Forum
News aus der EU
Zitat von Gast am 12. Dezember 2022, 07:48 UhrEmpörung in Brüssel wegen EU-Korruptionsskandal
Der politische Betrieb in der EU-Hauptstadt Brüssel steht unter Schock: Nachdem am Wochenende eine Vizepräsident des EU-Parlaments wegen mutmaßlicher Korruption und Geldwäsche von der belgischen Justiz festgenommen wurde, ist die Empörung groß.
Taschen voller Bargeld und Handys beschlagnahmt
Vizepräsidentin Eva Kaili soll Geld aus dem Golfstaat Katar kassiert haben, damit sie für das WM-Gastgeberland Einfluss auf politische Entscheidungen nimmt. Die Sozialdemokratin aus Griechenland wurde zusammen mit fünf anderen Verdächtigen nach mindestens 16 Razzien der belgischen Polizei am Wochenende festgenommen.
Vier davon kamen am Sonntag per Haftbefehl in Untersuchungshaft - darunter auch die 44-jährige Parlamentsvize. Bei den Durchsuchungen wurden 600 000 Euro Bargeld und Handys beschlagnahmt. In Kailis Wohnung sollen Medienberichten zufolge Taschen voller Bargeld gefunden worden sein.
Festgenommen wurden auch ein ehemaliger sozialdemokratischer Europa-Abgeordneter aus Italien, Antonio Panzeri, sowie Kailis italienischer Lebensgefährte.
Kaili suspendiert und von allen Aufgaben entbunden
Kaili sitzt seit 2014 im Europaparlament, wo sie inzwischen fast bis an die Spitze Karriere gemacht hat. Die sozialdemokratische Fraktion - zu der auch die deutschen SPD-Abgeordneten gehören - suspendierte bereits ihre Mitgliedschaft. Ihre Partei in Griechenland schloss sie aus.
Kaili wurde von Parlamentspräsidentin Roberta Metsola am Wochenende von all ihren Aufgaben entbunden. Bislang war sie eine von insgesamt 14 Stellvertretern. Formell muss die Entscheidung noch vom Parlament bestätigt werden, was bereits während der an diesem Montag beginnenden Plenarwoche in Straßburg erfolgen könnte.
Kaili zumindest fiel zuletzt mit einer eher ungewöhnlichen Haltung auf. Als das Parlament im November über eine Resolution diskutierte, die die WM in Katar kritisieren sollte, attestierte die Ex-Journalistin dem Land, Vorreiter in Sachen Arbeitsrecht zu sein. Die WM sei Beweis dafür, "dass Sportdiplomatie einen historischen Wandel in einem Land bewirken kann, dessen Reformen die arabische Welt inspiriert haben". Zudem beklagte sie, dass jeder, der mit Katarern spreche, der Korruption verdächtigt werde.
Lobbyarbeit in Brüssel: Stein ins Rollen gebracht?
In der EU-Hauptstadt, wo Gesetze für rund 450 Millionen Europäer gemacht werden, gehört Lobby-Arbeit selbstverständlich dazu, etwa 25 000 Lobbyisten tummeln sich laut des Vereins Lobbycontrol in der Stadt.
Doch dieser Fall ist anders, er könnte einen Stein ins Rollen bringen, wie Nicholas Aiossa von Transparency International EU erklärt: "Es ist eine wirklich überraschende Enthüllung, auch dass dies angesichts der Menge an Abgeordneten, die angeblich daran beteiligt sind, erst jetzt ans Licht kommt! Seit Jahren sehen wir kleinere Akte der Korruption bei den Mitarbeitern und durch andere Interessengruppen, wenn es zum Beispiel um Zulagen geht. Dies könnte also nur die Spitze des Eisbergs sein.
Michiel van Hulten von der Organisation Transparency International EU erklärte, es handele sich nicht um Einzelfälle. "Über Jahrzehnte hat das Parlament geduldet, dass sich eine Kultur der Straflosigkeit entwickelt - mit einer Kombination laxer Finanzregeln und -kontrollen sowie ohne jede unabhängige ethische Aufsicht." Jeder ernsthafte Versuch, mehr Verantwortlichkeiten zu schaffen, sei abgeblockt worden. Es sei Zeit für tiefgreifende Reformen.
Umgang mit WM-Gastgeber Katar in Zukunft
Der WM-Gastgeber Katar steht seit Jahren wegen der Menschenrechtslage und der Bedingungen für ausländische Arbeiter in der Kritik. Zahlreiche Mitglieder des damaligen FIFA-Exekutivkomitees, das 2010 die WM nach Katar vergeben hatte, sind inzwischen der Korruption überführt.
Katar selbst hat den Vorwurf der Bestechung zurückgewiesen. Sollte sich der Verdacht jedoch erhärten, ist die Frage wie die EU in Zukunft mit dem Golfstaat umgehen soll.
Der Innenausschuss des Europaparlaments stimmte Anfang Dezember dafür, die Visa-Regeln für Katar und andere Länder zu erleichtern. Das Parlament muss darüber aber noch mit den EU-Staaten verhandeln. In der aktuellen Situation scheint die Visa-Liberalisierung für Katarer in weiterer Ferne.
Angesichts des Korruptionsskandals fordern Politiker einschneidende Konsequenzen - und befürchten weitere Enthüllungen zu möglichen Schmiergeldzahlungen des steinreichen Golfemirats Katar.
Empörung in Brüssel wegen EU-Korruptionsskandal
Der politische Betrieb in der EU-Hauptstadt Brüssel steht unter Schock: Nachdem am Wochenende eine Vizepräsident des EU-Parlaments wegen mutmaßlicher Korruption und Geldwäsche von der belgischen Justiz festgenommen wurde, ist die Empörung groß.
Taschen voller Bargeld und Handys beschlagnahmt
Vizepräsidentin Eva Kaili soll Geld aus dem Golfstaat Katar kassiert haben, damit sie für das WM-Gastgeberland Einfluss auf politische Entscheidungen nimmt. Die Sozialdemokratin aus Griechenland wurde zusammen mit fünf anderen Verdächtigen nach mindestens 16 Razzien der belgischen Polizei am Wochenende festgenommen.
Vier davon kamen am Sonntag per Haftbefehl in Untersuchungshaft - darunter auch die 44-jährige Parlamentsvize. Bei den Durchsuchungen wurden 600 000 Euro Bargeld und Handys beschlagnahmt. In Kailis Wohnung sollen Medienberichten zufolge Taschen voller Bargeld gefunden worden sein.
Festgenommen wurden auch ein ehemaliger sozialdemokratischer Europa-Abgeordneter aus Italien, Antonio Panzeri, sowie Kailis italienischer Lebensgefährte.
Kaili suspendiert und von allen Aufgaben entbunden
Kaili sitzt seit 2014 im Europaparlament, wo sie inzwischen fast bis an die Spitze Karriere gemacht hat. Die sozialdemokratische Fraktion - zu der auch die deutschen SPD-Abgeordneten gehören - suspendierte bereits ihre Mitgliedschaft. Ihre Partei in Griechenland schloss sie aus.
Kaili wurde von Parlamentspräsidentin Roberta Metsola am Wochenende von all ihren Aufgaben entbunden. Bislang war sie eine von insgesamt 14 Stellvertretern. Formell muss die Entscheidung noch vom Parlament bestätigt werden, was bereits während der an diesem Montag beginnenden Plenarwoche in Straßburg erfolgen könnte.
Kaili zumindest fiel zuletzt mit einer eher ungewöhnlichen Haltung auf. Als das Parlament im November über eine Resolution diskutierte, die die WM in Katar kritisieren sollte, attestierte die Ex-Journalistin dem Land, Vorreiter in Sachen Arbeitsrecht zu sein. Die WM sei Beweis dafür, "dass Sportdiplomatie einen historischen Wandel in einem Land bewirken kann, dessen Reformen die arabische Welt inspiriert haben". Zudem beklagte sie, dass jeder, der mit Katarern spreche, der Korruption verdächtigt werde.
Lobbyarbeit in Brüssel: Stein ins Rollen gebracht?
In der EU-Hauptstadt, wo Gesetze für rund 450 Millionen Europäer gemacht werden, gehört Lobby-Arbeit selbstverständlich dazu, etwa 25 000 Lobbyisten tummeln sich laut des Vereins Lobbycontrol in der Stadt.
Doch dieser Fall ist anders, er könnte einen Stein ins Rollen bringen, wie Nicholas Aiossa von Transparency International EU erklärt: "Es ist eine wirklich überraschende Enthüllung, auch dass dies angesichts der Menge an Abgeordneten, die angeblich daran beteiligt sind, erst jetzt ans Licht kommt! Seit Jahren sehen wir kleinere Akte der Korruption bei den Mitarbeitern und durch andere Interessengruppen, wenn es zum Beispiel um Zulagen geht. Dies könnte also nur die Spitze des Eisbergs sein.
Michiel van Hulten von der Organisation Transparency International EU erklärte, es handele sich nicht um Einzelfälle. "Über Jahrzehnte hat das Parlament geduldet, dass sich eine Kultur der Straflosigkeit entwickelt - mit einer Kombination laxer Finanzregeln und -kontrollen sowie ohne jede unabhängige ethische Aufsicht." Jeder ernsthafte Versuch, mehr Verantwortlichkeiten zu schaffen, sei abgeblockt worden. Es sei Zeit für tiefgreifende Reformen.
Umgang mit WM-Gastgeber Katar in Zukunft
Der WM-Gastgeber Katar steht seit Jahren wegen der Menschenrechtslage und der Bedingungen für ausländische Arbeiter in der Kritik. Zahlreiche Mitglieder des damaligen FIFA-Exekutivkomitees, das 2010 die WM nach Katar vergeben hatte, sind inzwischen der Korruption überführt.
Katar selbst hat den Vorwurf der Bestechung zurückgewiesen. Sollte sich der Verdacht jedoch erhärten, ist die Frage wie die EU in Zukunft mit dem Golfstaat umgehen soll.
Der Innenausschuss des Europaparlaments stimmte Anfang Dezember dafür, die Visa-Regeln für Katar und andere Länder zu erleichtern. Das Parlament muss darüber aber noch mit den EU-Staaten verhandeln. In der aktuellen Situation scheint die Visa-Liberalisierung für Katarer in weiterer Ferne.
Angesichts des Korruptionsskandals fordern Politiker einschneidende Konsequenzen - und befürchten weitere Enthüllungen zu möglichen Schmiergeldzahlungen des steinreichen Golfemirats Katar.
Zitat von Gast am 14. Dezember 2022, 07:22 UhrEU-Asean-Gipfel: Warum Südostasien als China-Alternative so wichtig ist – für Europa aber ein schwieriger Partner bleibt
Beim ersten Gipfeltreffen der EU mit dem Staatenbund Asean will Europa an einen wichtigen Wachstumsmarkt heranrücken. Doch die Freihandelsgespräche stocken.
Beim Versuch, von China unabhängiger zu werden, sucht die Europäische Union Nähe zu den Nachbarn der Volksrepublik – und setzt dabei auf eine besondere Geste: Für diesen Mittwoch haben die Staats- und Regierungschefs der EU ihre Amtskollegen der südostasiatischen Asean-Staaten zu einem gemeinsamen Gipfel nach Brüssel eingeladen. Es ist das erste Treffen dieser Art in den seit 45 Jahren bestehenden Beziehungen zwischen den beiden Staatengruppen.
Das Potenzial einer engeren Zusammenarbeit ist groß: Den Asean-Ländern, zu denen wichtige Schwellenländer wie Indonesien, Thailand und Vietnam gehören, gelingt es zunehmend, ihre Industrieparks in den globalen Lieferketten als Alternative zu den Fabriken in China zu etablieren.
Gleichzeitig lockt in der Region ein Wachstumsmarkt mit fast 700 Millionen Einwohnern. Dessen Wirtschaftsleistung legt in diesem Jahr Prognosen zufolge um mehr als fünf Prozent zu – Südostasien gehört damit zu den derzeit wachstumsstärksten Regionen der Welt.
In Brüssel gibt man sich überzeugt, dass eine Vertiefung der Wirtschaftsbeziehungen in beiderseitigem Interesse ist – schließlich sorgt man sich auch in Südostasien vor einer zu großen Abhängigkeit von China und möchte sich breiter aufstellen.
Dennoch stocken die Versuche der beiden Wirtschaftsblöcke, enger aneinanderzurücken. Der EU ist es bisher erst gelungen, mit zwei der insgesamt zehn Asean-Staaten ein Freihandelsabkommen abzuschließen – Singapur und Vietnam.
Abkommen mit Indonesien möglicherweise im nächsten Jahr
Wirtschaftsvertreter drängen nun darauf, den Gipfel zu nutzen, um den Verhandlungen mit den übrigen Partnern neuen Schwung zu geben. „Europa hat großen Nachholbedarf“, sagt Chris Humphrey, Leiter der Organisation EU-Asean Business Council, die sich für die Interessen europäischer Unternehmen in der Region einsetzt.
Nötig seien eine schnelle Wiederaufnahme der zuvor auf Eis gelegten Handelsgespräche mit Thailand, Malaysia und den Philippinen sowie ein rascher Abschluss der laufenden Verhandlungen mit Indonesien, forderte Humphrey.
