht in den Bundestag einzieht.
Zitat von Gast am 30. September 2021, 09:02 UhrDas Märchen vom gemeinsamen Projekt
die FDP und die Grünen haben aus den gescheiterten Koalitionsverhandlungen von 2017 zumindest eine Sache gelernt: Es gibt ikonische Bilder, die weit über den Moment hinauswirken. Das Selfie, das Volker Wissing, Christian Lindner, Annalena Baerbock und Robert Habeck vorgestern vor unscheinbarem Hintergrund gemacht haben, ist so eines. Die Beteiligten wissen, sie manifestieren damit ihre Position, sie prägen einen Stil, sie senden ein Signal. In die Öffentlichkeit und in ihre eigenen Parteien. Geschlossenheit, Gestaltungsfreude, Wille zur Macht. All das soll dieses Bild ausstrahlen.
Positiv ausgedrückt: Beide Parteien wissen, dass die Jamaika-Verhandlungen vor vier Jahren an ihrer Zerstrittenheit gescheitert sind. Das wollen sie diesmal vermeiden. Das ist gut so.
Doch das Bild der Vierergruppe wirkt ungewohnt, etwas irritierend. Da nehmen die vormals kleinen Parteien das Heft des Handelns in die Hand, einigen sich vielleicht vorab auf zentrale Themen. Armin Laschet und Olaf Scholz verkommen für einen Moment zu Randfiguren. Das ist natürlich bis zu einem gewissen Grad ein Zerrbild der Realität. Am Ende wird die Richtlinienkompetenz ausschließlich beim Kanzler liegen und der größere Koalitionspartner wird ein gehöriges Stück die Realpolitik prägen.
Doch der öffentlichkeitswirksame Coup ist Grünen und FDP gelungen.
Politik kann man getrost vom Ende her denken. Egal, ob Deutschland im Jahr 2022 von einer Jamaika-, Ampel- oder Großen Koalition regiert wird, die Herausforderungen sind für jede Regierung dieselben. Wir sind eine alternde Gesellschaft mit einer schwerfälligen Verwaltung und einem riesigen Reformbedarf bei Klima, Digitalisierung, Verwaltung, Verkehr, Gesundheitswesen, Bildung, Europa, Demografie. Die Liste ist lang.
Bei all diesen Themen war im Kanzleramt schon lange kein Gestaltungswille mehr zu spüren.
Alle Parteien haben sich im Wahlkampf glaubhaft dazu bekannt, die drängenden Herausforderungen auch wirklich angehen zu wollen. Egal, welche Koalition am Ende regiert, ein Weiter-so wird es nicht geben können. Das wird unbequem. Für uns Bürger und für die Koalitionäre, die für Veränderungen Mehrheiten suchen müssen. Der "Wind der Veränderung" (O-Ton Armin Laschet) kann da schnell zum Orkan werden, der jede Regierung aus dem Amt fegt.
Erinnern Sie sich? Die Union wolle Beständigkeit im "Wind der Veränderung" bieten, hatte Laschet im Schlussplädoyer des ersten TV-Triells gesagt. Ein Stück weit sprach er damit eine Selbstverständlichkeit aus: Politik kann Veränderungen nur durchsetzen, wenn sie alle auf den gemeinsamen Weg mitnimmt. Dafür gibt es zwei mögliche Varianten. Die erste kann man getrost den Gerhard-Schröder-Ansatz nennen: Man versuche, möglichst viele Menschen von einer Reform zu begeistern und kalkuliere ein, dass ein Teil der Bevölkerung trotzdem bockig zurückbleibt. Das hat Schröder bei Hans Eichels Sparpaket (1999) und bei der Agenda 2010 (2003) so versucht. Zweitens gibt es den, nennen wir ihn einfach Angela-Merkel-Pfad: Man versuche, möglichst wenig Widerstand zu provozieren, indem man eine Sache als selbstverständlich darstellt und sagt, dass alles so dramatisch gar nicht wird. Dieser Regierungsstil prägte nahezu alle großen Vorhaben der letzten Jahre: Atomausstieg, Flüchtlingskrise, Rentenreformen etc.
Oftmals versuchten Regierende eine Mischung aus beiden Wegen. Helmut Kohl hat das einst bei der Wiedervereinigung so gemacht. Er begeisterte für blühende Landschaften und suggerierte zugleich, so teuer werde das alles nicht werden. Laschet würde heute sagen, Kohl warb mit "Beständigkeit im Wind der Veränderung".
Egal, wie die künftige Koalition für ihre Vorhaben werben will: Nötig ist, dass ein Großteil der Menschen die Herausforderungen ähnlich sieht und dann Veränderungen mitträgt. Die Massendemonstrationen gegen die Hartz-IV-Gesetze gab es nur, weil Gerhard Schröder ignoriert hatte, dass ein erklecklicher Anteil der Bevölkerung seine Sicht der Dinge nicht teilte. Er hatte nicht vermocht, sie mitzunehmen.
Und dann werfen wir einen Blick auf die Wahlkreiskarte, das Erststimmenergebnis der Bundestagswahl vom Sonntag. Was fällt sofort auf?
Es dürfte keiner Partei entgangen sein, was dieser bunte Flickenteppich für die künftige Regierung bedeutet. Ein Grauen für Regierungshandeln. In den Städten gewinnen die Grünen, in Sachsen und Thüringen die AfD, im Norden die SPD, im Süden die Union. Deutschland ist mehrfach geteilt. Im Osten denken und fühlen wir anders als im Westen, eine junge Stadtbevölkerung demonstriert für radikale Lösungen in der Klimakrise, und auf dem Land fürchten wir die wegbrechende Infrastruktur. Wir sind ein Volk mit unterschiedlichsten Ansichten, und die Gemeinsamkeiten schwinden. Und dann sagen 60 Prozent in einer Umfrage, dass sie kein Vertrauen mehr in die Politik haben.
Die neue Regierung muss also nicht nur die "Weichen für die Zukunft stellen" (wie die Grünen das formulieren). Und nicht nur ein "gemeinsames Projekt" formen. Sie muss unterschiedlichste Menschen für den Wandel gewinnen. Im Osten, im Westen. In den Städten, auf dem Land. Junge und Alte. Reiche und Arme. Angestellte und Selbstständige.
Das Problem dabei: Uns verbindet nur wenig und trennt vieles.
Als die Bundesrepublik nach dem Krieg gegründet wurde, einte alle der Wille zum Wiederaufbau. Als Helmut Kohl zum Kanzler der Einheit gewählt wurde, versammelten sich alle hinter der Idee einer geeinten Republik.
Und im Jahr 2021? Wir brauchen keine Regierung der Reformen. Wir brauchen eine Regierung, die Menschen durch eine Idee eint. Im Kern ist es einfach. Wir alle wollen ein lebenswertes Deutschland, jetzt und in Zukunft. Im Detail aber ist es eine Mammutaufgabe für die neue Regierung, das für alle Menschen im Land annehmbar auszugestalten. FDP und Grüne strahlen derzeit zumindest aus, dass sie sich dieser Aufgabe stellen wollen.
