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massigen Büroklotz nahe der Londoner Liverpool Street. Die meisten Geschäfte sind klassischer Natur. Doch die Masse macht das System auch anfällig für zweifelhafte Transaktionen. So taucht der Name des Brokers im Zusammenhang mit sogenannten Cum-Ex-Deals

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Dafür nutzten Banken, Investoren und Broker eine Lücke im deutschen Steuerrecht, sie konnten sich über Aktiengeschäfte mehrfach Kapitalertragsteuern erstatten lassen. Die waren zuvor aber nur einmal gezahlt worden. Dem Staat sind so laut Schätzungen zwischen zwölf und 32 Milliarden Euro entgangen.

Beschäftigte versuchten, Details zu vertuschen

Seit einigen Jahren bemühen sich Behörden und Staatsanwälte, die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. Für das Bonner Landgericht etwa sind die Deals eine Straftat. Für die deutschen Behörden steht fest, dass die Cum-Ex-Deals ein abgekartetes Spiel zahlreicher Banken, Investoren und Anwaltskanzleien waren.

Ein internes Icap-Dokument, das WELT AM SONNTAG vorliegt, könnte diese Sichtweise nun nach Meinung von Verfahrensbeteiligten infrage stellen. Denn es zeigt, dass einige Beschäftigte von Icap versuchten, brisante Details der Deals gegenüber ihren Geschäftspartnern zu vertuschen. Wurden einige Geldhäuser damit unwissend in den größten Steuerbetrug der deutschen Nachkriegsgeschichte verwickelt?

In großem Stil Aktien rund um den Dividendenstichtag zu kaufen und zu verkaufen war über viele Jahre finanziell attraktiv. Damit konnten sich Investoren Unterschiede in der Besteuerung von in- und ausländischen Aktienbesitzern zunutze machen.

In Deutschland sollen Dividenden für Unternehmen, die Aktien besitzen, grundsätzlich steuerfrei sein. Deshalb erhalten sie eine Gutschrift, mit der sie sich ihre gezahlte Kapitalertragsteuer erstatten lassen können. Für Ausländer gilt das nicht.

Um dennoch zu verdienen, verkauften einige von ihnen ihre Aktien daher kurz vor der Ausschüttung der Dividende an deutsche Banken oder Fondsgesellschaften und kauften sie wenig später billiger zurück. Das war legal.

Bei den Cum-Ex-Deals handelten Investoren aber auch Aktien, die sie zu diesem Zeitpunkt gar nicht besaßen. Durch komplizierte Transaktionen mit vielen Beteiligten wurden für eine Aktie mehrere Gutschriften ausgestellt. Die Finanzämter zahlten diese mehrfach aus, obwohl es keinen Anspruch gab.

Das interne Icap-Dokument enthält eine Art Gebrauchsanweisung, wie Wertpapierhändler die Deals abwickeln sollten. Das zehnseitige Papier aus dem April 2008 trägt den Titel: „Product Review, German Stock Trade“. Ein Dreitagesplan gibt zunächst vor, welche Schritte rund um den Tag der Ausschüttung der Dividende zu unternehmen sind. Zur besseren Verständlichkeit folgt ein Schaubild, schließlich gibt es noch Ergänzungen zu Details und möglichen Problemen.

Nach diesem Dokument hat Icap zum Dividendenstichtag Aktien an Investoren verkauft, die der Makler zu diesem Zeitpunkt noch nicht besaß. Er hatte lediglich das Recht gekauft, die Aktien wenig später zu einem bestimmten Preis zu bekommen. Solche Konstruktionen ermöglichten es, dass für eine Aktie gleich mehrere Steuergutschriften ausgestellt werden konnten.

Icap kalkuliert in dem Dokument damit, dass man mit den Deals Renditen zwischen vier und acht Prozent kassieren dürfte. Das Papier enthält auch Beispiele von Dax-Aktien, mit denen Icap solche Geschäfte ein Jahr zuvor durchgeführt hatte: Von SAP kaufte Icap demnach vor der Hauptversammlung 2007 knapp 16 Millionen und von der Telekom 23 Millionen Aktien.

Anwälte hatten Icap 2008 in einem Gutachten bestätigt, diese Deals seien steuerlich unproblematisch. Eine Auffassung, die damals im Markt weitverbreitet war.

Einige Formulierungen in dem Dokument legen jedoch nahe, dass die Transaktionen den Verantwortlichen bei Icap selbst nicht ganz geheuer waren.

Offenbar sollte geheim bleiben, dass Icap Aktien noch nicht hatte

Einen Absatz darin halten Verfahrensbeteiligte für besonders relevant. Er betrifft das Verhalten der Händler gegenüber den Käufern der Aktien: „Sagen Sie unseren Geschäftspartnern am deutschen Aktienmarkt nicht, dass wir über den Dividendenstichtag leer verkauft haben.“ Dass Icap die Aktien beim Abschluss des Deals noch gar nicht hatte, sollte also offenbar geheim bleiben.