Seitens der EU hieß es am Dienstag, dass die Verhandlungen mit Thailand, Malaysia und den Philippinen gestartet würden, „wenn die Voraussetzungen dafür gegeben sind“. Von den Ländern wünscht man sich Zusicherungen, dass diese wie die EU an einem umfassenden Handelsabkommen interessiert sind.
Mit Blick auf die bereits mehr als sechs Jahre andauernden Verhandlungen mit Indonesien teilten EU-Vertreter mit, dass Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen mit Indonesiens Präsident Joko Widodo über einen möglichen Abschluss im kommenden Jahr gesprochen habe. „Wir sind aber noch nicht am Ziel“, hieß es in Brüssel.
Bislang verlaufen die Geschäfte der Europäer mit dem rund 275 Millionen Einwohner großen Inselstaat eher enttäuschend: Das bevölkerungsreichste Land der Region liegt unter den größten Volkswirtschaften der Welt auf Rang 17, steht in der Liste der wichtigsten Handelspartner der EU aber nur auf Platz 31. Vietnam, dessen Wirtschaftsleistung deutlich geringer ist, tauscht ein doppelt so großes Warenvolumen mit der EU aus.
Umstritten sind zwischen der EU und der Regierung in Jakarta unter anderem der Marktzugang für indonesisches Palmöl in Europa, das mit der Abholzung von Regenwäldern in Verbindung gebracht wird, und indonesische Exportbeschränkungen für Rohstoffe.
Gegen ein Ausfuhrverbot von Nickelerz in Indonesien legte die EU Beschwerde bei der Welthandelsorganisation ein – und bekam in einer Entscheidung Ende November recht. Am Montag legte die Regierung in Jakarta Berufung ein.
Verbot von außerehelichem Sex sorgt für Diskussionen
Belastet werden die Gespräche mit Indonesien, das im kommenden Jahr der Asean-Gruppe vorsitzt, auch durch ein umstrittenes neues Strafrecht, das eine Wertepartnerschaft mit dem mehrheitlich muslimischen Land in Zweifel zieht: Das vom Parlament in Jakarta beschlossene Gesetz stellt außerehelichen Sex unter Strafe – was besonders Homosexuelle trifft, da diese in dem Land nicht heiraten dürfen. Außerdem werden Blasphemie-Verbote ausgeweitet – was laut Menschenrechtsgruppen Islamkritik erschweren wird.
Die EU-Staats- und -Regierungschefs wollen die Strafrechtsverschärfung nach Angaben aus Brüssel in den Gesprächen mit Widodo zum Thema machen. Auch aus Sicht möglicher Investitionen in Indonesien gebe das Strafrecht Grund zur Sorge, hieß es. Ausländer würden von dem Gesetz möglicherweise abgeschreckt.
Die Entwicklungen in Indonesien stehen beispielhaft für das Dilemma, vor dem die EU in der Region steht: Einerseits sieht Europa Südostasien als strategischen Partner, andererseits steht die Politik der dortigen Länder oftmals in deutlichem Widerspruch zu den Wertvorstellungen der EU – mit autoritären Regierungen in Ländern wie Kambodscha und Vietnam, dem Diktatorensohn Ferdinand Marcos jr. an der Spitze der Philippinen und einer Militärjunta in Myanmar. Deren Chef wurde allerdings nicht nach Brüssel eingeladen.
Die Abwesenheit der Junta, die enge Beziehungen zu China und Russland pflegt, dürfte eine gemeinsame Abschlusserklärung des EU-Asean-Gipfels erleichtern. Um die Formulierungen mit Blick auf den Ukrainekrieg und die Konflikte im Südchinesischen Meer wurde lange gerungen – gerade mit Blick auf Russland sieht sich der Großteil der Asean-Länder als neutral.
EU-Vertreter gingen zuletzt dennoch davon aus, dass eine deutliche Stellungnahme der beiden Staatengruppen möglich sein werde. Die wirtschaftlichen Folgen des Kriegs in Form hoher Energie- und Nahrungsmittelpreise seien schließlich auch in Südostasien zu spüren.
EU-Asean-Gipfel: Warum Südostasien als China-Alternative so wichtig ist – für Europa aber ein schwieriger Partner bleibt
Beim ersten Gipfeltreffen der EU mit dem Staatenbund Asean will Europa an einen wichtigen Wachstumsmarkt heranrücken. Doch die Freihandelsgespräche stocken.
Beim Versuch, von China unabhängiger zu werden, sucht die Europäische Union Nähe zu den Nachbarn der Volksrepublik – und setzt dabei auf eine besondere Geste: Für diesen Mittwoch haben die Staats- und Regierungschefs der EU ihre Amtskollegen der südostasiatischen Asean-Staaten zu einem gemeinsamen Gipfel nach Brüssel eingeladen. Es ist das erste Treffen dieser Art in den seit 45 Jahren bestehenden Beziehungen zwischen den beiden Staatengruppen.
Das Potenzial einer engeren Zusammenarbeit ist groß: Den Asean-Ländern, zu denen wichtige Schwellenländer wie Indonesien, Thailand und Vietnam gehören, gelingt es zunehmend, ihre Industrieparks in den globalen Lieferketten als Alternative zu den Fabriken in China zu etablieren.
Gleichzeitig lockt in der Region ein Wachstumsmarkt mit fast 700 Millionen Einwohnern. Dessen Wirtschaftsleistung legt in diesem Jahr Prognosen zufolge um mehr als fünf Prozent zu – Südostasien gehört damit zu den derzeit wachstumsstärksten Regionen der Welt.
In Brüssel gibt man sich überzeugt, dass eine Vertiefung der Wirtschaftsbeziehungen in beiderseitigem Interesse ist – schließlich sorgt man sich auch in Südostasien vor einer zu großen Abhängigkeit von China und möchte sich breiter aufstellen.
Dennoch stocken die Versuche der beiden Wirtschaftsblöcke, enger aneinanderzurücken. Der EU ist es bisher erst gelungen, mit zwei der insgesamt zehn Asean-Staaten ein Freihandelsabkommen abzuschließen – Singapur und Vietnam.
Abkommen mit Indonesien möglicherweise im nächsten Jahr
Wirtschaftsvertreter drängen nun darauf, den Gipfel zu nutzen, um den Verhandlungen mit den übrigen Partnern neuen Schwung zu geben. „Europa hat großen Nachholbedarf“, sagt Chris Humphrey, Leiter der Organisation EU-Asean Business Council, die sich für die Interessen europäischer Unternehmen in der Region einsetzt.
Nötig seien eine schnelle Wiederaufnahme der zuvor auf Eis gelegten Handelsgespräche mit Thailand, Malaysia und den Philippinen sowie ein rascher Abschluss der laufenden Verhandlungen mit Indonesien, forderte Humphrey.
Seitens der EU hieß es am Dienstag, dass die Verhandlungen mit Thailand, Malaysia und den Philippinen gestartet würden, „wenn die Voraussetzungen dafür gegeben sind“. Von den Ländern wünscht man sich Zusicherungen, dass diese wie die EU an einem umfassenden Handelsabkommen interessiert sind.
Mit Blick auf die bereits mehr als sechs Jahre andauernden Verhandlungen mit Indonesien teilten EU-Vertreter mit, dass Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen mit Indonesiens Präsident Joko Widodo über einen möglichen Abschluss im kommenden Jahr gesprochen habe. „Wir sind aber noch nicht am Ziel“, hieß es in Brüssel.
Bislang verlaufen die Geschäfte der Europäer mit dem rund 275 Millionen Einwohner großen Inselstaat eher enttäuschend: Das bevölkerungsreichste Land der Region liegt unter den größten Volkswirtschaften der Welt auf Rang 17, steht in der Liste der wichtigsten Handelspartner der EU aber nur auf Platz 31. Vietnam, dessen Wirtschaftsleistung deutlich geringer ist, tauscht ein doppelt so großes Warenvolumen mit der EU aus.
Umstritten sind zwischen der EU und der Regierung in Jakarta unter anderem der Marktzugang für indonesisches Palmöl in Europa, das mit der Abholzung von Regenwäldern in Verbindung gebracht wird, und indonesische Exportbeschränkungen für Rohstoffe.
Gegen ein Ausfuhrverbot von Nickelerz in Indonesien legte die EU Beschwerde bei der Welthandelsorganisation ein – und bekam in einer Entscheidung Ende November recht. Am Montag legte die Regierung in Jakarta Berufung ein.
Verbot von außerehelichem Sex sorgt für Diskussionen
Belastet werden die Gespräche mit Indonesien, das im kommenden Jahr der Asean-Gruppe vorsitzt, auch durch ein umstrittenes neues Strafrecht, das eine Wertepartnerschaft mit dem mehrheitlich muslimischen Land in Zweifel zieht: Das vom Parlament in Jakarta beschlossene Gesetz stellt außerehelichen Sex unter Strafe – was besonders Homosexuelle trifft, da diese in dem Land nicht heiraten dürfen. Außerdem werden Blasphemie-Verbote ausgeweitet – was laut Menschenrechtsgruppen Islamkritik erschweren wird.
Die EU-Staats- und -Regierungschefs wollen die Strafrechtsverschärfung nach Angaben aus Brüssel in den Gesprächen mit Widodo zum Thema machen. Auch aus Sicht möglicher Investitionen in Indonesien gebe das Strafrecht Grund zur Sorge, hieß es. Ausländer würden von dem Gesetz möglicherweise abgeschreckt.
Die Entwicklungen in Indonesien stehen beispielhaft für das Dilemma, vor dem die EU in der Region steht: Einerseits sieht Europa Südostasien als strategischen Partner, andererseits steht die Politik der dortigen Länder oftmals in deutlichem Widerspruch zu den Wertvorstellungen der EU – mit autoritären Regierungen in Ländern wie Kambodscha und Vietnam, dem Diktatorensohn Ferdinand Marcos jr. an der Spitze der Philippinen und einer Militärjunta in Myanmar. Deren Chef wurde allerdings nicht nach Brüssel eingeladen.
Die Abwesenheit der Junta, die enge Beziehungen zu China und Russland pflegt, dürfte eine gemeinsame Abschlusserklärung des EU-Asean-Gipfels erleichtern. Um die Formulierungen mit Blick auf den Ukrainekrieg und die Konflikte im Südchinesischen Meer wurde lange gerungen – gerade mit Blick auf Russland sieht sich der Großteil der Asean-Länder als neutral.
EU-Vertreter gingen zuletzt dennoch davon aus, dass eine deutliche Stellungnahme der beiden Staatengruppen möglich sein werde. Die wirtschaftlichen Folgen des Kriegs in Form hoher Energie- und Nahrungsmittelpreise seien schließlich auch in Südostasien zu spüren.
Zitat von Gast am 14. Dezember 2022, 07:55 UhrBosnien-Herzegowina auf dem Weg in die EU
Bosnien-Herzegowina soll EU-Beitrittskandidat werden. Das haben die Europaminister der EU-Staaten empfohlen. Schon am Donnerstag sollen beim EU-Gipfel in Brüssel die Staats- und Regierungschefs über den Kandidatenstatus des Balkanstaates entscheiden.
Der EU-Erweiterungskomissar Oliver Varhelyi wies auf Twitter indirekt darauf hin, dass der Kandidatenstatus noch keinen Beitritt garantiert. So sollen konkrete Beitrittsverhandlungen erst stattfinden, wenn das Land 14 Reformauflagen der EU erfüllt.
"Bosnien-Herzegowina hat enorme Reformanstrengungen unternommen in den letzten Monaten", erklärte die deutsche Europastaatsministerin Anna Lührmann in Brüssel zu der Empfehlung. Zudem sei es gelungen, die jüngsten Wahlen in einem fairen und freien Umfeld abzuhalten und eine Regierung zu bilden.
Mit dem Schritt nimmt die nächste EU-Osterweiterung weiter Gestalt an. Neben mehreren Balkanstaaten ist seit Juni auch die Ukraine EU-Beitrittskandidat.
Dass es jetzt so schnell geht, hat einen aktuellen Grund: In der EU geht die Sorge um, dass sich die Beitrittskandidaten verstärkt Richtung Russland oder China orientieren könnten, wenn ihre Annäherung an die EU verzögert wird.
Bosnien-Herzegowina auf dem Weg in die EU
Bosnien-Herzegowina soll EU-Beitrittskandidat werden. Das haben die Europaminister der EU-Staaten empfohlen. Schon am Donnerstag sollen beim EU-Gipfel in Brüssel die Staats- und Regierungschefs über den Kandidatenstatus des Balkanstaates entscheiden.
Der EU-Erweiterungskomissar Oliver Varhelyi wies auf Twitter indirekt darauf hin, dass der Kandidatenstatus noch keinen Beitritt garantiert. So sollen konkrete Beitrittsverhandlungen erst stattfinden, wenn das Land 14 Reformauflagen der EU erfüllt.
"Bosnien-Herzegowina hat enorme Reformanstrengungen unternommen in den letzten Monaten", erklärte die deutsche Europastaatsministerin Anna Lührmann in Brüssel zu der Empfehlung. Zudem sei es gelungen, die jüngsten Wahlen in einem fairen und freien Umfeld abzuhalten und eine Regierung zu bilden.
