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News aus der EU
Zitat von Gast am 9. November 2020, 11:33 UhrDie EU will im Subventionsstreit um Boeing und Airbus auch nach der US-Wahl nicht einseitig auf weitere Strafzölle verzichten. Trotzdem könnte sie einem Präsidenten Biden entgegenkommen.
Im Streit über rechtswidrige Subventionen für Flugzeugbauer hat die EU bis zuletzt auf eine Verhandlungslösung gehofft. Da aus den USA keine Signale in diese Richtung kommen, soll es nun europäische Strafzölle geben – noch vor dem Machtwechsel im Weißen Haus.
Das kündigte EU-Vizekommissionspräsident Valdis Dombrovskis an diesem Montag in einer Videokonferenz der EU-Handelsminister an. Die EU wird demnach nicht abwarten, ob der künftige US-Präsident Joe Biden einen Kurswechsel in der amerikanischen Handelspolitik einleitet.
Man habe nun eine Entscheidung der Welthandelsorganisation WTO, die der EU Strafzölle erlaube, sagte Dombrovskis. Das sei das, was man jetzt mache. Die Handelspolitik könnte sich unter dem designierten US-Präsidenten Joe Biden ändern. Denn der amtierende Präsident Donald Trump hat mehrere Handelskonflikte vom Zaun gebrochen, vor allem mit China, aber auch mit der EU.
Gleichzeitig betonte Dombrovskis, dass die EU weiter bereit für Verhandlungen sei. Wenn die USA ihre Zölle wegen der Subventionen für den europäischen Flugzeugbauer Airbus zurückzögen oder aussetzten, werde das auch die EU tun. Der europäische Vorschlag sei, dass beide Seiten ihre Zölle aussetzten. „Wir sind jederzeit bereit, das zu tun“, so Dombrovskis. Die USA müssten aber auch ihrerseits aktiv werden.
Unabhängige Streitschlichter hatten vor Kurzem entschieden, dass die EU wegen rechtswidriger Subventionen für den US-Flugzeugbauer Boeing Strafzölle auf US-Importe im Umfang von knapp vier Milliarden Dollar (3,4 Milliarden Euro) im Jahr verhängen darf.
Bei der Einsetzung der neuen Zölle Zeit lassen
In einem ähnlich gelagerten Fall hatten Schlichter den USA wegen unerlaubter Subventionen für Airbus bereits Strafzölle auf Produkte aus der EU im Umfang von 7,5 Milliarden Dollar genehmigt. Die USA hatten danach bereits Sonderabgaben auf Produkte aus der EU eingeführt, die noch heute gültig sind.
Direkt nach der WTO-Entscheidung Mitte Oktober hatte die EU angekündigt, zunächst noch einmal mit der Regierung von US-Präsident Donald Trump die Möglichkeiten für eine Verhandlungslösung ausloten zu wollen. Dies verlief aber offensichtlich erfolglos.
In dem seit 16 Jahren schwelenden Streit über staatliche Beihilfen für Boeing und Airbus darf die EU nach einer Entscheidung der Welthandelsorganisation WTO neue Strafzölle auf US-Waren erheben – im Volumen von vier Milliarden Dollar. 2019 hatte die WTO umgekehrt bereits den USA Strafzölle auf EU-Waren erlaubt.
Beide Seiten werfen sich vor, ihren jeweiligen Flugzeugbauer rechtswidrig zu unterstützen und ihm damit einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen. Ob die EU nun aber die WTO-Erlaubnis tatsächlich umsetzt, ist offen. Das Thema steht auf der Tagesordnung der EU-Handelsminister. Einem „Bloomberg"-Bericht zufolge erwägt Deutschland, sich bei der Einsetzung der neuen Zölle Zeit zu lassen.
Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier sagte, Deutschland strebe wieder eine bessere Handelspolitik mit den USA an. Es sei aber mit einem „längeren und schwierigen Prozess“ der Machtübergabe in Washington zu rechnen. Mit Biden sei die Hoffnung verbunden, dass sich die USA international wieder stärker engagierten und es möglich werde, Konflikte zu überwinden. Altmaier nannte als Beispiele die Sonderzölle im Stahl- und Aluminiumbereich sowie eine WTO-Reform, die in ihrer tiefsten Krise seit 1995 stecke.
Die EU will im Subventionsstreit um Boeing und Airbus auch nach der US-Wahl nicht einseitig auf weitere Strafzölle verzichten. Trotzdem könnte sie einem Präsidenten Biden entgegenkommen.
Im Streit über rechtswidrige Subventionen für Flugzeugbauer hat die EU bis zuletzt auf eine Verhandlungslösung gehofft. Da aus den USA keine Signale in diese Richtung kommen, soll es nun europäische Strafzölle geben – noch vor dem Machtwechsel im Weißen Haus.
Das kündigte EU-Vizekommissionspräsident Valdis Dombrovskis an diesem Montag in einer Videokonferenz der EU-Handelsminister an. Die EU wird demnach nicht abwarten, ob der künftige US-Präsident Joe Biden einen Kurswechsel in der amerikanischen Handelspolitik einleitet.
Man habe nun eine Entscheidung der Welthandelsorganisation WTO, die der EU Strafzölle erlaube, sagte Dombrovskis. Das sei das, was man jetzt mache. Die Handelspolitik könnte sich unter dem designierten US-Präsidenten Joe Biden ändern. Denn der amtierende Präsident Donald Trump hat mehrere Handelskonflikte vom Zaun gebrochen, vor allem mit China, aber auch mit der EU.
Gleichzeitig betonte Dombrovskis, dass die EU weiter bereit für Verhandlungen sei. Wenn die USA ihre Zölle wegen der Subventionen für den europäischen Flugzeugbauer Airbus zurückzögen oder aussetzten, werde das auch die EU tun. Der europäische Vorschlag sei, dass beide Seiten ihre Zölle aussetzten. „Wir sind jederzeit bereit, das zu tun“, so Dombrovskis. Die USA müssten aber auch ihrerseits aktiv werden.
Unabhängige Streitschlichter hatten vor Kurzem entschieden, dass die EU wegen rechtswidriger Subventionen für den US-Flugzeugbauer Boeing Strafzölle auf US-Importe im Umfang von knapp vier Milliarden Dollar (3,4 Milliarden Euro) im Jahr verhängen darf.
Bei der Einsetzung der neuen Zölle Zeit lassen
In einem ähnlich gelagerten Fall hatten Schlichter den USA wegen unerlaubter Subventionen für Airbus bereits Strafzölle auf Produkte aus der EU im Umfang von 7,5 Milliarden Dollar genehmigt. Die USA hatten danach bereits Sonderabgaben auf Produkte aus der EU eingeführt, die noch heute gültig sind.
Direkt nach der WTO-Entscheidung Mitte Oktober hatte die EU angekündigt, zunächst noch einmal mit der Regierung von US-Präsident Donald Trump die Möglichkeiten für eine Verhandlungslösung ausloten zu wollen. Dies verlief aber offensichtlich erfolglos.
In dem seit 16 Jahren schwelenden Streit über staatliche Beihilfen für Boeing und Airbus darf die EU nach einer Entscheidung der Welthandelsorganisation WTO neue Strafzölle auf US-Waren erheben – im Volumen von vier Milliarden Dollar. 2019 hatte die WTO umgekehrt bereits den USA Strafzölle auf EU-Waren erlaubt.
Beide Seiten werfen sich vor, ihren jeweiligen Flugzeugbauer rechtswidrig zu unterstützen und ihm damit einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen. Ob die EU nun aber die WTO-Erlaubnis tatsächlich umsetzt, ist offen. Das Thema steht auf der Tagesordnung der EU-Handelsminister. Einem „Bloomberg"-Bericht zufolge erwägt Deutschland, sich bei der Einsetzung der neuen Zölle Zeit zu lassen.
Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier sagte, Deutschland strebe wieder eine bessere Handelspolitik mit den USA an. Es sei aber mit einem „längeren und schwierigen Prozess“ der Machtübergabe in Washington zu rechnen. Mit Biden sei die Hoffnung verbunden, dass sich die USA international wieder stärker engagierten und es möglich werde, Konflikte zu überwinden. Altmaier nannte als Beispiele die Sonderzölle im Stahl- und Aluminiumbereich sowie eine WTO-Reform, die in ihrer tiefsten Krise seit 1995 stecke.
Zitat von Gast am 12. November 2020, 07:01 UhrZoff mit Ungarn: EU droht neue Zerreißprobe
In der EU eskaliert der Streit über ein Instrument zur Ahndung von Verstößen gegen die Rechtsstaatlichkeit.
Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur teilte Ungarn am Mittwochabend bei einer Sitzung der ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten mit, dem gerade erst mit dem Europaparlament abgestimmten Finanzpaket für die kommenden sieben Jahre nicht zustimmen zu können. Grund sei, dass die zusätzlich geplante Konditionalitätsregelung zum Schutz des EU-Haushalts gegen Absprachen der Staats- und Regierungschefs aus dem Monat Juli verstoße.
Sollte Ungarn den Ankündigungen Taten folgen lassen, könnten auch die geplanten europäischen Corona-Hilfen im Umfang von bis zu 750 Milliarden Euro nicht wie vorgesehen auf den Weg gebracht werden. Dies wiederum könnte für Länder wie Italien schwerwiegende wirtschaftliche Konsequenzen haben.
Die von Ungarn kritisierte Konditionalitätsregelung soll es ermöglichen, im großen Stil EU-Gelder zu kürzen, wenn in einem Mitgliedsland der Rechtsstaat gefährdet ist und dadurch der Missbrauch von EU-Mitteln droht oder bereits stattfindet. Konkret könnte dies zum Beispiel dann der Fall sein, wenn mangelnde Unabhängigkeit von Gerichten in einem Empfängerstaat den Missbrauch von EU-Mitteln ermöglicht oder sogar ganz klar fördert.
Vor allem den Regierungen in Ungarn und Polen wurde zuletzt immer wieder vorgeworfen, ihren Einfluss auf die Justiz auszubauen. Alle Versuche, sie mit politischen Mitteln zu einem Kurswechsel zu bewegen, blieben bislang aber erfolglos. Die Kritik wird aus Warschau und Budapest kategorisch zurückgewiesen.
Ob auch Polen wegen des geplanten Instruments seine Zustimmung zum Finanzpaket verweigern will, war zunächst unklar. Nach dpa-Informationen ließ der ständige Vertreter des Landes am Mittwochabend nur wissen, dass noch eine Prüfung laufe.
Weil für die Kernelemente des Finanzpakets einstimmige Beschlüsse notwendig sind, würde aber ohnehin schon ein Veto Ungarns ausreichen, um die Umsetzung zu stoppen. Um die Konditionalitätsregelung zu beschließen, braucht es hingegen nur eine qualifizierte Mehrheit. Diese ist bereits erreicht, wenn 15 EU-Staaten zustimmen, die zusammen mindestens 65 Prozent der Gesamtbevölkerung der Union ausmachen.
Wie der Konflikt mit Ungarn gelöst werden könnte, ist derzeit völlig unklar. Denkbar ist, dass die Staats- und Regierungschefs sich bei einem Gipfel mit dem Thema beschäftigen müssen. Dass der Konditionalitätsmechanismus doch noch aufgegeben wird, gilt als nahezu ausgeschlossen. In diesem Fall dürften nämlich EU-Länder wie die Niederlande oder das Europaparlament das Finanzpaket aus Protest blockieren.
Zoff mit Ungarn: EU droht neue Zerreißprobe
In der EU eskaliert der Streit über ein Instrument zur Ahndung von Verstößen gegen die Rechtsstaatlichkeit.
Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur teilte Ungarn am Mittwochabend bei einer Sitzung der ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten mit, dem gerade erst mit dem Europaparlament abgestimmten Finanzpaket für die kommenden sieben Jahre nicht zustimmen zu können. Grund sei, dass die zusätzlich geplante Konditionalitätsregelung zum Schutz des EU-Haushalts gegen Absprachen der Staats- und Regierungschefs aus dem Monat Juli verstoße.
Sollte Ungarn den Ankündigungen Taten folgen lassen, könnten auch die geplanten europäischen Corona-Hilfen im Umfang von bis zu 750 Milliarden Euro nicht wie vorgesehen auf den Weg gebracht werden. Dies wiederum könnte für Länder wie Italien schwerwiegende wirtschaftliche Konsequenzen haben.
Die von Ungarn kritisierte Konditionalitätsregelung soll es ermöglichen, im großen Stil EU-Gelder zu kürzen, wenn in einem Mitgliedsland der Rechtsstaat gefährdet ist und dadurch der Missbrauch von EU-Mitteln droht oder bereits stattfindet. Konkret könnte dies zum Beispiel dann der Fall sein, wenn mangelnde Unabhängigkeit von Gerichten in einem Empfängerstaat den Missbrauch von EU-Mitteln ermöglicht oder sogar ganz klar fördert.
Vor allem den Regierungen in Ungarn und Polen wurde zuletzt immer wieder vorgeworfen, ihren Einfluss auf die Justiz auszubauen. Alle Versuche, sie mit politischen Mitteln zu einem Kurswechsel zu bewegen, blieben bislang aber erfolglos. Die Kritik wird aus Warschau und Budapest kategorisch zurückgewiesen.
Ob auch Polen wegen des geplanten Instruments seine Zustimmung zum Finanzpaket verweigern will, war zunächst unklar. Nach dpa-Informationen ließ der ständige Vertreter des Landes am Mittwochabend nur wissen, dass noch eine Prüfung laufe.
Weil für die Kernelemente des Finanzpakets einstimmige Beschlüsse notwendig sind, würde aber ohnehin schon ein Veto Ungarns ausreichen, um die Umsetzung zu stoppen. Um die Konditionalitätsregelung zu beschließen, braucht es hingegen nur eine qualifizierte Mehrheit. Diese ist bereits erreicht, wenn 15 EU-Staaten zustimmen, die zusammen mindestens 65 Prozent der Gesamtbevölkerung der Union ausmachen.
Wie der Konflikt mit Ungarn gelöst werden könnte, ist derzeit völlig unklar. Denkbar ist, dass die Staats- und Regierungschefs sich bei einem Gipfel mit dem Thema beschäftigen müssen. Dass der Konditionalitätsmechanismus doch noch aufgegeben wird, gilt als nahezu ausgeschlossen. In diesem Fall dürften nämlich EU-Länder wie die Niederlande oder das Europaparlament das Finanzpaket aus Protest blockieren.
Zitat von Gast am 12. November 2020, 14:43 UhrDie nächste Affäre?
