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News aus der EU

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Was würde passieren, wenn die Ukraine der EU beitreten würde?

Einen baldigen und unkomplizierten EU-Beitritt der Ukraine kann man sich nur schwer vorstellen. Geplagt von tiefgreifenden strukturellen Problemen - ganz zu schweigen von Russlands zermürbender Invasion - könnte es viele Jahre dauern, bis das Land der Europäischen Union beitreten kann.

Dennoch ist der ukrainische Beitritt ein aktuell diskutiertes Thema, und unter Analysten und politischen Entscheidungsträgern toben Debatten darüber, was ein Beitritt des umkämpften Landes in der Praxis bedeuten würde.

Das Gravitationszentrum würde sich nach Osten verlagern

Die Ukraine, in der rund 40 Millionen Menschen leben, würde im Falle eines Beitritts zum fünftgrößten Mitglied der Union und zur größten Landmasse aufsteigen.

Dies hätte erhebliche geopolitische Auswirkungen und würde den Weg für eine neue Achse Warschau-Kiew ebnen, die mit der traditionellen Achse Paris-Berlin konkurrieren könnte, so Professor Michael Keating von der Universität Aberdeen in Schottland.

Weil der "alte deutsch-französische Motor nicht mehr das ist, was er einmal war... könnten wir sicherlich eine große Verschiebung des Kräfteverhältnisses innerhalb der EU erleben", sagt er gegenüber Euronews, obwohl die Ukraine selbst "nicht sehr mächtig" wäre.

Die Erweiterung könnte die Einheit und den Zusammenhalt des Clubs der 27 Mitgliedstaaten weiter belasten. "Je größer die Europäische Union wird, desto schwieriger wird es, Entscheidungen zu treffen und gemeinsam zu handeln", so Keating.

Schon jetzt gibt es innerhalb der EU heftige Auseinandersetzungen zwischen westlichen und südlichen, östlichen und nördlichen Staaten über den Charakter der Union und seiner Ziele.

Die relativ neuen Mitglieder Ungarn und Polen - beide sind im Jahr 2004 beigetreten - sind Brüssel ein besonderer Dorn im Auge. Sie wurden bereits wegen Untergrabung von Rechtsstaatlichkeit und Demokratie sanktioniert.

Die Protestbewegung Euromaidan in der Ukraine wurde ausgelöst, nachdem der ehemalige Präsident Viktor Janukowitsch ein Abkommen mit der EU aufgekündigt hatte. VOLODYMYR SHUVAYEV/AFP

Die Protestbewegung Euromaidan in der Ukraine wurde ausgelöst, nachdem der ehemalige Präsident Viktor Janukowitsch ein Abkommen mit der EU aufgekündigt hatte. VOLODYMYR SHUVAYEV/AFP© Bereitgestellt von Euronews Deutsch

Auch Geld spielt eine Rolle

Schon bevor der Krieg ihre Wirtschaft in den Ruin trieb, war die Ukraine eines der ärmsten Länder Europas. Das Pro-Kopf Bruttoinlandsprodukt lag 2021 bei 4.451 Euro - mehr als zehnmal weniger als in fortgeschrittenen europäischen Volkswirtschaften wie Großbritannien, Frankreich und Deutschland.

Nach Ansicht von Jolyon Howorth, Havard-Professor für europäische Politik, würde die Integration eines so geschundenen und zerschlagenen Landes "horrende Kosten" verursachen.

Eine Integration könnte die EU-Finanzen belasten und möglicherweise Gelder von ärmeren Mitgliedsstaaten wie Polen, Griechenland, Ungarn und Rumänien abziehen, die 2022 alle Nettoempfänger waren.

Doch das hat es schon einmal gegeben. Begleitet von "ein wenig Murren" derjenigen, die Geld verloren haben, habe sich die EU-Finanzierung auch 2004 und 2007 mit der EU-Erweiterung nach Osten und Süden verändert.

"Das ist Teil des normalen Anpassungsprozesses", so Keating gegenüber Euronews. "Sie verlieren Mittel, weil sie sich entwickeln. Das ist kein großes Problem. Es ist schwierig, sich darüber zu beschweren, dass sie reicher werden."

Ukrainische Arbeitskräfte in Polen

Langfristig könnte die Ukraine von einem Beitritt in die EU, dem reichsten Handelsblock der Welt, wirtschaftlich profitieren, insbesondere durch die Anziehung ausländischer Investitionen.

Außerdem könnten die EU-Aufnahmekriterien die Ukraine dazu bringen, tief sitzende strukturelle Probleme wie die Korruption, ein endemisches Übel in dem Land, anzugehen.

Professor Keating warnt jedoch auch: In vielen Staaten habe die EU-Mitgliedschaft die regionalen Ungleichheiten verstärkt. Die Bewohner der Region um die litauische Hauptstadt Vilnius beispielsweise haben ein fast dreimal so hohes Pro-Kopf-BIP wie die Bewohner der ärmsten Region des Landes.

Ähnliches sei auch in der Ukraine denkbar, so Keating. Wenn Investitionen sich auf den Großraum Kiew konzentrieren, könnten die Regionen im Osten, wo die politischen Spannungen am größten sind, noch stärker an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden.

Zerstörung in der Ukraine Alexei Alexandrov/Copyright 2022 The AP. All rights reserved

Zerstörung in der Ukraine Alexei Alexandrov/Copyright 2022 The AP. All rights reserved© Bereitgestellt von Euronews Deutsch

Kurzfristig, so Havard-Professor Howorth, sei es "fast unvermeidlich", dass es zu Migrationsströmen aus der Ukraine komme. Jeder Massenzustrom ukrainischer Arbeitskräfte birgt das Risiko einer möglichen politischen Gegenreaktion in den bestehenden Mitgliedsstaaten - unabhängig von ihrem wirtschaftlichen Beitrag.

Großbritannien, das damals einen Boom erlebte, war eine der einzigen großen Volkswirtschaften, die die Zahl der osteuropäischen Arbeitskräfte nicht begrenzt hat. Später im Zuge des Brexit-Votums wurde die  Einwanderung zu einem umstrittenen. Und das trotz der positiven wirtschaftlichen Auswirkungen der europäischen Einwanderer auf das Land.

Aber Keating sagt: "Das war schon vorher der Fall. Polen war schon vor dem Krieg voll mit Ukrainern. Die Arbeitsmärkte in den westlichen Ländern brauchen diese Arbeitskräfte." "Allerdings", räumt er ein, "stimmen  Wirtschaft und Politik nicht immer überein."

Was sind die Grenzen Europas?

Der Essayist Jeremy Cliffe schrieb im New Statesman, einem britischen Politikmagazin, dass es gefährlich wäre, die Ukraine im Regen stehen zu lassen. Das könne neue Konflikte hervorrufen.

"Stellen Sie sich eine Ukraine vor, die durch den jahrelangen Krieg strukturell und industriell zermürbt ist, ihre Wirtschaft ist ausgezehrt und die Investitionen sind spärlich, ein gescheiterter Staat im Zeitlupentempo. Die Wähler und die politische Führung sind verärgert über eine Europäische Union, die ihre Versprechen nicht eingehalten hat."