Mit dem Schritt nimmt die nächste EU-Osterweiterung weiter Gestalt an. Neben mehreren Balkanstaaten ist seit Juni auch die Ukraine EU-Beitrittskandidat.
Dass es jetzt so schnell geht, hat einen aktuellen Grund: In der EU geht die Sorge um, dass sich die Beitrittskandidaten verstärkt Richtung Russland oder China orientieren könnten, wenn ihre Annäherung an die EU verzögert wird.
Zitat von Gast am 21. Dezember 2022, 07:44 UhrNeuer ESM-Chef Gramegna - Stehen nicht vor neuer Schuldenkrise
Berlin (Reuters) - Der neue geschäftsführende Direktor des Euro-Rettungsschirms ESM, Pierre Gramegna, rechnet trotz steigender Zinsen, Rezession und hoher Staatsverschuldung in einigen Euro-Ländern auf absehbare Zeit nicht mit einer neuen Schuldenkrise in der Eurozone.
"Wir stehen nicht vor einer neuen Schuldenkrise", sagte Gramegna der Zeitung "Welt" (Mittwochausgabe) laut Vorabbericht. "Zum einen ist das Bruttoinlandsprodukt in den meisten Euro-Ländern nach dem Ende der Pandemie stark gewachsen und das hilft jetzt. Außerdem wird das Geld aus dem EU-Wiederaufbauprogramm in den kommenden vier Jahren weiter fließen und die nationalen Volkswirtschaften stützen. Und die hohe Inflation, die uns anderswo Sorgen bereitet, lässt die Schuldenlast automatisch sinken. Ich will nicht als Luftikus dastehen, der die Risiken unterschätzt. Aber aus meiner Sicht überwiegen kurzfristig die positiven Faktoren."
Der luxemburgische Politiker hält insbesondere die steigenden Zinsen für ein beherrschbares Problem. "Für die Schulden, die Staaten in den vergangenen Jahren aufgenommen haben, zahlen sie sehr niedrige Zinsen, die nur langsam steigen", sagte Gramegna dem Blatt.
Derzeit steht eine Reform des ESM an, womit dem Euro-Schutzschirm unter anderem eine stärkere Rolle bei künftigen Bankenrettungen geben werden soll. Das Unterhaus des italienischen Parlaments blockiert derzeit die Ratifizierung, Deutschland hat das Vorhaben bereits unterzeichnet.
Gramegna hatte die Leitung des Europäischen Stabilitätsmechanismus ESM am 1. Dezember übernommen.
Neuer ESM-Chef Gramegna - Stehen nicht vor neuer Schuldenkrise
Berlin (Reuters) - Der neue geschäftsführende Direktor des Euro-Rettungsschirms ESM, Pierre Gramegna, rechnet trotz steigender Zinsen, Rezession und hoher Staatsverschuldung in einigen Euro-Ländern auf absehbare Zeit nicht mit einer neuen Schuldenkrise in der Eurozone.
"Wir stehen nicht vor einer neuen Schuldenkrise", sagte Gramegna der Zeitung "Welt" (Mittwochausgabe) laut Vorabbericht. "Zum einen ist das Bruttoinlandsprodukt in den meisten Euro-Ländern nach dem Ende der Pandemie stark gewachsen und das hilft jetzt. Außerdem wird das Geld aus dem EU-Wiederaufbauprogramm in den kommenden vier Jahren weiter fließen und die nationalen Volkswirtschaften stützen. Und die hohe Inflation, die uns anderswo Sorgen bereitet, lässt die Schuldenlast automatisch sinken. Ich will nicht als Luftikus dastehen, der die Risiken unterschätzt. Aber aus meiner Sicht überwiegen kurzfristig die positiven Faktoren."
Der luxemburgische Politiker hält insbesondere die steigenden Zinsen für ein beherrschbares Problem. "Für die Schulden, die Staaten in den vergangenen Jahren aufgenommen haben, zahlen sie sehr niedrige Zinsen, die nur langsam steigen", sagte Gramegna dem Blatt.
Derzeit steht eine Reform des ESM an, womit dem Euro-Schutzschirm unter anderem eine stärkere Rolle bei künftigen Bankenrettungen geben werden soll. Das Unterhaus des italienischen Parlaments blockiert derzeit die Ratifizierung, Deutschland hat das Vorhaben bereits unterzeichnet.
Gramegna hatte die Leitung des Europäischen Stabilitätsmechanismus ESM am 1. Dezember übernommen.
Zitat von Gast am 21. Dezember 2022, 13:07 UhrDreißig Jahre nach der Trennung: Dunkle Wolken über den tschechisch-slowakischen Beziehungen
Im Januar 1993 trennten sich Tschechen und Slowaken auf friedliche Weise. Die Beziehungen zwischen den beiden Nachbarländern blieben eng und freundschaftlich. Doch seit Kurzem gibt es Differenzen.
Der letzte Europäische Gipfel unter tschechischer Präsidentschaft fand am 15. Dezember 2022 statt - ohne den slowakischen Ministerpräsidenten Eduard Heger. Der musste sich an diesem Tag einem Misstrauensvotum im slowakischen Parlament in Bratislava stellen. Vertreten wurde er von seinem tschechischen Amtskollegen Petr Fiala. Eine naheliegende Entscheidung, denn auch dreißig Jahre nach der reibungslosen Teilung ihres gemeinsamen Staates am 1. Januar 1993 stehen sich die Tschechische Republik und die Slowakei immer noch sehr nahe.
Fiala bestätigte dies gegenüber der Deutschen Welle: "Die ausgezeichneten Beziehungen zwischen der Tschechischen Republik und der Slowakei zeigen sich nicht nur in dieser Frage." Darum werde man am 1. Januar 2023 den 30. Jahrestag der friedlichen Teilung der Tschechoslowakischen Föderativen Republik und der Gründung zweier unabhängiger Staaten mit Stolz begehen.
"Wir dürfen nicht vergessen, dass die Teilung der Tschechoslowakei nicht nur friedlich, sondern auch ungewöhnlich freundschaftlich verlief", so Fiala. Das sei etwas Einzigartiges in der Geschichte. "Das Besondere, worauf wir stolz sein und woran wir arbeiten sollten ist, dass die Beziehungen zwischen der Tschechischen Republik und der Slowakei nach der Teilung wirklich hervorragend sind." Dies gelte nicht nur für die politische Ebene, sondern auch zwischen Unternehmen und Menschen.
"Das ist etwas wirklich Schönes und ich denke, es zeigt, dass die Schaffung zweier unabhängiger Staaten der richtige Weg war und beiden Nationen geholfen hat", so der tschechische Premierminister gegenüber der DW. "Die Tatsache, dass wir so gute Beziehungen haben, stärkt uns gemeinsam in Europa."
Diplomaten-Könige in Prag und Bratislava
Slowakische Politiker und Diplomaten sehen das ähnlich. Gern erinnert sich der slowakische Außenminister Rastislav Kacer an seine Zeit als Botschafter seines Landes in der tschechischen Hauptstadt. "Slowakischer Botschafter in Prag zu sein, ist ein großes Privileg. Hier ist man ein diplomatischer König. Andere Botschafter kommen zu einem, und sagen: Niemand sonst versteht die tschechische Politik so gut wie Sie, erklären Sie es uns."
Auch in der tschechischen Diplomatie wird der Posten des Botschafters in Bratislava als sehr prestigeträchtig angesehen. Ein Beleg dafür ist die Tatsache, dass die tschechische Botschafterin in der Slowakei von 2013 bis 2018 die ehemalige First Lady Livie Klausova war, die Ehefrau des früheren Präsidenten Vaclav Klaus.
"In dem Moment, in dem bekannt wurde, dass ich als Botschafter in die Slowakei gehen würde, war das Interesse groß, viel mehr als damals, als ich als Botschafter nach Deutschland ging", erinnert sich Rudolf Jindrak, Leiter der Auslandsabteilung des Präsidialbüros in Prag, im Gespräch mit der DW. Am 1. Januar 2023 wird er sein neues Amt als tschechischer Botschafter in Bratislava antreten.
Reger Austausch auf allen Ebenen
Die außergewöhnlichen Beziehungen zwischen Tschechien und der Slowakei spiegeln sich auch darin wider, dass die ersten Auslandsreisen von Präsidenten, Premierministern und Außenministern beider Länder immer noch in die Hauptstadt des jeweiligen Nachbarlandes führen, nach Prag und nach Bratislava - auch 30 Jahre nach der Teilung der Tschechoslowakei. Außerdem finden regelmäßige gemeinsame Sitzungen der beiden Regierungen statt.
Auch der Studentenaustausch ist rege, denn tschechische und slowakische Staatsbürger können im jeweils anderen Land kostenlos studieren. Beide Sprachen werden in beiden Ländern als verständlich eingestuft. Mehr als 25.000 slowakische Studenten studieren in Tschechien - das sind mehr als zehn Prozent der Studentenschaft insgesamt. Umgekehrt ist die Zahl tschechischer Studenten im Nachbarland aufgrund der geringeren Qualität der slowakischen Universitäten deutlich niedriger.Darüber hinaus arbeiten Tausende von slowakischen Ärzten und Krankenschwestern in der Tschechischen Republik. 91.000 tschechische Staatsbürger haben slowakische Wurzeln, und mehr als 114.000 Slowaken haben einen ständigen Wohnsitz in der Tschechischen Republik. In der Slowakei dagegen gibt es nur einige zehntausend Tschechen.
Verbundenheit ist geblieben
Der slowakische Politologe Grigory Mesezhnikov, Direktor des Instituts für öffentliche Angelegenheiten, bestätigte im Gespräch mit der DW, dass die Beziehungen zwischen Tschechen und Slowaken durchweg gut sind. "Die Wahrnehmung der Tschechen durch die Slowaken ist sehr positiv, was auch durch Meinungsumfragen bestätigt wird. Und auch in der Tschechischen Republik werden die Slowaken als die nächststehende Nation wahrgenommen", so Mesezhnikov.
"Die Tschechoslowakei ist in den Köpfen und Herzen der Menschen immer noch lebendig, wenn auch mit unterschiedlicher Intensität", sagte Mesezhnikov. Einer im November 2022 durchgeführten Umfrage des Prager Meinungsforschungsinstituts STEM zufolge betrachten sich 91 Prozent der Slowaken und 87 Prozent der Tschechen noch immer als engste Verbündete. 53 Prozent der Slowaken halten die Teilung der Tschechoslowakei immer noch für falsch, aber nur 35 Prozent der tschechischen Bevölkerung.
Die grüne Grenze ist seit September geschlossen
Trotz all dieser positiven Daten: Nach Ansicht vieler Experten nimmt die Besonderheit der Beziehung zwischen den beiden Bruderländern langsam ab. "In vielen Bereichen sind unsere Beziehungen nicht mehr außergewöhnlich gut", räumt Rudolf Jindrak ein "Die tschechisch-slowakischen Beziehungen haben sich in der Europäischen Union im übertragenen Sinne wie ein Stück Würfelzucker aufgelöst, und wir haben nach dem EU-Beitritt aufgehört, ihnen genügend Aufmerksamkeit zu schenken."
Das zeigte sich vor allem während der ersten schweren Krise in den bilateralen Beziehungen seit Auflösung der Tschechoslowakei als die Tschechische Republik am 29. September 2022 die "grüne Grenze" zur Slowakei schloss. Der Grund dafür war ein starker Anstieg der Zahl der illegalen Zuwanderer, die über die Slowakei ins Land kamen. Bratislava weigerte sich, die Migranten, die von der tschechischen Polizei aufgegriffen wurden, gemäß dem Rückübernahmeabkommen zurückzunehmen.
"Ja, einer der Gründe für die Wiedereinführung von Kontrollen an der gemeinsamen Grenze war die problematische Umsetzung des Rückübernahmeabkommens durch die Slowakei", bestätigt Hana Mala von der Presseabteilung des tschechischen Innenministeriums gegenüber der DW. Die Schließung der grünen Grenze führte zu Protesten slowakischer LKW-Fahrer. Selbst ein Treffen der Ministerpräsidenten am 11. November 2022 konnte den Streit nicht beilegen. Die grüne Schengen-Grenze zwischen der Tschechischen Republik und der Slowakei bleibt über die Weihnachtsfeiertage geschlossen.
Dreißig Jahre nach der Trennung: Dunkle Wolken über den tschechisch-slowakischen Beziehungen
Im Januar 1993 trennten sich Tschechen und Slowaken auf friedliche Weise. Die Beziehungen zwischen den beiden Nachbarländern blieben eng und freundschaftlich. Doch seit Kurzem gibt es Differenzen.
Der letzte Europäische Gipfel unter tschechischer Präsidentschaft fand am 15. Dezember 2022 statt - ohne den slowakischen Ministerpräsidenten Eduard Heger. Der musste sich an diesem Tag einem Misstrauensvotum im slowakischen Parlament in Bratislava stellen. Vertreten wurde er von seinem tschechischen Amtskollegen Petr Fiala. Eine naheliegende Entscheidung, denn auch dreißig Jahre nach der reibungslosen Teilung ihres gemeinsamen Staates am 1. Januar 1993 stehen sich die Tschechische Republik und die Slowakei immer noch sehr nahe.