Das Märchen vom gemeinsamen Projekt
die FDP und die Grünen haben aus den gescheiterten Koalitionsverhandlungen von 2017 zumindest eine Sache gelernt: Es gibt ikonische Bilder, die weit über den Moment hinauswirken. Das Selfie, das Volker Wissing, Christian Lindner, Annalena Baerbock und Robert Habeck vorgestern vor unscheinbarem Hintergrund gemacht haben, ist so eines. Die Beteiligten wissen, sie manifestieren damit ihre Position, sie prägen einen Stil, sie senden ein Signal. In die Öffentlichkeit und in ihre eigenen Parteien. Geschlossenheit, Gestaltungsfreude, Wille zur Macht. All das soll dieses Bild ausstrahlen.
Positiv ausgedrückt: Beide Parteien wissen, dass die Jamaika-Verhandlungen vor vier Jahren an ihrer Zerstrittenheit gescheitert sind. Das wollen sie diesmal vermeiden. Das ist gut so.
Doch das Bild der Vierergruppe wirkt ungewohnt, etwas irritierend. Da nehmen die vormals kleinen Parteien das Heft des Handelns in die Hand, einigen sich vielleicht vorab auf zentrale Themen. Armin Laschet und Olaf Scholz verkommen für einen Moment zu Randfiguren. Das ist natürlich bis zu einem gewissen Grad ein Zerrbild der Realität. Am Ende wird die Richtlinienkompetenz ausschließlich beim Kanzler liegen und der größere Koalitionspartner wird ein gehöriges Stück die Realpolitik prägen.
Doch der öffentlichkeitswirksame Coup ist Grünen und FDP gelungen.
Politik kann man getrost vom Ende her denken. Egal, ob Deutschland im Jahr 2022 von einer Jamaika-, Ampel- oder Großen Koalition regiert wird, die Herausforderungen sind für jede Regierung dieselben. Wir sind eine alternde Gesellschaft mit einer schwerfälligen Verwaltung und einem riesigen Reformbedarf bei Klima, Digitalisierung, Verwaltung, Verkehr, Gesundheitswesen, Bildung, Europa, Demografie. Die Liste ist lang.
Bei all diesen Themen war im Kanzleramt schon lange kein Gestaltungswille mehr zu spüren.
Alle Parteien haben sich im Wahlkampf glaubhaft dazu bekannt, die drängenden Herausforderungen auch wirklich angehen zu wollen. Egal, welche Koalition am Ende regiert, ein Weiter-so wird es nicht geben können. Das wird unbequem. Für uns Bürger und für die Koalitionäre, die für Veränderungen Mehrheiten suchen müssen. Der "Wind der Veränderung" (O-Ton Armin Laschet) kann da schnell zum Orkan werden, der jede Regierung aus dem Amt fegt.
Erinnern Sie sich? Die Union wolle Beständigkeit im "Wind der Veränderung" bieten, hatte Laschet im Schlussplädoyer des ersten TV-Triells gesagt. Ein Stück weit sprach er damit eine Selbstverständlichkeit aus: Politik kann Veränderungen nur durchsetzen, wenn sie alle auf den gemeinsamen Weg mitnimmt. Dafür gibt es zwei mögliche Varianten. Die erste kann man getrost den Gerhard-Schröder-Ansatz nennen: Man versuche, möglichst viele Menschen von einer Reform zu begeistern und kalkuliere ein, dass ein Teil der Bevölkerung trotzdem bockig zurückbleibt. Das hat Schröder bei Hans Eichels Sparpaket (1999) und bei der Agenda 2010 (2003) so versucht. Zweitens gibt es den, nennen wir ihn einfach Angela-Merkel-Pfad: Man versuche, möglichst wenig Widerstand zu provozieren, indem man eine Sache als selbstverständlich darstellt und sagt, dass alles so dramatisch gar nicht wird. Dieser Regierungsstil prägte nahezu alle großen Vorhaben der letzten Jahre: Atomausstieg, Flüchtlingskrise, Rentenreformen etc.
Oftmals versuchten Regierende eine Mischung aus beiden Wegen. Helmut Kohl hat das einst bei der Wiedervereinigung so gemacht. Er begeisterte für blühende Landschaften und suggerierte zugleich, so teuer werde das alles nicht werden. Laschet würde heute sagen, Kohl warb mit "Beständigkeit im Wind der Veränderung".
Egal, wie die künftige Koalition für ihre Vorhaben werben will: Nötig ist, dass ein Großteil der Menschen die Herausforderungen ähnlich sieht und dann Veränderungen mitträgt. Die Massendemonstrationen gegen die Hartz-IV-Gesetze gab es nur, weil Gerhard Schröder ignoriert hatte, dass ein erklecklicher Anteil der Bevölkerung seine Sicht der Dinge nicht teilte. Er hatte nicht vermocht, sie mitzunehmen.
Und dann werfen wir einen Blick auf die Wahlkreiskarte, das Erststimmenergebnis der Bundestagswahl vom Sonntag. Was fällt sofort auf?
Es dürfte keiner Partei entgangen sein, was dieser bunte Flickenteppich für die künftige Regierung bedeutet. Ein Grauen für Regierungshandeln. In den Städten gewinnen die Grünen, in Sachsen und Thüringen die AfD, im Norden die SPD, im Süden die Union. Deutschland ist mehrfach geteilt. Im Osten denken und fühlen wir anders als im Westen, eine junge Stadtbevölkerung demonstriert für radikale Lösungen in der Klimakrise, und auf dem Land fürchten wir die wegbrechende Infrastruktur. Wir sind ein Volk mit unterschiedlichsten Ansichten, und die Gemeinsamkeiten schwinden. Und dann sagen 60 Prozent in einer Umfrage, dass sie kein Vertrauen mehr in die Politik haben.
Die neue Regierung muss also nicht nur die "Weichen für die Zukunft stellen" (wie die Grünen das formulieren). Und nicht nur ein "gemeinsames Projekt" formen. Sie muss unterschiedlichste Menschen für den Wandel gewinnen. Im Osten, im Westen. In den Städten, auf dem Land. Junge und Alte. Reiche und Arme. Angestellte und Selbstständige.
Das Problem dabei: Uns verbindet nur wenig und trennt vieles.
Als die Bundesrepublik nach dem Krieg gegründet wurde, einte alle der Wille zum Wiederaufbau. Als Helmut Kohl zum Kanzler der Einheit gewählt wurde, versammelten sich alle hinter der Idee einer geeinten Republik.
Und im Jahr 2021? Wir brauchen keine Regierung der Reformen. Wir brauchen eine Regierung, die Menschen durch eine Idee eint. Im Kern ist es einfach. Wir alle wollen ein lebenswertes Deutschland, jetzt und in Zukunft. Im Detail aber ist es eine Mammutaufgabe für die neue Regierung, das für alle Menschen im Land annehmbar auszugestalten. FDP und Grüne strahlen derzeit zumindest aus, dass sie sich dieser Aufgabe stellen wollen.