"Verglichen mit diesem Szenario erscheinen die Herausforderungen einer schnellen EU-Erweiterung nicht ganz so unüberwindlich", so Cliffe.

Der Einmarsch Russlands hat die Unterstützung für die EU-Mitgliedschaft unter den Ukrainern noch verstärkt. Laut einer Umfrage des Kiewer Internationalen Instituts für Soziologie wollen 92 % der Ukrainer:innen bis 2030 der Union beitreten. Vor dem Konflikt haben nur 67 % angegeben, dass sie bei einem Referendum über die Mitgliedschaft mit Ja stimmen würden.

Proteste in der Ukraine Alexei Alexandrov/Copyright 2022 The AP. All rights reserved

Proteste in der Ukraine Alexei Alexandrov/Copyright 2022 The AP. All rights reserved© Bereitgestellt von Euronews Deutsch

Die Debatten über die EU-Mitgliedschaft der Ukraine werfen letztlich tiefgreifende existenzielle Fragen über die Europäische Union auf.

"Erweiterungen stellen immer wieder die Frage des Warum", so Howorth. "Was ist der Zweck einer erneuten Erweiterung? Tun wir sie um ihrer selbst willen? Kann man mehr oder weniger unbegrenzt weiter expandieren?"

"Wenn man der Logik folgt, dass die Europäische Union sich einfach immer weiter ausdehnen kann, dann läuft das schnell aus dem Ruder."

Er weist noch einmal auf die "ungelösten Meinungsverschiedenheiten" zwischen den Mitgliedstaaten hin, darüber, was die Union eigentlich ist. Sie sei auf einer Reise ins Ungewisse, ohne ein klares Ziel.

"Wir haben nie unser Ziel definiert. Wir haben einfach nur gesagt, dass wir losgehen werden. Und ich denke, mit der potenziellen Mitgliedschaft der Ukraine müssen wir eine viel klarere Antwort auf die Frage haben: Was ist der Zweck?

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Europa will 43 Milliarden für die eigene Chipproduktion mobilisieren

Europa will nach den Lieferengpässen während der Corona Pandemie seine Abhängigkeit von asiatischen Chipherstellern verringern. Das Europäische Parlament und die EU-Mitgliedstaaten haben der lokalen Halbleiterproduktion Vorrang eingeräumt, um ihren Weltmarktanteil bis 2030 auf 20 Prozent zu verdoppeln .

Blick auf einen Computerchip währende der 21. China Beijing International Hightech Expo

Blick auf einen Computerchip währende der 21. China Beijing International Hightech Expo© Ng Han Guan/Copyright 2020 The AP. All rights reserved.

"Das Ziel ist es, sicherzustellen, dass wir in einer Krisensituation, wie wir sie letztes Jahr mit dem Krieg in der Ukraine erlebt haben, in der Lage sind, ein Mindestmaß an Chipproduktion in der Europäischen Union zu gewährleisten und dafür sehr eng mit gleichgesinnten Partnern zusammenzuarbeiten.

Dan Nica, EU-Berichterstatter

Um dieses Ziel zu erreichen, muss Europa seine Produktion vervierfachen. Mit der Vereinbarung will die EU mehr als 43 Mrd. Euro an öffentlichen und privaten Investitionen mobilisieren, um den weiter wachsenden Appetit der europäischen Industrie auf Chips zu stillen.

Der als "Chips Act" bekannte Gesetzestext ist auch Teil der Bemühungen der EU, mehr in Europa zu produzieren, um ihre Anfälligkeit gegenüber geopolitischen Schocks wie dem Krieg in der Ukraine zu verringern.

"Dies wird es uns ermöglichen, unsere Versorgungsketten wieder ins Gleichgewicht zu bringen und zu sichern, um unsere kollektive Abhängigkeit von Asien zu verringern."

Thierry Breton, EU-Industriekommissar

Letzten August haben die USA bereits einen Chips and Science Act mit rund 52 Milliarden Dollar Förderung beschlossen. Auch Japan und Südkorea wollen Milliarden in den Ausbau der Halbleiterproduktion in ihren Ländern zu investieren.

Washington hat sich in diesem Jahr an Verbündete wie Japan und die Niederlande gewandt, um die Exporte von Halbleitertechnologie nach China zu reduzieren, sehr zum Leidwesen Pekings.

Brüssel versucht, die Marktposition der EU angesichts der Bedrohung durch China und die Vereinigten Staaten auszubauen, die Milliarden in grüne Technologien investieren.

Letzten Monat veröffentlichte die EU-Exekutive zwei Vorschläge, um in Europa mehr saubere Technologien zu produzieren, einschließlich wichtiger Rohstoffe, die zur Herstellung von Batterien für Elektrofahrzeuge benötigt werden.

"Europa will ein industrielles Kraftzentrum für die Märkte der Zukunft werden - die digitalen und sauberen Technologien, die es uns ermöglichen werden, eine wettbewerbsfähige Exportkraft zu bleiben, hochwertige Arbeitsplätze zu schaffen und unsere Versorgungssicherheit zu gewährleisten", so Breton.

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Idee der Bundesregierung „sinnvoll“ – deutscher Schulden-Plan könnte Europa helfen

Während die EU den Stabilitätspakt aufweichen will, pocht Deutschland auf harte Regeln. Ökonomen kommen in einer unveröffentlichten Untersuchung nun zu dem Schluss: Die Position der Bundesregierung könnte den Schulden-Abbau gewährleisten. Die Experten legen konkrete Zahlen vor.

Flaggen von EU-Ländern vor dem Europäischen Parlament in Straßburg pa/Photoshot/rh

Flaggen von EU-Ländern vor dem Europäischen Parlament in Straßburg pa/Photoshot/rh© Bereitgestellt von WELT

Wenigstens in einem Punkt sind sich alle einig: Die alten Regeln funktionieren nicht. Viele Staaten ignorierten sie in der Vergangenheit einfach. Und die EU setzte sie kein einziges Mal durch. Seit der Einführung des Stabilitätspakts vor mehr als 25 Jahren leitete die Kommission 37 Verfahren gegen Länder ein, die zu viele Schulden machten. 37 Mal endete die Sache ohne Konsequenzen.

Doch was muss sich ändern? Da gehen die Meinungen auseinander. Die Kommission will den Stabilitätspakt aufweichen, Deutschland ist dagegen, pocht auf harte Vorschriften. Eine bisher unveröffentlichte Untersuchung des Instituts der deutschen Wirtschaft, die WELT vorliegt, kommt nun zu dem Schluss: Die Position der Bundesregierung könnte Europa helfen.

Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni, ein Italiener, will die europäischen Schuldenregeln laxer auslegen. Der Stabilitätspakt sieht vor, dass die EU-Staaten ihre Defizite auf drei Prozent ihrer Wirtschaftsleistung und die Verschuldung auf 60 Prozent begrenzen müssen. Viele Länder, so Gentiloni, könnten diese Ziele nach milliardenschweren Corona-Hilfen und in einer Zeit hoher Energiepreise nicht mehr einhalten. Daher sei eine Reform nötig.