Fiala bestätigte dies gegenüber der Deutschen Welle: "Die ausgezeichneten Beziehungen zwischen der Tschechischen Republik und der Slowakei zeigen sich nicht nur in dieser Frage." Darum werde man am 1. Januar 2023 den 30. Jahrestag der friedlichen Teilung der Tschechoslowakischen Föderativen Republik und der Gründung zweier unabhängiger Staaten mit Stolz begehen.
"Wir dürfen nicht vergessen, dass die Teilung der Tschechoslowakei nicht nur friedlich, sondern auch ungewöhnlich freundschaftlich verlief", so Fiala. Das sei etwas Einzigartiges in der Geschichte. "Das Besondere, worauf wir stolz sein und woran wir arbeiten sollten ist, dass die Beziehungen zwischen der Tschechischen Republik und der Slowakei nach der Teilung wirklich hervorragend sind." Dies gelte nicht nur für die politische Ebene, sondern auch zwischen Unternehmen und Menschen.
"Das ist etwas wirklich Schönes und ich denke, es zeigt, dass die Schaffung zweier unabhängiger Staaten der richtige Weg war und beiden Nationen geholfen hat", so der tschechische Premierminister gegenüber der DW. "Die Tatsache, dass wir so gute Beziehungen haben, stärkt uns gemeinsam in Europa."
Diplomaten-Könige in Prag und Bratislava
Slowakische Politiker und Diplomaten sehen das ähnlich. Gern erinnert sich der slowakische Außenminister Rastislav Kacer an seine Zeit als Botschafter seines Landes in der tschechischen Hauptstadt. "Slowakischer Botschafter in Prag zu sein, ist ein großes Privileg. Hier ist man ein diplomatischer König. Andere Botschafter kommen zu einem, und sagen: Niemand sonst versteht die tschechische Politik so gut wie Sie, erklären Sie es uns."
Auch in der tschechischen Diplomatie wird der Posten des Botschafters in Bratislava als sehr prestigeträchtig angesehen. Ein Beleg dafür ist die Tatsache, dass die tschechische Botschafterin in der Slowakei von 2013 bis 2018 die ehemalige First Lady Livie Klausova war, die Ehefrau des früheren Präsidenten Vaclav Klaus.
"In dem Moment, in dem bekannt wurde, dass ich als Botschafter in die Slowakei gehen würde, war das Interesse groß, viel mehr als damals, als ich als Botschafter nach Deutschland ging", erinnert sich Rudolf Jindrak, Leiter der Auslandsabteilung des Präsidialbüros in Prag, im Gespräch mit der DW. Am 1. Januar 2023 wird er sein neues Amt als tschechischer Botschafter in Bratislava antreten.
Reger Austausch auf allen Ebenen
Die außergewöhnlichen Beziehungen zwischen Tschechien und der Slowakei spiegeln sich auch darin wider, dass die ersten Auslandsreisen von Präsidenten, Premierministern und Außenministern beider Länder immer noch in die Hauptstadt des jeweiligen Nachbarlandes führen, nach Prag und nach Bratislava - auch 30 Jahre nach der Teilung der Tschechoslowakei. Außerdem finden regelmäßige gemeinsame Sitzungen der beiden Regierungen statt.
Darüber hinaus arbeiten Tausende von slowakischen Ärzten und Krankenschwestern in der Tschechischen Republik. 91.000 tschechische Staatsbürger haben slowakische Wurzeln, und mehr als 114.000 Slowaken haben einen ständigen Wohnsitz in der Tschechischen Republik. In der Slowakei dagegen gibt es nur einige zehntausend Tschechen.
Verbundenheit ist geblieben
Der slowakische Politologe Grigory Mesezhnikov, Direktor des Instituts für öffentliche Angelegenheiten, bestätigte im Gespräch mit der DW, dass die Beziehungen zwischen Tschechen und Slowaken durchweg gut sind. "Die Wahrnehmung der Tschechen durch die Slowaken ist sehr positiv, was auch durch Meinungsumfragen bestätigt wird. Und auch in der Tschechischen Republik werden die Slowaken als die nächststehende Nation wahrgenommen", so Mesezhnikov.
"Die Tschechoslowakei ist in den Köpfen und Herzen der Menschen immer noch lebendig, wenn auch mit unterschiedlicher Intensität", sagte Mesezhnikov. Einer im November 2022 durchgeführten Umfrage des Prager Meinungsforschungsinstituts STEM zufolge betrachten sich 91 Prozent der Slowaken und 87 Prozent der Tschechen noch immer als engste Verbündete. 53 Prozent der Slowaken halten die Teilung der Tschechoslowakei immer noch für falsch, aber nur 35 Prozent der tschechischen Bevölkerung.
Die grüne Grenze ist seit September geschlossen
Trotz all dieser positiven Daten: Nach Ansicht vieler Experten nimmt die Besonderheit der Beziehung zwischen den beiden Bruderländern langsam ab. "In vielen Bereichen sind unsere Beziehungen nicht mehr außergewöhnlich gut", räumt Rudolf Jindrak ein "Die tschechisch-slowakischen Beziehungen haben sich in der Europäischen Union im übertragenen Sinne wie ein Stück Würfelzucker aufgelöst, und wir haben nach dem EU-Beitritt aufgehört, ihnen genügend Aufmerksamkeit zu schenken."
Das zeigte sich vor allem während der ersten schweren Krise in den bilateralen Beziehungen seit Auflösung der Tschechoslowakei als die Tschechische Republik am 29. September 2022 die "grüne Grenze" zur Slowakei schloss. Der Grund dafür war ein starker Anstieg der Zahl der illegalen Zuwanderer, die über die Slowakei ins Land kamen. Bratislava weigerte sich, die Migranten, die von der tschechischen Polizei aufgegriffen wurden, gemäß dem Rückübernahmeabkommen zurückzunehmen.
"Ja, einer der Gründe für die Wiedereinführung von Kontrollen an der gemeinsamen Grenze war die problematische Umsetzung des Rückübernahmeabkommens durch die Slowakei", bestätigt Hana Mala von der Presseabteilung des tschechischen Innenministeriums gegenüber der DW. Die Schließung der grünen Grenze führte zu Protesten slowakischer LKW-Fahrer. Selbst ein Treffen der Ministerpräsidenten am 11. November 2022 konnte den Streit nicht beilegen. Die grüne Schengen-Grenze zwischen der Tschechischen Republik und der Slowakei bleibt über die Weihnachtsfeiertage geschlossen.
Zitat von Gast am 13. Januar 2023, 07:36 UhrKrisenhilfen in der EU: Deutschland mit großem Abstand Spitzenreiter
Deutschland hat Unternehmen im vergangenen Jahr im EU-Vergleich mit Abstand die meisten Staatshilfen im Kampf gegen Krisenauswirkungen wie hohe Energiepreise gewährt. „49,33 Prozent der genehmigten staatlichen Beihilfen wurden von Deutschland angemeldet“, teilte die EU-Kommission am Donnerstag in Brüssel mit. Zuvor hatte das Nachrichtenportal „Politico“ über die Daten berichtet.
Deutschland ist laut Zahlen des Statistischen Bundesamts mit einem Bruttoinlandsprodukt von 3,6 Billionen Euro (2021) bei Weitem die größte Volkswirtschaft. Frankreich steht demnach mit 2,5 Billionen Euro an zweiter und Italien mit 1,7 Billionen Euro an Dritter Stelle.
Bis Ende 2022 habe die Kommission mehr 170 nationale Maßnahmen im Rahmen von gelockerten Staatshilferegeln genehmigt, so die Brüsseler Behörde. Auf dieser Grundlage sei für Beihilfen im Umfang von geschätzt rund 540 Milliarden grünes Licht gegeben worden. An zweiter Stelle steht den Angaben zufolge Frankreich, das knapp 30 Prozent der Hilfen angemeldet hat. Auf dem dritten Platz befindet sich Italien mit knapp fünf Prozent.Die EU-Kommission betont, dass es sich bei den Zahlen um Schätzungen handelt, da nicht bei allen angemeldeten Staatshilfen eine Höhe angegeben werden musste. Zudem bedeute die Anmeldung von Hilfen nicht zwangsläufig, dass diese auch ausgezahlt wurden. Die Mittel können etwa in Form von Zuschüssen, aber auch Krediten oder Garantien gewährt werden.
Krisenhilfen in der EU: Deutschland mit großem Abstand Spitzenreiter
Deutschland hat Unternehmen im vergangenen Jahr im EU-Vergleich mit Abstand die meisten Staatshilfen im Kampf gegen Krisenauswirkungen wie hohe Energiepreise gewährt. „49,33 Prozent der genehmigten staatlichen Beihilfen wurden von Deutschland angemeldet“, teilte die EU-Kommission am Donnerstag in Brüssel mit. Zuvor hatte das Nachrichtenportal „Politico“ über die Daten berichtet.
Deutschland ist laut Zahlen des Statistischen Bundesamts mit einem Bruttoinlandsprodukt von 3,6 Billionen Euro (2021) bei Weitem die größte Volkswirtschaft. Frankreich steht demnach mit 2,5 Billionen Euro an zweiter und Italien mit 1,7 Billionen Euro an Dritter Stelle.
Die EU-Kommission betont, dass es sich bei den Zahlen um Schätzungen handelt, da nicht bei allen angemeldeten Staatshilfen eine Höhe angegeben werden musste. Zudem bedeute die Anmeldung von Hilfen nicht zwangsläufig, dass diese auch ausgezahlt wurden. Die Mittel können etwa in Form von Zuschüssen, aber auch Krediten oder Garantien gewährt werden.
Zitat von Gast am 13. Januar 2023, 09:25 UhrZwischen 23 und drei Prozent Inflation – warum einige Länder Europas viel besser durch die Teuerung kommen als andere
In den 19 Ländern der Euro-Zone ist die Inflation im Dezember insgesamt leicht vom 10,1 auf 9,2 Prozent gefallen. In den 27 Ländern der Europäischen Union (EU) lag sie nach den jüngsten Zahlen für November bei rund elf Prozent. Diese Mittelwerte trügen allerdings, denn es gibt extreme Unterschiede bei den Inflationsraten in Europa.
In der EU reicht die Spanne von 5,6 Prozent in Spanien bis zu 23 Prozent in Ungarn. Viel niedriger ist die Inflation mit 2,9 Prozent in der Schweiz, die weder der EU noch der Euro-Zone angehört. Das gilt auch für Großbritannien, doch das Land kämpft mit einer historisch hohen Inflationsrate von mehr als elf Prozent. Deutschland wiederum liegt mit 9,6 Prozent (nach europäischer Rechnung) im Mittelfeld.
Woran liegen diese extremen Unterschiede? Wesentliche Faktoren sind: die geografische Nähe zu Russland (siehe Karte), die Abhängigkeit von Energie- und Nahrungsmittelimporten, staatliche Eingriffe in die Preise, die Stärke der Währung und das Wohlstandsniveau.
Estland (17,5 Prozent), Lettland und Litauen (je 20 Prozent)
Die baltischen Länder sind von den Folgen des russischen Angriffs auf die Ukraine besonders betroffen. Zum einen waren sie stark von Energie aus Russland abhängig. Zum anderen waren sie auch bei Nahrungsmitteln und anderen Waren eng mit der russischen Wirtschaft verflochten. All diese Effekte haben die ohnehin seit 2021 steigenden Inflationsraten 2022 in die Höhe getrieben. Hinzu kommt, dass aufgrund eher niedriger Einkommen die höheren Ausgaben für Energie und Nahrungsmittel stärker ins Gewicht fallen.
Über Monate lag die Teuerung in den drei Ländern über 20 Prozent. Im Dezember fiel die Inflationsrate in Lettland auf 20,7 und in Litauen auf 20,0 Prozent. Estland verzeichnete erstmals seit Mai mit 17,5 Prozent wieder eine Teuerung unter 20 Prozent.
Ungarn (23,1 Prozent) und Polen (16,1 Prozent)
Ähnliche Gründe gibt es auch für die hohen Inflationsraten in anderen osteuropäischen Ländern. Je näher zu Russland, umso härter trafen die Folgen des Ukraine-Krieges diese Länder. Hinzu kommen hausgemachte Gründe. In Polen gibt es Kritik, die Notenbank habe die Zinsen zu spät angehoben. Hohe staatliche Ausgaben, auch für die Versorgung der Schutzsuchenden aus der Ukraine, treiben die Preise ebenso wie kräftige Lohnerhöhungen. In Ungarn macht zusätzlich die Schwäche der Landeswährung Forint Importe zusätzlich teurer. Die Inflation liegt deutlich bei über 20 Prozent.
