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Kanzlerkandidaten Debatte
Zitat von Gast am 13. September 2021, 06:52 UhrTV-Triell: Das waren die fünf großen Streitthemen beim Triell
Beim zweiten Triell ging es hart zur Sache. Armin Laschet und Olaf Scholz traktierten sich – besonders bei einem Thema.
Das Triell war gerade fünf Minuten im Gange, da scheppert es im TV-Studio in Berlin-Adlershof richtig. Irgendetwas war umgefallen. „So wie es hier im Studio rumpelt, so spannend wird die Bundestagswahl“, sagte Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock, die gerade das Wort hatte.
Ordentlich geknallt hat es aber nicht nur in den Kulissen, sondern auch vor der Kamera. Die drei Spitzenkandidaten von Union, SPD und Grünen schenkten sich in ihrer zweiten TV-Diskussion nichts.
Insbesondere CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet und sein SPD-Kontrahent Olaf Scholz beharkten sich immer wieder. Zwischenzeitlich schien das Triell daher eher ein Duell zu sein. Aber auch Annalena Baerbock konnte Punkte machen, etwa in der Klimapolitik.
Das waren die fünf großen Streitthemen des Triells:
Koalitionen
Gleich zu Beginn wurden die drei Kandidaten von Fragen nach Koalitionsoptionen überrumpelt. Das Thema war für CDU-Spitzenkandidat Armin Laschet eine gute Gelegenheit, Scholz direkt anzugreifen.
„Jedem muss klar sein, wenn es eine rechnerische Mehrheit gibt, werden Sie eine Koalition mit den Linken machen“, sagte Laschet an Scholz gewandt. Dass Scholz in seinem Redebeitrag zuvor eine solche Koalition wieder nicht ausgeschlossen habe, „ist ja schon mal eine klare Aussage an diesem Abend“.
Scholz konterte: Die ganzen Fragen nach dem Ausschließen von Koalitionsoptionen seien „absurde Theateraufführungen“. Auch die FDP sei ja schon von der Union aufgefordert worden, Koalitionen auszuschließen.
Wer SPD wähle, bekomme Olaf Scholz als Bundeskanzler – und die Grundsätze, für die er stehe, so Scholz. Vor allem habe der Bürger das letzte Wort, er müsse bei allen Entscheidungen berücksichtigt werden. Das wollte Laschet so nicht stehen lassen: Die Bürger müssten vor der Wahl „Klarheit haben“, was Koalitionen anginge.
Kampf gegen Geldwäsche
Noch härter zur Sache ging es beim Kampf gegen Geldwäsche, ein Thema, das vor wenigen Tagen noch niemand auf dem Zettel hatte, und das für Scholz höchst unangenehm war.
Der Grund: Am Donnerstag hatte es eine Razzia im Bundesfinanzministerium gegeben. Anlass waren Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Osnabrück gegen die beim Zoll und damit beim Bundesfinanzministerium angesiedelte Geldwäsche-Einheit FIU. Sie hat offenbar Geldwäsche-Verdachtsmeldungen nicht rechtzeitig weitergegeben.
Scholz erklärte, er habe die Probleme bei der Geldwäsche-Einheit geerbt und in seiner Amtszeit alles getan, um diese Probleme zu beheben und die Einheit aufzurüsten: mehr Personal, eine neue Leitung, mehr IT.
Doch Laschet nutzte die Steilvorlage für einen Frontalangriff auf seinen SPD-Kontrahenten. Es sei „schon ein Wunder, wie der Finanzminister angesichts dieser Situation eine solche Schönfärberei an den Tag legen kann“. Scholz trage doch die Verantwortung für die Behörde.
Auch sei Scholz' Kritik an der Justiz, dass die Razzia übertrieben gewesen sei, völlig „unangemessen“ gewesen, so Laschet. Solche Kritik an der Justiz übten sonst nur „Populisten in anderen Ländern“. Und es sei ja nicht Scholz „erster Fall“, so Laschet und erinnerte an den Wirecard-Skandal oder den Steuerskandal cum-ex, für die Scholz auch die Verantwortung trage. „Wenn mein Finanzminister so arbeiten würde, hätten wir ein ernstes Problem“, so Laschet.