Gentiloni möchte mit jedem Land – so nennt er es – „individuelle Pfade“ zum Abbau der Schulden verhandeln. Also von Fall zu Fall entscheiden. Bei Deutschland anders als bei Italien, Frankreich oder Griechenland, das in der EU die verheerendste Schuldenquote aufweist: 178 Prozent. Ein solches Vorgehen würde der Kommission viel politischen Spielraum verschaffen. Von europaweit einheitlichen Regeln, wie es sie bisher gibt, hält Gentiloni wenig.

Deutschlands Finanzminister Christian Lindner hingegen fordert genau das. Er will die Macht der Kommission einschränken und verbindliche Regeln für alle. Sein Plan sieht vor, dass hoch verschuldete Länder ihre Quote jährlich um einen Prozentpunkt senken.

Zudem sollen sie dafür sorgen, dass das Ausgabenwachstum nicht größer ist als das Wirtschaftswachstum unter normalen Bedingungen. Als Differenz der beiden Wachstumsraten schlägt die Bundesregierung einen Prozentpunkt vor.

Alte Gräben aus der Eurokrise reißen wieder auf

Die Ökonomen des Instituts der deutschen Wirtschaft unterstützen das. „Die Idee der Bundesregierung mit der Ausgabenbegrenzung ist sinnvoll“, sagt Samina Sultan, eine Autorin der Studie. „Wenn hoch verschuldete Länder das Wachstum ihrer Ausgaben auf die vorgeschlagene Weise begrenzen müssen, dürfte das in der Regel einen stetigen Abbau der Schulden gewährleisten.“ EU-Kommissar Gentiloni und viele andere Politiker aus Südeuropa kritisieren den Vorschlag aus Berlin als zu streng. Sultan findet das nicht. „Ich denke“, sagt sie, „der Plan ist angemessen.“

All das ist ein heikles Thema in Europa. Die Debatte reißt alte Gräben aus der Zeit der Eurokrise auf: zwischen reichen und armen Staaten, zwischen Nord und Süd. Es gibt die Sorge, zu viel Austerität, also zu hartes Sparen, könnte negative Folgen für das Wirtschaftswachstum haben.

„Eine Begrenzung der Staatsausgaben“, sagt Jürgen Matthes, Co-Autor der Studie, „dürfte weniger umstritten sein als eine Vorschrift zum Abbau der Schuldenquote.“ Das Wort „Schulden“ sei seit der Eurokrise politisch aufgeladen, Regeln dazu würden emotional diskutiert.

Sultan und Matthes haben berechnet, wie sich die Haushaltsdefizite von Italien, Frankreich, Spanien und Deutschland in den kommenden fünf Jahren entwickeln könnten. Folgt die EU dem deutschen Vorschlag, würde das Minus in den vier Ländern spürbar sinken: in Italien von fünf auf 2,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, in Frankreich von fünf und Spanien von 4,6 auf 2,3 Prozent, in Deutschland von 2,3 Prozent auf null.

null Infografik WELT

null Infografik WELT© Bereitgestellt von WELT

Spanien und Italien, heißt es in der Studie, bewegten sich bereits in diese Richtung, daher erscheine die Vorgabe nicht zu ambitioniert. Lediglich Frankreich müsse sich mehr anstrengen als bisher.

In einem zweiten und dritten Szenario gehen die Ökonomen davon aus, dass das Wachstum der Ausgaben weniger stark begrenzt wird, als Deutschland es fordert. Die Folge: In Italien, Frankreich und Spanien läge das Defizit selbst nach fünf Jahren noch höher als drei Prozent. Dieses Konsolidierungstempo, so die Studie, sei zu gering.

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Härter als Habecks Heizpläne: EU plant neues Verbot von Heizungen

Härter als Habecks Heizpläne: EU plant neues Verbot von Heizungen

Die Bundesregierung hat sich nach heftigem Streit gerade auf das neue Gebäudeenergiegesetz geeinigt. Auch die EU bereitet eine Richtlinie vor - die das Gesetz der Ampel praktisch überflüssig machen würde.

Brüssel – Nicht nur in Deutschland wird intensiv über klimaneutrales Heizen gesprochen. Auch in Brüssel wird an verschiedenen Gesetzen gearbeitet, die das Erreichen der Klimaschutzziele bis 2050 möglich machen sollen. Der Deutsche Verband Flüssiggas e.V. (DVFG) macht nun auf einen Gesetzesentwurf aufmerksam, der die Pläne der Bundesregierung überflüssig machen könnte. Mit dem Inkrafttreten der EU-Richtlinie würden Gas-, Öl- und Elektro-Boiler ab 2029 vom Markt verschwinden müssen.

EU-Richtlinie für Heizgeräte: Die wichtigsten Punkte

Die neue Ökodesign-Verordnung für Raumheizgeräte und Kombiheizgeräte soll nach den Plänen der EU am 1. September 2025 in Kraft treten. Dabei geht es darum, welche Heizungen in Zukunft auf den Markt gebracht werden können. Es geht also nicht darum, dass bestehende Heizungen direkt ersetzt werden müssen.

Der aktuelle Entwurf, der IPPEN.MEDIA vorliegt, soll noch diese Woche in die Konsultation gehen. Die wichtigsten Punkte im Gesetz sind:

Damit wäre die EU-Richtlinie weitreichender als das Gebäudeenergiegesetz der Ampel-Koalition. Laut GEG ist es Eigentümern erlaubt, kaputte fossile Heizungen reparieren zu lassen und für einen Übergangszeitraum von bis zu 13 Jahren auch zu ersetzen. Mit der EU-Richtlinie wäre letzteres ab 1. September 2029 nicht mehr möglich. Zudem hebelt die EU-Richtlinie die Ausnahmen für Über-80-Jährige, Sozialleistungsempfänger und Härtefälle aus, die die Ampel vorsieht.

Ausgenommen von der EU-Richtlinie sind solche Gas-Heizungen, die „hauptsächlich Energie aus Biomasse“ zur Erzeugung von Wärme verwenden. Allerdings wird im Entwurf deutlich gemacht, dass die Ausnahme nicht für Gas-Heizungen gilt, die „auch für die Verwendung von fossilen (Flüssig-)Gasen geeignet sind“. Ausgenommen sind ebenso Heizsysteme, die Festbrennstoffe verwenden, was in der Regel Holz bedeutet.

EU-Entwurf hebelt Technologieoffenheit aus

„Der derzeitige Entwurfsstand mündet in einem Verbot des Inverkehrbringens von einzeln aufgestellten Heizkesseln ab 2029 – auch solchen zum Betrieb mit erneuerbaren Gasen“, sagt der DVFG. Die angestrebte Technologieoffenheit des GEG würde damit dem Verband zufolge ausgehebelt werden. Heizungen, die Wasserstoff verwenden, finden in der EU-Richtlinie keine Erwähnung.