Spanien (5,6 Prozent) und Frankreich (7,1 Prozent)
Spanien und Frankreich liegen am anderen, westlichen Ende Europas. Sie waren weniger von russischer Energie abhängig. Vor allem aber haben ihre Regierungen früh und kräftig in die Preise eingegriffen, in Frankreich etwa durch einen verstetigten Tankrabatt. Frankreich hat eine lange Tradition staatlich regulierter Preise. Die Inflationsrate von 7,1 Prozent im November war dennoch die höchste seit Einführung des Euro. Im Dezember stiegen in Frankreich die Energiepreise so langsam wie seit September 2021 nicht mehr.
Auch Spanien reguliert die Preise mit vielen Milliarden Euro Staatshilfe herunter. Die Steuer auf Grundnahrungsmittel wie Brot und Milch wurde drastisch gesenkt, die Mehrwertsteuer auf Strom von
21 auf fünf Prozent gekappt. Gemeinsam mit Portugal hat Spanien den Gaspreis früh gedeckelt. Möglich war das, weil die iberische Halbinsel kaum in den europäischen Gasverbund eingebunden ist. Im Ergebnis ist Energie in Spanien heute billiger als vor einem Jahr. Hinzu kommen Vergünstigungen im Zug- und Nahverkehr und Mietpreisdeckel. Spaniens Steuerzahler kommen dafür mit 45 Milliarden Euro auf.
Unter dem Deckel der staatlich regulierten Preise sieht es anders aus. In Spanien ist die entscheidende Kerninflation – ohne Energie und Nahrungsmittel – stetig gestiegen. Mit mittlerweile 6,9 Prozent liegt sie deutlich über dem Schnitt der Euro-Zone von fünf Prozent.
Schweiz (2,9 Prozent)
Die Schweiz ist in vieler Hinsicht ein Sonderfall. Zwar erreichte auch in der Schweiz die Inflation im August ein 30-Jahreshoch. Allerdings bei nur 3,5 Prozent. Bis zum Dezember 2022 ist die Teuerung, auf 2,9 Prozent gesunken. Die Schweiz profitiert von einem seit langem starken Franken, der Importe aus dem Euro-Raum günstiger macht. Die Alpenrepublik kann sich mit Wasser- und Atomkraft weitgehend selbst mit Strom versorgen und importiert zudem wenige Lebensmittel. Und: Im hohen Lebensstandard der Schweizer fallen die dennoch höheren Preise für Energie und Nahrung weniger stark ins Gewicht.
Großbritannien (elf Prozent)
Auch in Großbritannien wirken einige Sonderfaktoren. Das Land leidet immer noch unter dem Brexit. Der Austritt aus der EU hat sowohl das Angebot an Waren als auch an Arbeitskräften verknappt. Das treibt die Preise. Großbritannien führt zudem einen hohen Anteil seiner Lebensmittel aus dem Ausland ein. Die Lebensmittelpreise steigen auf der Insel besonders stark. Großbritannien sieht sich nun auch noch einer großen Streikwelle ausgesetzt. Auch dies verknappt das Angebot.
Deutschland (9,6 Prozent)
Deutschland liegt nicht nur geografisch in der Mitte Europas. Auch die Inflationsrate ist etwa im Europa-Mittel. In Deutschland kommen alle Faktoren zusammen, die derzeit die Höhe der Inflationsraten bestimmen. Die hohe Abhängigkeit von Energieimporten aus Russland ließ die Energiepreisrechnung stark steigen. Auch die Bundesregierung hat mit teuren Preisbremsen und Subventionen gegengesteuert. Wie alle Euro-Länder profitiert auch Deutschland zuletzt vom stärkeren Euro als Folge der Zinserhöhungen der Europäischen Zentralbank.
Zwischen 23 und drei Prozent Inflation – warum einige Länder Europas viel besser durch die Teuerung kommen als andere
In den 19 Ländern der Euro-Zone ist die Inflation im Dezember insgesamt leicht vom 10,1 auf 9,2 Prozent gefallen. In den 27 Ländern der Europäischen Union (EU) lag sie nach den jüngsten Zahlen für November bei rund elf Prozent. Diese Mittelwerte trügen allerdings, denn es gibt extreme Unterschiede bei den Inflationsraten in Europa.
In der EU reicht die Spanne von 5,6 Prozent in Spanien bis zu 23 Prozent in Ungarn. Viel niedriger ist die Inflation mit 2,9 Prozent in der Schweiz, die weder der EU noch der Euro-Zone angehört. Das gilt auch für Großbritannien, doch das Land kämpft mit einer historisch hohen Inflationsrate von mehr als elf Prozent. Deutschland wiederum liegt mit 9,6 Prozent (nach europäischer Rechnung) im Mittelfeld.
Woran liegen diese extremen Unterschiede? Wesentliche Faktoren sind: die geografische Nähe zu Russland (siehe Karte), die Abhängigkeit von Energie- und Nahrungsmittelimporten, staatliche Eingriffe in die Preise, die Stärke der Währung und das Wohlstandsniveau.
Estland (17,5 Prozent), Lettland und Litauen (je 20 Prozent)
Die baltischen Länder sind von den Folgen des russischen Angriffs auf die Ukraine besonders betroffen. Zum einen waren sie stark von Energie aus Russland abhängig. Zum anderen waren sie auch bei Nahrungsmitteln und anderen Waren eng mit der russischen Wirtschaft verflochten. All diese Effekte haben die ohnehin seit 2021 steigenden Inflationsraten 2022 in die Höhe getrieben. Hinzu kommt, dass aufgrund eher niedriger Einkommen die höheren Ausgaben für Energie und Nahrungsmittel stärker ins Gewicht fallen.
Über Monate lag die Teuerung in den drei Ländern über 20 Prozent. Im Dezember fiel die Inflationsrate in Lettland auf 20,7 und in Litauen auf 20,0 Prozent. Estland verzeichnete erstmals seit Mai mit 17,5 Prozent wieder eine Teuerung unter 20 Prozent.
Ungarn (23,1 Prozent) und Polen (16,1 Prozent)
Ähnliche Gründe gibt es auch für die hohen Inflationsraten in anderen osteuropäischen Ländern. Je näher zu Russland, umso härter trafen die Folgen des Ukraine-Krieges diese Länder. Hinzu kommen hausgemachte Gründe. In Polen gibt es Kritik, die Notenbank habe die Zinsen zu spät angehoben. Hohe staatliche Ausgaben, auch für die Versorgung der Schutzsuchenden aus der Ukraine, treiben die Preise ebenso wie kräftige Lohnerhöhungen. In Ungarn macht zusätzlich die Schwäche der Landeswährung Forint Importe zusätzlich teurer. Die Inflation liegt deutlich bei über 20 Prozent.
Spanien (5,6 Prozent) und Frankreich (7,1 Prozent)
Spanien und Frankreich liegen am anderen, westlichen Ende Europas. Sie waren weniger von russischer Energie abhängig. Vor allem aber haben ihre Regierungen früh und kräftig in die Preise eingegriffen, in Frankreich etwa durch einen verstetigten Tankrabatt. Frankreich hat eine lange Tradition staatlich regulierter Preise. Die Inflationsrate von 7,1 Prozent im November war dennoch die höchste seit Einführung des Euro. Im Dezember stiegen in Frankreich die Energiepreise so langsam wie seit September 2021 nicht mehr.
Auch Spanien reguliert die Preise mit vielen Milliarden Euro Staatshilfe herunter. Die Steuer auf Grundnahrungsmittel wie Brot und Milch wurde drastisch gesenkt, die Mehrwertsteuer auf Strom von
21 auf fünf Prozent gekappt. Gemeinsam mit Portugal hat Spanien den Gaspreis früh gedeckelt. Möglich war das, weil die iberische Halbinsel kaum in den europäischen Gasverbund eingebunden ist. Im Ergebnis ist Energie in Spanien heute billiger als vor einem Jahr. Hinzu kommen Vergünstigungen im Zug- und Nahverkehr und Mietpreisdeckel. Spaniens Steuerzahler kommen dafür mit 45 Milliarden Euro auf.
Unter dem Deckel der staatlich regulierten Preise sieht es anders aus. In Spanien ist die entscheidende Kerninflation – ohne Energie und Nahrungsmittel – stetig gestiegen. Mit mittlerweile 6,9 Prozent liegt sie deutlich über dem Schnitt der Euro-Zone von fünf Prozent.
Schweiz (2,9 Prozent)
Die Schweiz ist in vieler Hinsicht ein Sonderfall. Zwar erreichte auch in der Schweiz die Inflation im August ein 30-Jahreshoch. Allerdings bei nur 3,5 Prozent. Bis zum Dezember 2022 ist die Teuerung, auf 2,9 Prozent gesunken. Die Schweiz profitiert von einem seit langem starken Franken, der Importe aus dem Euro-Raum günstiger macht. Die Alpenrepublik kann sich mit Wasser- und Atomkraft weitgehend selbst mit Strom versorgen und importiert zudem wenige Lebensmittel. Und: Im hohen Lebensstandard der Schweizer fallen die dennoch höheren Preise für Energie und Nahrung weniger stark ins Gewicht.
Großbritannien (elf Prozent)
Auch in Großbritannien wirken einige Sonderfaktoren. Das Land leidet immer noch unter dem Brexit. Der Austritt aus der EU hat sowohl das Angebot an Waren als auch an Arbeitskräften verknappt. Das treibt die Preise. Großbritannien führt zudem einen hohen Anteil seiner Lebensmittel aus dem Ausland ein. Die Lebensmittelpreise steigen auf der Insel besonders stark. Großbritannien sieht sich nun auch noch einer großen Streikwelle ausgesetzt. Auch dies verknappt das Angebot.
Deutschland (9,6 Prozent)
Deutschland liegt nicht nur geografisch in der Mitte Europas. Auch die Inflationsrate ist etwa im Europa-Mittel. In Deutschland kommen alle Faktoren zusammen, die derzeit die Höhe der Inflationsraten bestimmen. Die hohe Abhängigkeit von Energieimporten aus Russland ließ die Energiepreisrechnung stark steigen. Auch die Bundesregierung hat mit teuren Preisbremsen und Subventionen gegengesteuert. Wie alle Euro-Länder profitiert auch Deutschland zuletzt vom stärkeren Euro als Folge der Zinserhöhungen der Europäischen Zentralbank.
Zitat von Gast am 25. Januar 2023, 09:20 UhrGaspreise fallen, Inflation lässt nach - entgeht die Eurozone einer Rezession?
Es war die Vorhersage, die unheilvoll im Raum stand: Die Eurozone steuerte auf eine tiefe Rezession zu, die Russlands Krieg in der Ukraine, einer verheerenden Energiekrise und einer steigenden Inflation zugeschrieben wurde.
Die schicksalhafte Prognose, die gemacht wurde, sobald russische Panzer Ende Februar 2022 illegal die Grenze zur Ukraine überquerten, sorgte auf dem gesamten Kontinent für Schlagzeilen und löste bei Verbrauchern und Investoren eine Stimmung tiefgreifenden Pessimismus aus. Es wäre der dritte wirtschaftliche Rückgang in weniger als drei Jahren.
Aber dann änderte sich im Jahresverlauf etwas, und ein Schimmer von Optimismus fand seinen Weg durch die Düsternis.
Die „Nachrichten sind in den letzten Wochen viel positiver geworden", sagte die Europäische Zentralbank, Christine Lagarde, letzte Woche beim Besuch des Weltwirtschaftsforums in Davos.
„Es ist kein brillantes Jahr, aber es ist viel besser als wir befürchtet hatten."
Nur wenige Tage zuvor hatte Paolo Gentiloni, der EU-Kommissar für Wirtschaft, eine noch kühnere Vorhersage gemacht.
„Es besteht die Möglichkeit, eine tiefe Rezession zu vermeiden und vielleicht in eine begrenztere, flachere Kontraktion einzutreten“, sagte Gentiloni gegenüber Reportern in Brüssel.
„Das hängt natürlich sehr stark von unserer Politik ab.“
„Am Rande der Rezession“
Der plötzliche Stimmungsumschwung in der EU wird auf eine Reihe positiver Entwicklungen zurückgeführt, die sich um die Jahreswende einstellten. Der wichtigste unter ihnen: ein stetiger Rückgang der Gaspreise.
Die Preise an der Transfer Title Facility (TTF), Europas führendem Gashandelszentrum, sind unter 70 Euro pro Megawattstunde gefallen, ein Niveau, das seit dem russischen Überfall auf die Ukraine nicht mehr erreicht wurde.
Ein ungewöhnlich warmer Jahresbeginn, gepaart mit einer starken unterirdischen Lagerung zur Befriedigung der zusätzlichen Nachfrage und beständigen Lieferungen von verflüssigtem Erdgas (LNG) an die europäischen Küsten, scheinen dem bis jetzt explosiven Markt ein gewisses Maß an Sicherheit verliehen zu haben.
Die Atempause wurde, gelinde gesagt, sehr begrüßt: Europas verarbeitende Industrie war monatelang auf einem Drahtseil zwischen dem Laufenhalten von Motoren oder der Beantragung von Konkurs. Über Nacht waren die Fabriken gezwungen, ihre lang etablierten Lieferketten neu zu gestalten und ihre täglichen Abläufe an das plötzliche Verschwinden billiger russischer fossiler Brennstoffe anzupassen.