Scholz schien ungewohnt angefasst und schlug für ihn auf eher ungewohnte Weise kämpferisch zurück. Laschet „verdreht die Dinge“, er agiere „unehrlich“, das müsse er sich vorwerfen lassen. Die Durchsuchungen hätten sich nicht gegen das Bundesfinanzministerium gerichtet, sondern gegen eine Behörde in Köln, die Staatsanwaltschaft habe sich in seinem Finanzressort Informationen eingeholt.
Außerdem habe er die Geldwäsche-Einheit aufgerüstet und nach dem Wirecard-Skandal große Reformen gegen „die Widerstände aller Lobbyisten“ auf den Weg gebracht. Beide fielen sich nun ins Wort. „Sie haben doch die Fachaufsicht“, so Laschet. „Sie haben jetzt fünfmal die falschen Fakten wiederholt“, konterte Scholz.
Baerbock tat das, was sie an diesem Abend oft tun sollte: Sie ließ die beiden Männer streiten und stellte dann heraus, das sowohl bei Union als auch der SPD die Geldwäsche-Bekämpfung nicht oben auf der Prioritätenliste stand – und jetzt die Krankenschwester für den hohen Steuerausfall, der durch Geldwäsche und Steuervermeidung entsteht, aufkommen müsse.
Steuerpolitik
Auch in der Steuerpolitik arbeiteten die Kandidaten die Unterschiede heraus, allerdings deutlich sachlicher. Die Steuerpolitik sei der „fundamentale Unterschied“ zwischen der Union und den anderen beiden Parteien, sagte Laschet. Anders als SPD und Grüne wolle die Union keine Steuern erhöhen.
Die Steuern zu erhöhen sei „grundfalsch, weil das die Wirtschaft abwürgt“, so der CDU-Kandidat. Er fände die Aussage, eine Vermögensteuer einführen zu wollen, „gerade für einen Finanzminister erstaunlich“, sagte Laschet mit Blick auf die Pläne der SPD und dessen Kanzlerkandidaten.
Scholz und Baerbock verteidigten dagegen ihre Pläne, die Steuern für Spitzenverdiener und Vermögende anzuheben. Der Staat habe in der Krise 400 Milliarden Euro Schulden gemacht und mit vielen Milliarden auch die Wirtschaft gerettet. Große Steuersenkungen seien da „unfinanzierbar“, so Scholz. Geld werde aber etwa für Bildung gebraucht. „Steuergeschenke für Leute, die sehr viel verdienen, wird es mit mir nicht geben“, sagte Scholz. Und das Wirtschaftswunder in den 1950er Jahren sei im übrigen auch mit einer Vermögensteuer gelungen.
Sozialpolitik
Auch in der Sozialpolitik bemühten sich die Kandidaten um Abgrenzung. Scholz versprach stabile Renten und ein Festschreiben des Rentenniveaus auf 48 Prozent. Dies sei anders als von Experten behauptet auch finanzierbar. Frühere Horror-Prognosen aus den 90er Jahren seien nie eingetroffen.
„Die Antwort ist nicht seriös“, hielt Laschet entgegen. Man könne Berufseinsteigern nicht einfach sagen, es werde alles so bleiben, wie es ist. Laschet kritisierte auch die Pläne von SPD und Grünen, in der Gesundheitspolitik eine Bürgerversicherung einführen zu wollen.
Die Versorgung in anderen Ländern, die eine solche Einheitsversicherung haben, sei schlechter als in Deutschland. Gleichzeitig würde es Reichen aber gelingen, an eine gute Versorgung zu kommen. Baerbock dagegen sagte, die „Zwei-Klassen-Medizin“ sei „unsozial“ und führe nicht zu einer gleichmäßigen Versorgung. Während Privatpatienten sofort an Arzttermine käme, müssten gesetzlich Versicherte monatelang etwa auf einen Termin beim Hausarzt warten.
Klimapolitik
In der Klimapolitik kreiste die Diskussion vor allem um die Frage des Stromverbrauchs. Scholz sagte, die Union habe „ein großes Modernisierungsprojekt verpasst“, weil sie viel zu lange ignoriert habe, wie hoch der Strombedarf der Wirtschaft tatsächlich ist, wenn Deutschland bis 2050 klimaneutral sein soll. Das wollte Laschet so nicht stehen lassen und wehrte sich gegen „Legendenbildungen“. Wissenschaftliche Institute hätten den Strombedarf neu berechnet, und dem sei dann das CDU-geführte Bundeswirtschaftsministerium gefolgt.