Die Ausnahme, die Energie aus Biomasse betrifft, ist dem Verband zufolge nur eine theoretische Option. „Biomethan wird beispielsweise dem noch teilweise fossilen Erdgasnetz beigemischt“, erklärt ein Pressesprecher des DVFG. „Demnach benötigen die betreffenden Geräte immer eine Zulassung auch für die konventionellen Gase, bzw. es gibt im Fall von biogenem Flüssiggas gar keinen Unterschied im Produkt, sodass eine spezialisierte Zulassung nur auf die ‚biogene Variante‘ gar nicht möglich ist.“ Die Ausnahmeregelung für Ökogase ist in der EU-Richtlinie also wirkungslos.

Alte Heizungen dürfen bleiben: Kohleöfen, Öl- und Gaskessel müssen nicht ausgetauscht werden, solange sie noch funktionieren.

Alte Heizungen dürfen bleiben: Kohleöfen, Öl- und Gaskessel müssen nicht ausgetauscht werden, solange sie noch funktionieren.© Imago/Manfred Segerer

Wirkungsgrade von Heizungen

Der Wirkungsgrad eines Heizsystems beschreibt das Verhältnis zwischen zugeführter Energie und nutzbarer Wärme. Je höher der Wirkungsgrad, desto weniger Energie geht bei der Wärmeproduktion verloren. Bei Heizsystemen, die Wirkungsgrade über 100 Prozent haben, wird nicht nur die zugeführte Energie in Wärme umgewandelt, sondern auch zusätzliche Energie, die beim Arbeiten des Systems entsteht. Bei Brennwertkesseln sind das oft Abgase, die die Heizungen in weitere Wärme umwandeln können.

Anhand dieser Tabelle ist zu erkennen, dass im Grunde alles außer die Wärmepumpe ab 2029 aus dem Verkehr gezogen werden müsste. Da es jedoch Ausnahmen gibt, sind wohl Holz- und Pelletheizungen nicht betroffen. Alle anderen Heizsysteme hingegen schon.

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EU-Kommission will europäische Schuldenregeln ändern - Lindner bremst

ARCHIV: Bundesfinanzminister Christian Lindner während der wöchentlichen Kabinettssitzung im Kanzleramt in Berlin, Deutschland

ARCHIV: Bundesfinanzminister Christian Lindner während der wöchentlichen Kabinettssitzung im Kanzleramt in Berlin, Deutschland© Thomson Reuters

Brüssel/Berlin (Reuters) - Die EU-Kommission will die europäischen Schuldenregeln schnell überarbeiten. Der Kern sind dabei individuell ausgehandelte Abbaupfade für EU-Staaten mit zu hohen Haushaltsdefiziten und Schuldenständen - statt bislang pauschaler Vorgaben.

EU-Länder sollen künftig in der Regel in einem Zeitraum von vier Jahren ihre Werte verbessern müssen. Außerdem sollen Maßnahmen ergriffen werden, damit es mittelfristig keinen Rückfall zu höheren Defiziten und Schuldenständen gibt. Bundesfinanzminister Christian Lindner äußerte sich kritisch: Die Pläne seien noch nicht zustimmungsfähig, sagte der FDP-Chef in Berlin. Es brauche mehr Verlässlichkeit beim Abbau der hohen Schulden.

Individuell mit Brüssel ausgehandelte Schuldenziele dürften den Ländern mehr Flexibilität geben. Der ZEW-Finanzexperte Friedrich Heinemann warnte jedoch, die Kommission würde dadurch viel zu viel Einfluss bekommen, wie viele Schulden zulässig seien. Wenn EU-Staaten sich verpflichten, bestimmte Investitionen in Klimaschutz, Digitalisierung oder Verteidigung zu tätigen beziehungsweise bestimmte soziale und gesellschaftliche Reformen zusagen, können sie auch sieben Jahre Zeit für ihren Schuldenabbauplan bekommen. "Damit wäre Tür und Tor für die breite Schuldenfinanzierung fast aller Arten von Staatsausgaben geöffnet", so Heinemann. Harte Entscheidungen dürften oft auf politische Nachfolger abgewälzt werden.

Wegfallen würde die sogenannte Zwanzigstel-Regel. Diese sieht bisher vor, dass Euro-Länder mit einer Schuldenquote von über 60 Prozent der Wirtschaftsleistung jedes Jahr ein Zwanzigstel der Differenz zwischen 60 Prozent und der tatsächlichen Quote abbauen müssen. Das überfordert vor allem hoch verschuldete EU-Mitglieder.

Die 27 EU-Staaten haben sehr unterschiedliche Schuldenstände. Entsprechend schwierig ist es, hier Einstimmigkeit für eine Reform zu erzielen. Am höchsten ist der Schuldenstand mit über 170 Prozent in Griechenland. Italien kommt auf 145 Prozent, ebenfalls sehr deutlich über der eigentlichen Obergrenze von 60 Prozent. In Estland sind es dagegen nur 19 Prozent, in Bulgarien 22 Prozent. In Deutschland wird dieses Jahr mit einem Schuldenstand von 67,75 Prozent gerechnet, der dann bis zum Jahr 2026 auf 65,5 Prozent sinken dürfte.

Die Haushaltsdefizite sollen nach den Brüsseler Plänen weiter grundsätzlich maximal drei Prozent der Wirtschaftsleistung betragen. Länder, die dieses Ziel reißen, müssen dann jedes Jahr um mindestens 0,5 Punkte reduzieren, bis der Wert wieder eingehalten wird. Nach den mehrjährigen Anpassungsphasen sollen die Defizite ohne Sondermaßnahmen zehn Jahre unter drei Prozent bleiben.

LINDNER SKEPTISCH - SPD UND GRÜNE OFFENER

Die Vorschläge der Brüsseler Behörde entsprächen noch nicht den Anforderungen der Bundesregierung, sagte Lindner. Es werde keine automatische Zustimmung geben. "Es braucht noch deutliche Anpassungen." Fortschritte seien aber erkennbar, weswegen sich die Debatte lohnen werde. Beim Treffen der EU-Finanzminister in Stockholm am Freitag und Samstag werde es einen ersten Gedankenaustausch dazu geben, aber noch keinen Durchbruch. "Das wird noch Zeit beanspruchen."

Die aktuellen Schuldenregeln sind seit 2020 zunächst wegen der Corona-Pandemie, später wegen der Folgen des russischen Angriffs auf die Ukraine ausgesetzt. Sie sollen ab Anfang 2024 wieder greifen. Deswegen will sich die EU noch dieses Jahr auf eine Reform verständigen.

Lindner betonte, die alten Regeln hätten Bestand, bis es eine Reform gebe. Die Vorschläge der Kommission bezeichnete er als wichtigen Schritt. Deutschland werde diese genau prüfen und sich konstruktiv einbringen. Eine Aufweichung der Schuldenregeln könne Deutschland jedoch nicht mittragen. "Wir müssen von den hohen Schulden runter." Dafür brauche es klare und verlässliche Regeln, die auch umgesetzt würden. "Uns fehlen numerische Vorgaben." Auch Haltelinien - eine Art zusätzliches Sicherheitsnetz - seien noch nötig.