Zitat von Gast am 30. September 2021, 09:46 UhrZieht hier am Ende Markus Söder ein?
Grüne und FDP führen bereits Gespräche. Aber verbünden sie sich mit der SPD oder der Union? Eine Ampelregierung scheint zwar derzeit am wahrscheinlichsten. Doch es gibt noch zwei andere Szenarien.
Über die Folgen des Wahlergebnisses wird in diesen Tagen reichlich spekuliert. Derzeit ist nur eines sicher: Für die Christdemokraten und ihre bayerischen Freunde sieht es eher düster aus. Fragt man drei Abgeordnete der Union, für wie wahrscheinlich sie eine Jamaika-Koalition noch halten, lauten die drei Antworten : "30 Prozent", "25 Prozent", "20 Prozent". Ein ranghoher Parteifunktionär sagt: "Die ganze Partei ist doch abgewirtschaftet. Viele von uns wollen einfach nicht ihre Posten räumen."
Die Union liegt bei der Bundestagswahl mit ihren 24,1 Prozent knapp hinter dem Wahlsieger SPD mit 25,7 Prozent. Den Gesetzen der Gewohnheit zufolge müsste Olaf Scholz jetzt anfangen, eine Koalition zu schmieden. Doch die Gewohnheit wird dieses Mal durchbrochen, und zwar ausgerechnet von den künftigen Wunschkoalitionspartnern: der FDP und den Grünen.
Die Spitzen der beiden Parteien haben sich bereits am Dienstagabend getroffen und die Öffentlichkeit darüber per Selfie informiert. Am Freitag treffen sich Grüne und FDP noch einmal in größerer Runde, dann soll es verstärkt um Inhalte gehen.
Ab dem Wochenende gehen die bilateralen Treffen weiter: Union und FDP werden früher oder später miteinander sprechen. Fest steht bereits, dass sich die SPD am Sonntagnachmittag mit der FDP und abends dann mit den Grünen trifft. Auch für ein Gespräch mit der Union sind die Grünen offen, es wird aber frühestens nächste Woche stattfinden. Verhandlungen zwischen drei Parteien sind noch nicht terminiert.
Und dann? Ist es wirklich ausgeschlossen, dass sich FDP und Grüne, die neuerdings als "Zitrus-Koalition" bezeichnet werden, doch noch der Union anschließen und es zum Jamaika-Bündnis kommt? Nein. Auch wenn die Ampel wahrscheinlicher erscheint. Stand heute.
Drei Szenarien sind denkbar:
Szenario 1: Die Ampel kommt, Olaf Scholz wird Kanzler
Die SPD hat bereits zu Gesprächen mit Grünen und FDP eingeladen. Zumindest getrennt wird man sich nun am Wochenende treffen. Und die Sozialdemokraten haben die besten Argumente auf ihrer Seite, weshalb das Szenario derzeit am wahrscheinlichsten erscheint: Die SPD ist der Wahlgewinner. Und Umfragen ergeben, dass die Bürger Olaf Scholz gerne als Kanzler sähen.
Sogar Armin Laschet, der zunächst noch von einem "Auftrag" für die Union gesprochen hatte, sagt inzwischen nur noch, dass man ein "Angebot" für eine Regierung mache. Die Grünen lassen ihre Vorliebe für die SPD deutlich erkennen. Annalena Baerbock sprach am Mittwoch davon, dass es einen "Auftrag für eine progressive Regierung" gebe. Progressiv, so werden die linken Parteien bezeichnet – nicht die Union.
Die Ampelkoalition ist auch deshalb wahrscheinlich, weil die SPD – im Gegensatz zur Union – politisch funktionsfähig ist: Olaf Scholz ist mit seinem Wahlsieg so mächtig wie nie, er hat die klare Prokura, Verhandlungen zu führen. Und hat seiner Partei auch bereits angekündigt, die nötige Beinfreiheit zu beanspruchen.
SPD und Grüne haben zudem große inhaltliche Überschneidungen, beide Parteien drängen auf eine linkere Politik. Und beide Parteien sind klug genug, um zu verstehen, dass mit der FDP ein Partner an Bord wäre, der den vermuteten "Linksrutsch" abfedern und so das Bündnis für die Breite der Bevölkerung tragbar machen könnte. Entsprechend werden sie auf die Liberalen zugehen.
Szenario 2: Ein Jamaika-Bündnis mit Laschet oder Söder als Kanzler
Es deutet nicht vieles darauf hin, doch trotzdem ist es denkbar: 2017 hat sich bereits gezeigt, wie schnell Gespräche zwischen Parteien scheitern können. Damals ließ Lindner ein Jamaika-Bündnis aus Union, Grünen und FDP platzen. Dieses Mal ist Jamaika eine der Alternativen, falls sich die Ampel-Partner nicht einigen können.
Das ist nicht ganz ausgeschlossen. Die SPD hat eine programmatisch linke Parteiführung. Und in den Bundestag sind viele Abgeordnete aus der SPD-Jugendorganisation eingezogen, den ziemlich linken Jusos. Zu viele Zugeständnisse an die FDP darf Scholz also auch nicht machen. Allerdings kommt ihm zugute, dass eine rot-grün-rote Koalition keine Mehrheit hat. Eine Ampel ist also auch für die linkeren Genossen die beste Lösung.
In der Union hofft man naturgemäß trotzdem auf ein Scheitern der Ampel-Gespräche. Die Wegbereiter der alternativen Jamaika-Koalition wären dann Armin Laschet (sofern er bis dahin noch im Amt ist) und Christian Lindner. Beide haben bereits die schwarz-gelbe Regierung in Nordrhein-Westfalen ausgehandelt. Man kennt sich, man schätzt sich.
Ob Laschet dann jedoch wirklich Kanzler wird, gilt selbst in der Union als völlig offen. Möglich wäre auch, dass Markus Söder sich von den Grünen und der FDP wählen lässt. Auch dieses Szenario kursiert seit einigen Tagen in der Union. Die Grünen zeigen sich zwar offen für Gespräche mit der Union. Aber eben auch alles andere als euphorisch. Als progressive Regierung können sie ihren Anhängern ein solches Bündnis schwerlich verkaufen.
Szenario 3: Eine Neuauflage der Groko mit Scholz als Kanzler
Und was, wenn beides nicht funktioniert? Dann könnte die große Koalition ein unverhofftes Comeback feiern. Diesmal unter umgekehrten Vorzeichen: mit einer SPD als Kanzlerpartei, und einer Union als kleinerem Partner.
In der SPD wollten das schon am Wahlabend diverse Vertreter nicht ausschließen. Auch wenn es wahrlich nicht die Lieblingsoption ist. Aber mit einem sozialdemokratischen Kanzler, so wohl die Überlegung, würde die SPD zumindest nicht so verlässlich zusammenschrumpfen wie in den letzten Merkel-Grokos.
