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EU-Wiederaufbauplan: Viel hilft viel – oder nicht?

 

Die EU will ihren Mitgliedern mit einem historischen Aufbauprogramm aus der Krise helfen. Wie soll das funktionieren und wo liegen die Gefahren? Die wichtigsten Antworten

Im vergangenen Dezember hat die EU den nächsten Haushalt beschlossen. Darin enthalten ist das größte Hilfsprogramm in der Geschichte der Union, eine Art Marshallplan des 21. Jahrhunderts. Es trägt den Titel Next Generation EU und umfasst 750 Milliarden Euro. Das Besondere: Erstmals in der EU-Geschichte nimmt die Kommission dafür in großem Umfang Schulden auf. Sie werden von allen Staaten in den kommenden Jahrzehnten gemeinsam abbezahlt.

Wie funktioniert der EU-Wiederaufbauplan?

Das Herzstück des Plans nennt sich Aufbau- und Resilienzfazilität und umfasst 672,5 Milliarden Euro. Davon sind 312,5 Milliarden als Zuschüsse für die Mitgliedsstaaten vorgesehen, die nicht zurückgezahlt werden müssen, 360 Milliarden werden als Kredite vergeben. Die europäische Wirtschaft soll damit nicht nur aus der Corona-Krise gerettet, sondern bei der Gelegenheit gleich fit gemacht werden für die Zukunft. Sie soll, so formuliert es der Europäische Rat, "den ökologischen und digitalen Wandel vollziehen und nachhaltiger und widerstandsfähiger werden".

Wo kommt das Geld her?

Die EU-Kommission leiht sich im Namen der gesamten Union Geld an den Märkten. Dabei profitiert sie davon, dass sie am Kapitalmarkt eine höhere Bonität besitzt als viele der Mitgliedsstaaten: Sie gilt als zuverlässige Schuldnerin und kommt so zu besonders günstigen Bedingungen an Kredite. Das Geld gibt sie dann an die Mitgliedsstaaten weiter. Die Kredite sollen später über den EU-Haushalt getilgt werden – also von allen Mitgliedsstaaten anteilig gemeinsam.

Diese gemeinschaftliche Verschuldung ist ein Novum in der europäischen Finanzpolitik. Bisher war es so, dass ein Mitgliedsstaat jeweils für seine eigenen Staatsschulden verantwortlich war, festgehalten in der sogenannten No-Bail-out-Klausel. Diesmal haften alle gemeinsam. Bis 2058 sollen die Kredite wieder vollständig getilgt sein. Um das möglichst schnell zu schaffen, will die EU-Kommission zusätzlich zu einer bereits auf den Weg gebrachten Plastikabgabe neue Einnahmequellen finden, etwa eine Finanztransaktionsteuer.

Wer bekommt wie viel?

Die meisten Zuschüsse bekommen diejenigen Staaten, die von der Corona-Krise besonders hart getroffen wurden: Italien und Spanien bekommen je knapp 70 Milliarden, die sie nicht zurückzahlen müssen. Deutschland rechnet mit rund 28 Milliarden Euro an Zuschüssen. Insgesamt bekommt Italien von allen am meisten aus dem Fonds: rund 191 Milliarden Euro. Zusätzlich nimmt es noch mal rund 30 Milliarden selbst an den Märkten auf. Im Falle Spaniens sind es rund 140 Milliarden, die aus dem Aufbauplan fließen sollen.

Spanien und Italien waren schon vor Corona schwer angeschlagen. "Wir würden dieses Programm nicht brauchen, wenn alle Mitgliedsstaaten so gering verschuldet wären wie Deutschland", sagt der Ökonomieprofessor Lars Feld vom Freiburger Walter Eucken Institut. Vor der nächsten Krise müssten die Staatsschulden seiner Ansicht nach wieder abgebaut werden. Damit das klappt, müssten Strukturreformen gelingen, wie sie etwa Italien schon lange hätte anpacken müssen, sagt Feld. Insofern sei der Wiederaufbauplan eine Chance.

"Viele wünschen sich nun, dass wir möglichst schnell zu der Regelung zurückkehren, dass es keine Stabilisierung mehr auf EU-Ebene gibt", sagt dagegen sein Essener Kollege Achim Truger, Mitglied des Sachverständigenrates der Bundesregierung. Aber einige Länder würden das weder ökonomisch noch politisch aushalten: "In der Eurokrise hat sich ja schon gezeigt, dass der Sparzwang nicht funktioniert."

Ähnlich äußerte sich der französische Finanzminister Bruno Le Maire im Interview mit ZEIT ONLINE: "Natürlich müssen wir irgendwann auch über den Abbau von Defiziten und Schulden reden. Aber im Augenblick sollten wir alle Kraft darauf verwenden, zu investieren." In der letzten Krise habe man die Haushalte zu früh konsolidiert und so den Aufschwung gebremst.

 

Was wird mit dem Geld gemacht und wer kontrolliert das?

Die Verantwortung für den Einsatz des Geldes liegt bei den Mitgliedsstaaten, die Kontrolle darüber bei der EU-Kommission. Um überhaupt an die Zuschüsse zu kommen, müssen die einzelnen Länder bis zum 30. April detaillierte Pläne erstellen und der Kommission zur Diskussion vorlegen. Sie müssen nicht nur gewährleisten, die Gelder innerhalb der Vorgaben zu Klimaschutz, Digitalisierung und Infrastruktur zu verwenden. Auch Korruption und Interessenkonflikte sollen vermieden werden.

Noch nicht alle haben diese Pläne vorgelegt; erster Staat war Portugal am 22. April. An diesem Dienstag wollen Deutschland und Frankreich ihre eng miteinander abgestimmten Investitionspläne präsentieren. Das Bundeskabinett hat den sogenannten Deutschen Aufbau- und Resilienzfonds am Vormittag bereits verabschiedet.

In Italien stritt die frühere Regierung sich um die Ausgestaltung des nationalen Aufbauplans so sehr, dass die Koalition platzte. Der neue Ministerpräsident Mario Draghi, ehemaliger Chef der Europäischen Zentralbank (EZB), hat nun seinen Plan skizziert, der in Brüssel auch positiv aufgenommen wurde. So soll vor allem die italienische Verwaltung grundlegend modernisiert werden. Das sei besonders wichtig, wenn das Land wirtschaftlich wieder auf die Beine kommen will, sagt der Ökonom Friedrich Heinemann vom Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW): "Potenzielle Investoren achten sehr darauf, wie lange sich Genehmigungsprozesse ziehen und wie schwerfällig die Verwaltung ist."

Deutschland will zwar anteilig sogar noch mehr Geld für Digitalisierung und Klimaschutz ausgeben, als es die Kommission verlangt: Neun Zehntel der vorgesehenen Ausgaben sollen diesen beiden Zwecken dienen. Das täuscht allerdings leicht darüber hinweg, dass vor allem Reformen angestoßen werden, die ohnehin hätten erfolgen sollen. "Im Grunde finanzieren wir mit den EU-Geldern einen Teil des Konjunkturprogamms vom Juni 2020", sagt der Freiburger Ökonom Feld. Vieles davon sei zwar zu begrüßen. "Aber grundlegende Reformen, die seit Jahren notwendig sind, werden nicht angepackt. Etwa bei den Renten oder dem Steuersystem. Dabei wird beides von der Europäischen Kommission seit Langem angemahnt."

Brisant daran ist, dass die Bundesregierung selbst überhaupt erst gefordert hatte, dass die Gelder aus dem Aufbauprogramm an Reformen gekoppelt werden sollten. Im Vergleich zu Italien aber sehen die deutschen Pläne nun wenig ambitioniert aus.

Wann werden die Gelder verteilt?