Offener zeigten sich die Ampel-Partner: Es sei höchste Zeit für eine Reform des sogenannten Stabilitätspakts, sagte SPD-Fraktionsvize Achim Post. Der Vorschlag baue Brücken zwischen den unterschiedlichen Positionen innerhalb der EU. "Natürlich wird es jetzt auf Basis des Kommissionsvorschlags noch weiterer Diskussionen bedürfen." Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sagte, die EU-Staaten bräuchten einen finanziellen Spielraum für den Umbau der Wirtschaft Richtung Klimaneutralität. Laut Grünen-Politiker Danyal Bayaz darf Deutschland nicht zum Dauerblockierer werden, es brauche eine schnelle Reform.

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Der lahme Mann Europas

Container im Hamburger Hafen

Container im Hamburger Hafen© dpa

Anfang des Jahrtausends war Deutschland der kranke Mann Europas: hohe Arbeitslosigkeit, Reformstau, Rezession. Ganz so weit ist es im Frühjahr 2023 noch nicht – mit Fug und Recht kann Deutschland nun aber als der lahme Mann Europas bezeichnet werden. An einer technischen Rezession, also zwei Quartalen mit schrumpfender Wirtschaft, ist die Volkswirtschaft zwar haarscharf vorbeigeschrammt. Die nun gemeldete Stagnation der Wirtschaftsleistung in den ersten drei Monaten des Jahres ist nach dem deutlichen Schrumpfen der Wirtschaftsleistung Ende des vergangenen Jahres aber eine weitere Enttäuschung.

Es bleibt dabei: In allen internationalen Wachstumsprognosen, sei es vom Internationalen Währungsfonds oder der Europäischen Kommission, rangiert Deutschland auf den letzten Plätzen.

Schnell ändern wird sich daran nichts. Die Inflation hat sich festgesetzt und verdirbt den Privatleuten die Kauflaune. Zwar ist Deutschland im Winter das Gas nicht ausgegangen, Energie wird aber teuer bleiben. Und im kommenden Winter droht es wieder eng zu werden.

Die Verbraucherpreise werden zudem längst auch durch Lebensmittel und Löhne hoch gehalten. Höhere Zinsen der Europäischen Zentralbank sind die zwingende Folge – und Gift für einen echten Aufschwung. Auch die Nachfrage aus dem Ausland verspricht keine große Dynamik. In Amerika muss die Notenbank ebenfalls auf die Wachstumsbremse treten, die Lage in China bleibt unübersichtlich.

Das alles mögen vorübergehende Probleme sein. Mittelfristig sieht es aber nicht besser aus. Die Staatsbank KfW hat kürzlich vor eine „Ära anhaltend stagnierenden, womöglich schleichend schrumpfenden Wohlstands“ gewarnt, weil Deutschland die Fach- und Arbeitskräfte ausgehen. Und auch die grüne Transformation führt bislang nur in den Wunschvorstellungen des Bundeskanzlers zu einem neuen deutschen Wirtschaftswunder.

Natürlich bietet der Wandel den innovativen deutschen Unternehmen Chancen, es kann für Auto- und Heizungshersteller aber auch steil bergab gehen. Das Fazit: Es fehlt derzeit schlicht die Phantasie, wie dem lahmen Mann rasch wieder Beine gemacht werden können.

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Reaktion auf den Ukraine-Krieg: Moldau und Rumänien rücken zusammen

Die moldauische Maia Sandu und der rumänische Staatschef Klaus Johannis 2019 in Bukarest

Die moldauische Maia Sandu und der rumänische Staatschef Klaus Johannis 2019 in Bukarest© Picture Alliance

Als Olaf Scholz Anfang April nach Rumänien reiste, nahm außer dem rumänischen Staatsoberhaupt Klaus Johannis auch die moldauische Präsidentin Maia Sandu an dem Treffen mit dem deutschen Kanzler teil. Die Selbstverständlichkeit, mit der aus der bilateralen eine trilaterale Begegnung wurde, ist Teil einer Entwicklung, die schon vor dem jüngsten russischen Überfall auf die Ukraine begonnen, sich seither aber noch intensiviert hat. Eng wie nie lehnt sich die Republik Moldau an ihren westlichen Nachbarn an. Zwar reden Johannis und Sandu anders als einige ihrer Vorgänger zumindest öffentlich noch nicht von einer Wiedervereinigung. Unübersehbar ist aber die Annäherung zwischen „den beiden rumänischen Staaten“, wie es in Bukarest oft formuliert wird.

Reaktion auf den Ukraine-Krieg: Moldau und Rumänien rücken zusammen

Reaktion auf den Ukraine-Krieg: Moldau und Rumänien rücken zusammen© F.A.Z.

Besonders deutlich wurde das Mitte März, als die Abgeordneten von Sandus regierender „Partei der Aktion und Solidarität“ Rumänisch per Gesetz zur Amtssprache der Republik Moldau erklärten. Das war es eigentlich vorher schon – nur hieß es nicht so. Zu Sowjetzeiten hatte Moskau, um die Abgrenzung von Rumänien zu forcieren, das Konstrukt einer „moldauischen Sprache“ geschaffen, die nicht in lateinischen, sondern in kyrillischen Buchstaben geschrieben werden musste.

Nach dem Zerfall der Sowjetunion wurde in Chișinău aus Rücksicht auf die starke russischsprachige Minderheit im Land ein definitorischer Eiertanz um den Namen der Sprache aufgeführt. In Gesetzen, Urkunden und anderen staatlichen Dokumenten war umschreibend von einer „moldauischen Sprache“ („limba moldovenească“), der „offiziellen Sprache“ („limba oficială“) oder der „Muttersprache“ („limba maternă“) die Rede, womit Rumänisch gemeint war. Erst seit März spricht man in Moldau auch offiziell Rumänisch.

Vormarsch des Rumänischen in Moldau

Die prorussische Opposition protestiert scharf. Sie argumentiert, die Verfassung von 1994 weise „Moldauisch“ als Staatssprache aus. Ein Gesetz im Verfassungsrang könne nicht mit einfacher Mehrheit geändert werden. Die von Moskau unterstützten Kräfte fordern ein Referendum darüber, wie die Bevölkerungsmehrheit ihre Muttersprache zu nennen hat. Dem hält die Regierung entgegen, als Landessprache sei bereits in der moldauischen Unabhängigkeitserklärung von 1991 Rumänisch genannt worden. Ein Urteil des Verfassungsgerichts von 2013 hatte tatsächlich den Vorrang der Unabhängigkeitserklärung vor der Verfassung festgestellt. Das neue Gesetz verschafft demnach mit zehnjähriger Verspätung einem verfassungsrechtlichen Urteil Geltung. Skeptiker mahnen jedoch, was mit einfacher Mehrheit beschlossen wurde, könne nach der nächsten Wahl ebenso einfach wieder abgeschafft werden, sollten sich die Mehrheitsverhältnisse ändern. Tatsächlich werden die prowestlichen Kräfte in Chișinău wohl mindestens eine weitere Legislaturperiode brauchen, um das Sprachgesetz fest zu verankern, etwa im Schulunterricht.