Überzeugt werden müsste da schon eher die Union, vielleicht wieder vom Bundespräsidenten, damit es nicht zu Neuwahlen kommt. Aber vielleicht kommt es auch gar nicht so weit. Denn in der Union wird mittlerweile vielen klar, was das eigentlich ist: Opposition. Man kannte es ja die vergangenen 16 Jahre nicht. Opposition heißt eben in der Regel keine Dienstwagen, keine Ministerposten, keine glamourösen Auslandsreisen.
Obwohl es in der Union noch vor drei Monaten als ausgeschlossen galt, als Juniorpartner mitzuregieren, könnte es jetzt die letzte Chance sein.
Zieht hier am Ende Markus Söder ein?
Grüne und FDP führen bereits Gespräche. Aber verbünden sie sich mit der SPD oder der Union? Eine Ampelregierung scheint zwar derzeit am wahrscheinlichsten. Doch es gibt noch zwei andere Szenarien.
Über die Folgen des Wahlergebnisses wird in diesen Tagen reichlich spekuliert. Derzeit ist nur eines sicher: Für die Christdemokraten und ihre bayerischen Freunde sieht es eher düster aus. Fragt man drei Abgeordnete der Union, für wie wahrscheinlich sie eine Jamaika-Koalition noch halten, lauten die drei Antworten : "30 Prozent", "25 Prozent", "20 Prozent". Ein ranghoher Parteifunktionär sagt: "Die ganze Partei ist doch abgewirtschaftet. Viele von uns wollen einfach nicht ihre Posten räumen."
Die Union liegt bei der Bundestagswahl mit ihren 24,1 Prozent knapp hinter dem Wahlsieger SPD mit 25,7 Prozent. Den Gesetzen der Gewohnheit zufolge müsste Olaf Scholz jetzt anfangen, eine Koalition zu schmieden. Doch die Gewohnheit wird dieses Mal durchbrochen, und zwar ausgerechnet von den künftigen Wunschkoalitionspartnern: der FDP und den Grünen.
Die Spitzen der beiden Parteien haben sich bereits am Dienstagabend getroffen und die Öffentlichkeit darüber per Selfie informiert. Am Freitag treffen sich Grüne und FDP noch einmal in größerer Runde, dann soll es verstärkt um Inhalte gehen.
Ab dem Wochenende gehen die bilateralen Treffen weiter: Union und FDP werden früher oder später miteinander sprechen. Fest steht bereits, dass sich die SPD am Sonntagnachmittag mit der FDP und abends dann mit den Grünen trifft. Auch für ein Gespräch mit der Union sind die Grünen offen, es wird aber frühestens nächste Woche stattfinden. Verhandlungen zwischen drei Parteien sind noch nicht terminiert.
Und dann? Ist es wirklich ausgeschlossen, dass sich FDP und Grüne, die neuerdings als "Zitrus-Koalition" bezeichnet werden, doch noch der Union anschließen und es zum Jamaika-Bündnis kommt? Nein. Auch wenn die Ampel wahrscheinlicher erscheint. Stand heute.
Drei Szenarien sind denkbar:
Szenario 1: Die Ampel kommt, Olaf Scholz wird Kanzler
Die SPD hat bereits zu Gesprächen mit Grünen und FDP eingeladen. Zumindest getrennt wird man sich nun am Wochenende treffen. Und die Sozialdemokraten haben die besten Argumente auf ihrer Seite, weshalb das Szenario derzeit am wahrscheinlichsten erscheint: Die SPD ist der Wahlgewinner. Und Umfragen ergeben, dass die Bürger Olaf Scholz gerne als Kanzler sähen.
Sogar Armin Laschet, der zunächst noch von einem "Auftrag" für die Union gesprochen hatte, sagt inzwischen nur noch, dass man ein "Angebot" für eine Regierung mache. Die Grünen lassen ihre Vorliebe für die SPD deutlich erkennen. Annalena Baerbock sprach am Mittwoch davon, dass es einen "Auftrag für eine progressive Regierung" gebe. Progressiv, so werden die linken Parteien bezeichnet – nicht die Union.
Die Ampelkoalition ist auch deshalb wahrscheinlich, weil die SPD – im Gegensatz zur Union – politisch funktionsfähig ist: Olaf Scholz ist mit seinem Wahlsieg so mächtig wie nie, er hat die klare Prokura, Verhandlungen zu führen. Und hat seiner Partei auch bereits angekündigt, die nötige Beinfreiheit zu beanspruchen.
SPD und Grüne haben zudem große inhaltliche Überschneidungen, beide Parteien drängen auf eine linkere Politik. Und beide Parteien sind klug genug, um zu verstehen, dass mit der FDP ein Partner an Bord wäre, der den vermuteten "Linksrutsch" abfedern und so das Bündnis für die Breite der Bevölkerung tragbar machen könnte. Entsprechend werden sie auf die Liberalen zugehen.
Szenario 2: Ein Jamaika-Bündnis mit Laschet oder Söder als Kanzler
Es deutet nicht vieles darauf hin, doch trotzdem ist es denkbar: 2017 hat sich bereits gezeigt, wie schnell Gespräche zwischen Parteien scheitern können. Damals ließ Lindner ein Jamaika-Bündnis aus Union, Grünen und FDP platzen. Dieses Mal ist Jamaika eine der Alternativen, falls sich die Ampel-Partner nicht einigen können.
Das ist nicht ganz ausgeschlossen. Die SPD hat eine programmatisch linke Parteiführung. Und in den Bundestag sind viele Abgeordnete aus der SPD-Jugendorganisation eingezogen, den ziemlich linken Jusos. Zu viele Zugeständnisse an die FDP darf Scholz also auch nicht machen. Allerdings kommt ihm zugute, dass eine rot-grün-rote Koalition keine Mehrheit hat. Eine Ampel ist also auch für die linkeren Genossen die beste Lösung.
In der Union hofft man naturgemäß trotzdem auf ein Scheitern der Ampel-Gespräche. Die Wegbereiter der alternativen Jamaika-Koalition wären dann Armin Laschet (sofern er bis dahin noch im Amt ist) und Christian Lindner. Beide haben bereits die schwarz-gelbe Regierung in Nordrhein-Westfalen ausgehandelt. Man kennt sich, man schätzt sich.
Ob Laschet dann jedoch wirklich Kanzler wird, gilt selbst in der Union als völlig offen. Möglich wäre auch, dass Markus Söder sich von den Grünen und der FDP wählen lässt. Auch dieses Szenario kursiert seit einigen Tagen in der Union. Die Grünen zeigen sich zwar offen für Gespräche mit der Union. Aber eben auch alles andere als euphorisch. Als progressive Regierung können sie ihren Anhängern ein solches Bündnis schwerlich verkaufen.