Damit die Kommission Kredite in einem solchen Umfang aufnehmen kann, müssen alle Mitgliedsstaaten den neuen Mechanismus ratifizieren. Ausgezahlt wird außerdem erst, wenn die EU-Kommission die jeweiligen Pläne zur Verwendung des Geldes abgesegnet hat. Ab diesem Sommer sollen dann bis 2026 jährlich etwa 150 Milliarden Euro an Krediten aufgenommen und an die Mitgliedsstaaten weitergegeben werden.

Ein großer Teil des Geldes wird erst in einigen Jahren fließen. Das kann man angesichts der akuten Krise als zu spät bezeichnen. Andererseits wissen Investorinnen so schon jetzt, dass etwa Italien fest mit großen Summen rechnen kann – die Wirtschaft kann also durch entsprechende Investitionen schon bald in Schwung kommen, bevor das eigentliche Aufbauprogramm greift.

In Deutschland hat der Bundestag bereits Ende März das sogenannte Eigenmittelbeschluss-Ratifizierungsgesetz verabschiedet und damit den Weg für die deutsche Zustimmung zur europäischen Schuldenaufnahme frei gemacht. Bis Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier das Gesetz unterzeichnen konnte, vergingen allerdings noch mal knapp vier Wochen. Grund war ein Eilantrag vor dem Bundesverfassungsgericht, den eine Gruppe um den AfD-Gründer Bernd Lucke eingereicht hatte. Das Gericht lehnte den Antrag ab und begründete dies unter anderem damit, dass die Nachteile in diesem Fall deutlich geringer wären. Das legt nahe, dass es auch über die eigentliche Verfassungsklage ablehnend entscheiden wird.

750 Milliarden – reicht das überhaupt?

Das Hilfspaket ist das größte in der Geschichte der Union, wenn es auch im Vergleich zu dem in der absoluten Summe mehr als doppelt so hohen US-Konjunkturpaket vergleichsweise klein erscheint. Viel hilft viel – oder sogar zu viel? "Schon für diese Summe wird es eine sehr große Herausforderung, die Planung und Umsetzung aller Vorhaben im Zeitplan abzuwickeln", sagt ZEW-Ökonom Heinemann. "Je umfangreicher der kurzfristige Geldsegen, desto größer die Gefahr, dass auch unsinnige Projekte finanziert werden."

Noch ist schwer vorherzusagen, wie es der europäischen Wirtschaft in einigen Jahren gehen wird. Natürlich könne es sein, dass es einen rasanten Aufschwung gibt, sagt der Wirtschaftsweise Truger. "Im Idealfall wird das Geld sogar zusätzlich ausgegeben. Aber einen Schub kann der Plan ja nur entfalten, wenn nicht an anderer Stelle wieder gegengekürzt wird." Parallel zum Wiederaufbauplan müssten die fiskalpolitischen Regeln geändert werden, damit die Union langfristig stabil bleibt, sagt Truger. "Angeschlagene Staaten brauchen bei der Konsolidierung mehr Spielraum. Ohne dauerhafte Fiskalkapazität ginge es dann gar nicht."

Ist das der Einstieg in eine mögliche Schuldenunion?

Genau diese "dauerhafte Fiskalkapazität", also gemeinschaftliche Verschuldung als Zukunftsmodell, ist ein Streitpunkt unter Ökonomen. Zwar besteht weitgehende Einigkeit darüber, dass Next Generation EU rechtlich eindeutig als temporäres Instrument geplant ist, ohne dass es einen Automatismus gäbe, weitere Schulden aufzunehmen. Der Zeitrahmen ist klar: Bis 2026 können Kredite aufgenommen werden, innerhalb der darauffolgenden 32 Jahre müssen sie abbezahlt sein. Die politische Signalwirkung allerdings ist eine andere Frage.

Heinemann sieht das Problem, dass ein Präzedenzfall geschaffen werde – und hat nachgerechnet. "Sogar in einem vorsichtigen Szenario wird man mit den geplanten Rückzahlungsmodalitäten das Zehnfache tilgen können von dem, was man jetzt an Schulden macht", sagt er. "Das ist ein leichter Finanzierungsweg, der politisch ungeheuer verlockend ist." Für eine weitere oder gar dauerhafte Vergemeinschaftung von Schulden bräuchte es allerdings die erneute Ratifizierung – es müsste also der Bundestag zustimmen.

Und was, wenn etwas schiefgeht?

Die Staaten haften alle gemeinsam. Das bedeutet: Fällt einer aus, müssen alle einspringen. Die Gefahr, dass das passiert und deshalb etwa der Bundeshaushalt belastet wird – wovor der Bundesrechnungshof gewarnt hat – schätzen die Ökonomen aber als gering ein: "Die Wahrscheinlichkeit, dass hinsichtlich der Haftung etwas schiefgeht, ist klein. Es haftet der EU-Haushalt, nicht die Mitgliedsstaaten direkt", sagt Feld. Als Problem sieht er vor allem falsche Anreize für die Zukunft: "Man geht das Risiko ein, dass die Staaten sich immer weiter verschulden, auch in Nichtkrisenzeiten."

Natürlich gebe es Anreizprobleme, sagt dagegen Truger. Aber die Länder machten sich nicht schwach, sondern wollten auf die Beine kommen. "Wenn man nur die Probleme sieht und einander nur misstraut, dann kann man's auch sein lassen mit der Europäischen Union."

 

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Griechenland: Der Traum von Europas Kalifornien

Athen hat ambitionierte Pläne für den Einsatz der Corona-Hilfen vorgelegt. Es geht um bis zu 30 Milliarden Euro. Brüssel ist angetan vom Zukunftsprojekt "Greece 2.0".

Der Traum von Europas Kalifornien

Aus Brüssel kam umgehend eine wohlwollende Rückmeldung. Ursula von der Leyen, Präsidentin der Europäischen Kommission, twitterte am Mittwoch nur Positives über den nationalen Aufbau- und Resilienzplan, den die griechische Regierung eben nach Brüssel übermittelt hatte: "Gut zu sehen, dass er sich auf strategisch wichtige Bereiche für die Zukunft des Landes konzentriert", so die EU-Kommissionschefin, "grün und digital, Jobs, Qualifikationen, private Investitionen und Reformen". Wenn der Antrag die Prüfung bestehe, könne das Land mit bis zu 30,5 Milliarden Euro rechnen, im Rahmen des Aufbauprogramms "NextGenerationEU".

Insgesamt 672,5 Milliarden Euro will die Europäische Union bereitstellen, damit die wirtschaftlichen Schäden durch die Covid-Pandemie nicht nur gelindert werden - sondern damit ihre Mitgliedstaaten auch gestärkt und zukunftsfest aus der Krise hervorgehen können.

Athen hat aus dem Fonds 17,8 Milliarden Euro Zuschüsse beantragt und 12,7 Milliarden Euro zinsgünstige Darlehen. Für Griechenland ist das Programm besonders wichtig. Von der Euro- und Staatsschuldenkrise hatte es sich nach zehn Jahren gerade erst leidlich erholt, da kam im vergangenen Jahr das nächste Unheil: die Corona-Pandemie und der daraus folgende Einbruch des Tourismus weltweit. Zwar hat Athen die erste Welle im Frühjahr 2020 von vornherein viel flacher gehalten als andere europäische Länder - etwa durch einen frühen, umfassenden Lockdown und Reisebeschränkungen.

Es half, dass Wirtschaftsnobelpreisträger Pissarides schon einen Plan entwickelt hatte

Dennoch brachen die Buchungen ausländischer Gäste im Sommer massiv ein - ein schwerer Schlag für das Land, dessen Bruttoinlandsprodukt zu mehr als einem Fünftel vom Tourismus abhängt. Auch mindestens jeder fünfte Job ist an den Sektor gekoppelt, auf manchen Inseln ist der Anteil noch viel höher. Im Jahr 2020 schrumpfte das Bruttoinlandsprodukt um fast zehn Prozent.