Frau von der Leyen und ihr Berater-Dilemma
Die ganze Welt blickt in die USA. Doch was passiert eigentlich in Brüssel? Frau von der Leyen hat einen Berater. Mal wieder. Der könnte für einen Skandal sorgen. Mal wieder. Eine satirische Kolumne von Martin Sonneborn.
Während Sie staunend vor den Fernsehgeräten die unterhaltsamste Krise der modernen Demokratie verfolgten, haben wir von der EU gearbeitet. Und vorsichtshalber sofort beiden US-Präsidenten gratuliert: dem einen komischen und dem jetzt frisch gewählten, der dann die ganz normale US-Politik fortsetzen dürfte, militärisch offensiv & asozial Wall-Street-freundlich.
Die Glückwünsche an Trump hatte freundlicherweise Janez Janša recht frühzeitig übernommen, der slowenische Ministerpräsident, ein überzeugter Klimawandelleugner, Sympathisant der Identitären Bewegung und BFF von Victator Orban:
Janša, der in Slowenien für das Recht auf freien Schusswaffenbesitz kämpft, war in eine Schmiergeldaffäre um finnische Patria-Panzer verwickelt und hatte wegen Korruption in Haft gesessen.
Und nun zu etwas ganz anderem:
Was macht eigentlich... Frau von der Leyen?
Während man in Deutschland gelangweilt dabei zusehen konnte, wie die mit der Berateraffäre verbundenen Ungeheuerlichkeiten sich folgenlos in Luft auflösten, arbeitete unsere Frau in Brüssel in aller Ruhe an einer neuen. Und die geht so: Der gelernte Journalist Jens Flosdorff gehört zu den engsten Vertrauten der Kommissionspräsidentin. Er schrieb für ein großes deutsches Schmierblatt, wechselte dann auf die dunkle Seite der Macht und folgt seiner neuen Herrin, seit sie 2003 mit der Privatisierung niedersächsischer Krankenhäuser – laut Landesrechnungshof weit unter Wert – ihre ersten politischen Schritte tat.
Schnell arbeitete sich Flosdorff vom profanen Pressesprecherstellvertreter zu etwas herauf, das man seinerzeit Spin-Doctor nannte. Nach Auskunft von "Zeit"-Redakteur und Leyen-Biograf Peter Dausend ist Flosdorff im "System von der Leyen" kein Geringerer als "der beinharte Taktiker, der seine Chefin nach ganz oben coacht". Sein bestes Rezept war offenbar: weg vom Text, hin zum Bild. Von der Leyen sollte fortan mehr durch smart komponierte Bilder wirken als durch verbale Interaktion mit möglicherweise kritischen Journalisten.
Nun hat die Europäische Kommission aber natürlich keine Organisationsstruktur, die es erlaubt, Tüpen einfach so zu beschäftigen, deren einzige Kompetenz darin besteht, ihre Kommissionspräsidentin im Amt irgendwie GUT AUSSEHEN zu lassen. Das hat vermutlich auch Frau von der Leyen gemerkt. Gern hätte sie mit Jens Flosdorff wohl gemacht, was sie immer mit ihm gemacht hat. Und ihm die gut dotierte Stelle des Pressesprechers zugeschanzt. Doch – leider, leider, leider – ist sie hier nicht mehr in Berlin, sondern in Brüssel. Willkommen, bienvenue, welcome!
Und – leider, leider – kann auch der gewiefteste Kommissionsfuchs die fundamentalsten Regeln der Brüsseler Bürokratie nicht einfach außer Kraft setzen. Zum Beispiel die, dass Pressesprecher der Kommission nur werden kann, wer Ausdruck und Herr der europäischen Sprachenvielfalt ist, insofern er zumindest ihre drei dollsten Ausprägungen beherrscht: Englisch, Französisch und Deutsch.
Herr Flosdorff ist des größeren Teils dieser Ausdrucksformen NICHT mächtig. Leider. Und damit wäre er eigentlich raus. Servus, adieu, goodbye! Der Pressesprecherjob ging an einen anderen, der die erforderlichen Qualifikationen mitbrachte.
Keine Position da? Man erfinde eine neue!
Da Frau von der Leyen ihren privaten Coach – und persönlichen Freund – mangels Qualifikation also nicht in einer der verfügbaren Positionen installieren konnte, tat sie Folgendes: Sie erfand einfach eine neue.
Damit wir uns richtig verstehen: Die Kommissionspräsidentin erfindet eine Position, die es in der streng hierarchisierten Kommissionsbürokratie gar nicht gibt, nur um einen Gefolgsmann, der die allgemeinen Einstellungsvoraussetzungen nicht erfüllt, auf EU-Kosten beschäftigen zu können.
Die für Flosdorff geschaffene Stelle trägt die verblüffend unverschleierte Bezeichnung "BERATER für Kommunikation des Kabinetts" ("conseiller en communication de son cabinet"). Und weist dem in allen europäischen Belangen völlig unbeschlagenen PR-Coach – der Einfachheit halber – als einzige Aufgabe zu, zu tun, was er immer getan hat: Seine Chefin gut aussehen zu lassen. (Man fragt sich unwillkürlich, ob eine Vorratspackung Drei Wetter Taft nicht noch billiger gewesen wäre.)
Unvorsichtigerweise hat von der Leyen – noblesse oblige – sich hier nicht lumpen lassen und ihren – nach den Einstellungskriterien für EU-Beamte gänzlich ungeeigneten – Bild-Berater aus dem Stand in den zweithöchsten Dienstgrad (AD15) von sechzehn möglichen katapultiert & und ihm den Rang eines Stellvertretenden Generaldirektors (DGA) zugewiesen. Eine Stellung, die hochqualifizierte EU-Beamte mit Glück nach zehn Studien- und zwanzig Arbeitsjahren in schlecht klimatisierten Großraumbüros erreichen. Von der Leyens persönlicher Imageberater erhält übrigens monatliche Bezüge in Höhe von 20.000 Euro – und verdient damit genau so viel wie die deutsche Bundeskanzlerin (Merkel). Das europäische Budget, also SIE, wird dieser Spaß mit insgesamt rund 1,2 Millionen Euro belasten.
Wiederholung der Geschichte?
Aus den Fluren in Brüssel wird derzeit über die Wiederkehr des historischen "Santer-Momentums" gemunkelt. (Genau wie Frau von der Leyen verfügte auch der seinerzeitige EU-Kommissionspräsident Jacques Santer über zu wenig Rückhalt in Rat und EU-Parlament.) Die Kommission Santer hatte 1999 geschlossen zurücktreten müssen – und zwar wegen einer Berateraffäre.
Die französische Kommissarin Edith Cresson hatte einen gewissen Rene Berthelot – hauptberuflich Zahnarzt, nebenberuflich Kartenleger – als hochrangigen EU-Berater angestellt und sich beharrlich geweigert, ihn zu entlassen. Eine interne Untersuchung der Kommission hatte ergeben, dass Berthelot weder über die Ausbildung noch über die einschlägigen Qualifikationen für seine Position verfügte. ZwinkerSmiley
Die nächste Affäre?
Frau von der Leyen und ihr Berater-Dilemma
Die ganze Welt blickt in die USA. Doch was passiert eigentlich in Brüssel? Frau von der Leyen hat einen Berater. Mal wieder. Der könnte für einen Skandal sorgen. Mal wieder. Eine satirische Kolumne von Martin Sonneborn.
Während Sie staunend vor den Fernsehgeräten die unterhaltsamste Krise der modernen Demokratie verfolgten, haben wir von der EU gearbeitet. Und vorsichtshalber sofort beiden US-Präsidenten gratuliert: dem einen komischen und dem jetzt frisch gewählten, der dann die ganz normale US-Politik fortsetzen dürfte, militärisch offensiv & asozial Wall-Street-freundlich.
Die Glückwünsche an Trump hatte freundlicherweise Janez Janša recht frühzeitig übernommen, der slowenische Ministerpräsident, ein überzeugter Klimawandelleugner, Sympathisant der Identitären Bewegung und BFF von Victator Orban:
Janša, der in Slowenien für das Recht auf freien Schusswaffenbesitz kämpft, war in eine Schmiergeldaffäre um finnische Patria-Panzer verwickelt und hatte wegen Korruption in Haft gesessen.
Und nun zu etwas ganz anderem:
Was macht eigentlich... Frau von der Leyen?
Während man in Deutschland gelangweilt dabei zusehen konnte, wie die mit der Berateraffäre verbundenen Ungeheuerlichkeiten sich folgenlos in Luft auflösten, arbeitete unsere Frau in Brüssel in aller Ruhe an einer neuen. Und die geht so: Der gelernte Journalist Jens Flosdorff gehört zu den engsten Vertrauten der Kommissionspräsidentin. Er schrieb für ein großes deutsches Schmierblatt, wechselte dann auf die dunkle Seite der Macht und folgt seiner neuen Herrin, seit sie 2003 mit der Privatisierung niedersächsischer Krankenhäuser – laut Landesrechnungshof weit unter Wert – ihre ersten politischen Schritte tat.
Schnell arbeitete sich Flosdorff vom profanen Pressesprecherstellvertreter zu etwas herauf, das man seinerzeit Spin-Doctor nannte. Nach Auskunft von "Zeit"-Redakteur und Leyen-Biograf Peter Dausend ist Flosdorff im "System von der Leyen" kein Geringerer als "der beinharte Taktiker, der seine Chefin nach ganz oben coacht". Sein bestes Rezept war offenbar: weg vom Text, hin zum Bild. Von der Leyen sollte fortan mehr durch smart komponierte Bilder wirken als durch verbale Interaktion mit möglicherweise kritischen Journalisten.
Nun hat die Europäische Kommission aber natürlich keine Organisationsstruktur, die es erlaubt, Tüpen einfach so zu beschäftigen, deren einzige Kompetenz darin besteht, ihre Kommissionspräsidentin im Amt irgendwie GUT AUSSEHEN zu lassen. Das hat vermutlich auch Frau von der Leyen gemerkt. Gern hätte sie mit Jens Flosdorff wohl gemacht, was sie immer mit ihm gemacht hat. Und ihm die gut dotierte Stelle des Pressesprechers zugeschanzt. Doch – leider, leider, leider – ist sie hier nicht mehr in Berlin, sondern in Brüssel. Willkommen, bienvenue, welcome!
Und – leider, leider – kann auch der gewiefteste Kommissionsfuchs die fundamentalsten Regeln der Brüsseler Bürokratie nicht einfach außer Kraft setzen. Zum Beispiel die, dass Pressesprecher der Kommission nur werden kann, wer Ausdruck und Herr der europäischen Sprachenvielfalt ist, insofern er zumindest ihre drei dollsten Ausprägungen beherrscht: Englisch, Französisch und Deutsch.
Herr Flosdorff ist des größeren Teils dieser Ausdrucksformen NICHT mächtig. Leider. Und damit wäre er eigentlich raus. Servus, adieu, goodbye! Der Pressesprecherjob ging an einen anderen, der die erforderlichen Qualifikationen mitbrachte.
Keine Position da? Man erfinde eine neue!
Da Frau von der Leyen ihren privaten Coach – und persönlichen Freund – mangels Qualifikation also nicht in einer der verfügbaren Positionen installieren konnte, tat sie Folgendes: Sie erfand einfach eine neue.
Damit wir uns richtig verstehen: Die Kommissionspräsidentin erfindet eine Position, die es in der streng hierarchisierten Kommissionsbürokratie gar nicht gibt, nur um einen Gefolgsmann, der die allgemeinen Einstellungsvoraussetzungen nicht erfüllt, auf EU-Kosten beschäftigen zu können.
Die für Flosdorff geschaffene Stelle trägt die verblüffend unverschleierte Bezeichnung "BERATER für Kommunikation des Kabinetts" ("conseiller en communication de son cabinet"). Und weist dem in allen europäischen Belangen völlig unbeschlagenen PR-Coach – der Einfachheit halber – als einzige Aufgabe zu, zu tun, was er immer getan hat: Seine Chefin gut aussehen zu lassen. (Man fragt sich unwillkürlich, ob eine Vorratspackung Drei Wetter Taft nicht noch billiger gewesen wäre.)
Unvorsichtigerweise hat von der Leyen – noblesse oblige – sich hier nicht lumpen lassen und ihren – nach den Einstellungskriterien für EU-Beamte gänzlich ungeeigneten – Bild-Berater aus dem Stand in den zweithöchsten Dienstgrad (AD15) von sechzehn möglichen katapultiert & und ihm den Rang eines Stellvertretenden Generaldirektors (DGA) zugewiesen. Eine Stellung, die hochqualifizierte EU-Beamte mit Glück nach zehn Studien- und zwanzig Arbeitsjahren in schlecht klimatisierten Großraumbüros erreichen. Von der Leyens persönlicher Imageberater erhält übrigens monatliche Bezüge in Höhe von 20.000 Euro – und verdient damit genau so viel wie die deutsche Bundeskanzlerin (Merkel). Das europäische Budget, also SIE, wird dieser Spaß mit insgesamt rund 1,2 Millionen Euro belasten.
Wiederholung der Geschichte?
Aus den Fluren in Brüssel wird derzeit über die Wiederkehr des historischen "Santer-Momentums" gemunkelt. (Genau wie Frau von der Leyen verfügte auch der seinerzeitige EU-Kommissionspräsident Jacques Santer über zu wenig Rückhalt in Rat und EU-Parlament.) Die Kommission Santer hatte 1999 geschlossen zurücktreten müssen – und zwar wegen einer Berateraffäre.
Die französische Kommissarin Edith Cresson hatte einen gewissen Rene Berthelot – hauptberuflich Zahnarzt, nebenberuflich Kartenleger – als hochrangigen EU-Berater angestellt und sich beharrlich geweigert, ihn zu entlassen. Eine interne Untersuchung der Kommission hatte ergeben, dass Berthelot weder über die Ausbildung noch über die einschlägigen Qualifikationen für seine Position verfügte. ZwinkerSmiley
Zitat von Gast am 12. November 2020, 14:51 UhrDiese arrogante und unfähige Frau gehörte schon viel früher zum Teufel gejagt.
Schon vor der Beförderung zur Verteidigungsministerin hätte die in die Wüste gehört.
Auch da hat Sie uns zu erst blamiert und wollte Kitas in Kasernen bauen.
Dann kam eine Affäre und die Dame wurde wieder wegbefördert, bevor Sie Ihren Posten verliert.
Jetzt in der EU das gleiche??
Schon wieder eine Affäre!
Ha die Dame nicht schon genug Schaden angerichtet???
Damit schafft die Politik kein Vertrauen.
Legt endlich den Sumpf um Mutti und Ihren Speichelleckern trocken, sonst nimmt es mit der CDU noch ein Ende wie die SPD.
Diese arrogante und unfähige Frau gehörte schon viel früher zum Teufel gejagt.