„Sowohl Verbraucher als auch Produzenten haben große Anstrengungen unternommen, um mit dem Konsum umzugehen“, sagte Maria Demertzis, Senior Fellow bei Bruegel, einer in Brüssel ansässigen Denkfabrik, gegenüber Euronews.
„Eine sehr interessante Beobachtung ist, dass es der Industrie gelungen ist, ihren Gasverbrauch ohne eine entsprechende Reduzierung der Produktion zu reduzieren, da sie dabei sehr erfinderisch war. Das sind großartige Neuigkeiten für die Widerstandsfähigkeit und Anpassungsfähigkeit unserer Branche.“
"Eigentlich wäre ich optimistisch, was die Aussichten angeht", fügte Demertzis hinzu.
Die gigantische Anstrengung ist sicherlich nicht billig geworden: Bruegel schätzt, dass die europäischen Länder seit September 2021 mehr als 705 Milliarden Euro bereitgestellt haben, um schutzbedürftige Bürger und angeschlagene Unternehmen vor den Auswirkungen der Energiekrise zu schützen.
Die fortgesetzten Auszahlungen direkter Unterstützung und Subventionen haben die öffentlichen Kassen belastet, sich aber letztendlich für die Eurozone ausgezahlt, sagte Peter Vanden Houte, Chefökonom von ING.
„Wir haben gesehen, dass das Vertrauen in den letzten zwei Monaten etwas gestiegen ist, was bedeutet, dass der Konsum wahrscheinlich etwas widerstandsfähiger bleiben wird. Allerdings ist auch nicht alles rosig“, sagte Vanden Houte gegenüber Euronews.
„Produzierende Unternehmen und Einzelhändler sitzen auf einem riesigen Bestand an unverkaufter Ware, was die Produktion belasten könnte. Hinzu kommt, dass die starken Zinserhöhungen im Laufe des Jahres für einen Abschwung im Immobilien- und Bausektor sorgen dürften."
Dennoch wird die Eurozone „wahrscheinlich“ zwei aufeinanderfolgende Quartale der wirtschaftlichen Kontraktion – die klassische Definition einer Rezession – vermeiden und stattdessen in eine Phase gedämpften Wachstums eintreten, sagte Vanden Houte.
Eine ähnliche Aufwärtsrevision wurde kürzlich von Goldman Sachs vorgenommen, das seinen Januar-Bericht mit der Frage „Wird die Wirtschaft des Euroraums in eine Rezession gehen“ eröffnete und klar antwortete: „Nein, wir haben unsere Prognosen nach oben korrigiert und erwarten keine technische Rezession mehr.“
Das Team von Goldman Sachs nannte drei Hauptgründe, um seine neue Prognose zu untermauern: „überraschend widerstandsfähige“ Daten aus dem europäischen Industriesektor, der starke Rückgang der Gaspreise und das Wiederanlaufen der chinesischen Wirtschaft nach monatelangen drakonischen Lockdowns.
Infolgedessen prognostiziert die Investmentbank nun Expansionsraten von 0,1 Prozent sowohl für das erste als auch für das zweite Quartal 2023, gegenüber -0,4 Prozent bzw. -0,1 Prozent in der vorherigen Prognose, um bis zum Jahresende 0,6 % zu erreichen.
„Wir erwarten daher in den Wintermonaten eher eine Phase der Wachstumsschwäche als eine Rezession, obwohl die Wahrscheinlichkeit einer technischen Rezession im nächsten Jahr bei 40 Prozent erhöht bleibt“, sagte Goldman Sachs in einer Mitteilung an Investoren, die Euronews vorliegt.
Der Bericht betonte jedoch, dass das Wachstum unter den 20 Ländern, die den Euro als Währung verwenden, erheblich variieren würde, wobei Deutschland und Italien, zwei Staaten, die stark von russischen fossilen Brennstoffen abhängig waren, immer noch „am Rande einer Rezession“ stünden.
"Andauernder Gegenwind"
Der von Ökonomen und Analysten gefeierte Rückgang der Gaspreise hat eine weitere wichtige Frage aufgeworfen: Hat die Inflation in der Eurozone endlich ihren Höhepunkt erreicht?
Die jüngsten von Eurostat veröffentlichten Zahlen scheinen darauf hinzudeuten, dass dies tatsächlich der Fall ist: Die Inflation in der Eurozone ist von einem beispiellosen Höchststand von 10,6 Prozent im Oktober auf 9,2 Prozent im Dezember gefallen.
Die Rückkehr in den einstelligen Bereich hat viele überrascht und die Welle des Optimismus weiter angeheizt, auch wenn die Kerninflation, die die volatilen Preise für Energie und Lebensmittel ausschließt, hartnäckig hoch bleibt.
Immer mehr ermutigende Zeichen trafen ein: Flash-Daten, die diesen Monat von der Europäischen Kommission veröffentlicht wurden, zeigten, dass das Verbrauchervertrauen in der gesamten Eurozone begonnen hat, sich von einem historischen Tief von -28,7 Prozent im Spätsommer, als die Gaspreise an der TTF alle in die Höhe schnellten, wieder zurück zu normalen Niveaus zu kommen.
Das Verbrauchervertrauen liegt jetzt bei -20,9 Prozent, immer noch ein miserabler Wert, aber der beste seit Februar.
„Die Erholung der Verbraucherstimmung in den letzten Monaten deutet auf ein Abflachen des Rückgangs der Einzelhandelsumsätze hin“, sagte Ken Wattret, Vizepräsident für Analyse und Einblicke bei S&P Global Market Intelligence, in einer E-Mail an Euronews.
Wattret stellte fest, dass sich die Handelsbilanz der Eurozone, die sich 2021 von einem Überschuss in ein Defizit verwandelte, als Energieimporte immer teurer wurden, weiterhin zugunsten der EU verengt und im November ein Defizit von 11,7 Milliarden Euro erreichte, den niedrigsten Wert seit Februar.
Die Arbeitslosigkeit, ein weiterer wichtiger Indikator, bleibt stabil und unter der 7 Prozent-Schwelle, was darauf hindeutet, dass das gefürchtete Szenario, dass Unternehmen gezwungen sind, Tausende von Arbeitnehmern zu entlassen, um über die Runden zu kommen, nicht eingetreten ist – oder zumindest noch nicht.
„Während derzeit viele Vermutungen angestellt werden, ist es unserer Ansicht nach eher ein Nebenschauplatz, ob die Eurozone kleine Rückgänge oder kleine Anstiege des realen BIP verzeichnet“, sagte Wattret.
„Das Hauptproblem ist, dass das Risiko einer schweren Rezession mit potenziellen Folgewirkungen auf die Arbeitslosigkeit, den Finanzsektor, die Vermögenspreise usw. seit Herbst 2022 deutlich zurückgegangen ist.“
Oliver Rakau, deutscher Chefökonom bei Oxford Economics, räumte ein, dass in den letzten Wochen „gute Nachrichten die schlechten Nachrichten eindeutig überwogen haben“, ging aber vorsichtiger vor, als er gefragt wurde, ob die Eurozone über dem Berg sei, was Bedenken hinsichtlich der Langfristigkeit der Wettbewerbsfähigkeit der EU aufkommen ließ.
„Die Energiepreise werden immer noch viel höher bleiben als in anderen Regionen der Welt als vor dem Krieg in der Ukraine, und viele Unternehmen werden zumindest einen Teil ihres Energiebedarfs für dieses Jahr auf dem hohen Niveau des letzten Jahres abgesichert haben“, sagte Rakau gegenüber Euronews.
„Energieintensive Unternehmen müssen also immer noch beurteilen, ob eine fortgesetzte Präsenz in Europa vertretbar ist.“
Nach Ansicht von Rakau müssen die wirtschaftlichen Probleme der Eurozone durch die breitere Linse einer globalen Konjunkturabschwächung und einer schleppenden Nachfrage wahrgenommen werden, was niedrigere Energiepreise „wenig zur Stützung beitragen“ lässt.
Außerdem, fügte er hinzu, seien die Schockwellen der aggressiven Zinserhöhungen durch die Europäische Zentralbank von Bürgern und Unternehmen noch nicht vollständig zu spüren.
Die EZB hat sich auf eine „Whatever-it-takes“-Mission zur Eindämmung der Inflation begeben und wird voraussichtlich die Zinsen im Februar und März um 50 Basispunkte erhöhen.
Obwohl wir den Abschwung, den wir erwarten, abgemildert haben und glauben, dass die Risikobalance ausgeglichener geworden ist, sind wir noch nicht davon überzeugt, dass die Eurozone eine technische Rezession abwenden wird“, sagte Rakau.
„Einige der Gegenwinde scheinen andauernd zu sein."
Gaspreise fallen, Inflation lässt nach - entgeht die Eurozone einer Rezession?
Es war die Vorhersage, die unheilvoll im Raum stand: Die Eurozone steuerte auf eine tiefe Rezession zu, die Russlands Krieg in der Ukraine, einer verheerenden Energiekrise und einer steigenden Inflation zugeschrieben wurde.
Die schicksalhafte Prognose, die gemacht wurde, sobald russische Panzer Ende Februar 2022 illegal die Grenze zur Ukraine überquerten, sorgte auf dem gesamten Kontinent für Schlagzeilen und löste bei Verbrauchern und Investoren eine Stimmung tiefgreifenden Pessimismus aus. Es wäre der dritte wirtschaftliche Rückgang in weniger als drei Jahren.
Aber dann änderte sich im Jahresverlauf etwas, und ein Schimmer von Optimismus fand seinen Weg durch die Düsternis.
Die „Nachrichten sind in den letzten Wochen viel positiver geworden", sagte die Europäische Zentralbank, Christine Lagarde, letzte Woche beim Besuch des Weltwirtschaftsforums in Davos.
„Es ist kein brillantes Jahr, aber es ist viel besser als wir befürchtet hatten."
Nur wenige Tage zuvor hatte Paolo Gentiloni, der EU-Kommissar für Wirtschaft, eine noch kühnere Vorhersage gemacht.
„Es besteht die Möglichkeit, eine tiefe Rezession zu vermeiden und vielleicht in eine begrenztere, flachere Kontraktion einzutreten“, sagte Gentiloni gegenüber Reportern in Brüssel.
„Das hängt natürlich sehr stark von unserer Politik ab.“
„Am Rande der Rezession“
Der plötzliche Stimmungsumschwung in der EU wird auf eine Reihe positiver Entwicklungen zurückgeführt, die sich um die Jahreswende einstellten. Der wichtigste unter ihnen: ein stetiger Rückgang der Gaspreise.
Die Preise an der Transfer Title Facility (TTF), Europas führendem Gashandelszentrum, sind unter 70 Euro pro Megawattstunde gefallen, ein Niveau, das seit dem russischen Überfall auf die Ukraine nicht mehr erreicht wurde.
Ein ungewöhnlich warmer Jahresbeginn, gepaart mit einer starken unterirdischen Lagerung zur Befriedigung der zusätzlichen Nachfrage und beständigen Lieferungen von verflüssigtem Erdgas (LNG) an die europäischen Küsten, scheinen dem bis jetzt explosiven Markt ein gewisses Maß an Sicherheit verliehen zu haben.
Die Atempause wurde, gelinde gesagt, sehr begrüßt: Europas verarbeitende Industrie war monatelang auf einem Drahtseil zwischen dem Laufenhalten von Motoren oder der Beantragung von Konkurs. Über Nacht waren die Fabriken gezwungen, ihre lang etablierten Lieferketten neu zu gestalten und ihre täglichen Abläufe an das plötzliche Verschwinden billiger russischer fossiler Brennstoffe anzupassen.
„Sowohl Verbraucher als auch Produzenten haben große Anstrengungen unternommen, um mit dem Konsum umzugehen“, sagte Maria Demertzis, Senior Fellow bei Bruegel, einer in Brüssel ansässigen Denkfabrik, gegenüber Euronews.
„Eine sehr interessante Beobachtung ist, dass es der Industrie gelungen ist, ihren Gasverbrauch ohne eine entsprechende Reduzierung der Produktion zu reduzieren, da sie dabei sehr erfinderisch war. Das sind großartige Neuigkeiten für die Widerstandsfähigkeit und Anpassungsfähigkeit unserer Branche.“
"Eigentlich wäre ich optimistisch, was die Aussichten angeht", fügte Demertzis hinzu.
Die gigantische Anstrengung ist sicherlich nicht billig geworden: Bruegel schätzt, dass die europäischen Länder seit September 2021 mehr als 705 Milliarden Euro bereitgestellt haben, um schutzbedürftige Bürger und angeschlagene Unternehmen vor den Auswirkungen der Energiekrise zu schützen.
Die fortgesetzten Auszahlungen direkter Unterstützung und Subventionen haben die öffentlichen Kassen belastet, sich aber letztendlich für die Eurozone ausgezahlt, sagte Peter Vanden Houte, Chefökonom von ING.
„Wir haben gesehen, dass das Vertrauen in den letzten zwei Monaten etwas gestiegen ist, was bedeutet, dass der Konsum wahrscheinlich etwas widerstandsfähiger bleiben wird. Allerdings ist auch nicht alles rosig“, sagte Vanden Houte gegenüber Euronews.