Unterstützung kommt aus Bukarest, das den Vormarsch des Rumänischen in Moldau seit Jahren fördert. Schulen wie das rumänischsprachige Mihai-Eminescu-Gymnasium in der traditionell russophilen Region Gagausien werden von Bukarest finanziell unterstützt und erfreuen sich wachsender Beliebtheit. Einige rumänische Sprachschulen können den Andrang kaum noch bewältigen. Etwa eine Million Menschen in Moldau besitzen die rumänische Staatsbürgerschaft und sind damit seit 2007 EU-Bürger. Die Abschaffung der Visumpflicht für Moldauer 2014 hat die Attraktivität des Rumänischen nochmals erhöht. Vorangetrieben wird die Annäherung zudem von den beiden Staatsoberhäuptern. Zwischen Johannis und Sandu passt öffentlich kein Blatt. Rumänische Fachleute werden als Berater nach Chișinău entsandt, teilweise mit finanzieller Unterstützung aus Deutschland.

Russland ist auch nicht mehr Moldaus wichtigster Wirtschaftspartner. „Rumänische Investitionen in der Republik Moldau sind wichtig, ebenso wie es die Öffnung des rumänischen Marktes für unsere Produzenten ist“, hob Sandu im vergangenen November nach einem Treffen mit Johannis in Bukarest hervor. „Die meisten unserer Exporte gehen nach Rumänien“, sagte die Präsidentin, die ihr Land etwa für rumänische Energieunternehmen öffnen will. Bessere Straßen- und Schienenverbindungen mit der rumänischen Region Moldau und ihrer Hauptstadt Iași sowie zusätzliche oder modernisierte Brücken über den Grenzfluss Pruth sollen die beiden Länder noch enger aneinander heranrücken lassen. Die Republik Moldau genieße in Rumänien „überwältigende, nachhaltige und parteiübergreifende Unterstützung“, sagte Johannis nach einem Treffen mit Sandu und wurde grundsätzlich: „Rumänien und die Repu­blik Moldau sind durch eine extrem starke Verbindung geeint – sie teilen die gleiche Sprache, Kultur und Geschichte.“

Gas aus Rumänien, anstatt von Gazprom

Als Sandu wenige Tage nach der Verabschiedung des Sprachengesetzes im März wieder nach Bukarest kam, griff sie eine alte Äußerung von Johannis’ Vorgänger Traian Băsescu auf. Der hatte 2013 kurz vor der Unterzeichnung eines EU-Partnerschaftsabkommens mit der Republik Moldau gesagt, Rumäniens nächstes Großprojekt müsse eine Vereinigung der beiden Nachbarstaaten sein. „Blut ist dicker als Wasser“, sagte der damalige Präsident und prophezeite, „ein Volk, das die Gelegenheit hat, sich zu vereinigen, wird niemals darauf verzichten“. Ein Jahrzehnt später sagte Sandu in Bukarest: „Wir wissen, dass Blut dicker ist als Wasser, und unsere Beziehung ist der beste Beweis für diese Wahrheit.“ Rumäniens Hilfe sei „aufrichtig und uneigennützig“, lobte sie und hob die Energieversorgung hervor. Bukarest habe dabei geholfen, dass ihr Land nicht mehr auf Gazprom angewiesen sei: „Dies ist uns zum ersten Mal in der Geschichte des Landes gelungen, und wir werden weiter in die Energiediversifizierung investieren.“ Es werde nicht gelingen, Moldau mit einem Stopp von Gaslieferungen zu erpressen: „Danke, Rumänien, für Beständigkeit, Al­truismus und Führung. Danke, dass Sie uns helfen, stärker zu werden.“

Die Rhetorik erinnert an den Beginn der Neunzigerjahre, als es eine starke Bewegung für eine Wiedervereinigung gab. Vor allem in Bukarest hieß es damals, es sei eine Frage der historischen Gerechtigkeit, den Hitler-Stalin-Pakt zu überwinden, in dessen Folge die Sowjetunion 1940 das heutige Territorium der Republik Moldau, damals Bessarabien genannt, von Rumänien abgetrennt und annektiert hatte. Dabei wurden Teile Bessarabiens, etwa die Nordbukowina, der Ukraine zugeschlagen, zu der sie seither gehören. Zwischen 1812 und 1918 war Bessarabien russisches Gouvernement und als solches einer intensiven Russifizierung ausgesetzt. Die Mehrheit sprach aber weiter Rumänisch.

Rumäniens erster postkommunistischer Präsident Ion Iliescu gab sich schon 1990 sicher, dass sich ein Weg finden werde, „um die Dinge wieder ganz und gar in ihren normalen Zustand zu bringen“ – was aus rumänischer Sicht den Anschluss an Rumänien bedeutet. Die moldauische Unabhängigkeitserklärung begrüßte Ilies­cu 1991 als „Feiertag für das Rumänentum“, während der rumänische Außenminister eine Vereinigung beider Länder zum „normalen Gang der Geschichte“ erklärte. Iliescu sagte damals, auch mit der ukrainischen Regierung müsse über Gebietsansprüche verhandelt werden: „Die Ukraine ist eine objektive Tatsache, und wir erkennen sie an, aber da gibt es Gebiete, die unrechtmäßig von der Sowjetunion besetzt und der Ukraine gegeben wurden.“

Immer wieder Anstöße zu einer Vereinigung

Allerdings war das damals wirtschaftlich marode Rumänien keine verlockende Alternative für die meisten Moldauer. In der neu entstandenen Republik, die wirtschaftlich und infrastrukturell noch ganz auf Moskau ausgerichtet war, gab es zu Beginn der Neunzigerjahre kaum Befürworter einer Vereinigung. Als sich das rumänische Abgeordnetenhaus im Fe­bruar 1993 für einen Anschluss der Republik Moldau aussprach und Rumäniens Außenminister Teodor Meleşcanu Verhandlungen über einen „Vertrag über Brüderlichkeit und Integration“ ankündigte, stieß das in Chișinău auf wenig Gegenliebe. Die großrumänische Rhetorik war im Gegenteil ein wichtiger Grund dafür, dass das mehrheitlich russischsprachige Transnistrien, das nie zu Rumänien gehört hatte, sich 1992 gewaltsam vom Rest des Landes lossagte. In Transnistrien sieht sich eine Mehrheit dem russischen Kulturraum verbunden. Zu einem rumänischen Staat will man keinesfalls gehören.

Doch aus Rumänien kommen immer wieder Anstöße zu einer Vereinigung. Im Sommer 2003 sagte Iliescu in einem Interview mit der Moskauer „Nesawis­simaja Gaseta“ anlässlich eines Staatsbesuchs in Russland, eine Vereinigung Moldaus mit Rumänien wäre „natürlich“. Auch auf die slawische Minderheit des Landes werde die Idee Anziehungskraft ausüben. Die Aussicht auf eine Verbesserung der Lebensbedingungen werde ihre Wirkung nicht verfehlen, wenn Rumänien erst Mitglied von NATO und EU sei, mutmaßte Iliescu. 2014 sagte der damalige rumänische Regierungschef Victor Ponta, Rumänien sei stark genug, um für Moldau das zu sein, was Westdeutschland für Ostdeutschland war.