Derzeit unternimmt die Regierung vieles, um in diesem Sommer bei den Reisebuchungen wenigstens wieder auf 50 Prozent des Niveaus von 2019 zu kommen: durch beschleunigtes Impfen, verschärfte Reisebeschränkungen innerhalb des Landes, die in dieser Woche verhindern sollen, dass das orthodoxe Osterfest zum landesweiten Superspreading-Ereignis wird, so kurz vor dem Start der Tourismussaison im Mai. Doch selbst wenn die Hoffnungen sich erfüllen, kann das Land Unterstützung von außen weiter dringend gebrauchen. Das Gesundheitssystem etwa, das wurde in der Pandemie besonders schmerzhaft deutlich, ist noch immer stark gebeutelt von den harten Sparmaßnahmen der vorherigen Jahre.

Dass es eines umfassenden Plans bedarf, um dem krisengeschüttelten Land nachhaltig auf die Beine zu helfen, wusste die Regierung bereits bei ihrem Amtsantritt im Juli 2019 und beauftragte den aus Zypern stammenden Wirtschaftsnobelpreisträger Christopher Pissarides damit, einen Plan für mehr Innovationen, Arbeitsplätze und Produktivität auszuarbeiten. Darauf konnte das Expertengremium jetzt aufbauen, als es seinen Plan für die Verwendung der beantragten EU-Aufbaugelder ausarbeitete. Die Ziele sind unverblümt ambitioniert: Griechenland solle zum "Kalifornien Europas" werden, so hat es Pissarides formuliert.

4104 Seiten dick ist die gebundene Ausgabe des nationalen Aufbau- und Resilienzplans, Titel "Greece 2.0", die der zuständige Vizefinanzminister Theodoros Skylakakis am Mittwoch in der Athener Vertretung der EU-Kommission übergab. 106 Investitions- und 67 Reformpläne sind darin aufgeführt. Ein Schwerpunkt ist, neben der Digitalisierung, der grüne Umbau der Wirtschaft. Wohnhäuser und öffentliche Gebäude sollen energieeffizient renoviert, Ladesäulen für Elektroautos gebaut, Wälder aufgeforstet, Biodiversität geschützt werden. Zudem will sich das Land in der Energieversorgung unabhängig von der im Norden geförderten Braunkohle machen.

Kampf gegen Steuerflucht steht auch im Programm

Neben der wirtschaftlichen soll auch eine "gesellschaftliche Transformation" des Landes vorangetrieben werden. So will die Regierung Steuerflucht entschlossener bekämpfen und Antidiskriminierungsprogramme auflegen. Und die Generation der unter 30-Jährigen, die von den Folgen der Pandemie besonders hat getroffen ist, soll zusätzlich unterstützt werden, mit Job- und Ausbildungsprogrammen, aber auch mit Zuschüssen für den Kauf von Computern.

In einem Gespräch mit der SZ sagte Premier Kyriakos Mitsotakis kürzlich, der Corona-Wiederaufbaufonds der EU biete eine "Chance, wie sie nur einmal in einer Generation vorkommt".

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Bericht: Frankreich blockiert Impfstoffbestellung der EU

1,8 Milliarden zusätzliche Impfstoffdosen will die EU bei Biontech bestellen. Doch Frankreich soll mit seiner Freigabe zögern. Das könnte schwerwiegende Konsequenzen haben. Mehr Infos im Newsblog.

Weltweit haben sich laut Johns-Hopkins-Universität mehr als 155,6 Millionen Menschen mit dem Coronavirus infiziert, rund 3,2 Millionen Erkrankte sind gestorben. In Deutschland sind mehr als 3,49 Millionen Menschen positiv getestet worden, wie das Robert Koch-Institut mitteilt. Die Zahl der Todesfälle im Zusammenhang mit einer Corona-Infektion liegt bei mehr als 84.400 (Stand: 7. Mai).
 
Frankreich blockiert Biontech-Bestellung in EU

Frankreich blockiert einer Zeitung zufolge eine Bestellung der EU-Kommission von bis zu 1,8 Milliarden Impfdosen der Hersteller Biontech/Pfizer. Die Mitgliedstaaten befürchteten nun, die EU könne mit ihrer Bestellung zu spät kommen und einen Teil des Kontingents verlieren, berichtete "Welt" vorab unter Berufung auf EU-Diplomaten.

"Das wäre eine Katastrophe, für die Frankreich verantwortlich wäre", zitierte das Blatt einen von ihnen. Über die Motive der Regierung in Paris werde spekuliert. Offenbar gehe es darum, Produktionskapazitäten für den Biontech-Impfstoff nach Frankreich zu holen und heimische Unternehmen stärker in die Fertigung einzubinden.

Mehr als 31 Prozent der Deutschen erstgeimpft

In Deutschland haben 31,5 Prozent der Menschen mindestens eine Corona-Impfung erhalten. Das teilte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) mit Verweis auf das Impfquotenmonitoring des Robert Koch-Instituts (RKI) am Freitag bei einer Pressekonferenz mit. Den vollen Impfschutz erhielten demnach bislang 8,8 Prozent der Bevölkerung.

Am Donnerstag wurden nach Angaben des RKI (Stand: 7. Mai, 10.10 Uhr) 932.495 Impfungen gemeldet. Der bislang höchste Tageswert seit Beginn der Impfkampagne war am Mittwoch vergangener Woche mit 1.116.608 Impfungen erreicht worden. Insgesamt verabreichten alle Impfstellen bislang knapp 33,6 Millionen Dosen, davon etwas mehr als 26,2 Millionen bei Erstimpfungen und weitere fast 7,4 Millionen bei Zweitimpfungen.

Je nach Bundesland variiert die Impfquote. Die höchste Quote an mindestens Erstgeimpften hat das Saarland mit 35,4 Prozent. Brandenburg liegt mit genau 28 Prozent leicht hinter den anderen Bundesländern zurück. Von etwa 35,7 Millionen gelieferten Impfdosen wurden bislang 94 Prozent verbraucht. Die Impfkampagne in Deutschland hat Ende vergangenen Jahres begonnen.

Erneut trauriger Rekord in Indien

Die Zahl der Neuinfektionen in Indien erreicht mit 414.188 einen neuen Rekordstand. Das Gesundheitsministerium gibt zudem 3.915 weitere Todesfälle bekannt. In dem Land mit mehr als 1,3 Milliarden Menschen sind damit insgesamt knapp 21,5 Millionen Fälle und 234.083 Tote verzeichnet.

Umfrage: Mehrheit gegen sofortige Lockerungen für Geimpfte

Der Abstimmung im Bundesrat über Lockerungen der Corona-Beschränkungen für Geimpfte und Genesene blicken die Menschen in Deutschland einer Umfrage zufolge mit gemischten Gefühlen entgegen. 40 Prozent der Befragten finden es grundsätzlich falsch, wenn Menschen, die vollständig geimpft sind oder bereits eine Corona-Infektion überstanden haben, von Maßnahmen wie Kontaktbeschränkungen und Ausgangssperren befreit werden. Das ergab eine repräsentative Umfrage von infratest dimap für den ARD-"Deutschlandtrend".

55 Prozent hingegen finden, dass solche Lockerungen in die richtige Richtung gehen. Sie sind allerdings den Angaben zufolge geteilter Meinung, was den Zeitpunkt angeht: Von den Lockerungs-Befürwortern finden es demnach 48 Prozent richtig, dass die Aufhebungen sofort gelten sollen. 51 Prozent sind allerdings der Meinung, dass die Freiheiten erst wieder greifen sollten, wenn mehr Menschen die Chance auf eine Corona-Impfung haben.

SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach, der in wenigen Wochen mit einer exponentiell fallenden Corona-Inzidenz rechnet, appellierte an die Bundesbürger, die Einschränkungen noch bis Ende Mai zu ertragen. "Wir haben ein Jahr und vier Monate durchgehalten. Wollen wir nicht noch diese drei Wochen durchhalten und dann den vollen Genuss haben?", sagte er am Donnerstagabend in der ZDF-Sendung "maybrit illner". Diese letzte Strecke der Mäßigung sei auch wichtig für die, "die jetzt noch kein Impfangebot haben können".

Einer von vielen Fehlern unserer Politik. Die Impfstoffe hätten nie über die EU bestellt werden dürfen. DER Fehler kostet den deutschen Bürger viel Geld, mindestens 50.000 Tote mehr und mindestens 6 Monate länger die Einschränkung seiner Menschenrechte.

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Will Paris Budgetregeln der Eurozone aufweichen?

 

Frankreichs Regierung scheint darauf hin zu arbeiten, die Maastricht-Kriterien für die Staaten der Eurozone zu ändern. Doch viele Ökonomen halten das für keine gute Idee.

In knapp einem Jahr sind in Frankreich wieder Präsidentschaftswahlen. Da scheint es kein Zufall, dass der Pariser Conseil d'Analyse Economique, ein Expertengremium, das der französischen Regierung nahesteht, gerade jetzt fordert, die Stabilitätsregeln für die Budgets der Staaten der Eurozone aufzuweichen. Auch, weil so manches Wahlkampfversprechen wohl die Ausgaben nach oben treiben würde.

Den sogenannten Maastricht-Regeln zufolge dürfen die Staatsschulden der Euro-Länder 60 Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts (BIP) nicht übersteigen. Ihr jährliches Haushaltsdefizit darf höchstens drei Prozent des BIP betragen. Ein trockenes Thema, dass jedoch in Frankreich Symbol ist für eine Art von Europa, die viele ablehnen. Präsident Emmanuel Macron scheint zu hoffen, mit einer solchen Idee in der Wählergunst zu steigen. Doch manche Ökonomen schlagen bei dem Vorschlag die Hände über dem Kopf zusammen.

"Anpassen, nicht abschaffen"

Die drei Autoren des Papers plädieren dafür, die Drei-Prozent-Obergrenze für das jeweilige Jahresdefizit ganz abzuschaffen. Die 60-Prozent-Regel zur Höhe der Gesamtschulden wollen sie der Situation eines jeden Mitgliedsstaates anpassen. Je mehr Spielraum ein Land habe, die Steuern zu erhöhen oder die Ausgaben zu senken, um in Krisenzeiten schnell Liquidität zu schaffen, desto höher solle die Schuldengrenze liegen.

"Wir wollen die Budget-Disziplin in der EU nicht abschaffen - die brauchen wir, um Rettungsaktionen für überschuldete Staaten zu verhindern", sagt Jean Pisani-Ferry, einer der Autoren, zu DW. Er ist Ökonom und lehrt unter anderem an der Universität Science Po in Paris. "Aber es ist nötig, diese Regeln der Realität anzupassen - sie ist einfach eine andere als Anfang der 90er Jahre." 1992 wurden die Maastricht-Kriterien von den EU-Staaten beschlossen.

"Natürliche" Staatsverschuldung?

Pisani-Ferry verweist vor allem auf die Zinsen für zehnjährige Staatsanleihen des französischen Staates, die in den vergangenen 30 Jahren von um die acht auf zurzeit etwas über null Prozent gefallen sind. "Es kostet den Staat also sehr wenig, Schulden zu haben", erklärt er. "Und wir denken, dass die Zinsen auch so niedrig bleiben werden."

Außerdem spricht der Ökonom von einer gewissen natürlichen Staatsverschuldung, die fundamental sei für ein "nachhaltiges Finanzsystem": "Es gibt eine stete weltweite Nachfrage für Staatsanleihen der Eurozone, was ja dazu führt, dass Staaten immer Schulden haben müssen."

Doch solche Worte lassen Marc Touati verzweifeln. Auch er ist Ökonom, arbeitet als Chef der Pariser Finanzberatung ACDEFI und gilt als liberal. "Wenn wir jetzt die Regeln ändern, öffnen wir die Büchse der Pandora", meint er zu DW. "Wir brauchen unsere finanzielle Glaubwürdigkeit, damit wir uns auch weiterhin zu guten Konditionen Geld leihen können - schließlich sind wir der schlechte Schüler der Eurozone: Fast ein Viertel aller Euro-Staatsanleihen kommen aus Frankreich." Die Staatsverschuldung des Landes liegt inzwischen bei fast 120 Prozent des BIPs.

Geld wird wieder teurer werden

Der Finanzexperte glaubt im Übrigen nicht daran, dass es bei den niedrigen Zinsen bleiben wird. "Sie sind im Moment deswegen so extrem gering, weil die Europäische Zentralbank (EZB) seit dem Jahr 2015 Milliarden Euro auf den Markt gebracht hat durch quantitative Lockerung, also den Aufkauf von Wertpapieren - dadurch ist das Leihen von Geld günstiger", sagt er. "Doch die EZB wird nach der Krise mit dem Gelddrucken aufhören. Und wenn es weniger Geld auf dem Markt gibt, wird es auch wieder teurer werden, sich dieses zu leihen." Es sei wichtig, dass Staaten das im Kopf behielten und jetzt nicht völlig haltlos Schulden ansammelten.

Dem stimmt Touatis Kollege Philippe Crevel, Ökonom und Chef der Denkschmiede Cercle de l'Epargne und ehemaliger Wirtschaftsberater der Konservativen, zu. "Es war in der Wirtschaftsgeschichte noch nie so, dass Zinsen dauerhaft sehr niedrig bleiben - warum sollte das jetzt anders sein", erklärt er gegenüber DW.

Auch widerspricht er Pisani-Ferrys These der natürlichen Staatsverschuldung. "In Frankreich herrscht generell die Meinung, dass man einfach immer weiter Geld ausgeben kann - es ist, als hätten die Leute nicht verstanden, dass man dieses Geld, im Sinne des Wirtschaftskreises, auch wieder 'reinbekommen muss."

Frankreichs starker Staat

So verlasse man sich seit den Zeiten von Napoléon, dessen zweihundertjährigen Todestag Frankreich in der vergangenen Woche beging, auf einen starken Staat, der den öffentlichen Dienst immer weiter ausbaut. "Dabei werden doch die EZB und Deutschland niemals zulassen, dass man die Schulden gar nicht zurückzahlt - das kommt ja letztendlich einem Bankrott gleich und hätte verheerende Auswirkungen auf die Eurozone."

Dennoch sagte Präsident Macron bereits 2019 gegenüber dem britischen Magazin The Economist, dass die Maastricht-Budgetregeln einem "anderen Jahrhundert" entstammten und fügte hinzu, dass Europa mehr Investitionen brauche. Bruno Cautrès, Politologe am Centre de Recherches Politiques der Universität Sciences Po in Paris, wundert es nicht, dass die Debatte jetzt wieder auf den Tisch kommt. "Er will als Europäer wahrgenommen werden, aber als solcher, der Europa verändert", meinte er gegenüber DW.

Maastricht-Kriterien: eine "Leitkritik"

Dabei sei eine Infragestellung der Maastricht-Kriterien sozusagen eine "Leitkritik" in Frankreich. "Vor allem Mitte-Links-Wähler haben diese Regeln schon immer kritisiert, weil sie das Gefühl haben, sie würden durch die Begrenzung der Ausgaben Staaten davon abhalten, Umverteilungspolitik umzusetzen." Cautrès glaubt, dass das Thema im anstehenden Wahlkampf eine große Rolle spielen wird. "Macron wird versuchen, dadurch mehr Wähler von links anzuziehen - selbst, wenn bisher seine Unterstützer eher von Mitte-rechts kommen", sagt er.