Schon vor der Beförderung zur Verteidigungsministerin hätte die in die Wüste gehört.
Auch da hat Sie uns zu erst blamiert und wollte Kitas in Kasernen bauen.
Dann kam eine Affäre und die Dame wurde wieder wegbefördert, bevor Sie Ihren Posten verliert.
Jetzt in der EU das gleiche??
Schon wieder eine Affäre!
Ha die Dame nicht schon genug Schaden angerichtet???
Damit schafft die Politik kein Vertrauen.
Legt endlich den Sumpf um Mutti und Ihren Speichelleckern trocken, sonst nimmt es mit der CDU noch ein Ende wie die SPD.
Zitat von Gast am 16. November 2020, 11:26 UhrFranzösische Politiker und Gewerkschafter fordern Sondersteuer auf Amazon-Verkäufe
In Frankreich fordert ein Bündnis aus linken Politikern, Gewerkschaftern und Aktivisten, Verkäufe des US-Internetunternehmens Amazon in der Corona-Krise mit einer Sondersteuer zu belegen. Die Abgabe solle sich neben Amazon auch auf "andere Krisenprofiteure" erstrecken und die weitere "Expansion" der Online-Handelsriesen beenden, heißt es in einem am Montag vom Radiosender Franceinfo veröffentlichten Aufruf. Unter den 120 Unterzeichnern der von der Nichtregierungsorganisation Attac initiierten Veröffentlichung sind auch Buchhändler und Verlage.
Die Corona-Krise müsse dazu führen, "unser Konsumverhalten und unser Sozialleben tiefgreifend neu zu denken", heißt es in dem Aufruf. Amazon verursache soziale Verwerfungen und schade der Umwelt, kritisierten die Unterzeichner. Mit der anvisierten Sondersteuer auf die Umsätze des US-Unternehmens und anderer Gewinner der Krise könnten Maßnahmen zur Sicherung von Arbeitsplätzen und Stützung des stationären Einzelhandels finanziert werden.
Scharfe Kritik üben die Unterzeichner auch an Frankreichs Präsident Emmanuel Macron. Dieser rolle Amazon "den roten Teppich aus", indem er dem Einzelhandel den Verkauf nicht notwendiger Produkte in der Krise untersage - mit Ausnahme Amazons.
Im vergangenen Quartal hatte Amazon nach eigenen Angaben seinen Gewinn im Vorjahresvergleich auf 6,3 Milliarden Dollar (5,4 Milliarden Euro) verdreifacht. Die Umsätze des Unternehmens legten im Vorjahresvergleich um 37 Prozent auf 96 Milliarden Dollar zu. Amazon bereitet sich nach eigenen Angaben bereits auf eine rekordverdächtige Weihnachtssaison vor, wenn mutmaßlich deutlich mehr Menschen als sonst Geschenke im Netz bestellen.
Französische Politiker und Gewerkschafter fordern Sondersteuer auf Amazon-Verkäufe
In Frankreich fordert ein Bündnis aus linken Politikern, Gewerkschaftern und Aktivisten, Verkäufe des US-Internetunternehmens Amazon in der Corona-Krise mit einer Sondersteuer zu belegen. Die Abgabe solle sich neben Amazon auch auf "andere Krisenprofiteure" erstrecken und die weitere "Expansion" der Online-Handelsriesen beenden, heißt es in einem am Montag vom Radiosender Franceinfo veröffentlichten Aufruf. Unter den 120 Unterzeichnern der von der Nichtregierungsorganisation Attac initiierten Veröffentlichung sind auch Buchhändler und Verlage.
Die Corona-Krise müsse dazu führen, "unser Konsumverhalten und unser Sozialleben tiefgreifend neu zu denken", heißt es in dem Aufruf. Amazon verursache soziale Verwerfungen und schade der Umwelt, kritisierten die Unterzeichner. Mit der anvisierten Sondersteuer auf die Umsätze des US-Unternehmens und anderer Gewinner der Krise könnten Maßnahmen zur Sicherung von Arbeitsplätzen und Stützung des stationären Einzelhandels finanziert werden.
Scharfe Kritik üben die Unterzeichner auch an Frankreichs Präsident Emmanuel Macron. Dieser rolle Amazon "den roten Teppich aus", indem er dem Einzelhandel den Verkauf nicht notwendiger Produkte in der Krise untersage - mit Ausnahme Amazons.
Im vergangenen Quartal hatte Amazon nach eigenen Angaben seinen Gewinn im Vorjahresvergleich auf 6,3 Milliarden Dollar (5,4 Milliarden Euro) verdreifacht. Die Umsätze des Unternehmens legten im Vorjahresvergleich um 37 Prozent auf 96 Milliarden Dollar zu. Amazon bereitet sich nach eigenen Angaben bereits auf eine rekordverdächtige Weihnachtssaison vor, wenn mutmaßlich deutlich mehr Menschen als sonst Geschenke im Netz bestellen.
Zitat von Gast am 16. November 2020, 14:18 UhrWeshalb kommen unsere Politiker und - innen nicht auf eine derartige Idee??
Die diskutieren lieber über Frauenquoten und vergessen, dass Amazon in Deutschland wenig bis keine Steuern bezahlt!
Immer den Amerikaner in den Arsch kriechen. Europa ist stark genug um selbstständig und unabhängig seine Wirtschaftsinterressen zu vertreten. Also macht das endlich!!!
Weshalb kommen unsere Politiker und - innen nicht auf eine derartige Idee??
Die diskutieren lieber über Frauenquoten und vergessen, dass Amazon in Deutschland wenig bis keine Steuern bezahlt!
Immer den Amerikaner in den Arsch kriechen. Europa ist stark genug um selbstständig und unabhängig seine Wirtschaftsinterressen zu vertreten. Also macht das endlich!!!
Zitat von Gast am 19. November 2020, 11:21 UhrSanktionen gegen Polen und Ungarn?
Streit in EU: Maas will sich nicht zu "Atombombe" äußern
Deutschland hat derzeit die EU-Ratspräsidentschaft inne und muss im Streit über die Blockade des Haushalts durch Polen und Ungarn vermitteln. Außenminister Maas äußert sich zurückhaltend – bislang.
Bundesaußenminister Heiko Maas will sich nicht dazu äußern, ob der EU-Streit mit Polen und Ungarn möglicherweise nur über das Artikel-7-Verfahren zum Entzug der Stimmrechte der beiden Länder bei EU-Entscheidungen gelöst werden könnte. "Wir sind als Ratspräsidentschaft in der Rolle, eine Lösung zu finden", sagte der SPD-Politiker am Donnerstag wenige Stunden vor dem Beginn einer Videoschalte der Staats- und Regierungschefs. "Das fangen wir jetzt nicht an, öffentlich zu tun."
Maas wies allerdings darauf hin, dass viele Mitgliedstaaten nicht bereit seien, beim Thema Rechtsstaatlichkeit noch große Kompromisse einzugehen. "Das ist eine sehr schwierige Situation, in der wir uns befinden", sagte er.
Was ein Artikel-7-Verfahren bedeuten würde
Ungarn und Polen wollen aus Protest gegen ein neues Verfahren zur Ahndung von Rechtsstaatsverstößen das europäische Haushaltspaket für die nächsten Jahre blockieren. Dieses umfasst auch die Corona-Konjunkturhilfen im Umfang von 750 Milliarden Euro und ist deswegen für Länder wie Italien und Spanien extrem wichtig.
Sollten Ungarn und Polen in dem Streit nicht einlenken, ist denkbar, dass die EU-Partner ihnen mit einem Entzug der Stimmrechte bei EU-Entscheidungen drohen. Diese Strafmöglichkeit ist in Artikel 7 des EU-Vertrags für den Fall vorgesehen, dass Mitgliedstaaten schwerwiegend und anhaltend gegen EU-Werte verstoßen.
Artikel-7-Verfahren zur Prüfung von Vorwürfen gegen Ungarn und Polen wurden bereits vor längerem eingeleitet, weil beide Länder nach Analysen der EU-Kommission zum Beispiel ihren Einfluss auf die Justiz in unzulässiger Weise ausbauen. Die in Brüssel wegen ihrer weitreichenden Folgen auch als "Atombombe" bezeichnete Prozedur kam aber bislang nicht voran, weil etliche Mitgliedstaaten keine Zerreißprobe für die EU auslösen wollten.
Rechtlich vieles noch unklar
Rechtlich nicht ganz klar ist auch, ob sich Ungarn und Polen nicht vielleicht gegenseitig vor einem Stimmrechtsentzug schützen könnten, da in dem Verfahren zumindest an einer Stelle eine einstimmige Entscheidung erforderlich ist. Juristen aus dem Rat der Mitgliedstaaten argumentieren zwar, dass nur Länder abstimmen dürften, gegen die kein Verfahren laufe. Warschau und Budapest könnten den Fall aber wohl vor den Europäischen Gerichtshof bringen.
Maas rief am Donnerstag noch einmal alle Beteiligten auf, eine einvernehmliche Lösung zu finden. "Ganz Europa steckt in der zweiten Corona-Welle", sagte der SPD-Politiker. Viele Länder warteten darauf, dass die Mittel aus dem Finanzpaket freigegeben werden könnten.
Sanktionen gegen Polen und Ungarn?
Streit in EU: Maas will sich nicht zu "Atombombe" äußern
Deutschland hat derzeit die EU-Ratspräsidentschaft inne und muss im Streit über die Blockade des Haushalts durch Polen und Ungarn vermitteln. Außenminister Maas äußert sich zurückhaltend – bislang.
Bundesaußenminister Heiko Maas will sich nicht dazu äußern, ob der EU-Streit mit Polen und Ungarn möglicherweise nur über das Artikel-7-Verfahren zum Entzug der Stimmrechte der beiden Länder bei EU-Entscheidungen gelöst werden könnte. "Wir sind als Ratspräsidentschaft in der Rolle, eine Lösung zu finden", sagte der SPD-Politiker am Donnerstag wenige Stunden vor dem Beginn einer Videoschalte der Staats- und Regierungschefs. "Das fangen wir jetzt nicht an, öffentlich zu tun."
Maas wies allerdings darauf hin, dass viele Mitgliedstaaten nicht bereit seien, beim Thema Rechtsstaatlichkeit noch große Kompromisse einzugehen. "Das ist eine sehr schwierige Situation, in der wir uns befinden", sagte er.
Was ein Artikel-7-Verfahren bedeuten würde
Ungarn und Polen wollen aus Protest gegen ein neues Verfahren zur Ahndung von Rechtsstaatsverstößen das europäische Haushaltspaket für die nächsten Jahre blockieren. Dieses umfasst auch die Corona-Konjunkturhilfen im Umfang von 750 Milliarden Euro und ist deswegen für Länder wie Italien und Spanien extrem wichtig.
Sollten Ungarn und Polen in dem Streit nicht einlenken, ist denkbar, dass die EU-Partner ihnen mit einem Entzug der Stimmrechte bei EU-Entscheidungen drohen. Diese Strafmöglichkeit ist in Artikel 7 des EU-Vertrags für den Fall vorgesehen, dass Mitgliedstaaten schwerwiegend und anhaltend gegen EU-Werte verstoßen.
Artikel-7-Verfahren zur Prüfung von Vorwürfen gegen Ungarn und Polen wurden bereits vor längerem eingeleitet, weil beide Länder nach Analysen der EU-Kommission zum Beispiel ihren Einfluss auf die Justiz in unzulässiger Weise ausbauen. Die in Brüssel wegen ihrer weitreichenden Folgen auch als "Atombombe" bezeichnete Prozedur kam aber bislang nicht voran, weil etliche Mitgliedstaaten keine Zerreißprobe für die EU auslösen wollten.
Rechtlich vieles noch unklar
Rechtlich nicht ganz klar ist auch, ob sich Ungarn und Polen nicht vielleicht gegenseitig vor einem Stimmrechtsentzug schützen könnten, da in dem Verfahren zumindest an einer Stelle eine einstimmige Entscheidung erforderlich ist. Juristen aus dem Rat der Mitgliedstaaten argumentieren zwar, dass nur Länder abstimmen dürften, gegen die kein Verfahren laufe. Warschau und Budapest könnten den Fall aber wohl vor den Europäischen Gerichtshof bringen.
Maas rief am Donnerstag noch einmal alle Beteiligten auf, eine einvernehmliche Lösung zu finden. "Ganz Europa steckt in der zweiten Corona-Welle", sagte der SPD-Politiker. Viele Länder warteten darauf, dass die Mittel aus dem Finanzpaket freigegeben werden könnten.
Zitat von Gast am 24. November 2020, 07:20 UhrStreit um Verbrennungsmotor: CDU/CSU-Gruppe sieht Pläne der EU-Kommission zur Auto-Abgasnorm Euro 7 kritisch
Protest im EU-Parlament: In einem Brief warnt die CDU/CSU-Gruppe Ursula von der Leyen vor einem faktischen Aus des Verbrenners ab dem Jahr 2025.
Die Pläne der EU-Kommission, mit der nächsten Stufe der Auto-Abgasnorm Euro 7 ab dem Jahr 2025 keine Verbrennungsmotoren in der Europäischen Union mehr zuzulassen, stößt auf Widerstand der CDU/CSU-Gruppe im Europaparlament. In einem Brief an Kommissionschefin Ursula von der Leyen, der dem Handelsblatt vorliegt, warnen die konservativen EU-Abgeordneten vor dem Wegfall von bis 400.000 Arbeitsplätzen allein in der deutschen Autoindustrie.
„Ein abruptes Aus für den Verbrenner bedroht mehrere Hunderttausend Arbeitsplätze in der EU“, schreiben Daniel Caspary, Chef der CDU/CSU-Gruppe, und CSU-Vize Angelika Niebler gemeinsam an von der Leyen. „Auf unserem Weg zur modernen Mobilität ,made in Europe‘ müssen wir daher unbedingt ökonomische, ökologische und soziale Aspekte in Einklang bringen.“
Ein europaweites Aus für den Verbrennungsmotor über die Abgasnorm Euro 7 ab 2025 ist heftig umstritten. „Wir haben kein Verständnis für die widersprüchlichen Botschaften, die aus der EU-Kommission heraussickern. Das ist besonders ärgerlich, da es bei diesem Thema um die globale Wettbewerbsfähigkeit einer Schlüsselindustrie in Europa geht“, sagte Caspary dem Handelsblatt in Brüssel.
Der Brief der CDU/CSU-Gruppe hat zum Ziel, Kommissionschefin von der Leyen zu einer Klärung der Position der EU-Exekutive im Streit um ein vorzeitiges Aus für den Verbrennungsmotor in der EU zu bewegen. Wie ein Kommissionssprecher auf Anfrage sagte, arbeite sie an einer Antwort.