Szenario 3: Eine Neuauflage der Groko mit Scholz als Kanzler
Und was, wenn beides nicht funktioniert? Dann könnte die große Koalition ein unverhofftes Comeback feiern. Diesmal unter umgekehrten Vorzeichen: mit einer SPD als Kanzlerpartei, und einer Union als kleinerem Partner.
In der SPD wollten das schon am Wahlabend diverse Vertreter nicht ausschließen. Auch wenn es wahrlich nicht die Lieblingsoption ist. Aber mit einem sozialdemokratischen Kanzler, so wohl die Überlegung, würde die SPD zumindest nicht so verlässlich zusammenschrumpfen wie in den letzten Merkel-Grokos.
Überzeugt werden müsste da schon eher die Union, vielleicht wieder vom Bundespräsidenten, damit es nicht zu Neuwahlen kommt. Aber vielleicht kommt es auch gar nicht so weit. Denn in der Union wird mittlerweile vielen klar, was das eigentlich ist: Opposition. Man kannte es ja die vergangenen 16 Jahre nicht. Opposition heißt eben in der Regel keine Dienstwagen, keine Ministerposten, keine glamourösen Auslandsreisen.
Obwohl es in der Union noch vor drei Monaten als ausgeschlossen galt, als Juniorpartner mitzuregieren, könnte es jetzt die letzte Chance sein.
Zitat von Gast am 1. Oktober 2021, 09:08 Uhr
Koalitionsbildung: Sondierungs-Fahrplan steht: Wer wann mit wem über die Ampel oder Jamaika spricht
Der Plan zur Sondierung möglicher Regierungskoalitionen steht. Nach Beratungen von Grünen und FDP geht es ab Sonntag um ein mögliches Bündnis mit der SPD oder der Union.
Rund 13 Minuten später als geplant begann für die CDU die neue Zeitrechnung. „Die Parteivorsitzenden von CDU und CSU, Armin Laschet und Markus Söder, haben sowohl der FDP als auch den Grünen ein Angebot zum Gespräch unterbreitet“, sagte Generalsekretär Paul Ziemiak um kurz nach 15 Uhr in Berlin. Das Angebot sei angenommen worden. Die Union wolle ein „Regierungsbündnis schmieden, dass die gesamte gesellschaftliche Breite abbildet“.
Am Sonntag um 18.30 Uhr werden sich Union und FDP zu ersten Gesprächen treffen, am Dienstagvormittag dann mit den Grünen. Zuvor hatte sich das Parteipräsidium in einer kurzfristig einberufenen Schaltkonferenz zusammentelefoniert, um den Plan für das zu besprechen, wofür Parteichef Laschet seit der Wahlniederlage wirbt: Gespräche mit FDP und Grünen aufzunehmen, um ein mögliches Jamaika-Bündnis auszuloten. „Wahlniederlage und Platz zwei hinter der SPD hin oder her. Es gibt eine große Mehrheit dafür, dass wir Gespräche führen“, sagte Ziemiak.
Mit der Union ist der Terminplan für die anstehenden Sondierungen in den kommenden Tagen nun komplett. Am Wochenende wollen SPD, Union, Grüne und FDP in zahlreichen Runden mögliche Bündnisse ausloten.
Über die Themen herrscht aus Sorge vor Indiskretionen weitestgehend Verschwiegenheit – nichts soll nach draußen dringen wie noch 2017, als die Jamaika-Sondierungen nach rund einem Monat scheiterten. Die Parteien stehen vor einem wichtigen Wochenende, das erste Klarheit schaffen soll in der Frage, wer das Land in den kommenden vier Jahren regiert.
Freitag
Am Freitag treffen sich Grüne und FDP zu weiteren Gesprächen – und zwar in größerer Runde als noch am Dienstag. An dem mit einem Selfie auf Instagram festgehaltenen Treffen nahmen die Grünen-Chefs Annalena Baerbock und Robert Habeck sowie FDP-Chef Christian Lindner und sein Generalsekretär Volker Wissing teil.
Am Freitag wiederum kommen die beiden Parteien mit einem zehnköpfigen Verhandlungsteam zusammen. Wo und wann genau das Treffen stattfindet, ist noch nicht bekannt. Es soll allerdings keine Nachtsitzungen wie während den Jamaika-Verhandlungen 2017 geben.
Stattdessen sollen „erste inhaltliche Fragen vertieft werden“, heißt es aus der FDP. Bei Themen wie einem Einwanderungsgesetz, der Abschaffung des Werbeverbots für Schwangerschaftsabbrüche und einem Cannabiskontrollgesetz käme man schnell zusammen, sagte die Grünen-Parteivize Jamila Schäfer dem Handelsblatt. Es gebe beim Klimaschutz allerdings auch schwierige Punkte.
Samstag
Die Grünen wollen am Samstag die Weichen für die anstehenden Koalitionsverhandlungen stellen. Die Partei hält einen Länderrat, den sogenannten kleinen Parteitag, ab. Auf dem Programm steht unter anderem die Abstimmung über einen Leitantrag der Grünen-Spitze, der neben den Namen für das Sondierungsteam auch eine grobe inhaltliche Richtung einer möglichen Koalition vorgibt.
„Wir leiten aus dem Wahlergebnis einen klaren Auftrag ab, Verantwortung für die Gestaltung des Landes zu übernehmen und eine progressive Regierung zu bilden“, heißt es in dem Antrag. „Wir wollen unsere Kraft und unsere Kompetenz nutzen, um den notwendigen Aufbruch für dieses Land zu organisieren. Ein Weiter-so können wir nicht zulassen. Die nächste Bundesregierung muss eine Klimaregierung sein.“
Die Grünen wollen auch ein erweitertes Sondierungsteam einsetzen, das die Gespräche vorbereiten und begleiten soll. Dieser Gruppe sollen 14 Politiker angehören, darunter der frühere Parteichef Cem Özdemir und der ehemalige Umweltminister und Fraktionschef Jürgen Trittin.
Sonntag
Am Sonntag treffen sich die kleineren Parteien zum ersten Mal zu Gesprächen mit Union und SPD. Das Team um Kanzlerkandidat Olaf Scholz und die SPD-Chefs Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans berät am Nachmittag mit der FDP.
Am Abend dann treffen sich die Sozialdemokraten mit den Grünen. Um 18.30 Uhr sind Gespräche zwischen den Liberalen und der Union geplant. Es solle „Vertrauen“ aufgebaut werden, Details oder gar inhaltliche Kompromisse stünden aber noch nicht auf der Tagesordnung, heißt es aus FDP-Kreisen.
Für die Liberalen ist eine Jamaika-Koalition weiterhin die attraktivste Option. Parteichef Lindner hatte bezüglich einer Regierungsbildung mit der SPD immer wieder betont, er wisse nicht, was Scholz der FDP anbieten könne, das auch den Parteivorsitzenden Esken und Walter-Borjans zusagen könnte – beide müssen als Parteivorsitzende einen Koalitionsvertrag unterschreiben.