Die Käufer der Aktie haben damit womöglich gar nicht gewusst, dass für diese bereits eine Gutschrift ausgestellt worden war. Da sie das Wertpapier am Dividendenstichtag erhielten, wurde auch ihnen eine Gutschrift erteilt.

Sollten sich die Behörden dieser Lesart anschließen, könnte das viele noch laufende Verfahren beeinflussen. Bisher weigern sich die Finanzämter, die Gutschriften für Kapitalertragsteuern auszuzahlen, wenn sie schon einmal erstattet wurden. Wurden sie mehrfach eingelöst, verlangen sie die Erstattung zurück.

Zum Beispiel in dreistelliger Millionenhöhe von der Hamburger Privatbank M.M. Warburg. Die wehrt sich mit dem Argument, sie habe nie die Absicht gehabt, sich auf Kosten des Staates zu bereichern. Verantwortlich seien die Depotbanken, bei denen Verkäufer der Aktiendeals ihre Wertpapiere lagerten. Diese sollten die Steuern einbehalten und an die Finanzämter abführen.

Das Icap-Papier könnte diese Sicht stützen. Es deutet an, dass Depotbanken die zweifelhaften Geschäfte zumindest hätten erkennen können. So heißt es darin, dass die Händler auch die Bank of New York Mellon – in diesen Fällen die Depotbank – nicht über die Leerverkäufe informieren sollten.

Allerdings könnte diese, so heißt es, das selbst herausfinden. Icap selbst äußert sich nicht zu dem Papier. Die Anfragen dieser Zeitung blieben bislang nicht beantwortet.

 

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Diesen Großkotz wir wie immer nicht viel passieren. Die Rechnung zahlt immer der Kleine, welcher seine Abgaben direkt vom Lohn abgezogen bekommt

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Strafen für Unternehmen: So reagieren Union und SPD auf die Wutattacke gegen ihre Bußgeldpläne

 

Nach dem Protest der Wirtschaft wegen der geplanten Unternehmenssanktionen zeigt sich: Auch die Große Koalition ist sich bei dem Vorhaben alles andere als einig.

Die Regierungsfraktionen haben auf die harsche Kritik der Wirtschaft an den geplanten Bußgeldern gegen Unternehmen reagiert. Dabei zeigt sich: Das Gesetzesvorhaben scheint noch eine Baustelle der Großen Koalition zu sein.

„Als Union wollen wir Rechtsverstöße in der Wirtschaft gezielt bekämpfen, nicht aber Unternehmen kriminalisieren“, sagte der rechtspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Jan-Marco Luczak, dem Handelsblatt. „Die von zahlreichen Verbänden und Unternehmen vorgebrachte Kritik muss das Ministerium ernstnehmen“, forderte Luczak. Er teile diese Kritik. Der Gesetzentwurf müsse deutlich überarbeitet werden, bevor das parlamentarische Verfahren eingeleitet werde.

 

„Die Kritik der Wirtschaftsverbände geht an der Sache vorbei“, zeigte sich indes der rechtspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Johannes Fechner, überzeugt. Die deutliche Verschärfung der Unternehmenssanktionen nutze den ehrlichen Unternehmen. „Bisher konnten betrügende Unternehmen Geldbußen aus der Portokasse bezahlen“, sagte Fechner dem Handelsblatt.

Die deutsche Wirtschaft hatte mit einer Wutattacke auf Regierungspläne reagiert, höhere Strafen für kriminelle Unternehmen zu schaffen. Zu den Unterzeichnern des Positionspapiers gehören etwa der Arbeitgeberverband BDA, der Handelsverband HDE, der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) und der Verband „Die Familienunternehmer“. Sie halten den vorgesehenen Strafrahmen für „unverhältnismäßig hoch“ und fordern die komplette Aufgabe des Gesetzesvorhabens.

Schon im Koalitionsvertrag hatten sich Union und SPD sehr detailliert auf ein neues „Sanktionsrecht für Unternehmen“ geeinigt. Bislang liegt ein Entwurf für ein „Gesetz zur Stärkung der Integrität in der Wirtschaft“ von Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) vor. Union und SPD hatten sich im April auf letzte Änderungen bei dem Vorhaben verständigt. Es werde damit gerechnet, dass das Gesetz „in Kürze“ von der Bundesregierung auf den Weg gebracht und dann in Bundestag und Bundesrat beraten werden könne, hieß es am Montag im Bundesjustizministerium.

„Uns geht es um einen Regelungsrahmen“

Die Pläne sehen vor, dass bei Gesetzesverstößen von Unternehmen wie Betrug, Korruption oder Umweltdelikten Geldbußen von bis zu zehn Prozent des Jahresumsatzes fällig werden können. Damit sollen auch multinationale Großkonzerne empfindlich getroffen werden können. Bislang können nur Geldbußen von maximal zehn Millionen Euro verhängt werden.