Die vorzeitige Überarbeitung der Flottengrenzwerte durch die EU-Kommission ist im zweiten Quartal des kommenden Jahres geplant. Bis 2030 müssen die flottenweiten Emissionen von Neuwagen um 37,5 Prozent im Vergleich zu 2021 sinken. Das ist bereits beschlossene Sache.
Mehr Transparenz gefordert
Die konservativen Abgeordneten aus Deutschland ärgern sich vor allem über die unterschiedlichen Signale aus Brüssel. Sie fürchten einseitige Maßnahmen ohne große Rücksprache mit Parlament und Wirtschaft.
Insbesondere der für den Green Deal zuständige Kommissionsvize Frans Timmermans treibt die ehrgeizigen Klimapläne der EU-Exekutive voran. Der Niederländer gilt in Brüssel als inoffizieller Gegenspieler von Ursula von der Leyen. Die EU-Abgeordneten fordern von der Kommission mehr Transparenz bei ihren Plänen für die Abgasnorm Euro 7 und bei den CO2-Emmissionswerten.
„Eine einseitige Förderung der E-Mobilität schafft weniger Anreize für Investitionen in alternative Kraftstoffe“, kritisieren die Europapolitiker in ihrem Brief. „Um die Bestandsflotte klimafreundlicher zu gestalten, wären gerade diese alternativen Kraftstoffe notwendig.“
Die Elektrifizierung gehe zudem mit einem erheblich höheren Strombedarf einher. „Wenn der Anteil der Erneuerbaren gleichbliebe, könnte eine einseitige Elektrifizierung absurderweise dazu führen, dass der Diesel am Ende klimaschonender ist als das E-Auto“, fürchten Caspary und Niebler in ihrem Schreiben.
Sie fordern die EU-Kommission auf, ganzheitlich alle Mobilitätlösungen bei der Autoabgasnorm zugrunde zu legen, also Verbrennungs- und Elektromotoren, aber auch andere Alternativen. Zudem müssten auch Faktoren wie die Schonung der Ressourcen oder Recycling berücksichtigt werden.
Breton verspricht ehrgeizigen Vorschlag
Die Kommission wird ihren Vorschlag für die künftigen Euro-7-Normen bis Ende 2021 vorlegen. Innerhalb der Kommission werden die Pläne für die Abgasnorm Euro 7 offenbar unterschiedlich diskutiert.
Der Sozialdemokrat Timmermans, der sich im vergangenen Jahr vergeblich um das Amt des Kommissionspräsidenten beworben hatte, setzt auf ambitionierte Ziele im Verkehrssektor. Der für den Binnenmarkt zuständige Kommissar Thierry Breton fordert eine realistische Ausgestaltung der neuen Abgasnormen.
Die Kommission steht erst ganz am Anfang eines Entscheidungsprozesses. „Unser Vorschlag, den wir Ende 2021 vorlegen, wird sowohl ehrgeizig als auch realistisch sein“, sagte Breton zuletzt.
Hilfe vom VDA
Die CDU/CSU-Gruppe kann sich derweil auf Unterstützung der deutschen Autoindustrie verlassen. Denn Hildegard Müller, Chefin des Verbandes der Automobilindustrie (VDA), forderte Brüssel bereits auf, die Pläne für Euro 7 zu beenden. „Was diese Norm vorsieht, ist praktisch nicht zu schaffen. Wir erwarten, dass sich Ursula von der Leyen dieses nicht machbaren Vorschlags aus ihrer Kommission annimmt“, erklärte die ehemalige Staatsministerin im Kanzleramt.
Auch die Ministerpräsidenten der drei Autoländer Baden-Württemberg, Niedersachsen und Bayern haben bei der EU-Kommission bereits ihre Bedenken an dem für nächstes Jahr geplanten Gesetzesvorhaben zur Euro-7-Abgasnorm deutlich gemacht. Zu einem direkten Austausch der Länderchefs Winfried Kretschmann (Grüne), Markus Söder (CSU) und Stephan Weil (SPD) mit von der Leyen ist es aber zuletzt nicht gekommen. Die Länderchefs sprachen aber mit Timmermans, Breton und Kommissions-Vizepräsidentin Margrethe Vestager. Am Montagabend soll es ein internes Gespräch zwischen der CDU/CSU-Gruppe und von der Leyen geben.
Mangelnde Konsultationen oder Transparenz will sich die Kommission nicht vorwerfen lassen. Bislang hat die Kommission 166 Vorschläge von Industrie, Mitgliedstaaten, nicht staatlichen Organisationen (NGOs) und Bürgern zur Entwicklung der Abgasnorm Euro 7 erhalten.
In Brüssel hieß es, die Kommission werde die Antworten bei ihrem Vorschlag berücksichtigen. Die Abschätzung möglicher Folgen der neuen Abgasnorm soll in der ersten Hälfte 2021 über die Bühne gehen. Der Vorschlag der EU-Exekutive wird im vierten Quartal des kommenden Jahres erwartet.
Die Autokonzerne bereiten sich unterdessen bereits auf den Abschied vom Verbrenner über die künftige Abgasnorm Euro 7 vor. BMW gab in der vergangenen Woche bekannt, ab 2024 in Deutschland nur noch Elektromotoren herstellen zu wollen. Die Motorenproduktion wird von München ins österreichische Steyr und ins britische Hams Hall verlagert.
Nach Zwickau rüstet Volkswagen seine Werke in Emden und Hannover für die Produktion von E-Autos um. Voraussichtlich ab 2024 soll in der niedersächsischen Landeshauptstadt Hannover das neue elektrische Luxus-Flaggschiff hergestellt werden. In Salzgitter wird eine Batteriefabrik die Motorproduktion ersetzen.
Streit um Verbrennungsmotor: CDU/CSU-Gruppe sieht Pläne der EU-Kommission zur Auto-Abgasnorm Euro 7 kritisch
Protest im EU-Parlament: In einem Brief warnt die CDU/CSU-Gruppe Ursula von der Leyen vor einem faktischen Aus des Verbrenners ab dem Jahr 2025.
Die Pläne der EU-Kommission, mit der nächsten Stufe der Auto-Abgasnorm Euro 7 ab dem Jahr 2025 keine Verbrennungsmotoren in der Europäischen Union mehr zuzulassen, stößt auf Widerstand der CDU/CSU-Gruppe im Europaparlament. In einem Brief an Kommissionschefin Ursula von der Leyen, der dem Handelsblatt vorliegt, warnen die konservativen EU-Abgeordneten vor dem Wegfall von bis 400.000 Arbeitsplätzen allein in der deutschen Autoindustrie.
„Ein abruptes Aus für den Verbrenner bedroht mehrere Hunderttausend Arbeitsplätze in der EU“, schreiben Daniel Caspary, Chef der CDU/CSU-Gruppe, und CSU-Vize Angelika Niebler gemeinsam an von der Leyen. „Auf unserem Weg zur modernen Mobilität ,made in Europe‘ müssen wir daher unbedingt ökonomische, ökologische und soziale Aspekte in Einklang bringen.“
Ein europaweites Aus für den Verbrennungsmotor über die Abgasnorm Euro 7 ab 2025 ist heftig umstritten. „Wir haben kein Verständnis für die widersprüchlichen Botschaften, die aus der EU-Kommission heraussickern. Das ist besonders ärgerlich, da es bei diesem Thema um die globale Wettbewerbsfähigkeit einer Schlüsselindustrie in Europa geht“, sagte Caspary dem Handelsblatt in Brüssel.
Der Brief der CDU/CSU-Gruppe hat zum Ziel, Kommissionschefin von der Leyen zu einer Klärung der Position der EU-Exekutive im Streit um ein vorzeitiges Aus für den Verbrennungsmotor in der EU zu bewegen. Wie ein Kommissionssprecher auf Anfrage sagte, arbeite sie an einer Antwort.
Die vorzeitige Überarbeitung der Flottengrenzwerte durch die EU-Kommission ist im zweiten Quartal des kommenden Jahres geplant. Bis 2030 müssen die flottenweiten Emissionen von Neuwagen um 37,5 Prozent im Vergleich zu 2021 sinken. Das ist bereits beschlossene Sache.
Mehr Transparenz gefordert
Die konservativen Abgeordneten aus Deutschland ärgern sich vor allem über die unterschiedlichen Signale aus Brüssel. Sie fürchten einseitige Maßnahmen ohne große Rücksprache mit Parlament und Wirtschaft.
Insbesondere der für den Green Deal zuständige Kommissionsvize Frans Timmermans treibt die ehrgeizigen Klimapläne der EU-Exekutive voran. Der Niederländer gilt in Brüssel als inoffizieller Gegenspieler von Ursula von der Leyen. Die EU-Abgeordneten fordern von der Kommission mehr Transparenz bei ihren Plänen für die Abgasnorm Euro 7 und bei den CO2-Emmissionswerten.
„Eine einseitige Förderung der E-Mobilität schafft weniger Anreize für Investitionen in alternative Kraftstoffe“, kritisieren die Europapolitiker in ihrem Brief. „Um die Bestandsflotte klimafreundlicher zu gestalten, wären gerade diese alternativen Kraftstoffe notwendig.“
Die Elektrifizierung gehe zudem mit einem erheblich höheren Strombedarf einher. „Wenn der Anteil der Erneuerbaren gleichbliebe, könnte eine einseitige Elektrifizierung absurderweise dazu führen, dass der Diesel am Ende klimaschonender ist als das E-Auto“, fürchten Caspary und Niebler in ihrem Schreiben.
Sie fordern die EU-Kommission auf, ganzheitlich alle Mobilitätlösungen bei der Autoabgasnorm zugrunde zu legen, also Verbrennungs- und Elektromotoren, aber auch andere Alternativen. Zudem müssten auch Faktoren wie die Schonung der Ressourcen oder Recycling berücksichtigt werden.
Breton verspricht ehrgeizigen Vorschlag
Die Kommission wird ihren Vorschlag für die künftigen Euro-7-Normen bis Ende 2021 vorlegen. Innerhalb der Kommission werden die Pläne für die Abgasnorm Euro 7 offenbar unterschiedlich diskutiert.
Der Sozialdemokrat Timmermans, der sich im vergangenen Jahr vergeblich um das Amt des Kommissionspräsidenten beworben hatte, setzt auf ambitionierte Ziele im Verkehrssektor. Der für den Binnenmarkt zuständige Kommissar Thierry Breton fordert eine realistische Ausgestaltung der neuen Abgasnormen.
Die Kommission steht erst ganz am Anfang eines Entscheidungsprozesses. „Unser Vorschlag, den wir Ende 2021 vorlegen, wird sowohl ehrgeizig als auch realistisch sein“, sagte Breton zuletzt.
Hilfe vom VDA
Die CDU/CSU-Gruppe kann sich derweil auf Unterstützung der deutschen Autoindustrie verlassen. Denn Hildegard Müller, Chefin des Verbandes der Automobilindustrie (VDA), forderte Brüssel bereits auf, die Pläne für Euro 7 zu beenden. „Was diese Norm vorsieht, ist praktisch nicht zu schaffen. Wir erwarten, dass sich Ursula von der Leyen dieses nicht machbaren Vorschlags aus ihrer Kommission annimmt“, erklärte die ehemalige Staatsministerin im Kanzleramt.
Auch die Ministerpräsidenten der drei Autoländer Baden-Württemberg, Niedersachsen und Bayern haben bei der EU-Kommission bereits ihre Bedenken an dem für nächstes Jahr geplanten Gesetzesvorhaben zur Euro-7-Abgasnorm deutlich gemacht. Zu einem direkten Austausch der Länderchefs Winfried Kretschmann (Grüne), Markus Söder (CSU) und Stephan Weil (SPD) mit von der Leyen ist es aber zuletzt nicht gekommen. Die Länderchefs sprachen aber mit Timmermans, Breton und Kommissions-Vizepräsidentin Margrethe Vestager. Am Montagabend soll es ein internes Gespräch zwischen der CDU/CSU-Gruppe und von der Leyen geben.
Mangelnde Konsultationen oder Transparenz will sich die Kommission nicht vorwerfen lassen. Bislang hat die Kommission 166 Vorschläge von Industrie, Mitgliedstaaten, nicht staatlichen Organisationen (NGOs) und Bürgern zur Entwicklung der Abgasnorm Euro 7 erhalten.
In Brüssel hieß es, die Kommission werde die Antworten bei ihrem Vorschlag berücksichtigen. Die Abschätzung möglicher Folgen der neuen Abgasnorm soll in der ersten Hälfte 2021 über die Bühne gehen. Der Vorschlag der EU-Exekutive wird im vierten Quartal des kommenden Jahres erwartet.
Die Autokonzerne bereiten sich unterdessen bereits auf den Abschied vom Verbrenner über die künftige Abgasnorm Euro 7 vor. BMW gab in der vergangenen Woche bekannt, ab 2024 in Deutschland nur noch Elektromotoren herstellen zu wollen. Die Motorenproduktion wird von München ins österreichische Steyr und ins britische Hams Hall verlagert.
Nach Zwickau rüstet Volkswagen seine Werke in Emden und Hannover für die Produktion von E-Autos um. Voraussichtlich ab 2024 soll in der niedersächsischen Landeshauptstadt Hannover das neue elektrische Luxus-Flaggschiff hergestellt werden. In Salzgitter wird eine Batteriefabrik die Motorproduktion ersetzen.
Zitat von Gast am 24. November 2020, 07:24 UhrZu Ursula von der Layen:
Jagt die Alte endlich zum Teufel.
Ein größeres Beispiel an Inkompetenz gibt es wohl nicht.
Affären hatte die Dame wohl auch schon mehr als genug.
Zu erst bei der Bundeswehr, jetzt in der EU.
Schickt sie in die Rente, die hat wirklich schon genügend Schaden angerichtet!!
Zu Ursula von der Layen:
Jagt die Alte endlich zum Teufel.
Ein größeres Beispiel an Inkompetenz gibt es wohl nicht.
Affären hatte die Dame wohl auch schon mehr als genug.
Zu erst bei der Bundeswehr, jetzt in der EU.
Schickt sie in die Rente, die hat wirklich schon genügend Schaden angerichtet!!