Aber Pisani-Ferry entgegnet, das Timing hätte auch mit der Covid-19-Krise zu tun: "Jetzt ist einfach ein guter Moment, um diese Debatte anzustoßen, weil die Staatsverschuldung durch die Krise sowieso stark angestiegen ist und es Sinn macht, die Schuldengrenze zu erhöhen", sagt er. Außerdem könne der Präsident das während Frankreichs EU-Ratspräsidentschaft in der ersten Hälfte 2022 auf die Agenda setzen.

Dennoch gibt er zu, dass es, selbst wenn die Regeln geändert würden, eher unwahrscheinlich ist, dass Frankreich seine 120 Prozent Staatsverschuldung beibehalten darf. "Dafür haben wir einfach nicht genug Spielraum, unsere sowieso schon sehr hohen Steuern weiter zu erhöhen und unsere Ausgaben zu senken. Letzteres würde in Frankreich auf extremen Widerstand stoßen", sagt er.

 

 

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EU-Sanktionen: Keine Angst vor Europas Maßnahmen

 

Die neuen Sanktionen gegen Belarus treffen vor allem die dortige Bevölkerung. Die EU wird nun mit den Folgen ihrer zögerlichen Politik konfrontiert.

Luftpiraterie, Staatsterrorismus, Entführung – Es sind harte Worte, die führende Politikerinnen und Politiker für den Vorfall in Belarus gefunden haben, bei dem ein Passagierflugzeug zur Notlandung gezwungen und der Blogger Roman Protasewitsch sowie dessen Freundin Sofia Sapega festgenommen wurden.

Aber welche Taten folgen den Worten? Die EU will die Sanktionen gegen Belarus ausweiten, wie ein Sprecher des Europäischen Rates am späten Montagabend mitteilte. "Der EU-Rat verurteilt die erzwungene Landung einer Ryanair-Maschine in Minsk aufs Schärfste", heißt es in einem veröffentlichten Dokument: Der Rat fordere die "sofortige Freilassung von Roman Protasewitsch und Sofia Sapega."

Konkrete Sanktionen betreffen vor allem den Luftverkehr zwischen der EU und Belarus. Belarussische Fluggesellschaften wie die staatliche Linie Belavia sollen künftig nicht mehr den Luftraum der EU nutzen oder von Flughäfen in der EU starten und landen dürfen. Europäische Gesellschaften sollen nicht mehr nach Belarus fliegen und den Luftraum meiden – was einige nach der Flugzeugentführung am Sonntag ohnehin schon praktizieren.

Die EU will zudem die Sanktionsliste von Personen und Unternehmen ausweiten, erstmals werden auch Wirtschaftssanktionen in Aussicht gestellt. Welche, wurde zunächst nicht konkretisiert.

Betroffen ist vor allem die Bevölkerung

Darüber, dass Sanktionen den "letzten Diktator Europas" Alexander Lukaschenko beeindrucken, macht sich wohl niemand mehr wirkliche Illusionen. Es geht der EU auch darum, ein Zeichen zu setzen. Immerhin handelt es sich um einen eklatanten Bruch im internationalen Luftverkehr, der nicht zu einem Präzedenzfall werden soll.

Russland nannte die Maßnahmen nach deren Verkündung "schockierend", Kritik gab es aber auch von anderer Seite. "Belarus wird dadurch praktisch von der Außenwelt abgeschnitten und isoliert", sagt Maryna Rakhlei vom German Marshall Fund. Dass Flüge der belarussischen Fluggesellschaft Belavia von und in die EU nun verboten sein sollen, treffe vor allem die belarussische Bevölkerung, die ohnehin unter Reisebeschränkungen in der Pandemie und der internationalen Isolation leidet. Belarus ist immerhin das Land mit der höchsten Anzahl von Schengen-Visa pro Kopf. Viele Optionen bleiben den Belarussen nicht mehr, aufgrund der Pandemie ist das Reisen, wie etwa nach Russland, ohnehin stark eingeschränkt.

Zugleich stellt das Flugverbot ausgerechnet für jene eine zusätzliche Hürde dar, die gerade vor diesem Regime und ihren Repressionen fliehen wollen, sagt die Politologin Katsiaryna Shmatsina. "Der Minsker Flughafen ist inzwischen der letzte Ausweg für viele Belarussen." Umso mehr, als es seit Dezember 2020 praktisch verboten ist, die Grenzen auf dem Landweg zu überqueren. Ein neuer eiserner Vorhang, im Himmel über Belarus.

Kritikpunkte, die auch die Politologin Maryia Rohava nachvollziehen kann. Aber: "Alles andere hätte die Schwäche der EU gezeigt, im Umgang mit derart bedauerlichen Aktionen", sagt sie. Sie fordert, die Wiederaufnahme des gegenseitigen Flugverkehrs an die Freilassung Protasewitschs und Sapegas oder zumindest andere Zugeständnisse geknüpft werden, unabhängig vom generellen EU-Belarus-Sanktionspaket.

Tatsächlich ist es nicht einfach für die EU, das autokratische Regime in Minsk empfindlich zu treffen, ohne den Menschen im Land, die seit Monaten unter beispiellosen Repressionen leiden, das Leben noch schwerer zu machen. Gerade Wirtschaftssanktionen werden es vielen schwerer machen. Zugleich gibt es die Befürchtung, Lukaschenko noch mehr in die Arme Russlands zu treiben. Eine toxische Umarmung, in der sich Lukaschenko jedoch selbst begeben hat. Nach der gefälschten Präsidentschaftswahl im August und der Niederschlagung der Proteste ist er international isoliert, die EU erkennt ihn nicht einmal als den legitimen Präsidenten seines Landes an.

Mit der Affäre wird die EU ihrer bisher so passiven und zögerlichen Belarus-Politik konfrontiert. Die Aktion war wohl von langer Hand geplant. Die Furcht vor der internationalen Reaktion hielt Lukaschenko und seinen Sicherheitsapparat, die "silowiki", scheinbar nicht von ihren Plänen ab. "Die EU-Sanktionen waren von Anfang an sehr schwach", kritisiert auch Rohava, die an der Universität Oslo forscht. Durch ihre Zahnlosigkeit hätten sie zumindest mitgeholfen, bei Lukaschenko ein Klima der Straflosigkeit zu erzeugen. "Die politische Krise in Belarus dauert bereits neun Monate", sagt Rohava, ein viertes Sanktionspaket war im Gespräch, wurde aber wieder verschoben.

In der Region gescheitert

Am Ende hätten für Lukaschenko die "politischen und ideologischen Dividenden" dieser Aktion überwogen, sagt der Politologe und Lukaschenko-Biograf Walerij Karbalewitsch. Den ins Ausland geflohenen Belarussen zu signalisieren, "wie lange sein Arm ist", aber auch Protasewitsch im Land für seine eigene Propaganda zu missbrauchen. Inzwischen sickern Details darüber durch, was Protasewitsch seit Sonntag ausgesetzt ist. "Sie werden mich töten", soll er bereits gesagt haben, als die Maschine in Minsk zur Notlandung aufsetzte.

Gestern Abend lud ein Lukaschenko-naher Telegram-Kanal ein Video hoch. Protasewitsch, sichtlich von Schlägen und Folter gekennzeichnet, bekennt sich darin zu den ihm vorgeworfenen Taten und räumt ein, Massenunruhen organisiert zu haben. Ihm droht eine sehr lange Haft.

Und Russland? Rohava vermisst eine "gesamt-osteuropäische Dimension" der EU-Strategie östlich ihrer Außengrenzen, die auch Russland, das Lukaschenko wesentlich finanziell und politisch stützt, miteinbezieht. "Es ist nicht nur, dass die Sanktionen gegen Belarus bisher gescheitert sind", sagt sie, "sondern die gesamte osteuropäische Dimension und das EU-Engagement in der Region."