„Durch die deutliche Erhöhung der Bußgeldrahmen sorgen wir dafür, dass geltendes Recht durchgesetzt wird“, erklärte Fechner. „Dafür erhalten wir von vielen Unternehmen Zuspruch, weil die ehrlichen Unternehmen dadurch geschützt werden und betrügende Unternehmen ihren unredlich erhaltenen Wettbewerbsvorteil nicht behalten dürfen.“

Fechner betont, der Gesetzentwurf sei „in vielen Aspekten“ den Unternehmen entgegengekommen. So gebe es die ausdrückliche Aufforderung an die Gerichte im Gesetz, von scharfen Sanktionen abzusehen, wenn Unternehmen Compliance-Maßnahmen eingerichtet hätten oder wenn sie mit den Strafverfolgungsbehörden kooperierten.

„Uns geht es um einen Regelungsrahmen, der Anreize für Unternehmen schafft, sich rechtstreu zu verhalten“, sagte CDU-Politiker Luczak. Übermäßige Belastungen von Unternehmen durch unverhältnismäßig hohe Sanktionen oder Rechtsunsicherheiten bei der Strafzurechnung und Strafzumessung müssten daher vermieden werden.

Unternehmen würden laut Luczak bei der Aufdeckung und Aufklärung von Rechtsverstößen nur dann mithelfen, wenn klar und rechtssicher festgelegt sei, wie Umfang und Grenzen der abverlangten Kooperation aussähen und welche konkreten Rechtsfolgen daraus resultierten. Dazu habe es bereits einige Verbesserungen gegeben.

Die Politiker der Regierungsfraktionen reagierten auch auf die Kritik der Wirtschaft an den geplanten Regelungen zu unternehmensinternen Ermittlungen. Nach dem Willen von Lambrecht sollen die Befunde solcher internen Untersuchungen von der Staatsanwaltschaft beschlagnahmt und verwendet werden dürfen.

Hier besteht seit dem VW-Abgasskandal und der damit verbundenen Durchsuchung der Kanzlei Jones Day eine unklare Rechtslage. Im konkreten Fall hatte das Bundesverfassungsgericht die Sicherstellung von Unterlagen für zulässig erklärt.

Mahnung aus der Opposition

SPD-Politiker Fechner bekräftigte, die Beschlagnahme von tatrelevanten Unterlagen, die nun von den Verbänden kritisiert werde, entspreche der geltenden Rechtsprechung. „Diese setzen wir in Gesetzesrecht um, präzisieren also die Rechtslage entgegen den Befürchtungen der Unternehmensverbände“, sagte Fechner. Anders als viele Unternehmen seien die Unternehmensverbände hier „auf dem falschen Dampfer“ unterwegs.

Der gesamte Bereich der internen Untersuchungen als Kern der Reform sei noch „unzureichend ausgestaltet“, sagte hingegen CDU-Rechtspolitiker Luczak – trotz der Einigung mit der SPD.

Luczak sieht vor allem das gesetzgeberische Ziel verfehlt, die Kooperationsbereitschaft von Unternehmen zu stärken. „Hier muss dringend nachgebessert werden“, fordert er. Insgesamt seien die Anforderungen an die Kooperation von Unternehmen zu hoch und gleichzeitig zu wenig rechtssicher ausgestaltet.

„In der Praxis wird das dazu führen, dass Unternehmen sehr wahrscheinlich nicht kooperieren werden, weil Pflichten und Rechtsfolgen nicht sicher vorhergesehen werden können“, vermutet Luczak.

Gleichzeitig werde für Ermittlungsbehörden und Gerichte in diesem sensiblen Bereich ein weiter Ermessensspielraum eröffnet. Das gehe zulasten der Rechtssicherheit und fördere eine „Deal-Kultur“, die gerade zurückgedrängt werden sollte.

Aus der Opposition kam eine Mahnung: „Es darf nicht dazu kommen, dass Unternehmen durch hohe Strafen in ihrer wirtschaftlichen Existenz bedroht werden, obwohl sie alle notwendigen Compliance-Maßnahmen ergriffen haben“, sagte der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Stephan Thomae dem Handelsblatt. „Ziel müsste es doch sein, Anreize zu setzen, dass die Unternehmen Skandale selbst aufklären und intern aufräumen.“

Die Anforderungen, die der Entwurf an interne Ermittlungen stelle, seien unrealistisch hoch, meint der FDP-Politiker. Priorität müssten weiterhin die Ermittlungen gegen die Verantwortlichen von Unternehmensskandalen haben. „Von der Aussicht, persönlich belangt zu werden, geht noch immer die größte Abschreckungswirkung aus“, sagte Thomae