Für ein Bündnis mit der Union müsste die FDP allerdings die Grünen überzeugen, die eher zu einer Ampelkoalition tendieren. Die Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt sprach sich klar für die Ampel aus: „Ich sehe im Moment nicht, dass man die Union für sondierungsfähig halten könnte, geschweige denn für regierungsfähig“, sagte sie der Funke-Mediengruppe.
Über das Treffen zwischen Union und FDP hatte es zuerst Verwirrung gegeben. Am Mittwoch hatten die Parteivorsitzenden Armin Laschet und Markus Söder FDP und Grüne zu Gesprächen eingeladen. „Fast zeitgleich“, hieß es in der Partei, hätten die Liberalen zum Gespräch für Samstag eingeladen.
Die kolportierten daraufhin, dass es noch keine Zusage der Union gebe, was wiederum die Frage aufwarf, ob die Gespräche womöglich infrage stünden, bevor sie überhaupt verabredet seien. Doch dann wurde am Donnerstag bekannt, dass Laschet, Söder und FDP-Chef Christian Lindner am Vorabend verabredet hätten, sich am Sonntagabend zu treffen.
Vor allem die CSU hatte Terminprobleme genannt. Am Freitagabend etwa feiert die Union den 80. Geburtstag von Edmund Stoiber mit einem Festakt, bei dem Laschet Laudator ist und auch Söder anwesend sein wird. Für Samstag dann nannte Söder mehrere CSU-Gremiensitzungen in den Bezirksverbänden.
Denn auch der CSU-Chef ist trotz aller souveränen Auftritte angesichts des historisch schlechten Ergebnisses in Bayern alles andere als unangefochten. Die CSU verliere sichtbar die kommunale Verankerung im Land und vor allem in den großen Städten. Die Freien Wähler übernähmen die Funktion der Kümmererpartei, hieß es. Deshalb wolle Söder auch unbedingt im Bund ein Regierungsbündnis schmieden.
Laschet selbst muss sich am Wochenende auch um seinen Landesverband kümmern. Er will schnell einen Vorschlag für seine Nachfolge als Ministerpräsident unterbreiten. Wie es am Donnerstag nun aber hieß, werde er sich wegen der Sondierungen voraussichtlich nicht schon am Wochenende erklären, sondern erst in der nächsten Woche.
Kommende Woche
Am Dienstag soll es nach Unionsangaben Gespräche mit den Grünen geben. Die Partei hofft weiterhin auf ein Jamaika-Bündnis. Am Donnerstag warb etwa CDU-Vizechef Jens Spahn dafür. „Ich bin der festen Überzeugung, eine bürgerliche, ökologische, liberale Regierung wäre für unser Land besser als eine Ampel auch in der Frage, welche Themen sie zusammenführen kann“, sagte er. Bis Mitte Oktober sollten die Sondierungen zu einem Ende geführt werden.
Laschet gilt als Einziger in der Union, der in der Lage wäre, das Bündnis erfolgreich und verbunden mit einer Vision zu schmieden. Zum einen wird darauf verwiesen, dass er ein „Erklärer“ sei und jemand, der „zusammenführe“.
Eben jene Fähigkeiten beinhalteten, nicht plakativ mit kurzen Sätzen Dinge zu fordern und sich so zu profilieren – was im Wahlkampf ein Nachteil war –, sondern auch den anderen Parteien Raum zu lassen. Davon profitiert auch die FDP in NRW, mit der die CDU bei nur einer Stimme Mehrheit stabil seit 2017 regiert.
In dem Bundesland gibt es die Hoffnung, dass dieses Bündnis auch mit einem Ministerpräsidenten Hendrik Wüst nach der Landtagswahl 2023 fortgeführt werden kann. Die CDU habe bei der Bundestagswahl auf Landesebene 26 Prozent geholt und damit deutlich mehr als die bundesweit knapp 18 Prozent der CDU allein. Es sei möglich, bei der Landtagswahl „die 30 Prozent locker zu schaffen und damit wieder die Regierung zu stellen“, hieß es.
Entscheidend dürfte mit Blick auf das Wochenende sein, wie geschlossen die Partei auftritt. Es sei ein „Balanceakt“, sagte Parteivize Spahn, zum einen zu verhandeln, zum anderen das schlechte Wahlergebnis aufzuarbeiten.
Koalitionsbildung: Sondierungs-Fahrplan steht: Wer wann mit wem über die Ampel oder Jamaika spricht
Der Plan zur Sondierung möglicher Regierungskoalitionen steht. Nach Beratungen von Grünen und FDP geht es ab Sonntag um ein mögliches Bündnis mit der SPD oder der Union.
Rund 13 Minuten später als geplant begann für die CDU die neue Zeitrechnung. „Die Parteivorsitzenden von CDU und CSU, Armin Laschet und Markus Söder, haben sowohl der FDP als auch den Grünen ein Angebot zum Gespräch unterbreitet“, sagte Generalsekretär Paul Ziemiak um kurz nach 15 Uhr in Berlin. Das Angebot sei angenommen worden. Die Union wolle ein „Regierungsbündnis schmieden, dass die gesamte gesellschaftliche Breite abbildet“.
Am Sonntag um 18.30 Uhr werden sich Union und FDP zu ersten Gesprächen treffen, am Dienstagvormittag dann mit den Grünen. Zuvor hatte sich das Parteipräsidium in einer kurzfristig einberufenen Schaltkonferenz zusammentelefoniert, um den Plan für das zu besprechen, wofür Parteichef Laschet seit der Wahlniederlage wirbt: Gespräche mit FDP und Grünen aufzunehmen, um ein mögliches Jamaika-Bündnis auszuloten. „Wahlniederlage und Platz zwei hinter der SPD hin oder her. Es gibt eine große Mehrheit dafür, dass wir Gespräche führen“, sagte Ziemiak.
Mit der Union ist der Terminplan für die anstehenden Sondierungen in den kommenden Tagen nun komplett. Am Wochenende wollen SPD, Union, Grüne und FDP in zahlreichen Runden mögliche Bündnisse ausloten.
Über die Themen herrscht aus Sorge vor Indiskretionen weitestgehend Verschwiegenheit – nichts soll nach draußen dringen wie noch 2017, als die Jamaika-Sondierungen nach rund einem Monat scheiterten. Die Parteien stehen vor einem wichtigen Wochenende, das erste Klarheit schaffen soll in der Frage, wer das Land in den kommenden vier Jahren regiert.
Freitag
Am Freitag treffen sich Grüne und FDP zu weiteren Gesprächen – und zwar in größerer Runde als noch am Dienstag. An dem mit einem Selfie auf Instagram festgehaltenen Treffen nahmen die Grünen-Chefs Annalena Baerbock und Robert Habeck sowie FDP-Chef Christian Lindner und sein Generalsekretär Volker Wissing teil.