Zitat von Gast am 30. November 2020, 11:44 Uhr
Der große EU-Report: Gesetzgebung hinter verschlossenen Türen
Im Rat der EU verhandeln die Beamten der nationalen Regierungen Europas Gesetze - unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Ein Report von Investigate Europe
Mit verdeckten Machtstrukturen kennt sich Emily O’Reilly aus. Als sie sich einst in Dublin um einen Job als Journalistin bewarb, sagte man ihr, sie solle tippen lernen, dann könne sie als Sekretärin arbeiten. Den Kurs machte sie nicht, aber 20 Jahre später war sie Politikchefin der irischen "Sunday Times". Als sie bald darauf zur ersten Ombudsfrau für Irland berufen wurde, stieß sie auf ein Geflecht staatlicher Einrichtungen, die jenseits öffentlicher Kontrolle mit Milliarden jonglierten, um die faulen Wertpapiere maroder Banken zu verwalten. Da gab sie so lange keine Ruhe, bis alle beteiligten Stellen der parlamentarischen Prüfung unterstanden. Seit 2014 dann legte sie sich als "European Ombudsman" mit EU-Kommissaren und EZB-Direktoren an, um Licht in deren Verstrickungen mit Lobbyisten und Konzernen zu bringen – auch das mit Erfolg. Das Parlament wählte sie gleich für eine weitere Amtszeit.
Doch ausgerechnet mit dem, wie sie sagt, "wichtigsten Teil meiner Arbeit" kommt die streitbare Irin seit Jahren nicht voran. "Alle Bürger haben das Recht, am demokratischen Leben der Union teilzunehmen", garantiert der EU-Vertrag. Aber dieses Recht, so urteilt O’Reilly, "können sie nicht wahrnehmen". Das ergaben ihre Ermittlungen zu Europas mächtigster Institution: Den Rat der Europäischen Union, kurz Ministerrat genannt, jenem Organ also, wo die Regierungsbeamten der 27 Mitgliedsstaaten die Gesetze der EU verhandeln und beschließen, bevor sie sich mit dem Parlament auf die endgültigen Gesetzestexte einigen. (siehe Grafik).
Aber wer dort wie über was genau verhandelt, und welche nationale Regierung welche Position vertritt, so stellt O’Reilly immer wieder fest, das halten die beteiligten nationalen Beamten systematisch geheim. Darum sei es "für die Bürger praktisch unmöglich, zu erfahren, wie ein europäisches Gesetz zustande gekommen ist". Das aber "untergräbt ihr Recht, ihre gewählten Vertreter zur Rechenschaft zu ziehen" und "zielt ins Herz der Legitimität der EU", sagt sie.
Auch Transparency International kritisiert die EU
Geheime Gesetzgebung unter Umgehung des EU-Rechts? Das ist ein schwerer Vorwurf. Aber O’Reilly steht damit nicht allein. Auch Transparency International warnt vor der "Lücke in der Rechenschaftspflicht" und dem "demokratischen Defizit" im Ratsapparat. "Es ist nicht möglich, die legislativen Beratungen im Rat ordnungsgemäß zu verfolgen", schreiben die Bürgerrechtler in einer ausführlichen Studie, die sie nächste Woche vorstellen werden. Die gleiche Beschwerde führen Parlamentarier aus 20 nationalen Parlamenten und mit ihnen prominente Juristen, darunter auch der frühere Generalanwalt des Europäischen Gerichtshofes, der Portugiese Miguel Poaires Maduro. Die Geheimhaltungspraxis des Rates "widerspricht der geltenden Rechtsprechung", sagte er im Gespräch mit Investigate Europe. Das europäische Journalistenteam hat darum eine Langzeitrecherche darüber begonnen, wie es zugeht, wenn nationale Diplomaten die Gesetze für die EU schmieden. Die ersten Ergebnisse öffnen Einblicke in eine weitgehend unbekannte Sphäre der Politik. Im Brüsseler Rat
- betreiben nicht gewählte Politiker, sondern nationale Regierungsbeamte die Gesetzgebung, darum gelten die Regeln der vertraulichen Diplomatie, nicht die einer transparenten Demokratie;
- behindert die diplomatische Geheimhaltung die Entscheidungsfindung und den öffentlichen Diskurs, darum stecken Dutzende wichtiger Gesetzesvorschläge jahrelang fest und scheitern, ohne dass die Bürgerinnen je davon erfahren;
- werden Reformen zur Steuerpolitik im Schutz der Geheimniskrämerei genauso blockiert wie eine Frauenquote für Aufsichtsräte. Den Langzeitrekord hält ironischerweise eine Verordnung für mehr Transparenz, die seit zwölf Jahren im Nirwana der Verhandlungen hängt;
- müssen sich die Verantwortlichen für ihre Ergebnisse und ihre Fehler fast nie öffentlich rechtfertigen, das ermöglicht Einflussnahme durch Lobbyisten und krumme Deals hinter dem Rücken der Wähler.
4000 Treffen und 150 Ausschüsse
All das geschieht in einen mächtigen Apparat, der – anders als das Parlament oder die EU-Kommission - den meisten EU-Bürgern völlig unbekannt ist. Davon zu sehen ist stets nur, wenn die Minister unter den bunten Flaggen Europas zusammenkommen, um für die Kameras ihre Standpunkte auszutauschen oder längst getroffenen Entscheidungen ihre formalen Segen zu geben. Die tatsächliche Verhandlung über die Gesetzestexte erfolgt jedoch in mehr als 150 Ausschüssen und Arbeitsgruppen, in sich Beamte aus den nationalen Vertretungen und aus den Ministerien der Hauptstädte treffen. Deren Arbeit koordiniert der Rat der ständigen Vertreter, im EU-Jargon nach der französischen Abkürzung "Coreper" genannt. Ihnen zur Seite steht dabei ein "Generalsekretariat", das mit 3000 Beamten das komplexe Räderwerk organisiert. Gemeinsam kommen alle Beteiligten auf rund 4000 Treffen im Jahr, die in den drei Gebäuden des Rates gleich gegenüber dem Sitz der EU-Kommission stattfinden, hinter verschlossenen Türen und ohne öffentliche Protokolle.
Wie dysfunktional diese Gesetzgebung mit diplomatischen Mitteln häufig ist, demonstriert das Schicksal eines Gesetzentwurfs, mit dem die EU-Kommission eine der größten Ungerechtigkeiten der globalisierten Wirtschaft bekämpfen will: die Steuervermeidung durch multinationale Konzerne. Diese buchen ihre Gewinne häufig dort, wo wie etwa in Irland die Steuersätze besonders niedrig sind, obwohl sie die zugehörigen Umsätze in anderen Ländern erzielen. Gut 40 Prozent aller Konzerngewinne weltweit werden in solche Steuerfluchtzentren verschoben, kalkuliert das Team des Ökonomen Gabriel Zucman von der Universität Berkeley in Kalifornien. Das kostet die Staatskassen der EU-Länder nach Schätzung der Kommission bis zu 70 Milliarden Euro im Jahr, soviel wie knapp die Hälfte des jährlichen EU-Budgets.
Darum wollen die Kommissare alle in der EU tätigen internationalen Unternehmen mit jährlich mehr als 750 Millionen Euro Umsatz verpflichten, offenzulegen, wie viel Steuern sie auf welche Erträge in welchem Staat bezahlen. Das sogenannte "public Country-by-Country-Reporting wird dazu beitragen, das Steuerverhalten multinationaler Unternehmen zu untersuchen" und sie "dazu veranlassen, Steuern dort zu zahlen, wo sie Gewinne erzielen", begründet die Kommission ihren Vorschlag. Bei Großbanken, die das schon seit 2014 berichten müssen, hat das auch die erwünschte Wirkung, und sie fuhren ihre Steuerflucht zurück Das EU-Parlament verabschiedet den Entwurf darum schon im Juni 2017 und weiß dabei die große Mehrheit der EU-Bürger hinter sich.
Das Gesetz gibt es nicht - bis heute
Das Gesetz gibt es trotzdem bis heute nicht. Denn hinter dem Schleier der Diplomatie gelang es der Konzernlobby, im Rat eine Blockade zu organisieren. Die wichtigsten Helfer dabei waren und sind die Wirtschaftsminister der deutschen Bundesregierung. Diese stellten sich dagegen, weil es angeblich "deutsche Unternehmen im internationalen Wettbewerb benachteiligen würde", wie der derzeit zuständige Minister Peter Altmaier behauptet. Das ist zwar wenig glaubwürdig, weil das Gesetz für alle in Europa tätigen Unternehmen gelten soll, auch solche aus China oder Amerika. Und Daten, die womöglich Betriebsgeheimnisse preisgeben, dürfen ohnehin verzögert berichtet werden. Aber die deutsche Haltung folgt der Linie des Lobbyverbandes Stiftung Familienunternehmen, die anders als der Name suggeriert vor allem Großunternehmen wie Lidl, Henkel oder Oetker vertritt.
Allerdings kann keine Regierung allein ein Gesetz für den EU-Binnenmarkt blockieren, auch nicht die deutsche. In der Regel bedarf ein Gesetzentwurf der doppelten qualifizierten Mehrheit: Die Befürworterinnen müssen 65 Prozent der Bevölkerung und 15 Mitgliedstaaten vertreten, dann ist er angenommen. Die Regel schützt die kleinen Länder vor der Übermacht der großen und ist durchaus sinnvoll. Umgekehrt heißt es jedoch, dass schon 36 Prozent der Bevölkerung oder 13 Regierungen ausreichen, um neue Gesetze zu verhindern. Ein solche Sperrminorität ist darum das perfekte Instrument für international organisierte Lobbygruppen, um ihnen unbequeme Gesetzesvorschläge gegen den Willen der Mehrheit zu stoppen oder zu verwässern. Und genau so läuft es auch mit dem Vorschlag, die Konzerne zur Steuertransparenz zu zwingen. Jahrelang fanden sich stets genug Alliierte für die deutsche Position. Aber wer sind sie? Welche Regierungen da gemeinsam mit der Merkel-Koalition die Steuervermeider schützen, erfuhren die Wählerinnen nicht. Folglich mussten sich die beteiligten Minister in den anderen Staaten nicht rechtfertigen.
Programm und Verhalten stehen in völligem Wiederspruch
Das änderte sich erst, als der EU-Abgeordnete Sven Giegold vor einem Jahr mit Hilfe eines Informanten die Liste der Neinsager veröffentlichte. Und die war durchaus überraschend. Willige Helfer waren nicht nur wie zu erwarten die Regierungen der Iren, Litauerinnen, Luxemburger, Malteserinnen, Tschechen, Ungarninnen oder Zyprer, die selbst mit laxen Steuergesetzen zur Verlagerung der Konzerngewinne einladen. Mit dabei waren auch die sozialdemokratischen Regierungen in Schweden und Portugal, deren Parteien öffentlich das Gegenteil versprechen. Als Investigate Europe darüber in beiden Ländern berichtete, erhob sich Protest. „Unglaublich“ sei das, empörte sich etwa die langjährige Europaabgeordnete für Portugals Sozialisten, Ana Gomes. "Das Regierungsprogramm und das Verhalten im Rat stehen im völligen Widerspruch." Prompt änderte die Regierung ihre Position und Lissabons Wirtschaftsminister Siza Vieira versicherte seine Zustimmung.
Damit hätte es im November 2019 erstmals eine ausreichende Mehrheit für das Gesetz geben können. Doch in der entscheidenden Sitzung sprach sich - anders als zuvor angekündigt - der kroatische Minister plötzlich dagegen aus, und der Vorsitzende brach die Abstimmung mangels nötiger Mehrheit ab. Über das Motiv für das unerwartete Nein-Votum gibt die kroatische Regierung keine Auskunft. Dafür aber kam über eine Anfrage der Linken im Bundestag heraus, dass Wirtschaftsminister Altmaier zwei Tage vor der Abstimmung mit seinem kroatischen Amtskollegen Darko Horvat über das Thema gesprochen hatte, wie die Bundesregierung einräumen musste. Ob Altmaier dabei Druck ausgeübt oder einen Deal angeboten hat, mochte sein Sprecher nicht sagen.
Der Versuch, das Gesetz zu beerdigen, misslang
Der Versuch, das Gesetz damit zu beerdigen, gelang jedoch noch nicht. Denn Österreichs Regierung, die zuvor mit den Deutschen gestimmt hatte, ist mittlerweile ins Lager der Unterstützer gewechselt, wie ein Sprecher des Wiener Finanzministeriums bestätigte. Darum gäbe es jetzt doch eine qualifizierte Mehrheit – wenn es denn zur Abstimmung käme. Genau das aber verhindert erneut die deutsche Regierung. Weil sie zurzeit die halbjährlich wechselnde Präsidentschaft im Rat führt, obliegt es dem Kabinett Merkel, die Tagesordnung der Ratssitzungen festzulegen. Dort aber verweigern die Union und ihr Wirtschaftsminister sogar die Zustimmung zur Abstimmung. So liegt das Gesetz weiterhin auf Eis und die Steuervermeider bleiben unbehelligt.
Die Methode ist gang und gäbe. Mittels Verhandeln ohne Ergebnis landen zahllose Projekte einfach im Nirgendwo, wenn die Minderheit der Gegnerinnen ihre Forderungen nicht durchsetzen kann. Das offizielle Register des EU-Parlaments führte im Oktober gleich 30 Gesetze an, die zwar im Parlament verabschiedet sind, aber im Rat seit mehr als drei Jahren festhängen. Viele davon betreffen unmittelbar den Alltag der EU-Bürger wie etwa die Rechte von Passagieren im Luftverkehr oder die technische Sicherheit von Produkten. Auch mehrere Gesetzentwürfe zum Umwelt- und Naturschutz schieben die Regierungen seit Jahren vor sich her. Und die Liste wäre noch viel länger, wenn die EU-Kommission nicht viele ihrer Vorschläge irgendwann zurückziehen würde.
Archetypisch ist der Fall, über den die EU-Abgeordnete Evelyn Regner berichtet. Die Wiener Sozialdemokratin, seit elf Jahren Mitglied im EU-Parlament, ist dort verantwortlich für die EU-Richtlinie, die Aktiengesellschaften verpflichten soll, den Anteil von Frauen in den Aufsichtsräten auf 40 Prozent anzuheben. Schon 2012 hatte eine breite Mehrheit im Parlament dafür gestimmt. Schließlich sei „längst bewiesen, dass Unternehmen mit ausreichend Frauen in Führungspositionen erfolgreicher sind“, sagt Regner. Doch im Rat gab es Widerstand von sozial-konservativen Regierungen wie in Polen, Tschechien oder damals auch Portugal. Und dann „kam das typische große Ablegen“, erinnert sich die Abgeordnete. Die Regierungen vertagten ein ums andere Mal die Entscheidung, „und immer wieder musste ich darum streiten, das Gesetz weiter im Rennen zu halten“, sagt Regner. „Es sind eben Diplomaten, die scheuen die Entscheidung im Konflikt, sie fürchten den Kulturkampf“, erklärt sie das Phänomen.