„Produzierende Unternehmen und Einzelhändler sitzen auf einem riesigen Bestand an unverkaufter Ware, was die Produktion belasten könnte. Hinzu kommt, dass die starken Zinserhöhungen im Laufe des Jahres für einen Abschwung im Immobilien- und Bausektor sorgen dürften."
Dennoch wird die Eurozone „wahrscheinlich“ zwei aufeinanderfolgende Quartale der wirtschaftlichen Kontraktion – die klassische Definition einer Rezession – vermeiden und stattdessen in eine Phase gedämpften Wachstums eintreten, sagte Vanden Houte.
Eine ähnliche Aufwärtsrevision wurde kürzlich von Goldman Sachs vorgenommen, das seinen Januar-Bericht mit der Frage „Wird die Wirtschaft des Euroraums in eine Rezession gehen“ eröffnete und klar antwortete: „Nein, wir haben unsere Prognosen nach oben korrigiert und erwarten keine technische Rezession mehr.“
Das Team von Goldman Sachs nannte drei Hauptgründe, um seine neue Prognose zu untermauern: „überraschend widerstandsfähige“ Daten aus dem europäischen Industriesektor, der starke Rückgang der Gaspreise und das Wiederanlaufen der chinesischen Wirtschaft nach monatelangen drakonischen Lockdowns.
Infolgedessen prognostiziert die Investmentbank nun Expansionsraten von 0,1 Prozent sowohl für das erste als auch für das zweite Quartal 2023, gegenüber -0,4 Prozent bzw. -0,1 Prozent in der vorherigen Prognose, um bis zum Jahresende 0,6 % zu erreichen.
„Wir erwarten daher in den Wintermonaten eher eine Phase der Wachstumsschwäche als eine Rezession, obwohl die Wahrscheinlichkeit einer technischen Rezession im nächsten Jahr bei 40 Prozent erhöht bleibt“, sagte Goldman Sachs in einer Mitteilung an Investoren, die Euronews vorliegt.
Der Bericht betonte jedoch, dass das Wachstum unter den 20 Ländern, die den Euro als Währung verwenden, erheblich variieren würde, wobei Deutschland und Italien, zwei Staaten, die stark von russischen fossilen Brennstoffen abhängig waren, immer noch „am Rande einer Rezession“ stünden.
"Andauernder Gegenwind"
Der von Ökonomen und Analysten gefeierte Rückgang der Gaspreise hat eine weitere wichtige Frage aufgeworfen: Hat die Inflation in der Eurozone endlich ihren Höhepunkt erreicht?
Die jüngsten von Eurostat veröffentlichten Zahlen scheinen darauf hinzudeuten, dass dies tatsächlich der Fall ist: Die Inflation in der Eurozone ist von einem beispiellosen Höchststand von 10,6 Prozent im Oktober auf 9,2 Prozent im Dezember gefallen.
Die Rückkehr in den einstelligen Bereich hat viele überrascht und die Welle des Optimismus weiter angeheizt, auch wenn die Kerninflation, die die volatilen Preise für Energie und Lebensmittel ausschließt, hartnäckig hoch bleibt.
Immer mehr ermutigende Zeichen trafen ein: Flash-Daten, die diesen Monat von der Europäischen Kommission veröffentlicht wurden, zeigten, dass das Verbrauchervertrauen in der gesamten Eurozone begonnen hat, sich von einem historischen Tief von -28,7 Prozent im Spätsommer, als die Gaspreise an der TTF alle in die Höhe schnellten, wieder zurück zu normalen Niveaus zu kommen.
Das Verbrauchervertrauen liegt jetzt bei -20,9 Prozent, immer noch ein miserabler Wert, aber der beste seit Februar.
„Die Erholung der Verbraucherstimmung in den letzten Monaten deutet auf ein Abflachen des Rückgangs der Einzelhandelsumsätze hin“, sagte Ken Wattret, Vizepräsident für Analyse und Einblicke bei S&P Global Market Intelligence, in einer E-Mail an Euronews.
Wattret stellte fest, dass sich die Handelsbilanz der Eurozone, die sich 2021 von einem Überschuss in ein Defizit verwandelte, als Energieimporte immer teurer wurden, weiterhin zugunsten der EU verengt und im November ein Defizit von 11,7 Milliarden Euro erreichte, den niedrigsten Wert seit Februar.
Die Arbeitslosigkeit, ein weiterer wichtiger Indikator, bleibt stabil und unter der 7 Prozent-Schwelle, was darauf hindeutet, dass das gefürchtete Szenario, dass Unternehmen gezwungen sind, Tausende von Arbeitnehmern zu entlassen, um über die Runden zu kommen, nicht eingetreten ist – oder zumindest noch nicht.
„Während derzeit viele Vermutungen angestellt werden, ist es unserer Ansicht nach eher ein Nebenschauplatz, ob die Eurozone kleine Rückgänge oder kleine Anstiege des realen BIP verzeichnet“, sagte Wattret.
„Das Hauptproblem ist, dass das Risiko einer schweren Rezession mit potenziellen Folgewirkungen auf die Arbeitslosigkeit, den Finanzsektor, die Vermögenspreise usw. seit Herbst 2022 deutlich zurückgegangen ist.“
Oliver Rakau, deutscher Chefökonom bei Oxford Economics, räumte ein, dass in den letzten Wochen „gute Nachrichten die schlechten Nachrichten eindeutig überwogen haben“, ging aber vorsichtiger vor, als er gefragt wurde, ob die Eurozone über dem Berg sei, was Bedenken hinsichtlich der Langfristigkeit der Wettbewerbsfähigkeit der EU aufkommen ließ.
„Die Energiepreise werden immer noch viel höher bleiben als in anderen Regionen der Welt als vor dem Krieg in der Ukraine, und viele Unternehmen werden zumindest einen Teil ihres Energiebedarfs für dieses Jahr auf dem hohen Niveau des letzten Jahres abgesichert haben“, sagte Rakau gegenüber Euronews.
„Energieintensive Unternehmen müssen also immer noch beurteilen, ob eine fortgesetzte Präsenz in Europa vertretbar ist.“
Nach Ansicht von Rakau müssen die wirtschaftlichen Probleme der Eurozone durch die breitere Linse einer globalen Konjunkturabschwächung und einer schleppenden Nachfrage wahrgenommen werden, was niedrigere Energiepreise „wenig zur Stützung beitragen“ lässt.
Außerdem, fügte er hinzu, seien die Schockwellen der aggressiven Zinserhöhungen durch die Europäische Zentralbank von Bürgern und Unternehmen noch nicht vollständig zu spüren.
Die EZB hat sich auf eine „Whatever-it-takes“-Mission zur Eindämmung der Inflation begeben und wird voraussichtlich die Zinsen im Februar und März um 50 Basispunkte erhöhen.
Obwohl wir den Abschwung, den wir erwarten, abgemildert haben und glauben, dass die Risikobalance ausgeglichener geworden ist, sind wir noch nicht davon überzeugt, dass die Eurozone eine technische Rezession abwenden wird“, sagte Rakau.
„Einige der Gegenwinde scheinen andauernd zu sein."
Zitat von Gast am 26. Januar 2023, 08:23 UhrDie Katastrophe
AfD und Linke zu Kampfpanzern
Die Katastrophe
Für viele Politiker ist die Panzer-Entscheidung ein Befreiungsschlag. An den Rändern des politischen Spektrums sieht das ganz anders aus. Trotzdem könnte sie für AfD und Linke zum Glücksfall werden.
Der Saal klatscht, die Stimmung im Bundestag ist gut. Kanzler Olaf Scholz (SPD) hat beschlossen, Leopard-Panzer an die Ukraine zu liefern. Für viele im Bundestag ist das ein lang erwarteter Befreiungsschlag. Die FDP, die Grünen, die CDU – sie drängen schon lange auf mehr Unterstützung für die Ukraine, gerade mit Waffen.
Petr Bystron blickt anders auf die aktuelle Lage. Die Stimmung sei "bedrückt" im Saal, konstatiert der AfD-Außenpolitiker, als er sich für eine Frage an den Kanzler gemeldet hat. "Nie wieder Krieg, keine Waffen in Kriegsgebiete – das waren die Fundamente der deutschen Außenpolitik der Nachkriegszeit", sagt er an Scholz gerichtet. "Sie werden in die Geschichte eingehen als der Kanzler, der diese Fundamente mit Füßen getreten hat!"
Für die Oppositionsparteien Linke und AfD ist Scholz‘ Freigabe der Leopard-Panzer das Worst-Case-Szenario. Schon seit Monaten warnen die beiden Parteien wegen der Waffenlieferungen vor einer Eskalation, vor einem Gegenschlag Putins, vor der Ausweitung des Krieges. Der Ampel werfen sie wahlweise "Kriegstreiberei" oder einen "Kriegsrausch" vor. Und warnen – wie AfD-Chef Tino Chrupalla – vor dem Dritten Weltkrieg.
Und nun, nach Helmen, Luftabwehrsystemen und leichteren Panzern wird Deutschland also auch Kampfpanzer liefern. Die ganz schweren Geschütze.
Kritik an "Kriegstreiberei", Warnung vor "Eskalation"
Das Entsetzen ist am Mittwoch in beiden Parteien groß. "Durch die Entscheidungen für Panzerlieferungen dreht die Bundesrepublik mit an der Eskalationsspirale", sagt Martin Schirdewan, Chef der Linken, zu t-online. "Es ist zu befürchten, und diese Sorge teilen viele Menschen im Land, dass wir uns immer mehr von einer diplomatischen Lösung entfernen."
Linken-Ikone Sahra Wagenknecht formuliert es noch schärfer: "Einknicken von Scholz ist Katastrophe", twittert sie. "Was ist mit seinem Versprechen, Deutschland vor direkter Kriegsteilnahme zu schützen?"
Wagenknechts Vertraute in der Linken-Fraktion, Außenpolitikerin Sevim Dagdelen, sieht die USA als Strippenzieher: Die Entscheidung der Ampel "auf Geheiß Washingtons" bereite den Weg in den Krieg. "Es gilt jetzt, den Kriegstreibern in den Arm zu fallen!"
Ganz ähnlich sind die Töne in der AfD. "Deutschland droht immer mehr zur Kriegspartei zu werden – mit unabsehbaren Folgen für unser Land und seine Bürger", sagt Alice Weidel, Partei- und Fraktionschefin der AfD, t-online. "Nach den Kampfpanzern werden Flugzeuge gefordert, nach diesen dann Logistiktruppen, damit mehr Ukrainer an die Front kommen, irgendwann dann Kampftruppen." Die AfD-Fraktion fürchte eine "Eskalation des Krieges".
"Unverantwortlich und gefährlich", nennt Weidels Co-Parteichef Tino Chrupalla die geplanten Panzerlieferungen. Und Ex-Soldat und AfD-Abgeordneter Hannes Gnauck, der vom Militärischen Abschirmdienst als Rechtsextremist beobachtet wird, schreibt unter der Verwendung des Hashtags #Kriegstreiber auf Twitter: "Die BRD schreitet sehenden Auges in die Katastrophe."
Deutschland ist gespalten in der Panzerfrage
Tatsächlich könnte die von beiden Parteien skizzierte Katastrophe aber eher ein demoskopischer Glücksfall für sie werden. Selten waren sie in der jüngeren Vergangenheit so nah dran an großen Teilen der öffentlichen Meinung.
Denn tatsächlich spaltet die Frage der Lieferung schwerer Kampfpanzer die Bevölkerung in Deutschland derzeit. Ungefähr 50 Prozent dafür, 50 Prozent dagegen – so fallen in diesen Tagen die meisten Umfragen zu dem Thema aus. Besonders stark ist die Ablehnung im Osten sowie unter den jüngeren Altersgruppen in Ost wie West.
Es ist ein Thema, das verfängt, ja gehörig aufrüttelt. Nachdem der "heiße Herbst" gescheitert ist, in dem Linke wie AfD eigentlich Hunderttausende gegen die Energiepolitik der Ampel auf die Straße treiben wollten, ist das mal wieder ein politischer Erfolg. Und nun hat sich mit dem bisher so zögerlichen Kanzler und der SPD auch noch die letzte große Partei ins Lager für die Lieferung schwerer Waffen geschlagen.
Fraglich bleibt, ob die Stimmung auch bei den Parteien am Rand einzahlen wird: Bisher jedenfalls stehen AfD wie Linke in jüngsten Umfragen noch recht unverändert bei rund 15 beziehungsweise 6 Prozent Zustimmung. Klar ist aber: Nicht nur Weidel und Schirdewan werden die Umfragen in den kommenden Tagen und Wochen genau studieren – sondern auch der Kanzler, der so lange zögerte.
Die Katastrophe
AfD und Linke zu Kampfpanzern
Die Katastrophe
Für viele Politiker ist die Panzer-Entscheidung ein Befreiungsschlag. An den Rändern des politischen Spektrums sieht das ganz anders aus. Trotzdem könnte sie für AfD und Linke zum Glücksfall werden.