Am Freitag wiederum kommen die beiden Parteien mit einem zehnköpfigen Verhandlungsteam zusammen. Wo und wann genau das Treffen stattfindet, ist noch nicht bekannt. Es soll allerdings keine Nachtsitzungen wie während den Jamaika-Verhandlungen 2017 geben.
Stattdessen sollen „erste inhaltliche Fragen vertieft werden“, heißt es aus der FDP. Bei Themen wie einem Einwanderungsgesetz, der Abschaffung des Werbeverbots für Schwangerschaftsabbrüche und einem Cannabiskontrollgesetz käme man schnell zusammen, sagte die Grünen-Parteivize Jamila Schäfer dem Handelsblatt. Es gebe beim Klimaschutz allerdings auch schwierige Punkte.
Samstag
Die Grünen wollen am Samstag die Weichen für die anstehenden Koalitionsverhandlungen stellen. Die Partei hält einen Länderrat, den sogenannten kleinen Parteitag, ab. Auf dem Programm steht unter anderem die Abstimmung über einen Leitantrag der Grünen-Spitze, der neben den Namen für das Sondierungsteam auch eine grobe inhaltliche Richtung einer möglichen Koalition vorgibt.
„Wir leiten aus dem Wahlergebnis einen klaren Auftrag ab, Verantwortung für die Gestaltung des Landes zu übernehmen und eine progressive Regierung zu bilden“, heißt es in dem Antrag. „Wir wollen unsere Kraft und unsere Kompetenz nutzen, um den notwendigen Aufbruch für dieses Land zu organisieren. Ein Weiter-so können wir nicht zulassen. Die nächste Bundesregierung muss eine Klimaregierung sein.“
Die Grünen wollen auch ein erweitertes Sondierungsteam einsetzen, das die Gespräche vorbereiten und begleiten soll. Dieser Gruppe sollen 14 Politiker angehören, darunter der frühere Parteichef Cem Özdemir und der ehemalige Umweltminister und Fraktionschef Jürgen Trittin.
Sonntag
Am Sonntag treffen sich die kleineren Parteien zum ersten Mal zu Gesprächen mit Union und SPD. Das Team um Kanzlerkandidat Olaf Scholz und die SPD-Chefs Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans berät am Nachmittag mit der FDP.
Am Abend dann treffen sich die Sozialdemokraten mit den Grünen. Um 18.30 Uhr sind Gespräche zwischen den Liberalen und der Union geplant. Es solle „Vertrauen“ aufgebaut werden, Details oder gar inhaltliche Kompromisse stünden aber noch nicht auf der Tagesordnung, heißt es aus FDP-Kreisen.
Für die Liberalen ist eine Jamaika-Koalition weiterhin die attraktivste Option. Parteichef Lindner hatte bezüglich einer Regierungsbildung mit der SPD immer wieder betont, er wisse nicht, was Scholz der FDP anbieten könne, das auch den Parteivorsitzenden Esken und Walter-Borjans zusagen könnte – beide müssen als Parteivorsitzende einen Koalitionsvertrag unterschreiben.
Für ein Bündnis mit der Union müsste die FDP allerdings die Grünen überzeugen, die eher zu einer Ampelkoalition tendieren. Die Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt sprach sich klar für die Ampel aus: „Ich sehe im Moment nicht, dass man die Union für sondierungsfähig halten könnte, geschweige denn für regierungsfähig“, sagte sie der Funke-Mediengruppe.
Über das Treffen zwischen Union und FDP hatte es zuerst Verwirrung gegeben. Am Mittwoch hatten die Parteivorsitzenden Armin Laschet und Markus Söder FDP und Grüne zu Gesprächen eingeladen. „Fast zeitgleich“, hieß es in der Partei, hätten die Liberalen zum Gespräch für Samstag eingeladen.
Die kolportierten daraufhin, dass es noch keine Zusage der Union gebe, was wiederum die Frage aufwarf, ob die Gespräche womöglich infrage stünden, bevor sie überhaupt verabredet seien. Doch dann wurde am Donnerstag bekannt, dass Laschet, Söder und FDP-Chef Christian Lindner am Vorabend verabredet hätten, sich am Sonntagabend zu treffen.
Vor allem die CSU hatte Terminprobleme genannt. Am Freitagabend etwa feiert die Union den 80. Geburtstag von Edmund Stoiber mit einem Festakt, bei dem Laschet Laudator ist und auch Söder anwesend sein wird. Für Samstag dann nannte Söder mehrere CSU-Gremiensitzungen in den Bezirksverbänden.
Denn auch der CSU-Chef ist trotz aller souveränen Auftritte angesichts des historisch schlechten Ergebnisses in Bayern alles andere als unangefochten. Die CSU verliere sichtbar die kommunale Verankerung im Land und vor allem in den großen Städten. Die Freien Wähler übernähmen die Funktion der Kümmererpartei, hieß es. Deshalb wolle Söder auch unbedingt im Bund ein Regierungsbündnis schmieden.
Laschet selbst muss sich am Wochenende auch um seinen Landesverband kümmern. Er will schnell einen Vorschlag für seine Nachfolge als Ministerpräsident unterbreiten. Wie es am Donnerstag nun aber hieß, werde er sich wegen der Sondierungen voraussichtlich nicht schon am Wochenende erklären, sondern erst in der nächsten Woche.
Kommende Woche
Am Dienstag soll es nach Unionsangaben Gespräche mit den Grünen geben. Die Partei hofft weiterhin auf ein Jamaika-Bündnis. Am Donnerstag warb etwa CDU-Vizechef Jens Spahn dafür. „Ich bin der festen Überzeugung, eine bürgerliche, ökologische, liberale Regierung wäre für unser Land besser als eine Ampel auch in der Frage, welche Themen sie zusammenführen kann“, sagte er. Bis Mitte Oktober sollten die Sondierungen zu einem Ende geführt werden.
Laschet gilt als Einziger in der Union, der in der Lage wäre, das Bündnis erfolgreich und verbunden mit einer Vision zu schmieden. Zum einen wird darauf verwiesen, dass er ein „Erklärer“ sei und jemand, der „zusammenführe“.
Eben jene Fähigkeiten beinhalteten, nicht plakativ mit kurzen Sätzen Dinge zu fordern und sich so zu profilieren – was im Wahlkampf ein Nachteil war –, sondern auch den anderen Parteien Raum zu lassen. Davon profitiert auch die FDP in NRW, mit der die CDU bei nur einer Stimme Mehrheit stabil seit 2017 regiert.
In dem Bundesland gibt es die Hoffnung, dass dieses Bündnis auch mit einem Ministerpräsidenten Hendrik Wüst nach der Landtagswahl 2023 fortgeführt werden kann. Die CDU habe bei der Bundestagswahl auf Landesebene 26 Prozent geholt und damit deutlich mehr als die bundesweit knapp 18 Prozent der CDU allein. Es sei möglich, bei der Landtagswahl „die 30 Prozent locker zu schaffen und damit wieder die Regierung zu stellen“, hieß es.