Daher verlegten sich auch Regierungen wie die deutsche oder die dänische, in deren Ländern Frauenquoten längst üblich sind, auf einen häufig angewandten juristischen Trick: Sie erklärten die EU für nicht zuständig und Frauenrechte zur rein nationalen Angelegenheit. Oder, wie es ein Sprecher von Frauenministerin Franziska Giffey ausdrückt: Es gebe einen „Prüfvorbehalt in Bezug auf die Rechtsgrundlage“. Weil das nur die CDU so sieht, während die SPD-Ministerin dafür ist, enthält sich die Bundesregierung offiziell. Im Rat sind für die Annahme eines Gesetzes jedoch zwei Drittel aller Stimmen nötig. Darum wirkt eine Enthaltung genauso wie eine Nein. Wegen „der Ablehnung acht weiterer Mitgliedstaaten“ komme darum „keine qualifizierte Mehrheit zustande“, erklärt Giffeys Sprecher.
Wer diese Acht sind, verrät die Bundesregierung aber nicht. Auch das Generalsekretariat des Rates gibt dazu keine Auskunft. Investigate Europe konnte das nur mit Hilfe eines freundlichen Brüsseler Diplomaten inoffiziell in Erfahrung bringen. Demnach stehen neben den Deutschen und Däneninnen auch die Schweden und Niederländerinnen auf der Bremse und stellen mit Populisten und Konservativen in Polen, Ungarn, Kroatien, der Slowakei und Griechenland eine Sperrminorität. So agieren Sozialliberale seit acht Jahren mit Rechtskonservativen in einer unheiligen Allianz gegen mehr Frauenrechte. Auf nationaler Ebene wäre das unmöglich. Doch hinter den verschlossenen Türen der Ratsgremien müssen die zuständigen Minister keine Proteste fürchten.
Versprochen wurde, die EU zu demokratisieren
Dabei sollte doch eigentlich alles ganz anders sein. Als Europas Regierende vor 13 Jahren mit den Verträgen von Lissabon die moderne EU aus der Taufe hoben, versprachen sie die Union zu demokratisieren. Die Bürger sollten ausdrücklich die Chance zur Mitwirkung bekommen. „Die Entscheidungen werden so offen und bürgernah wie möglich getroffen“, schrieben sie in den Vertragstext. "Um eine verantwortungsvolle Verwaltung zu fördern und die Beteiligung der Zivilgesellschaft sicherzustellen, handeln die Organe der Union unter weitestgehender Beachtung des Grundsatzes der Offenheit", heißt es weiter.
Das Parlament und die Kommission haben sich auch weitgehend daran gehalten. Doch für ihr eigenes Handeln als Gesetzgeber wollen die nationalen Regierungen das bis heute nicht gelten lassen. Dafür verbergen sie ihre Verhandlungen hinter einer juristischen Schweigemauer: der Verordnung 1049 aus dem Jahr 2001 über den „Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten“ der EU-Institutionen. Diese erlaubt es, Dokumente unter Verschluss zu halten "wenn eine Verbreitung den Entscheidungsprozess des Organs ernstlich beeinträchtigen würde". Genau darauf berufen sich dann die Beamten des Ratssekretariats, wenn sie im Auftrag der Regierungen Journalistinnen oder Aktivisten Dokumente verweigern, aus denen hervorgeht, welche Regierung welche Position zu einem Gesetzesprojekt einnimmt. Die Formel ist beliebig einsetzbar und findet selbst dann Anwendung, wenn es gar nichts mehr zu verbergen gibt. So verweigerte der Rat im vergangenen April sogar die Einsicht in drei Jahre alte Unterlagen, in denen es um die Verhandlungen über die Steuertransparenz für Konzerne geht. Zu diesem Zeitpunkt war längst alles gesagt, es wäre sogar eine Mehrheit für das Gesetz möglich gewesen, wenn es zur Abstimmung gekommen wäre. Aber die deutsche Regierung wollte die öffentliche Debatte unbedingt vermeiden und lehnte ab. Auch Frankreichs Regierung spielte mit. Weil „das Dossier noch beraten wird“ könne "die Freigabe den laufenden Entscheidungsprozess ernsthaft beeinträchtigen" ließ der französische Vertreter in das Protokoll schreiben, das Investigate Europe zugespielt wurde. Die Dokumente blieben Verschlusssache.
Der Fall illustriert, wie überholt die Verordnung ist und den Geist der alten EG konserviert. Schon 2008 hatte die EU-Komission darum eine Novelle vorgeschlagen, um die Regeln dem Lissabon-Vertrag anzupassen. Das Parlament verabschiedete 2011 eine noch weitergehende Version. Aber die Regierungen verweigern einen Beschluss über die Reform seit zwölf Jahren und machten damit in bitterer Symbolik ausgerechnet die Transparenzreform zum ältesten Gesetzentwurf, der im Rat festhängt.
Auch die Berichte über die Transparenz sind geheim
Ironischerweise hält das Ratssekretariat sogar die Berichte darüber geheim, wie der Rat mit der Forderung nach mehr Transparenz umgehen soll, die Ombudsfrau O’Reilly und mit ihr das EU-Parlament erheben. Um trotzdem mehr darüber zu erfahren, stellten die Reporter von Investigate Europe Anträge auf Akteneinsicht bei den zuständigen Ministerien mehrerer Staaten. Das Ergebnis ist ernüchternd. Die französische Regierung definierte das Thema kurzerhand als Teil der Außenpolitik, für die den Bürgern "prinzipiell" kein Recht auf Akteneinsicht zustehe. In Schweden, wo die Regierung ansonsten strikte Transparenzregeln befolgt, gab sie zwar die Akten frei. Aber alle Passagen, die beschrieben, welcher Vertreter wie argumentierte, wurden geschwärzt. Genauso hielt es auch das Auswärtige Amt. Das Bekanntwerden der geschwärzten Passagen "würde der notwendigen Vertraulichkeit laufender internationaler Verhandlungen schaden", schrieb der zuständige Beamte. Die Bundesregierung müsse "in der Lage sein, Verhandlungen ohne unbefugten Einfluss von außen durchzuführen." Kurzum: Nicht mal über den Verlauf der Transparenzdiskussion gibt es Transparenz.
Das klingt ein wenig lächerlich nach Geheimniskrämerei aus Prinzip. Schließlich ist die Einflussnahme auf die Gesetzgebung - auch ohne Erlaubnis - ein Merkmal der Demokratie. Doch dahinter steht das strategische Dilemma der europäischen Integration. Weil die Wirtschaft längst über alle Grenzen hinweg verflochten ist, muss die Mehrzahl der Gesetze EU-weit gelten, also auch europäisch beschlossen werden. Es gibt aber keine gewählte europäische Regierung, sondern nur 27 nationale. Und deren Politiker versprechen ihren Wählern, in Europa zuerst die vermeintlich nationalen Interessen zu verteidigen.
Welche enorme Spannung daraus entsteht, das hat der französische Diplomat Pierre Sellal über Jahrzehnte verfolgt. Für drei Premierminister hat er die EU-Politik in Paris koordiniert. Insgesamt 15 Jahre lang war er Botschafter Frankreichs bei der EU und erwarb sich unter Kollegen den Ruf des "Orakels von Brüssel", das alle Fäden zusammenführt. Insofern ist Sellal gewiss kein Antieuropäer. Aber er ist überzeugt, dass "die diplomatische Anstrengung, die eine europäische Verhandlung darstellt, nicht mit einer Diskussion in der öffentlichen Arena vermischt werden kann."
In den Ratsgremien gebe es "immer einen Moment, in dem der eine oder andere sagt: ‚Jetzt habe ich Ihnen gesagt, was meine Anweisungen sind, ich entferne mich für einen Moment von ihnen, so weit könnte ich bei der Suche nach einem Kompromiss gehen.‘ Und irgendwann sage der Vorsitzende dann, ‚ich kenne alle Ihre nationalen Positionen, könnten wir versuchen, eine Lösung in dieser Richtung zu finden, die sich von Ihren Anweisungen unterscheidet?‘" Aber darüber könne man nicht öffentlich sprechen, versichert der versierte Ex-Diplomat. "Wenn Sie das öffentlich machen, hätten Sie sofort jemanden, der sagen würde: In wessen Namen spricht dieser von unseren Steuern bezahlte Beamte, der etwas anderes erwägt, als Gegenstand seiner Anweisungen ist?" So etwas müsse hinter verschlossenen Türen stattfinden, meint Sellal. Wenn "alles, was im Ratssaal geschieht, öffentlich sein muss, dann frühstücken wir oder gehen in der Bar und reden dort. Ich glaube nicht, dass das die Effizienz verbessert."
"Wenig Spielraum"
Das sieht Michael Roth, Deutschlands Staatsminister für Europa im Auswärtigen Amt, ganz ähnlich. Die Bundesregierung setze sich zwar dafür ein, "mehr von der Arbeit im Rat öffentlich zu machen". Aber für die Forderung von Ombudsfrau O’Reilly und des EU-Parlaments nach der frühzeitigen Bekanntmachung der Positionen der einzelnen Regierungen "sehe ich zurzeit wenig Spielraum", sagte Roth im Gespräch mit Investigate Europe. "Da geht es um die vorbereitenden Sitzungen in den Arbeitsgruppen und dem Rat der Ständigen Vertreter." Dort brauche es "Vertraulichkeit, um einen geschützten Raum zu haben für die schwierige Suche nach Kompromissen." Daraus abzuleiten, die EU betreibe Gesetzgebung unter "Geheimniskrämerei" zeichne "ein Zerrbild von Europa, das brandgefährlich ist und den Nationalisten und Populisten in die Hände spielt", meint Roth.
Entfremdet die Verschlossenheit die Bürger von der Politik?
Das sehen O’Reilly und ihre Unterstützer im Parlament genau anders herum. Gerade das Verhandeln "hinter verschlossenen Türen birgt die Gefahr, die Bürger zu entfremden und negative Gefühle gegen die EU zu nähren", warnt sie. Weil Roth und seine Kollegen bisher alles solange geheim halten, bis ein Gesetz beschlossen ist, erfahren die Wähler die EU-Politik stets nur als Schaffung vollendeter Tatsachen, weil sie vorher gar nicht erst erfahren, was vorgeht. Dagegen reklamiert O’Reilly "das legitime Recht der Bürger auf Einflussnahme". Darum müsse der Rat zu einem "angemessenen Zeitpunkt" informieren, bevor alles gelaufen ist. Auch dann bleibe genügend Raum für vertrauliche Verhandlungen.
Diesen Wechsel, fordert auch Linn Selle, die Präsidentin der Europäischen Bewegung Deutschland (EBD). "Unsere Politiker betreiben Europa noch immer als Außenpolitik", erklärt sie. Es gehe "aber ums ganz normale Regieren". Dafür sei "Partizipation nötig, und das geht nicht ohne Transparenz", fordert sie und weiß dabei von den Arbeitgebern über die Gewerkschaften bis zu den Umweltschützern weite Teile der Gesellschaft hinter sich, deren Verbände ihre Organisation tragen.
Vom Kulturwandel ist noch nichts angekommen
Um das zu erreichen, setzen Selle und O’Reilly auf einen Kulturwandel, der ja schon eingesetzt habe, wie die Ombudsfrau meint. Davon ist allerdings im Alltag der Ratsmaschine bisher nichts angekommen. Die Regierungen weigern sich sogar, auf die Forderungen der Ombudsfrau oder des Europaparlaments zumindest zu antworten. Auch den Fragen von Investigate Europe wollte sich keiner der leitenden Beamten stellen, die schriftlich eingerichteten Fragen blieben ohne Antwort.
Aber damit werden die Ratsgewaltigen vermutlich nicht mehr lange durchkommen. Denn die Kritikerinnen haben einen mächtigen Bündnispartner: den Europäischen Gerichtshof. Das hat der niederländische Jurist Onno Brouwer erreicht. Der Anwalt, im Hauptberuf Partner bei der Großkanzlei Freshfields für Wirtschaftsrecht, vertritt seit vielen Jahren auch Aktivisten und Parlamentarier pro bono bei deren Streit um Transparenz in der EU.
Schon mehrmals mussten die Luxemburger Richter darum über die von Brouwer formulierten Klagen auf Zugang zu Informationen über das Geschehen im Rat verhandeln. Und bisher gaben sie immer den Klägerinnen recht. Richtungweisend war etwa das Urteil, mit dem sie schon 2012 zugunsten der Organisation access-info entschieden. Diese hatte auf Herausgabe der nationalen Stellungnahmen zur Novelle der Dokumenten-Verordnung geklagt und bekam im vollen Umfang Recht. Die übliche Behauptung, das untergrabe den Entscheidungsprozess, wiesen die Richter zurück.
Noch spektakulärer ist ein Urteil vom März 2018. Damals hatte Emilio de Capitani, vormals Leiter des Sekretariats im Rechtsausschuss des EU-Parlaments, mit Brouwers Hilfe darauf geklagt, dass die Positionen des Rates schon während der Verhandlungen mit dem Parlament veröffentlicht werden. Auch dieser Klage gaben die Richter recht. Und ihre Begründung liest sich wie ein Flugblatt von Bürgerrechtlern. "Gerade die Transparenz im Bereich des Gesetzgebungsprozesses" trage "dazu bei, den Organen in den Augen der europäischen Bürger eine größere Legitimität zu verleihen ..., weil sie es ermöglicht, Unterschiede zwischen mehreren Standpunkten offen zu erörtern", schrieben die Richter. "Die Möglichkeit für die Bürger, sich über die Grundlagen der Gesetzgebungstätigkeit zu informieren, ist nämlich eine Voraussetzung dafür, dass sie ihre demokratischen Rechte effektiv ausüben können", stellten sie klar und setzten sogar noch eins drauf: "Tatsächlich ist es das Fehlen von Information und Diskussion, das bei den Bürgern Zweifel hervorrufen kann, und zwar nicht nur an der Rechtmäßigkeit eines einzelnen Rechtsakts, sondern auch an der Rechtmäßigkeit des Entscheidungsprozesses insgesamt."
"Wie ein trotziges Kind"
Umso erstaunlicher ist, dass dieses und weitere Urteile bisher an der Praxis bei Europas mächtigstem Gesetzgeber nichts geändert haben. "Die Institution verhält sich wie ein trotziges Kind", spottet Brouwer und folge "absolut nicht" der Rechtsprechung. Die Antwort könne daher nur sein, "weiter vor Gericht zu ziehen", um die Verantwortlichen "beim Namen zu nennen und zu beschämen." Am Ende, so prophezeit er, "werden die Richter die Geduld verlieren".