Sandu drückt sich vorsichtiger aus. Als sie Ende 2021 in einem Fernsehinterview nach einer Vereinigung mit Rumänien gefragt wurde, antwortete die Präsidentin, ein solches Großprojekt sei nur bei ausreichender Unterstützung der gesellschaftlichen Mehrheit realistisch. Eine Mehrheit von 50 Prozent plus einer Stimme in einem Referendum reiche nicht aus, stellte sie auf Nachfrage fest. Doch Chișinău und Bukarest kommen sich auch ohne Referendum immer näher – Russland sei Dank.

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Künstliche Intelligenz: Verein Laion warnt EU vor Überregulierung

Künstliche Intelligenz gilt als Zukunftstechnologie – und manchen als gefährlich. Die EU will sie deshalb regulieren. Führende Forscher warnen, dadurch könnte Europa technologisch stark zurückfallen.

Künstliche Intelligenz: Verein Laion warnt EU vor Überregulierung

Künstliche Intelligenz: Verein Laion warnt EU vor Überregulierung© Dwi Anoraganingrum / Future Image / IMAGO

Führende Wissenschaftler und Expertinnen lehnen das geplante EU-Gesetz zur strengeren Regulierung der künstlichen Intelligenz (KI) in der aktuell diskutierten Variante ab. Man bitte die Abgeordneten des Europäischen Parlaments »eindringlich, die Auswirkungen des Entwurfs des KI-Gesetzes« auf Forschung und Entwicklung zu berücksichtigen, heißt es in einem offenen Brief des Vereins Laion.

Zu den Unterstützern zählen etwa Robin Rombach, Mitentwickler des KI-Bildgenerators Stable Diffusion, sowie Antonio Krüger, Geschäftsführer des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz oder Bernhard Schölkopf, Direktor des Max Planck Instituts für Intelligente Systeme.

»Um es klar zu sagen: Wir sind für eine KI-Aufsicht«, heißt es in dem Schreiben. Diese müsse jedoch so gestaltet werden, dass »Europa wettbewerbsfähig bleibt«. Die Experten sorgen sich vor allem vor einer Überregulierung sogenannter »Open-Source-Modelle«, bei denen der Quellcode offen liegt. Diese Art der Entwicklung sei entscheidend für »Sicherheit und Wettbewerbsfähigkeit«, da jedermann und jedes Unternehmen auf diese Weise Zugriff auf die Technologie bekomme, Schwachstellen erkennen und von den Vorteilen der KI profitieren könne.

So lasse sich verhindern, dass eine »essenzielle Technologie« in der Hand einiger weniger großer Firmen liege. Statt Open Source einzuschränken, solle das EU-Parlament diese Art der Entwicklung mit ihrem Gesetz befördern. Der Kontinent werde ansonsten in der KI-Entwicklung weit zurückfallen und »sich auf eine Verbraucherrolle beschränken, ohne eigene Entscheidungsgewalt über die entscheidenden Technologien, die unsere Gesellschaft prägen werden«.

Abgeordnete des EU-Parlaments hatten sich am Freitag auf einen Entwurf für die weltweit erste umfangreiche Regulierung der künstlichen Intelligenz (KI) geeinigt. Die Verhandlungsführer des Binnenmarkt- und Innenausschusses stimmten dafür, den Artificial Intelligence Act an die nächste Verfahrensstufe weiterzuleiten. Einzelheiten sollen zusammen mit den Mitgliedstaaten ausgearbeitet werden.

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Ärger um umstrittene Zusatzrente für Europaabgeordnete

Alessandro Chiocchetti (M.), Generalsekretär des Europäischen Parlaments, im Gespräch mit EU-Parlamentspräsidentin Roberta Metsola (l.) und einer weiteren Person.

Alessandro Chiocchetti (M.), Generalsekretär des Europäischen Parlaments, im Gespräch mit EU-Parlamentspräsidentin Roberta Metsola (l.) und einer weiteren Person.© Jean-Francois Badias/AP/dpa

Ein umstrittener Rentenfonds für Europaabgeordnete sorgt für neue Diskussionen. Die Grünen-Fraktion des Europäischen Parlaments forderte in Brüssel Profiteure auf, wenn möglich auf ihre Zahlungsansprüche aus dem Fonds zu verzichten. Hintergrund ist die Gefahr, dass dem Fonds die Zahlungsunfähigkeit droht und er mit Steuergeldern aufgestockt werden müsste.

Einem Brief des Generalsekretärs des Parlaments, Alessandro Chiocchetti, an das Präsidium zufolge fehlen rund 310 Millionen Euro. Der Brief liegt der Deutschen Presse-Agentur vor.

Gemeint ist der sogenannte Freiwillige Pensionsfonds. In diesen hatten EU-Abgeordnete und das Parlament bis 2009 eingezahlt, um später eine zusätzliche Pension zu beziehen. In den vergangenen Jahren war immer wieder Kritik an dem Fonds laut geworden.

Der Grünen-Abgeordnete Daniel Freund sagte, wer bereits anderweitige öffentliche Pensionsansprüche habe, dürfe kein Geld aus diesem Fonds bekommen. «Es dürfen keine weiteren Steuer-Euros mehr in diese Zusatzrenten für Lords, EU-Kommissare und gut versorgte Politiker fließen.»

Mehr als 900 frühere und amtierende EU-Abgeordnete haben Anspruch

Dem Willen der Grünen nach soll das Parlament nun offiziell vorschlagen, dass «alle ehemaligen Abgeordneten, die eine ausreichende Pension von einer anderen Quelle erhalten werden, freiwillig auf ihre Zahlungsansprüche aus dem Freiwilligen Pensionsfonds verzichten». Einen entsprechenden Änderungsantrag, der der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, brachte Freund am Mittwoch zu einem Bericht des Haushaltskontrollausschusses des Parlaments ein. Über den Bericht soll in der kommenden Woche abgestimmt werden.

Tatsächlich geht dem Fonds das Geld aus. Ende vergangenen Jahres verfügte er noch über Anlagen im Wert von 50 bis 55 Millionen Euro, wie Chiocchetti schreibt. Langfristig würden aber 363 Millionen Euro gebraucht, um die Ansprüche der Abgeordneten abzudecken. Der Fonds könne daher bereits Ende 2024 pleitegehen.

Einem Bericht des «Tagesspiegels» in Kooperation mit dem Journalistenteam «Investigate Europe» zufolge haben mehr als 900 frühere und amtierende EU-Abgeordnete Anspruch auf die zusätzlichen Zahlungen. Unter ihnen seien unter anderem der designierte Botschafter in Moskau, Alexander Graf Lambsdorff, Brexit-Vorkämpfer Nigel Farage oder auch die rechtsnationale französische Politikerin Marine Le Pen. Eine Anfrage der dpa ließen sie zunächst unbeantwortet.