Entscheidend dürfte mit Blick auf das Wochenende sein, wie geschlossen die Partei auftritt. Es sei ein „Balanceakt“, sagte Parteivize Spahn, zum einen zu verhandeln, zum anderen das schlechte Wahlergebnis aufzuarbeiten.
Zitat von Gast am 5. Oktober 2021, 09:35 UhrAfghanistan: Einsatz kostete der Bundesregierung mehr als 17,3 Milliarden Euro
Von 2001 bis 2021 war die Bundeswehr in Afghanistan stationiert. Allein da Verteidigungsministerium hat dafür mehr als 12 Milliarden Euro ausgegeben. Die Kosten für den Bundesnachrichtendienst wurden als geheim eingestuft.
In diesem Sommer hat die Bundeswehr Afghanistan nach 20 Jahren verlassen. Nun wurde die Höhe der Ausgaben für den gesamten Einsatz veröffentlicht: Die Arbeit deutscher Soldaten und Entwicklungshelfer in Afghanistan kostete nach Angaben der Bundesregierung mehr als 17,3 Milliarden Euro. Den weitaus größten Posten machte dabei das Militär aus.
Für die Beteiligung der Bundeswehr an den Einsätzen »International Security Assistance Force« (Isaf), »Operation Enduring Freedom« (OEF) und der »Resolute Support Mission« (RSM) in Afghanistan seien durch das Bundesministerium der Verteidigung von 2001 bis zum 31. August 2021 insgesamt rund 12,3 Milliarden Euro »an einsatzbedingten Zusatzausgaben geleistet« worden, heißt es in einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der FDP-Bundestagsfraktion. Die Antwort lag der Nachrichtenagentur dpa vor.
Das Auswärtige Amt gab demnach rund 2,48 Milliarden Euro für sogenannte projektbezogene Personal- und Sachkosten aus. Diese Summe beinhaltet nicht Personal- und Betriebskosten des Auswärtigen Amtes, wie sie also im regulären diplomatischen Betrieb sowieso entstehen. Das Entwicklungsministerium stellte binnen 20 Jahren rund 2,46 Milliarden Euro in Afghanistan zur Verfügung. Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft gab in zwei Jahrzehnten 33 Millionen Euro aus.
Keine Informationen zu BND-Ausgaben
Angaben zu den Ausgaben des Bundesnachrichtendienstes (BND) in Afghanistan wurden als geheim eingestuft. »Eine Offenlegung der entsprechenden Informationen würde die Aufgabenerfüllung des Bundesnachrichtendienstes stark beeinträchtigen, was wiederum die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährden oder ihren Interessen schweren Schaden zufügen könnte«, teilte die Bundesregierung dazu mit. Mit Hinweis darauf stuft die Bundesregierung auch als Verschlusssache ein, welche mit deutschem Geld aufgebaute Infrastruktur nun von den Taliban genutzt wird.
Nach dem Abzug der internationalen Truppen, insbesondere des US-Militärs, haben die radikalislamischen Taliban Afghanistan innerhalb kurzer Zeit erobert. Deutsche Soldaten waren im August noch bei Evakuierungsflügen beteiligt, bei denen tausende Afghaninnen und Afghanen gerettet wurden. Die Kosten für diese Mission wurden im Vorfeld auf über 40 Millionen Euro geschätzt.
Das sind 40.000.000.000,00 € Steuergelder für die Kriegsverbrechen der USA!
Zur Erinnerung: Die USA begründete den Angriff auf „die Achse des Bösen“ mit falschen Beweisen!! (Wie Hitler beim Angriff auf Polen). Dafür zahlt jetzt der deutsche Steuerzahler diese Rechnung!!
Afghanistan: Einsatz kostete der Bundesregierung mehr als 17,3 Milliarden Euro
Von 2001 bis 2021 war die Bundeswehr in Afghanistan stationiert. Allein da Verteidigungsministerium hat dafür mehr als 12 Milliarden Euro ausgegeben. Die Kosten für den Bundesnachrichtendienst wurden als geheim eingestuft.
In diesem Sommer hat die Bundeswehr Afghanistan nach 20 Jahren verlassen. Nun wurde die Höhe der Ausgaben für den gesamten Einsatz veröffentlicht: Die Arbeit deutscher Soldaten und Entwicklungshelfer in Afghanistan kostete nach Angaben der Bundesregierung mehr als 17,3 Milliarden Euro. Den weitaus größten Posten machte dabei das Militär aus.
Für die Beteiligung der Bundeswehr an den Einsätzen »International Security Assistance Force« (Isaf), »Operation Enduring Freedom« (OEF) und der »Resolute Support Mission« (RSM) in Afghanistan seien durch das Bundesministerium der Verteidigung von 2001 bis zum 31. August 2021 insgesamt rund 12,3 Milliarden Euro »an einsatzbedingten Zusatzausgaben geleistet« worden, heißt es in einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der FDP-Bundestagsfraktion. Die Antwort lag der Nachrichtenagentur dpa vor.
Das Auswärtige Amt gab demnach rund 2,48 Milliarden Euro für sogenannte projektbezogene Personal- und Sachkosten aus. Diese Summe beinhaltet nicht Personal- und Betriebskosten des Auswärtigen Amtes, wie sie also im regulären diplomatischen Betrieb sowieso entstehen. Das Entwicklungsministerium stellte binnen 20 Jahren rund 2,46 Milliarden Euro in Afghanistan zur Verfügung. Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft gab in zwei Jahrzehnten 33 Millionen Euro aus.
Keine Informationen zu BND-Ausgaben
Angaben zu den Ausgaben des Bundesnachrichtendienstes (BND) in Afghanistan wurden als geheim eingestuft. »Eine Offenlegung der entsprechenden Informationen würde die Aufgabenerfüllung des Bundesnachrichtendienstes stark beeinträchtigen, was wiederum die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährden oder ihren Interessen schweren Schaden zufügen könnte«, teilte die Bundesregierung dazu mit. Mit Hinweis darauf stuft die Bundesregierung auch als Verschlusssache ein, welche mit deutschem Geld aufgebaute Infrastruktur nun von den Taliban genutzt wird.
Nach dem Abzug der internationalen Truppen, insbesondere des US-Militärs, haben die radikalislamischen Taliban Afghanistan innerhalb kurzer Zeit erobert. Deutsche Soldaten waren im August noch bei Evakuierungsflügen beteiligt, bei denen tausende Afghaninnen und Afghanen gerettet wurden. Die Kosten für diese Mission wurden im Vorfeld auf über 40 Millionen Euro geschätzt.
Das sind 40.000.000.000,00 € Steuergelder für die Kriegsverbrechen der USA!
Zur Erinnerung: Die USA begründete den Angriff auf „die Achse des Bösen“ mit falschen Beweisen!! (Wie Hitler beim Angriff auf Polen). Dafür zahlt jetzt der deutsche Steuerzahler diese Rechnung!!