Der Saal klatscht, die Stimmung im Bundestag ist gut. Kanzler Olaf Scholz (SPD) hat beschlossen, Leopard-Panzer an die Ukraine zu liefern. Für viele im Bundestag ist das ein lang erwarteter Befreiungsschlag. Die FDP, die Grünen, die CDU – sie drängen schon lange auf mehr Unterstützung für die Ukraine, gerade mit Waffen.
Petr Bystron blickt anders auf die aktuelle Lage. Die Stimmung sei "bedrückt" im Saal, konstatiert der AfD-Außenpolitiker, als er sich für eine Frage an den Kanzler gemeldet hat. "Nie wieder Krieg, keine Waffen in Kriegsgebiete – das waren die Fundamente der deutschen Außenpolitik der Nachkriegszeit", sagt er an Scholz gerichtet. "Sie werden in die Geschichte eingehen als der Kanzler, der diese Fundamente mit Füßen getreten hat!"
Für die Oppositionsparteien Linke und AfD ist Scholz‘ Freigabe der Leopard-Panzer das Worst-Case-Szenario. Schon seit Monaten warnen die beiden Parteien wegen der Waffenlieferungen vor einer Eskalation, vor einem Gegenschlag Putins, vor der Ausweitung des Krieges. Der Ampel werfen sie wahlweise "Kriegstreiberei" oder einen "Kriegsrausch" vor. Und warnen – wie AfD-Chef Tino Chrupalla – vor dem Dritten Weltkrieg.
Und nun, nach Helmen, Luftabwehrsystemen und leichteren Panzern wird Deutschland also auch Kampfpanzer liefern. Die ganz schweren Geschütze.
Kritik an "Kriegstreiberei", Warnung vor "Eskalation"
Das Entsetzen ist am Mittwoch in beiden Parteien groß. "Durch die Entscheidungen für Panzerlieferungen dreht die Bundesrepublik mit an der Eskalationsspirale", sagt Martin Schirdewan, Chef der Linken, zu t-online. "Es ist zu befürchten, und diese Sorge teilen viele Menschen im Land, dass wir uns immer mehr von einer diplomatischen Lösung entfernen."
Linken-Ikone Sahra Wagenknecht formuliert es noch schärfer: "Einknicken von Scholz ist Katastrophe", twittert sie. "Was ist mit seinem Versprechen, Deutschland vor direkter Kriegsteilnahme zu schützen?"
Wagenknechts Vertraute in der Linken-Fraktion, Außenpolitikerin Sevim Dagdelen, sieht die USA als Strippenzieher: Die Entscheidung der Ampel "auf Geheiß Washingtons" bereite den Weg in den Krieg. "Es gilt jetzt, den Kriegstreibern in den Arm zu fallen!"
Ganz ähnlich sind die Töne in der AfD. "Deutschland droht immer mehr zur Kriegspartei zu werden – mit unabsehbaren Folgen für unser Land und seine Bürger", sagt Alice Weidel, Partei- und Fraktionschefin der AfD, t-online. "Nach den Kampfpanzern werden Flugzeuge gefordert, nach diesen dann Logistiktruppen, damit mehr Ukrainer an die Front kommen, irgendwann dann Kampftruppen." Die AfD-Fraktion fürchte eine "Eskalation des Krieges".
"Unverantwortlich und gefährlich", nennt Weidels Co-Parteichef Tino Chrupalla die geplanten Panzerlieferungen. Und Ex-Soldat und AfD-Abgeordneter Hannes Gnauck, der vom Militärischen Abschirmdienst als Rechtsextremist beobachtet wird, schreibt unter der Verwendung des Hashtags #Kriegstreiber auf Twitter: "Die BRD schreitet sehenden Auges in die Katastrophe."
Deutschland ist gespalten in der Panzerfrage
Tatsächlich könnte die von beiden Parteien skizzierte Katastrophe aber eher ein demoskopischer Glücksfall für sie werden. Selten waren sie in der jüngeren Vergangenheit so nah dran an großen Teilen der öffentlichen Meinung.
Denn tatsächlich spaltet die Frage der Lieferung schwerer Kampfpanzer die Bevölkerung in Deutschland derzeit. Ungefähr 50 Prozent dafür, 50 Prozent dagegen – so fallen in diesen Tagen die meisten Umfragen zu dem Thema aus. Besonders stark ist die Ablehnung im Osten sowie unter den jüngeren Altersgruppen in Ost wie West.
Es ist ein Thema, das verfängt, ja gehörig aufrüttelt. Nachdem der "heiße Herbst" gescheitert ist, in dem Linke wie AfD eigentlich Hunderttausende gegen die Energiepolitik der Ampel auf die Straße treiben wollten, ist das mal wieder ein politischer Erfolg. Und nun hat sich mit dem bisher so zögerlichen Kanzler und der SPD auch noch die letzte große Partei ins Lager für die Lieferung schwerer Waffen geschlagen.
Fraglich bleibt, ob die Stimmung auch bei den Parteien am Rand einzahlen wird: Bisher jedenfalls stehen AfD wie Linke in jüngsten Umfragen noch recht unverändert bei rund 15 beziehungsweise 6 Prozent Zustimmung. Klar ist aber: Nicht nur Weidel und Schirdewan werden die Umfragen in den kommenden Tagen und Wochen genau studieren – sondern auch der Kanzler, der so lange zögerte.
Zitat von Gast am 30. Januar 2023, 07:28 UhrBelgien will seine Panzer zurück – das wird teuer: „Verlangen 500.000 Euro, wir haben für 15.000 verkauft“
Belgien will seine Panzer zurück – das wird teuer: „Verlangen 500.000 Euro, wir haben für 15.000 verkauft“
Vor acht Jahren verkaufte Belgien seine Kampfpanzer. Jetzt will sie die Regierung zurück, um die Ukraine zu unterstützen. Doch das wird teuer.
Brüssel – Es vergeht derzeit kaum ein Tag, an dem die Ukraine keine Unterstützung mit Militärgerät fordert. Nun haben mehrere EU-Länder Hilfe zugesagt; Deutschland etwa liefert 14 Leopard-2-Panzer. Nachbarland Belgien wiederum schickt bislang keine Kampfpanzer in die Ukraine: Das Land hat seine Bestände schlicht verkauft. Beziehungsweise verramscht?
Panzer für die Ukraine: Belgien will Leoparden wiederhaben: „extrem teuer“
2015 tauschte Belgien seine Kampf- in Radpanzer um. Solche Fahrzeuge sind in der Regel nur für den militärischen Transport vorgesehen, für den Kriegseinsatz sind sie ungeeignet. Die Kampfpanzer gingen unter anderem an den Waffenhändler Freddy Versluys. Er kaufte der belgischen Armee dutzende Leopard-1-Panzer ab.
Solche Panzer könnten der Ukraine helfen. Die Regierung in Brüssel überlegt nun nach übereinstimmenden belgischen Medienberichten, die Fahrzeuge zurückzukaufen. Den Plänen im Weg steht die Preisfrage, „Die Vorschläge, die wir bisher erhalten haben, sind extrem teuer“, sagte die belgische Verteidigungsministerin Ludivine Dedonder dem belgischen Rundfunk VRT. „Sie verlangen bis zu 500.000 Euro für einen Panzer, den wir für 15.000 Euro verkauft haben. Und sie sind immer noch im selben schlechten Zustand wie damals.“
Foto © LAURIE DIEFFEMBACQ / BELGA / AFP
Streit um Belgien-Panzer: „Was wollt ihr? Wollt ihr sie umsonst nehmen?“
Laut Experteneinschätzungen gegenüber VRT ist die Rechnung jedoch in Ordnung. Es handle sich schlicht um den aktuellen Marktpreis. Versluys argumentiert zudem mit Reparaturkosten, die er in die Panzer gesteckt habe. „Neue Spuren? 120.000 Euro. Lassen Sie den Motor überprüfen? 185.000 Euro. Neue Stoßdämpfer? 36.000 Euro. Feuerlöschrohrsystem? 500.000 Euro. Was wollt ihr, wollt ihr sie umsonst mitnehmen?“
Ein weiteres Problem: Die Panzer müssten zuvor wohl gecheckt werden. Eine gründliche Wartung könnte den Lieferzeitpunkt verzögern. Sie sei jedoch notwendig, meint Waffenhändler Versluys. „Ich würde niemandem raten, die Panzer einfach so in die Ukraine zu schicken“, sagte der Panzerbesitzer dem belgischen Rundfunk. „Wenn sie in den Krieg geschickt werden, müssen sie zuverlässig sein. Wir wollen nicht, dass sie sofort zusammenbrechen“. Gleichzeitig erschwerten bürokratische Hürden eine rasche Lieferung.Ministerin Dedonder – seit 2020 im Amt – verteidigt derweil den Verkauf der Kampfpanzer. Die Regierung habe ihre Entscheidung aufgrund der damaligen geopolitischen Situation getroffen. „Die leichteren gepanzerten Fahrzeuge sind zum Beispiel in Afrika besser.“ „Die Regierung rechnete nicht damit, dass ein weiterer Krieg auf dem europäischen Kontinent ausbrechen würde“, sagte Dedonder.
Foto © IMAGO/Sven Eckelkamp
Die Ukraine fordert nach Kampfpanzern derweil auch Jets, Siko-Chef Christoph Heusgen hat sich bereits dafür ausgesprochen. Der ukrainische Vizeaußenminister Andriy Melnyk will hingegen ein deutsches U-Boot für Kiew. „Hey Leute, mir ist klar, dass ich mir hiermit einen Shitstorm einhandle, aber ich habe eine weitere kreative Idee“, schrieb der Ex-Botschafter am Sonntag auf Twitter.
Belgien will seine Panzer zurück – das wird teuer: „Verlangen 500.000 Euro, wir haben für 15.000 verkauft“
Belgien will seine Panzer zurück – das wird teuer: „Verlangen 500.000 Euro, wir haben für 15.000 verkauft“
Vor acht Jahren verkaufte Belgien seine Kampfpanzer. Jetzt will sie die Regierung zurück, um die Ukraine zu unterstützen. Doch das wird teuer.
Brüssel – Es vergeht derzeit kaum ein Tag, an dem die Ukraine keine Unterstützung mit Militärgerät fordert. Nun haben mehrere EU-Länder Hilfe zugesagt; Deutschland etwa liefert 14 Leopard-2-Panzer. Nachbarland Belgien wiederum schickt bislang keine Kampfpanzer in die Ukraine: Das Land hat seine Bestände schlicht verkauft. Beziehungsweise verramscht?
Panzer für die Ukraine: Belgien will Leoparden wiederhaben: „extrem teuer“
2015 tauschte Belgien seine Kampf- in Radpanzer um. Solche Fahrzeuge sind in der Regel nur für den militärischen Transport vorgesehen, für den Kriegseinsatz sind sie ungeeignet. Die Kampfpanzer gingen unter anderem an den Waffenhändler Freddy Versluys. Er kaufte der belgischen Armee dutzende Leopard-1-Panzer ab.
Solche Panzer könnten der Ukraine helfen. Die Regierung in Brüssel überlegt nun nach übereinstimmenden belgischen Medienberichten, die Fahrzeuge zurückzukaufen. Den Plänen im Weg steht die Preisfrage, „Die Vorschläge, die wir bisher erhalten haben, sind extrem teuer“, sagte die belgische Verteidigungsministerin Ludivine Dedonder dem belgischen Rundfunk VRT. „Sie verlangen bis zu 500.000 Euro für einen Panzer, den wir für 15.000 Euro verkauft haben. Und sie sind immer noch im selben schlechten Zustand wie damals.“
Foto © LAURIE DIEFFEMBACQ / BELGA / AFP
Streit um Belgien-Panzer: „Was wollt ihr? Wollt ihr sie umsonst nehmen?“
Laut Experteneinschätzungen gegenüber VRT ist die Rechnung jedoch in Ordnung. Es handle sich schlicht um den aktuellen Marktpreis. Versluys argumentiert zudem mit Reparaturkosten, die er in die Panzer gesteckt habe. „Neue Spuren? 120.000 Euro. Lassen Sie den Motor überprüfen? 185.000 Euro. Neue Stoßdämpfer? 36.000 Euro. Feuerlöschrohrsystem? 500.000 Euro. Was wollt ihr, wollt ihr sie umsonst mitnehmen?“
Ministerin Dedonder – seit 2020 im Amt – verteidigt derweil den Verkauf der Kampfpanzer. Die Regierung habe ihre Entscheidung aufgrund der damaligen geopolitischen Situation getroffen. „Die leichteren gepanzerten Fahrzeuge sind zum Beispiel in Afrika besser.“ „Die Regierung rechnete nicht damit, dass ein weiterer Krieg auf dem europäischen Kontinent ausbrechen würde“, sagte Dedonder.
Foto © IMAGO/Sven Eckelkamp
Die Ukraine fordert nach Kampfpanzern derweil auch Jets, Siko-Chef Christoph Heusgen hat sich bereits dafür ausgesprochen. Der ukrainische Vizeaußenminister Andriy Melnyk will hingegen ein deutsches U-Boot für Kiew. „Hey Leute, mir ist klar, dass ich mir hiermit einen Shitstorm einhandle, aber ich habe eine weitere kreative Idee“, schrieb der Ex-Botschafter am Sonntag auf Twitter.