 

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Beim EU-Gipfel droht erneut Zoff um den Klimaschutz

Wer muss wie viel tun für den Klimaschutz? Für die EU-Staaten ist das traditionell eine heikle Debatte. Die Bundeskanzlerin kommt mit einem Angebot im Gepäck nach Brüssel. Aber die zentralen Fragen bleiben.

Nach der unerwarteten außenpolitischen Krise um Belarus wendet sich der EU-Gipfel an diesem Dienstag einem heiklen innereuropäischen Thema zu: Wie schafft die Europäische Union gemeinsam ihr verschärftes Klimaziel für 2030? Dass Deutschland vor wenigen Tagen mit einem eigenen neuen Ziel vorgeprescht ist, könnte helfen: Die größte Volkswirtschaft der EU erklärt sich bereit, weitere Lasten zu schultern. Trotzdem bahnt sich ein langwieriger Streit der 27 Staaten an. Denn es geht unter anderem um viel Geld.

Hier können Sie den Tagesanbruch kostenlos abonnieren, dann bekommen Sie ihn an jedem Werktagmorgen um 6 Uhr geschickt:

Formularbeginn

 

Die Staats- und Regierungschefs hatten im Dezember vereinbart, den Ausstoß von Klimagasen bis 2030 um mindestens 55 Prozent unter den Wert von 1990 zu bringen – statt bisher 40 Prozent. Schon das gelang nur nach einer endlosen Nachtsitzung und einem sehr hartnäckigen Streit mit dem Kohleland Polen. Nun geht es um die Umsetzung. Die EU-Kommission will dazu am 14. Juli ihr Paket "Fit für 55" mit zwölf Maßnahmen vorlegen. Vorher wollen die EU-Staaten beim Gipfel Pflöcke einrammen. Nur sind sie sich dabei nicht einig.

"Deutschland ist in Vorleistung getreten"

Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte immerhin ein Angebot dabei. "Deutschland ist in Vorleistung getreten, wir haben unsere nationalen Ziele verschärft und wollen Klimaneutralität bereits bis 2045 erreichen", sagte die CDU-Politikerin am Montagabend in Brüssel. Getrieben wurde die Regierung durch ein Verfassungsurteil. Aber damit liegt Deutschland nun ziemlich genau auf dem künftigen EU-Kurs.

"Das neue deutsche Klimaziel von minus 65 Prozent Treibhausgase bis 2030 passt ziemlich gut zu dem neuen EU-Ziel von mindestens minus 55 Prozent im Vergleich zu 1990", bestätigt Klimaexperte Jakob Graichen vom Ökoinstitut in Berlin. Trotzdem ist aus seiner Sicht nicht ausgeschlossen, dass Deutschland nachbessern muss. Das hängt davon ab, an wie vielen Schräubchen gedreht wird.

"EU-weite sektorale Maßnahmen" stärken

Traditionell fährt die EU beim Klimaschutz zweigleisig. Der europäische Emissionshandel ETS soll die Klimagase aus Energieerzeugung, Industrie und Luftfahrt drücken; bei den übrigen großen Verursachern wie Verkehr, Gebäude, Landwirtschaft und Müll setzt man auf Lastenteilung – im Englischen etwas freundlicher "Effort Sharing" genannt. Das bedeutet, die nötige Reduzierung der Klimagase in diesen Sektoren wird mit nationalen Zielen unter den 27 Staaten aufgeteilt. Jetzt muss in beiden Strängen nachgelegt werden.

Im Entwurf der Gipfelerklärung sind einige Eckpunkte genannt: Man will weiter nationale Ziele, die Lastenteilung soll wie bisher "breit angelegt" sein, und zur Verteilung sollten dieselben Kriterien gelten wie bisher. Zugleich betont man die Notwendigkeit, "EU-weite sektorale Maßnahmen" zu stärken. Zahlen werden noch nicht erwähnt.

Der Entwurf ist sehr allgemein. Das heißt aber nicht, dass er unumstritten wäre – im Gegenteil. Ob die Erklärung überhaupt zustande kommt, sei unklar, hieß es vor dem Gipfel von Diplomaten.

Alle sollen bis 2050 klimaneutral werden

Eine der Streitfragen: Müssen die östlichen EU-Staaten mehr tun – und wie viel finanzielle Hilfe bekommen sie dafür? Bisher hatten sie geringere Vorgaben, weil sie wirtschaftlich aufholen sollen. So muss Bulgarien nach derzeitigen Regeln bis 2030 gar keine Treibhausgas-Minderung in den Sektoren erreichen, die nicht vom Emissionshandel erfasst sind. Für Rumänien sind es minus 2 Prozent, für Polen minus 7 Prozent im Vergleich zu 2005. Im EU-Schnitt sind es hingegen für diese Sektoren bisher minus 30 Prozent, für Deutschland minus 38 Prozent, für Luxemburg und Schweden sogar minus 40 Prozent.

"Der Abstand zwischen armen und reichen EU-Ländern bei den geforderten Anstrengungen für den Klimaschutz muss schrittweise verkleinert werden, weil alle bis 2050 klimaneutral werden sollen", sagt Graichen. "Länder wie Bulgarien müssten also künftig mehr tun als unter der bisherigen Vereinbarung zur Lastenteilung." Widerstand ist absehbar. Polen gilt dabei als größter Bremser. EU-Diplomaten mutmaßen, dass sich das Land zumindest weitere Hilfen für den Kohleausstieg sichern will, auch wenn dafür bereits Geld aus Brüssel zugesagt ist.

Wegen hoher Kosten in Technik investieren

Der zweite Knackpunkt: Soll der Emissionshandel ausgeweitet werden und künftig auch den Verkehr und Gebäude erfassen? Das sei "eine konkrete Möglichkeit", sagte EU-Kommissionsvize Frans Timmermans vor einigen Tagen. Das würde bedeuten, dass auch für den Verbrauch von Kraft- oder Heizstoffen EU-weit einheitlich Verschmutzungsrechte benötigt würden, ähnlich wie für die Abgase aus Kraftwerken oder Fabriken. Hohe Kosten sollen Anreiz sein, in neue Technik zu investieren.

Deutschland hat das auf nationaler Ebene gerade eingeführt, und Merkel lässt erkennen, dass sie die Ausweitung auf EU-Ebene unterstützt. Im Kreis der EU-Staaten sei Deutschland damit aber isoliert, orakeln die Grünen im Europaparlament. Sie sind selbst strikt gegen die Ausweitung des EU-Emissionshandels auf Verkehr und Gebäude und warnen, dass ein hoher CO2-Preis ohne Ausgleich direkt Verbraucher treffen würde. Ihr Argument: Besser Autobauern niedrigere Abgaswerte vorschreiben, als Autofahrern untragbare Kosten aufbürden.

Es geht also um Richtungsentscheidungen, aber mangels Einigkeit werden die EU-Staaten wohl doch erstmal die Vorschläge der Kommission abwarten. Im Herbst dürfte der Streit dann richtig heiß laufen, sagen Diplomaten

 

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Nach erzwungener Flugzeuglandung  

Belarus droht der EU mit Sanktionen

Die EU hat nach der erzwungenen Landung eines Passagierjets mit einem regierungskritischen Blogger an Bord schon erste Sanktionen gegen Belarus verhängt. Machthaber Lukaschenko droht nun mit Vergeltung.  