Der große EU-Report: Gesetzgebung hinter verschlossenen Türen
Im Rat der EU verhandeln die Beamten der nationalen Regierungen Europas Gesetze - unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Ein Report von Investigate Europe
Mit verdeckten Machtstrukturen kennt sich Emily O’Reilly aus. Als sie sich einst in Dublin um einen Job als Journalistin bewarb, sagte man ihr, sie solle tippen lernen, dann könne sie als Sekretärin arbeiten. Den Kurs machte sie nicht, aber 20 Jahre später war sie Politikchefin der irischen "Sunday Times". Als sie bald darauf zur ersten Ombudsfrau für Irland berufen wurde, stieß sie auf ein Geflecht staatlicher Einrichtungen, die jenseits öffentlicher Kontrolle mit Milliarden jonglierten, um die faulen Wertpapiere maroder Banken zu verwalten. Da gab sie so lange keine Ruhe, bis alle beteiligten Stellen der parlamentarischen Prüfung unterstanden. Seit 2014 dann legte sie sich als "European Ombudsman" mit EU-Kommissaren und EZB-Direktoren an, um Licht in deren Verstrickungen mit Lobbyisten und Konzernen zu bringen – auch das mit Erfolg. Das Parlament wählte sie gleich für eine weitere Amtszeit.
Doch ausgerechnet mit dem, wie sie sagt, "wichtigsten Teil meiner Arbeit" kommt die streitbare Irin seit Jahren nicht voran. "Alle Bürger haben das Recht, am demokratischen Leben der Union teilzunehmen", garantiert der EU-Vertrag. Aber dieses Recht, so urteilt O’Reilly, "können sie nicht wahrnehmen". Das ergaben ihre Ermittlungen zu Europas mächtigster Institution: Den Rat der Europäischen Union, kurz Ministerrat genannt, jenem Organ also, wo die Regierungsbeamten der 27 Mitgliedsstaaten die Gesetze der EU verhandeln und beschließen, bevor sie sich mit dem Parlament auf die endgültigen Gesetzestexte einigen. (siehe Grafik).
Aber wer dort wie über was genau verhandelt, und welche nationale Regierung welche Position vertritt, so stellt O’Reilly immer wieder fest, das halten die beteiligten nationalen Beamten systematisch geheim. Darum sei es "für die Bürger praktisch unmöglich, zu erfahren, wie ein europäisches Gesetz zustande gekommen ist". Das aber "untergräbt ihr Recht, ihre gewählten Vertreter zur Rechenschaft zu ziehen" und "zielt ins Herz der Legitimität der EU", sagt sie.
Auch Transparency International kritisiert die EU
Geheime Gesetzgebung unter Umgehung des EU-Rechts? Das ist ein schwerer Vorwurf. Aber O’Reilly steht damit nicht allein. Auch Transparency International warnt vor der "Lücke in der Rechenschaftspflicht" und dem "demokratischen Defizit" im Ratsapparat. "Es ist nicht möglich, die legislativen Beratungen im Rat ordnungsgemäß zu verfolgen", schreiben die Bürgerrechtler in einer ausführlichen Studie, die sie nächste Woche vorstellen werden. Die gleiche Beschwerde führen Parlamentarier aus 20 nationalen Parlamenten und mit ihnen prominente Juristen, darunter auch der frühere Generalanwalt des Europäischen Gerichtshofes, der Portugiese Miguel Poaires Maduro. Die Geheimhaltungspraxis des Rates "widerspricht der geltenden Rechtsprechung", sagte er im Gespräch mit Investigate Europe. Das europäische Journalistenteam hat darum eine Langzeitrecherche darüber begonnen, wie es zugeht, wenn nationale Diplomaten die Gesetze für die EU schmieden. Die ersten Ergebnisse öffnen Einblicke in eine weitgehend unbekannte Sphäre der Politik. Im Brüsseler Rat
- betreiben nicht gewählte Politiker, sondern nationale Regierungsbeamte die Gesetzgebung, darum gelten die Regeln der vertraulichen Diplomatie, nicht die einer transparenten Demokratie;
- behindert die diplomatische Geheimhaltung die Entscheidungsfindung und den öffentlichen Diskurs, darum stecken Dutzende wichtiger Gesetzesvorschläge jahrelang fest und scheitern, ohne dass die Bürgerinnen je davon erfahren;
- werden Reformen zur Steuerpolitik im Schutz der Geheimniskrämerei genauso blockiert wie eine Frauenquote für Aufsichtsräte. Den Langzeitrekord hält ironischerweise eine Verordnung für mehr Transparenz, die seit zwölf Jahren im Nirwana der Verhandlungen hängt;
- müssen sich die Verantwortlichen für ihre Ergebnisse und ihre Fehler fast nie öffentlich rechtfertigen, das ermöglicht Einflussnahme durch Lobbyisten und krumme Deals hinter dem Rücken der Wähler.
4000 Treffen und 150 Ausschüsse
All das geschieht in einen mächtigen Apparat, der – anders als das Parlament oder die EU-Kommission - den meisten EU-Bürgern völlig unbekannt ist. Davon zu sehen ist stets nur, wenn die Minister unter den bunten Flaggen Europas zusammenkommen, um für die Kameras ihre Standpunkte auszutauschen oder längst getroffenen Entscheidungen ihre formalen Segen zu geben. Die tatsächliche Verhandlung über die Gesetzestexte erfolgt jedoch in mehr als 150 Ausschüssen und Arbeitsgruppen, in sich Beamte aus den nationalen Vertretungen und aus den Ministerien der Hauptstädte treffen. Deren Arbeit koordiniert der Rat der ständigen Vertreter, im EU-Jargon nach der französischen Abkürzung "Coreper" genannt. Ihnen zur Seite steht dabei ein "Generalsekretariat", das mit 3000 Beamten das komplexe Räderwerk organisiert. Gemeinsam kommen alle Beteiligten auf rund 4000 Treffen im Jahr, die in den drei Gebäuden des Rates gleich gegenüber dem Sitz der EU-Kommission stattfinden, hinter verschlossenen Türen und ohne öffentliche Protokolle.
Wie dysfunktional diese Gesetzgebung mit diplomatischen Mitteln häufig ist, demonstriert das Schicksal eines Gesetzentwurfs, mit dem die EU-Kommission eine der größten Ungerechtigkeiten der globalisierten Wirtschaft bekämpfen will: die Steuervermeidung durch multinationale Konzerne. Diese buchen ihre Gewinne häufig dort, wo wie etwa in Irland die Steuersätze besonders niedrig sind, obwohl sie die zugehörigen Umsätze in anderen Ländern erzielen. Gut 40 Prozent aller Konzerngewinne weltweit werden in solche Steuerfluchtzentren verschoben, kalkuliert das Team des Ökonomen Gabriel Zucman von der Universität Berkeley in Kalifornien. Das kostet die Staatskassen der EU-Länder nach Schätzung der Kommission bis zu 70 Milliarden Euro im Jahr, soviel wie knapp die Hälfte des jährlichen EU-Budgets.
Darum wollen die Kommissare alle in der EU tätigen internationalen Unternehmen mit jährlich mehr als 750 Millionen Euro Umsatz verpflichten, offenzulegen, wie viel Steuern sie auf welche Erträge in welchem Staat bezahlen. Das sogenannte "public Country-by-Country-Reporting wird dazu beitragen, das Steuerverhalten multinationaler Unternehmen zu untersuchen" und sie "dazu veranlassen, Steuern dort zu zahlen, wo sie Gewinne erzielen", begründet die Kommission ihren Vorschlag. Bei Großbanken, die das schon seit 2014 berichten müssen, hat das auch die erwünschte Wirkung, und sie fuhren ihre Steuerflucht zurück Das EU-Parlament verabschiedet den Entwurf darum schon im Juni 2017 und weiß dabei die große Mehrheit der EU-Bürger hinter sich.
Das Gesetz gibt es nicht - bis heute
Das Gesetz gibt es trotzdem bis heute nicht. Denn hinter dem Schleier der Diplomatie gelang es der Konzernlobby, im Rat eine Blockade zu organisieren. Die wichtigsten Helfer dabei waren und sind die Wirtschaftsminister der deutschen Bundesregierung. Diese stellten sich dagegen, weil es angeblich "deutsche Unternehmen im internationalen Wettbewerb benachteiligen würde", wie der derzeit zuständige Minister Peter Altmaier behauptet. Das ist zwar wenig glaubwürdig, weil das Gesetz für alle in Europa tätigen Unternehmen gelten soll, auch solche aus China oder Amerika. Und Daten, die womöglich Betriebsgeheimnisse preisgeben, dürfen ohnehin verzögert berichtet werden. Aber die deutsche Haltung folgt der Linie des Lobbyverbandes Stiftung Familienunternehmen, die anders als der Name suggeriert vor allem Großunternehmen wie Lidl, Henkel oder Oetker vertritt.
Allerdings kann keine Regierung allein ein Gesetz für den EU-Binnenmarkt blockieren, auch nicht die deutsche. In der Regel bedarf ein Gesetzentwurf der doppelten qualifizierten Mehrheit: Die Befürworterinnen müssen 65 Prozent der Bevölkerung und 15 Mitgliedstaaten vertreten, dann ist er angenommen. Die Regel schützt die kleinen Länder vor der Übermacht der großen und ist durchaus sinnvoll. Umgekehrt heißt es jedoch, dass schon 36 Prozent der Bevölkerung oder 13 Regierungen ausreichen, um neue Gesetze zu verhindern. Ein solche Sperrminorität ist darum das perfekte Instrument für international organisierte Lobbygruppen, um ihnen unbequeme Gesetzesvorschläge gegen den Willen der Mehrheit zu stoppen oder zu verwässern. Und genau so läuft es auch mit dem Vorschlag, die Konzerne zur Steuertransparenz zu zwingen. Jahrelang fanden sich stets genug Alliierte für die deutsche Position. Aber wer sind sie? Welche Regierungen da gemeinsam mit der Merkel-Koalition die Steuervermeider schützen, erfuhren die Wählerinnen nicht. Folglich mussten sich die beteiligten Minister in den anderen Staaten nicht rechtfertigen.
Programm und Verhalten stehen in völligem Wiederspruch
Das änderte sich erst, als der EU-Abgeordnete Sven Giegold vor einem Jahr mit Hilfe eines Informanten die Liste der Neinsager veröffentlichte. Und die war durchaus überraschend. Willige Helfer waren nicht nur wie zu erwarten die Regierungen der Iren, Litauerinnen, Luxemburger, Malteserinnen, Tschechen, Ungarninnen oder Zyprer, die selbst mit laxen Steuergesetzen zur Verlagerung der Konzerngewinne einladen. Mit dabei waren auch die sozialdemokratischen Regierungen in Schweden und Portugal, deren Parteien öffentlich das Gegenteil versprechen. Als Investigate Europe darüber in beiden Ländern berichtete, erhob sich Protest. „Unglaublich“ sei das, empörte sich etwa die langjährige Europaabgeordnete für Portugals Sozialisten, Ana Gomes. "Das Regierungsprogramm und das Verhalten im Rat stehen im völligen Widerspruch." Prompt änderte die Regierung ihre Position und Lissabons Wirtschaftsminister Siza Vieira versicherte seine Zustimmung.
Damit hätte es im November 2019 erstmals eine ausreichende Mehrheit für das Gesetz geben können. Doch in der entscheidenden Sitzung sprach sich - anders als zuvor angekündigt - der kroatische Minister plötzlich dagegen aus, und der Vorsitzende brach die Abstimmung mangels nötiger Mehrheit ab. Über das Motiv für das unerwartete Nein-Votum gibt die kroatische Regierung keine Auskunft. Dafür aber kam über eine Anfrage der Linken im Bundestag heraus, dass Wirtschaftsminister Altmaier zwei Tage vor der Abstimmung mit seinem kroatischen Amtskollegen Darko Horvat über das Thema gesprochen hatte, wie die Bundesregierung einräumen musste. Ob Altmaier dabei Druck ausgeübt oder einen Deal angeboten hat, mochte sein Sprecher nicht sagen.
Der Versuch, das Gesetz zu beerdigen, misslang
Der Versuch, das Gesetz damit zu beerdigen, gelang jedoch noch nicht. Denn Österreichs Regierung, die zuvor mit den Deutschen gestimmt hatte, ist mittlerweile ins Lager der Unterstützer gewechselt, wie ein Sprecher des Wiener Finanzministeriums bestätigte. Darum gäbe es jetzt doch eine qualifizierte Mehrheit – wenn es denn zur Abstimmung käme. Genau das aber verhindert erneut die deutsche Regierung. Weil sie zurzeit die halbjährlich wechselnde Präsidentschaft im Rat führt, obliegt es dem Kabinett Merkel, die Tagesordnung der Ratssitzungen festzulegen. Dort aber verweigern die Union und ihr Wirtschaftsminister sogar die Zustimmung zur Abstimmung. So liegt das Gesetz weiterhin auf Eis und die Steuervermeider bleiben unbehelligt.
Die Methode ist gang und gäbe. Mittels Verhandeln ohne Ergebnis landen zahllose Projekte einfach im Nirgendwo, wenn die Minderheit der Gegnerinnen ihre Forderungen nicht durchsetzen kann. Das offizielle Register des EU-Parlaments führte im Oktober gleich 30 Gesetze an, die zwar im Parlament verabschiedet sind, aber im Rat seit mehr als drei Jahren festhängen. Viele davon betreffen unmittelbar den Alltag der EU-Bürger wie etwa die Rechte von Passagieren im Luftverkehr oder die technische Sicherheit von Produkten. Auch mehrere Gesetzentwürfe zum Umwelt- und Naturschutz schieben die Regierungen seit Jahren vor sich her. Und die Liste wäre noch viel länger, wenn die EU-Kommission nicht viele ihrer Vorschläge irgendwann zurückziehen würde.
Archetypisch ist der Fall, über den die EU-Abgeordnete Evelyn Regner berichtet. Die Wiener Sozialdemokratin, seit elf Jahren Mitglied im EU-Parlament, ist dort verantwortlich für die EU-Richtlinie, die Aktiengesellschaften verpflichten soll, den Anteil von Frauen in den Aufsichtsräten auf 40 Prozent anzuheben. Schon 2012 hatte eine breite Mehrheit im Parlament dafür gestimmt. Schließlich sei „längst bewiesen, dass Unternehmen mit ausreichend Frauen in Führungspositionen erfolgreicher sind“, sagt Regner. Doch im Rat gab es Widerstand von sozial-konservativen Regierungen wie in Polen, Tschechien oder damals auch Portugal. Und dann „kam das typische große Ablegen“, erinnert sich die Abgeordnete. Die Regierungen vertagten ein ums andere Mal die Entscheidung, „und immer wieder musste ich darum streiten, das Gesetz weiter im Rennen zu halten“, sagt Regner. „Es sind eben Diplomaten, die scheuen die Entscheidung im Konflikt, sie fürchten den Kulturkampf“, erklärt sie das Phänomen.