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EU gegen den Rest der Welt: Nun auch Sanktionen gegen Türkei und China?

EU gegen den Rest der Welt: Nun auch Sanktionen gegen Türkei und China?

EU gegen den Rest der Welt: Nun auch Sanktionen gegen Türkei und China?© Bereitgestellt von Berliner Zeitung

Die Europäische Union (EU) will Sanktionen gegen Staaten verhängen, die mit Russland Geschäfte machen und dem Land auf diese Weise helfen, die Sanktionen zu umgehen. Engmaschige Sanktionen gegen Drittstaaten sind ein Novum im Arsenal der EU-Maßnahmen. Es sollen nun nicht mehr nur einzelne Personen („Oligarchen“) oder Unternehmen verfolgt werden, sondern Staaten, die, wie das US-Magazin Politico schreibt, „Putins Regime weiterhin Einnahmen und sanktionierte Hightech-Teile aus Europa für seinen brutalen und illegalen Krieg gegen die Ukraine liefern“.

Die neuen Strafmaßnahmen sollen im Rahmen des 11. Sanktionspakets kommen. Politico urteilt: „Es ist ein explosiver Vorschlag, der die EU-Durchsetzung auf eine ganz neue Ebene heben wird und Länder von Kasachstan bis zur Türkei und China treffen könnte.“ In einem ersten Entwurf schlägt die EU laut Politico vor, einige chinesische und iranische Unternehmen zu sanktionieren. Doch der Hauptzweck für das neue Regime sei die Schaffung „der Rechtsgrundlage, andere Länder zu sanktionieren“, so Politico. Das Regime habe zwei Anhänge, einen, der Länder auflisten würde, und einen, der Produkte auflisten würde. „Diese beiden Listen sind bisher leer“, sagte ein hochrangiger Beamter dem Magazin. Der Vorschlag sei noch nicht ganz so streng wie die extraterritorialen US-Sanktionen – mit denen die US-Regierung faktisch jedes Unternehmen der Welt zwingen kann, ein Wirtschaftsembargo einzuhalten. Aber es sei „ein erster Schritt“, um Druck auf Länder wie Kasachstan und Armenien auszuüben, die laut EU-Diplomaten wenig getan haben, um die Warenströme nach Russland zu unterbinden. Brüssel hofft, dass in einem ersten Schritt die Drohung reicht, um die kleineren Länder einzuschüchtern und vom Handel mit Russland abzuhalten.

Der Vorschlag dürfte für Protest bei einigen EU-Staaten sorgen. Vor allem Ungarn unterhält unverändert gute Beziehungen zu Russland und fürchtet, dass das neue Sanktionspaket vor allem den Bau des Atomkraftwerks Paks 2 gefährden könne. Sollte die Kommission Sanktionen gegen die Nuklearindustrie vorsehen, „betrachten wir das als Angriff auf unsere Souveränität und werden ein Veto einlegen“, so der ungarische Außenminister Péter Szijjártó am Freitag in Budapest. Er sagte laut ungarischen Medien: „In Brüssel denkt man nicht, wie normale Leute denken. Dort meint man, was zehnmal nicht funktioniert hat, versucht man noch ein elftes Mal – vielleicht geht es ja dieses Mal so richtig in die Hose.“ Szijjártó sagte, die EU belaste ihre Unternehmen mit Sanktionen, während die US-Regierung alles tun würde, um die eigenen Unternehmen zu unterstützen.

Der Grund für die kontroversen Aktivitäten der EU-Kommission liegt darin, dass die ersten zehn Sanktionspakete noch nicht den gewünschten Erfolg gezeitigt haben: nämlich die russischen Militäraktivitäten zu stoppen und die russische Wirtschaft so zu schwächen, dass Moskau von sich aus seine Truppen aus der Ukraine zurückzieht. Einer der Gründe für die überschaubare Wirkung der Sanktionen ist die Tatsache, dass viele Länder sich als Brücke für den zusammengebrochenen Im- und Export betätigen, teilweise mit sagenhaften Gewinnmargen. Zuletzt war immer wieder Indien genannt worden, welches russisches Rohöl einkauft, es raffiniert und dann mit saftigem Aufschlag an die EU-Staaten weiterkauft.

Indien steht zwar in den an Politico und die Financial Times (FT) geleakten Papieren offenbar nicht ganz oben auf der Agenda. Doch mit China und der Türkei könnten die Sanktionen erhebliche Folgen für die europäische Wirtschaft haben: China hat nach Bekanntwerden der EU-Pläne umgehend mit Gegenmaßnahmen gedroht: Peking werde seine Interessen im Falle von EU-Sanktionen gegen sieben chinesische Technologieunternehmen wegen deren Lieferungen an Russland wahren, teilte der Sprecher des chinesischen Außenministeriums, Wang Wenbin, am Montag laut der staatlichen chinesischen Nachrichtenagentur Xinhua mit.

Laut der FT sind unter anderen der chinesische Halbleiterhersteller 3HC, das Mikroelektronik-Unternehmen King Pai Technology sowie die Unternehmen Sinno Electronics und Sigma Technology betroffen. Die vier Unternehmen stehen bereits auf Sanktionslisten der USA. „Wenn sich Medienberichte als wahr herausstellen, werden solche Aktionen der europäischen Seite das gegenseitige Vertrauen und die Zusammenarbeit zwischen der EU und China ernsthaft untergraben“, sagte Wang. Peking ist jedenfalls sichtlich irritiert, wie die Entwicklungen auf dem diplomatischen Parkett zeigen: Ein Besuch von Bundesfinanzminister Christian Lindner wurde von Peking kurzfristig abgesagt. Stattdessen hat sich kurzfristig Außenminister Qin Gang am Dienstag zu einem Besuch in Berlin angesagt. Er will Bundesaußenministerin Annalena Baerbock treffen und erhofft sich von ihr offensichtlich kompetente Auskünfte über die EU-Pläne.

Von den EU-Strafmaßnahmen betroffen sein könnte auch die Türkei, die trotz des Krieges umfangreiche Geschäfte mit Russland und der Ukraine tätigt. Die US-Regierung ist im Moment verärgert über den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan: Dieser weigert sich, die Kontrolle des von Türkei gekauften russischen Raketenabwehrsystems S-400 an die USA oder die Ukraine zu übergeben. Außenminister Mevlüt Çavuşoglu sagte laut der Zeitung Sabah, dass die Türkei dies nicht tun werde, weil dies ein Eingriff in ihre Souveränität sei. Möglicherweise könnten EU-Sanktionen den Druck auf Ankara erhöhen. Allerdings dämpft die EU diese Erwartungen. Politico zitiert einen anonymen „Diplomaten“ mit den Worten: „Wäre Europa wirklich bereit, Sanktionen gegen die Türkei zu verhängen und Vergeltungsmaßnahmen zu riskieren, beispielsweise wenn Präsident Recep Tayyip Erdogan mehr Migranten den Grenzübertritt in die EU erlaubt?“