Nach der Zwangslandung eines Passagierflugzeugs und der Festnahme eines regierungskritischen Bloggers in Minsk droht Belarus seinerseits mit Sanktionen gegen die EU. "Wir werden nicht schweigen und niederknien", sagte Machthaber Alexander Lukaschenko am Mittwoch im Parlament in der Hauptstadt Minsk. Der 66-Jährige ließ in seiner vom Staatsfernsehen übertragenen Rede aber offen, welche Strafmaßnahmen genau kommen sollen. Die EU will Diplomaten zufolge mit ihren geplanten neuen Sanktionen unter anderem die für die Devisenbeschaffung von Belarus wichtige Kali-Industrie treffen. Die Opposition forderte einmal mehr ein hartes Durchgreifen der westlichen Länder gegen die autoritäre Führung in Minsk.

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Lukaschenko äußerte sich erstmals nach der erzwungenen Landung am Sonntag und verteidigte zugleich das Vorgehen. "Ich habe rechtmäßig gehandelt, indem ich die Menschen geschützt habe – nach allen internationalen Regeln", sagte er. Die Behörden hatten die Landung am Sonntag genutzt, um den Regierungskritiker Roman Protassewitsch am Flughafen festnehmen zu lassen. Den Blogger bezeichnete Lukaschenko als "Terroristen". Der 26-Jährige und seine Helfer hätten einen "blutigen Aufstand" in Belarus geplant, behauptete der Machthaber.

Die Behörden der autoritär regierten Republik hatten das Flugzeug der irischen Airline Ryanair auf dem Weg von Griechenland nach Litauen mit einem Kampfjet vom Typ MiG-29 zur Landung gebracht – angeblich wegen einer Bombendrohung. Die stellte sich später als Fehlalarm heraus. Mehr als 100 Menschen waren an Bord, darunter Protassewitsch und seine Freundin Sofia Sapega. Beide wurden festgenommen.

Flugverbot für Belarus

Die EU hat wegen der Geschehnisse bereits neue Sanktionen gegen den Machtapparat in Belarus auf den Weg gebracht. Dazu gehört ein Flugverbot für Fluggesellschaften der früheren Sowjetrepublik. Nach Lukaschenkos Worten wurden damit "mehrere rote Linien überschritten". Regierungschef Roman Golowtschenko zufolge wird Belarus handeln. "Diese Maßnahmen werden für die Länder, die eine offen feindselige Haltung eingenommen haben, ziemlich schmerzhaft sein." Dazu zählten Beschränkungen beim Transit, sagte er, ohne Details zu nennen.

In Brüssel strebt man an, dass die geplanten Sanktionen gegen ausgewählte Wirtschaftszweige im Idealfall noch vor dem Sommer in Kraft treten. Unterschiedliche Interessen der EU-Staaten könnten allerdings noch zu Verzögerungen führen. So ist unklar, ob auch die Mineralölindustrie ins Visier genommen wird.

Offen ist Diplomaten zufolge auch, ab wann der Luftraum der EU für belarussische Fluggesellschaften komplett gesperrt wird. Die staatliche Fluglinie Belavia flog am Mittwoch etwa nach Frankfurt am Main und Rom, während eine andere Maschine mit Ziel Barcelona wieder nach Minsk umkehren musste, weil Frankreich laut Belavia keine Überfluggenehmigung erteilte.

Nato-Staaten stellen sich hinter Sanktionen

Die Fluggesellschaft Air France berichtete von einem Flug von Paris nach Moskau, der "aus betrieblichen Gründen im Zusammenhang mit der Umgehung des belarussischen Luftraums" und der Erfordernis einer "neuen Genehmigung der russischen Behörden zur Einreise in ihr Hoheitsgebiet" gestrichen werden musste. Gleiches gelte für den Rückflug. Von russischer Seite gab es zunächst keine Bestätigung.

Das Thema der Luftraumsperrungen erfordere noch Diskussionen unter den EU-Staaten, hieß es. Einzelne Mitgliedstaaten hätten aber bereits ihre nationalen Luftverkehrsabkommen mit Belarus annulliert. So sprach Polen am Abend ein entsprechendes Verbot aus. Mehrere Airlines wollen zudem ihre Maschinen nicht mehr über die Ex-Sowjetrepublik fliegen lassen.

Die Nato-Staaten stellten sich hinter die auf den Weg gebrachten neuen Sanktionen gegen das Land. "Die Nato-Verbündeten fordern Belarus auf, die grundlegenden Menschenrechte und Grundfreiheiten zu achten und die regelbasierte internationale Ordnung zu respektieren", hieß es in einer Erklärung des Nordatlantikrats. Er besteht aus Vertretern aller 30 Mitgliedstaaten und ist das wichtigste politische Entscheidungsgremium des westlichen Militärbündnisses.

Die Inhaftierung von Protassewitsch verurteilte der Nordatlantikrat als Affront gegen die Grundsätze der Pressefreiheit und das Recht auf politische Meinungsverschiedenheiten. Der Blogger und seine Partnerin müssten umgehend und bedingungslos freigelassen werden.

Zahlreiche derzeitige und frühere Mitglieder des UN-Sicherheitsrats sprachen von einer "neuen und extrem gefährlichen Phase der Kampagne der Behörden von Belarus zur Unterdrückung des eigenen Volkes", wie es in einer Mitteilung der UN-Vertretung Estlands hieß, die von Deutschland, Frankreich, Irland, Belgien, Norwegen, Großbritannien und den USA unterstützt wurde.

Moskau verteidigt Nachbarland

Zuvor hatten Estland, Irland und Norwegen das Thema am Rande einer Sitzung des UN-Sicherheitsrats angesprochen. Eine gemeinsame Erklärung aller 15 Mitglieder des mächtigsten UN-Gremiums scheiterte aber unter anderem am Widerstand Russlands. Moskau hatte noch Stunden zuvor einmal mehr das verbündete Nachbarland verteidigt. Es gebe keinen Grund, an der von Minsk verbreiteten Version zu zweifeln, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow der Agentur Interfax zufolge.

Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja, die gegen Lukaschenko bei der Präsidentenwahl im vergangenen August angetreten war und nun im Exil lebt, rief die EU zur Verabschiedung eines neuen Sanktionspakets auf. "Ich fordere das Europäische Parlament auf, dafür zu sorgen, dass die Reaktion der internationalen Gemeinschaft nicht auf den Vorfall mit dem Ryanair-Flug beschränkt wird", schrieb sie in ihrem Nachrichtenkanal bei Telegram.

Die EU will weitere Strafmaßnahmen gegen Personen, Unternehmen und Organisationen beschließen, die eine direkte Mitverantwortung für die Zwangslandung der Ryanair-Maschine und die Unterdrückung der Opposition in dem Land haben. Geplant seien mehrere Dutzend neue Einträge in die EU-Sanktionsliste, hieß es am Mittwoch. Der notwendige Beschluss dafür könne beim Außenministertreffen am 21. Juni getroffen werden

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Gemischtes Echo auf EU-Einigung zur Offenlegung der Steuern

Brüssel. Großunternehmen, die in der EU grenzüberschreitend tätig sind, müssen künftig ihre Steuerzahlungen offenlegen. Das hat die EU jetzt beschlossen. Das solle zu mehr Steuergerechtigkeit führen.

Nach jahrelangem Ringen haben sich die Unterhändler von EU-Staaten und Europaparlament auf ein besseres Vorgehen gegen Steuervermeidung durch grenzüberschreitend tätige Großunternehmen verständigt. Sie vereinbarten am Dienstagabend, dass Firmen mit mehr als 750 Millionen Euro Umsatz künftig für jedes EU-Land sowie mehrere Steueroasen ihre Gewinne und Steuerzahlungen veröffentlichen müssen. Vertreter beider Seiten lobten einen wichtigen Schritt hin zu mehr Steuergerechtigkeit. Aber es gab auch Kritik und Warnungen vor überzogenen Erwartungen.