Daher verlegten sich auch Regierungen wie die deutsche oder die dänische, in deren Ländern Frauenquoten längst üblich sind, auf einen häufig angewandten juristischen Trick: Sie erklärten die EU für nicht zuständig und Frauenrechte zur rein nationalen Angelegenheit. Oder, wie es ein Sprecher von Frauenministerin Franziska Giffey ausdrückt: Es gebe einen „Prüfvorbehalt in Bezug auf die Rechtsgrundlage“. Weil das nur die CDU so sieht, während die SPD-Ministerin dafür ist, enthält sich die Bundesregierung offiziell. Im Rat sind für die Annahme eines Gesetzes jedoch zwei Drittel aller Stimmen nötig. Darum wirkt eine Enthaltung genauso wie eine Nein. Wegen „der Ablehnung acht weiterer Mitgliedstaaten“ komme darum „keine qualifizierte Mehrheit zustande“, erklärt Giffeys Sprecher.
Wer diese Acht sind, verrät die Bundesregierung aber nicht. Auch das Generalsekretariat des Rates gibt dazu keine Auskunft. Investigate Europe konnte das nur mit Hilfe eines freundlichen Brüsseler Diplomaten inoffiziell in Erfahrung bringen. Demnach stehen neben den Deutschen und Däneninnen auch die Schweden und Niederländerinnen auf der Bremse und stellen mit Populisten und Konservativen in Polen, Ungarn, Kroatien, der Slowakei und Griechenland eine Sperrminorität. So agieren Sozialliberale seit acht Jahren mit Rechtskonservativen in einer unheiligen Allianz gegen mehr Frauenrechte. Auf nationaler Ebene wäre das unmöglich. Doch hinter den verschlossenen Türen der Ratsgremien müssen die zuständigen Minister keine Proteste fürchten.
Versprochen wurde, die EU zu demokratisieren
Dabei sollte doch eigentlich alles ganz anders sein. Als Europas Regierende vor 13 Jahren mit den Verträgen von Lissabon die moderne EU aus der Taufe hoben, versprachen sie die Union zu demokratisieren. Die Bürger sollten ausdrücklich die Chance zur Mitwirkung bekommen. „Die Entscheidungen werden so offen und bürgernah wie möglich getroffen“, schrieben sie in den Vertragstext. "Um eine verantwortungsvolle Verwaltung zu fördern und die Beteiligung der Zivilgesellschaft sicherzustellen, handeln die Organe der Union unter weitestgehender Beachtung des Grundsatzes der Offenheit", heißt es weiter.
Das Parlament und die Kommission haben sich auch weitgehend daran gehalten. Doch für ihr eigenes Handeln als Gesetzgeber wollen die nationalen Regierungen das bis heute nicht gelten lassen. Dafür verbergen sie ihre Verhandlungen hinter einer juristischen Schweigemauer: der Verordnung 1049 aus dem Jahr 2001 über den „Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten“ der EU-Institutionen. Diese erlaubt es, Dokumente unter Verschluss zu halten "wenn eine Verbreitung den Entscheidungsprozess des Organs ernstlich beeinträchtigen würde". Genau darauf berufen sich dann die Beamten des Ratssekretariats, wenn sie im Auftrag der Regierungen Journalistinnen oder Aktivisten Dokumente verweigern, aus denen hervorgeht, welche Regierung welche Position zu einem Gesetzesprojekt einnimmt. Die Formel ist beliebig einsetzbar und findet selbst dann Anwendung, wenn es gar nichts mehr zu verbergen gibt. So verweigerte der Rat im vergangenen April sogar die Einsicht in drei Jahre alte Unterlagen, in denen es um die Verhandlungen über die Steuertransparenz für Konzerne geht. Zu diesem Zeitpunkt war längst alles gesagt, es wäre sogar eine Mehrheit für das Gesetz möglich gewesen, wenn es zur Abstimmung gekommen wäre. Aber die deutsche Regierung wollte die öffentliche Debatte unbedingt vermeiden und lehnte ab. Auch Frankreichs Regierung spielte mit. Weil „das Dossier noch beraten wird“ könne "die Freigabe den laufenden Entscheidungsprozess ernsthaft beeinträchtigen" ließ der französische Vertreter in das Protokoll schreiben, das Investigate Europe zugespielt wurde. Die Dokumente blieben Verschlusssache.
Der Fall illustriert, wie überholt die Verordnung ist und den Geist der alten EG konserviert. Schon 2008 hatte die EU-Komission darum eine Novelle vorgeschlagen, um die Regeln dem Lissabon-Vertrag anzupassen. Das Parlament verabschiedete 2011 eine noch weitergehende Version. Aber die Regierungen verweigern einen Beschluss über die Reform seit zwölf Jahren und machten damit in bitterer Symbolik ausgerechnet die Transparenzreform zum ältesten Gesetzentwurf, der im Rat festhängt.
Auch die Berichte über die Transparenz sind geheim
Ironischerweise hält das Ratssekretariat sogar die Berichte darüber geheim, wie der Rat mit der Forderung nach mehr Transparenz umgehen soll, die Ombudsfrau O’Reilly und mit ihr das EU-Parlament erheben. Um trotzdem mehr darüber zu erfahren, stellten die Reporter von Investigate Europe Anträge auf Akteneinsicht bei den zuständigen Ministerien mehrerer Staaten. Das Ergebnis ist ernüchternd. Die französische Regierung definierte das Thema kurzerhand als Teil der Außenpolitik, für die den Bürgern "prinzipiell" kein Recht auf Akteneinsicht zustehe. In Schweden, wo die Regierung ansonsten strikte Transparenzregeln befolgt, gab sie zwar die Akten frei. Aber alle Passagen, die beschrieben, welcher Vertreter wie argumentierte, wurden geschwärzt. Genauso hielt es auch das Auswärtige Amt. Das Bekanntwerden der geschwärzten Passagen "würde der notwendigen Vertraulichkeit laufender internationaler Verhandlungen schaden", schrieb der zuständige Beamte. Die Bundesregierung müsse "in der Lage sein, Verhandlungen ohne unbefugten Einfluss von außen durchzuführen." Kurzum: Nicht mal über den Verlauf der Transparenzdiskussion gibt es Transparenz.
Das klingt ein wenig lächerlich nach Geheimniskrämerei aus Prinzip. Schließlich ist die Einflussnahme auf die Gesetzgebung - auch ohne Erlaubnis - ein Merkmal der Demokratie. Doch dahinter steht das strategische Dilemma der europäischen Integration. Weil die Wirtschaft längst über alle Grenzen hinweg verflochten ist, muss die Mehrzahl der Gesetze EU-weit gelten, also auch europäisch beschlossen werden. Es gibt aber keine gewählte europäische Regierung, sondern nur 27 nationale. Und deren Politiker versprechen ihren Wählern, in Europa zuerst die vermeintlich nationalen Interessen zu verteidigen.
Welche enorme Spannung daraus entsteht, das hat der französische Diplomat Pierre Sellal über Jahrzehnte verfolgt. Für drei Premierminister hat er die EU-Politik in Paris koordiniert. Insgesamt 15 Jahre lang war er Botschafter Frankreichs bei der EU und erwarb sich unter Kollegen den Ruf des "Orakels von Brüssel", das alle Fäden zusammenführt. Insofern ist Sellal gewiss kein Antieuropäer. Aber er ist überzeugt, dass "die diplomatische Anstrengung, die eine europäische Verhandlung darstellt, nicht mit einer Diskussion in der öffentlichen Arena vermischt werden kann."
In den Ratsgremien gebe es "immer einen Moment, in dem der eine oder andere sagt: ‚Jetzt habe ich Ihnen gesagt, was meine Anweisungen sind, ich entferne mich für einen Moment von ihnen, so weit könnte ich bei der Suche nach einem Kompromiss gehen.‘ Und irgendwann sage der Vorsitzende dann, ‚ich kenne alle Ihre nationalen Positionen, könnten wir versuchen, eine Lösung in dieser Richtung zu finden, die sich von Ihren Anweisungen unterscheidet?‘" Aber darüber könne man nicht öffentlich sprechen, versichert der versierte Ex-Diplomat. "Wenn Sie das öffentlich machen, hätten Sie sofort jemanden, der sagen würde: In wessen Namen spricht dieser von unseren Steuern bezahlte Beamte, der etwas anderes erwägt, als Gegenstand seiner Anweisungen ist?" So etwas müsse hinter verschlossenen Türen stattfinden, meint Sellal. Wenn "alles, was im Ratssaal geschieht, öffentlich sein muss, dann frühstücken wir oder gehen in der Bar und reden dort. Ich glaube nicht, dass das die Effizienz verbessert."
"Wenig Spielraum"
Das sieht Michael Roth, Deutschlands Staatsminister für Europa im Auswärtigen Amt, ganz ähnlich. Die Bundesregierung setze sich zwar dafür ein, "mehr von der Arbeit im Rat öffentlich zu machen". Aber für die Forderung von Ombudsfrau O’Reilly und des EU-Parlaments nach der frühzeitigen Bekanntmachung der Positionen der einzelnen Regierungen "sehe ich zurzeit wenig Spielraum", sagte Roth im Gespräch mit Investigate Europe. "Da geht es um die vorbereitenden Sitzungen in den Arbeitsgruppen und dem Rat der Ständigen Vertreter." Dort brauche es "Vertraulichkeit, um einen geschützten Raum zu haben für die schwierige Suche nach Kompromissen." Daraus abzuleiten, die EU betreibe Gesetzgebung unter "Geheimniskrämerei" zeichne "ein Zerrbild von Europa, das brandgefährlich ist und den Nationalisten und Populisten in die Hände spielt", meint Roth.
Entfremdet die Verschlossenheit die Bürger von der Politik?
Das sehen O’Reilly und ihre Unterstützer im Parlament genau anders herum. Gerade das Verhandeln "hinter verschlossenen Türen birgt die Gefahr, die Bürger zu entfremden und negative Gefühle gegen die EU zu nähren", warnt sie. Weil Roth und seine Kollegen bisher alles solange geheim halten, bis ein Gesetz beschlossen ist, erfahren die Wähler die EU-Politik stets nur als Schaffung vollendeter Tatsachen, weil sie vorher gar nicht erst erfahren, was vorgeht. Dagegen reklamiert O’Reilly "das legitime Recht der Bürger auf Einflussnahme". Darum müsse der Rat zu einem "angemessenen Zeitpunkt" informieren, bevor alles gelaufen ist. Auch dann bleibe genügend Raum für vertrauliche Verhandlungen.
Diesen Wechsel, fordert auch Linn Selle, die Präsidentin der Europäischen Bewegung Deutschland (EBD). "Unsere Politiker betreiben Europa noch immer als Außenpolitik", erklärt sie. Es gehe "aber ums ganz normale Regieren". Dafür sei "Partizipation nötig, und das geht nicht ohne Transparenz", fordert sie und weiß dabei von den Arbeitgebern über die Gewerkschaften bis zu den Umweltschützern weite Teile der Gesellschaft hinter sich, deren Verbände ihre Organisation tragen.
Vom Kulturwandel ist noch nichts angekommen
Um das zu erreichen, setzen Selle und O’Reilly auf einen Kulturwandel, der ja schon eingesetzt habe, wie die Ombudsfrau meint. Davon ist allerdings im Alltag der Ratsmaschine bisher nichts angekommen. Die Regierungen weigern sich sogar, auf die Forderungen der Ombudsfrau oder des Europaparlaments zumindest zu antworten. Auch den Fragen von Investigate Europe wollte sich keiner der leitenden Beamten stellen, die schriftlich eingerichteten Fragen blieben ohne Antwort.
Aber damit werden die Ratsgewaltigen vermutlich nicht mehr lange durchkommen. Denn die Kritikerinnen haben einen mächtigen Bündnispartner: den Europäischen Gerichtshof. Das hat der niederländische Jurist Onno Brouwer erreicht. Der Anwalt, im Hauptberuf Partner bei der Großkanzlei Freshfields für Wirtschaftsrecht, vertritt seit vielen Jahren auch Aktivisten und Parlamentarier pro bono bei deren Streit um Transparenz in der EU.
Schon mehrmals mussten die Luxemburger Richter darum über die von Brouwer formulierten Klagen auf Zugang zu Informationen über das Geschehen im Rat verhandeln. Und bisher gaben sie immer den Klägerinnen recht. Richtungweisend war etwa das Urteil, mit dem sie schon 2012 zugunsten der Organisation access-info entschieden. Diese hatte auf Herausgabe der nationalen Stellungnahmen zur Novelle der Dokumenten-Verordnung geklagt und bekam im vollen Umfang Recht. Die übliche Behauptung, das untergrabe den Entscheidungsprozess, wiesen die Richter zurück.
Noch spektakulärer ist ein Urteil vom März 2018. Damals hatte Emilio de Capitani, vormals Leiter des Sekretariats im Rechtsausschuss des EU-Parlaments, mit Brouwers Hilfe darauf geklagt, dass die Positionen des Rates schon während der Verhandlungen mit dem Parlament veröffentlicht werden. Auch dieser Klage gaben die Richter recht. Und ihre Begründung liest sich wie ein Flugblatt von Bürgerrechtlern. "Gerade die Transparenz im Bereich des Gesetzgebungsprozesses" trage "dazu bei, den Organen in den Augen der europäischen Bürger eine größere Legitimität zu verleihen ..., weil sie es ermöglicht, Unterschiede zwischen mehreren Standpunkten offen zu erörtern", schrieben die Richter. "Die Möglichkeit für die Bürger, sich über die Grundlagen der Gesetzgebungstätigkeit zu informieren, ist nämlich eine Voraussetzung dafür, dass sie ihre demokratischen Rechte effektiv ausüben können", stellten sie klar und setzten sogar noch eins drauf: "Tatsächlich ist es das Fehlen von Information und Diskussion, das bei den Bürgern Zweifel hervorrufen kann, und zwar nicht nur an der Rechtmäßigkeit eines einzelnen Rechtsakts, sondern auch an der Rechtmäßigkeit des Entscheidungsprozesses insgesamt."
"Wie ein trotziges Kind"
Umso erstaunlicher ist, dass dieses und weitere Urteile bisher an der Praxis bei Europas mächtigstem Gesetzgeber nichts geändert haben. "Die Institution verhält sich wie ein trotziges Kind", spottet Brouwer und folge "absolut nicht" der Rechtsprechung. Die Antwort könne daher nur sein, "weiter vor Gericht zu ziehen", um die Verantwortlichen "beim Namen zu nennen und zu beschämen." Am Ende, so prophezeit er, "werden die Richter die Geduld verlieren".