Strategien großer multinationaler Unternehmen zur Steuervermeidung brächten EU-Länder jährlich um Einnahmen von schätzungsweise mehr als 50 Milliarden Euro, erklärte Portugals Wirtschaftsminister Pedro Siza Vieira, dessen Land derzeit den Vorsitz unter den EU-Staaten innehat. Die bisher fehlende Offenlegungspflicht erleichtere solche Praktiken.

Das Thema sorgt seit mittlerweile fast fünf Jahren für Streit in der EU. Die EU-Kommission hatte einen entsprechenden Gesetzesentwurf 2016 im Nachgang der Enthüllungen der LuxLeaks- und Panama-Papers zu internationaler Steuerhinterziehung und -vermeidung vorgelegt. Sie hatten gezeigt, dass Großunternehmen Gewinne zwischen EU-Staaten geschickt verschieben, um teils so gut wie keine Steuern zu zahlen.

Der Vorstoß war in den vergangenen fünf Jahren von mehreren Mitgliedstaaten blockiert worden, darunter Luxemburg und Irland, die Großunternehmen mit niedrigen Steuersätzen locken und sich in der EU regelmäßig Vorwürfen eines unfairen Steuerwettbewerbs ausgesetzt sehen. Die Bundesregierung musste sich bei Abstimmungen über das Thema enthalten: Denn die SPD war dafür, CDU und CSU aber dagegen.

Die neue Regelung sieht vor, dass große Firmen zur Offenlegung ihrer Gewinne und Steuerzahlungen für alle 27 EU-Länder sowie Staaten veröffentlichen müssen, die auf der sogenannten Schwarzen Liste der Steueroasen der EU stehen. Das Europaparlament sprach in einer Erklärung von einem „Meilenstein“ bei der Steuertransparenz.

Der grüne Europaabgeordnete Sven Giegold sah ein „scharfes Schwert gegen Steuervermeidung“. Denn die Offenlegungspflicht mache die Praktiken sichtbar und könne für Unternehmen zu „Reputationsschäden“ führen. Der SPD-Abgeordnete Bernd Lange erklärte, die Offenlegung könne das „Ende des unsäglichen Systems staatlich unterstützten Steuerdumpings in der EU einläuten“.

Skeptisch zeigte sich dagegen der CSU-Abgeordnete Markus Ferber. Er sah lediglich“einen kleinen Schritt zu mehr Steuertransparenz“. Alle Informationen, die nun öffentlich gemacht werden sollten, seien den Steuerbehörden bereits bekannt. „Der Mehrwert dieser Richtlinie wird überschaubar bleiben.“

Die Anti-Korruptionsinitaitive Transparency International zeigte sich „bitter enttäuscht“. Denn der Kompromiss ermögliche „riesige Schlupflöcher, die es Unternehmen weiter erlauben, die meisten ihrer Steuervereinbarungen geheim zu halten“. Tatsächlich gibt es Ausnahmeregelungen. Die Offenlegungspflicht kann fünf Jahre lang umgangen werden, wenn es um sensible Geschäftsgeheimnnisse geht.

Die Linke im Europaparlament und Organisationen wie Oxfam oder Attac kritisierten, dass die Regelung auf 46 Länder beschränkt sei. „Diese Einigung lässt mehr als 80 Prozent der Länder der Welt außen vor, darunter auch berüchtigte Steueroasen wie die Bahamas, die Schweiz und die Kaimaninseln, für die die Unternehmen keine Informationen veröffentlichen müssen“, erklärte die französische Linken-Abgeordnete Manon Aubry.

Die vorläufige Einigung der Unterhändler muss nochmals vom Europaparlament und den Mitgliedstaaten bestätigt werden. Nach Inkrafttreten der Richtlinie haben die Mitgliedstaaten 18 Monate Zeit, sie in nationales Recht umzusetzen.

 

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Merz kritisiert neuen EZB-Kurs – „Verbraucher spüren Preisanstieg jeden Tag“

 

Der CDU-Politiker Friedrich Merz hat den Kurs der Europäischen Zentralbank (EZB) zur Inflation kritisiert. Gegenüber dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ verwies Merz auf negative Auswirkungen für Verbraucher. „Die so bezeichnete neue geldpolitische Strategie lässt nicht erkennen, von welchen mittelfristigen Inflationserwartungen der EZB-Rat im Sommer 2021 denn ausgeht. Die Verbraucher spüren den Preisanstieg dagegen jeden Tag: beim Einkaufen, an der Tankstelle, bei den Mieten und beim Erwerb von Immobilien“, sagte er.

Die Flucht in die Sachwerte halte an, und auch nach der jüngsten Sitzung des EZB-Rates an diesem Donnerstag werde nicht erkennbar, ob die Periode der extrem niedrigen Zinsen und der Aufkaufprogramme bei den Anleihen auch irgendwann einmal ende. Merz betonte: „Dazu hätte ich mir - ähnlich wie von der Notenbank der USA - einen ersten kleinen Hinweis gewünscht.“

Für die Zukunft zeigte sich Merz skeptisch, dass ein Kurswechsel noch gelingen kann. Wenn stattdessen das Inflationsziel neu definiert werde, liege eher die Vermutung nahe, dass die Mehrheit im EZB-Rat die Währungspolitik der letzten Jahre auch dann fortsetzen wolle, wenn die Inflationsrate über einen längeren Zeitraum über der Marke von zwei Prozent liege.

Die EZB hatte am Donnerstag ihr Inflationsziel zum ersten Mal seit knapp 20 Jahren geändert. Bislang war eine jährliche Teuerungsrate von „unter, aber nahe zwei Prozent“ angestrebt worden. Dieses Ziel wurde nun auf zwei Prozent erhöht. Zugleich schufen sich die Währungshüter mehr Flexibilität: Zeitweise „moderat über dem Zielwert“ liegende Raten sollen künftig akzeptiert werden, hieß es.

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Merz kritisiert neuen EZB-Kurs – „Verbraucher spüren Preisanstieg jeden Tag“

 

Der CDU-Politiker Friedrich Merz hat den Kurs der Europäischen Zentralbank (EZB) zur Inflation kritisiert. Gegenüber dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ verwies Merz auf negative Auswirkungen für Verbraucher. „Die so bezeichnete neue geldpolitische Strategie lässt nicht erkennen, von welchen mittelfristigen Inflationserwartungen der EZB-Rat im Sommer 2021 denn ausgeht. Die Verbraucher spüren den Preisanstieg dagegen jeden Tag: beim Einkaufen, an der Tankstelle, bei den Mieten und beim Erwerb von Immobilien“, sagte er.

Die Flucht in die Sachwerte halte an, und auch nach der jüngsten Sitzung des EZB-Rates an diesem Donnerstag werde nicht erkennbar, ob die Periode der extrem niedrigen Zinsen und der Aufkaufprogramme bei den Anleihen auch irgendwann einmal ende. Merz betonte: „Dazu hätte ich mir - ähnlich wie von der Notenbank der USA - einen ersten kleinen Hinweis gewünscht.“

Für die Zukunft zeigte sich Merz skeptisch, dass ein Kurswechsel noch gelingen kann. Wenn stattdessen das Inflationsziel neu definiert werde, liege eher die Vermutung nahe, dass die Mehrheit im EZB-Rat die Währungspolitik der letzten Jahre auch dann fortsetzen wolle, wenn die Inflationsrate über einen längeren Zeitraum über der Marke von zwei Prozent liege.

Die EZB hatte am Donnerstag ihr Inflationsziel zum ersten Mal seit knapp 20 Jahren geändert. Bislang war eine jährliche Teuerungsrate von „unter, aber nahe zwei Prozent“ angestrebt worden. Dieses Ziel wurde nun auf zwei Prozent erhöht. Zugleich schufen sich die Währungshüter mehr Flexibilität: Zeitweise „moderat über dem Zielwert“ liegende Raten sollen künftig akzeptiert werden, hieß es.