Dagegen sei die SPD immer die Partei gewesen, die alles in der Energiepolitik „blockiert“ habe, sowohl in seinem Bundesland NRW als auch in den Koalitionsverhandlungen im Bund 2017, so Laschet. Baerbock sagte, die „Vergangenheitsbewältigung“ von Scholz und Laschet zeige, warum das Land in der Klimapolitik nicht genug vorangekommen sei. „Sie waren nicht an Lösungen orientiert, sondern schieben sich gegenseitig die Schuld in die Schuhe“, so Baerbock und forderte einen früheren Kohleausstieg, der derzeit bis zum Jahr 2038 geplant ist. Dann schob sei eine der wenigen Spitzen gegen Scholz hinterher: „Wir brauchen in der Klimapolitik keine Analysen, Herr Scholz.“
Streit auch um Umgang mit Maaßen
Einen kleinen Schlagabtausch gab es auch wegen CDU-Politiker Hans-Georg Maaßen. Der frühere Präsident des Verfassungsschutzes kandidiert in Thüringen für den Bundestag, ist aber wegen seiner Äußerungen zu Ausländern, der AfD und dem Öffentlich-Rechtlichen-Rundfunk stark umstritten.
Laschet wollte nicht darauf antworten, ob er Maaßen wählen würde. Maaßen sei Mitglied der CDU und er stimme in vielen Punkten nicht mit Maaßen überein, Maaßen kandidiere aber nicht in seinem Wahlkreis, so Laschet. Das nutzte Baerbock für einen Angriff: Die Union müsse „die Brandmauer nach Rechts klar ziehen“. Das unterscheide sie offenbar. Als der grüne Bürgermeister Boris Palmer mit rassistischen Aussagen auffiel, habe sie dafür gesorgt, dass ein Parteiausschlussverfahren gegen ihn geprüft wird, so Baerbock.
Nicht umstritten dagegen waren die Lehren aus Corona und das Thema Digitalisierung, das anders als im ersten Triell dieses Mal angesprochen wurde. Hier waren sich alle einig: Die Politik muss die Digitalisierung endlich stärker forcieren.
Und es gab auch einen sehr fairen Moment. Annalena Baerbock wies von sich aus daraufhin, dass die Uhr, die die Redezeit von Olaf Scholz erfasste, weiterlief, obwohl gar nicht er sprach, sondern die Moderatoren. Die Zeitmessung soll gewährleisten, dass alle Kandidaten ungefähr gleich viel zu Wort kommen.
In ihren Schlussstatements stellten die drei Kandidaten dann aber wieder ihre Unterschiede aus. Laschet versprach, er werde ein Kanzler sei, der die Menschen „nicht gängele, sondern machen lasse“.
Baerbock sagte, die Menschen hätten die Wahl zwischen „einem Aufbruch oder einem Verharren im Weiter-So.“ Scholz stellte die Solidarität heraus, mit der das Land gut die durch die Corona-Krise gekommen sei und mit der er in Zukunft für stabile Renten sorgen oder den Klimawandel bekämpfen werde.
Die Umfrage nach dem Triell zeigten dann ein gespaltenes Bild: Am überzeugendsten fanden die Befragten zwar Olaf Scholz. Er kam auf 41 Prozent, Armin Laschet auf 27 und Annalena Baerbock auf 25. Allerdings versprühte Baerbock laut der Umfrage die größte Tatkraft, sie kam bei dieser Frage auf 41 Prozent, Scholz auf 28 und Laschet auf 25. Dennoch ist Laschet, dessen Union in Umfragen nur noch bei 20 Prozent liegt und damit hinter die SPD gefallen ist, nicht zwingend der Verlierer des Abends.
Aber Laschet und Baerbock machen Boden gut
Denn auch das zeigte die ARD-Umfrage im Anschluss an das Triell: Bei der Direktwahl des Kanzlerkandidaten konnten er und Baerbock gegenüber Scholz Boden gut machen. Sagten vor dem Triell noch 19 Prozent der Befragten, sie würden Laschet als Kanzler unter den drei Kandidaten bevorzugen, waren es nach dem Triell 24 Prozent. Auch Baerbock legte zu von 13 auf 19 Prozent, Scholz kam nach der TV-Diskussion wie auch schon davor auf 43 Prozent.
Laschet sagte nach der Diskussion, „dass das ein gelungenes Triell war. Die Unterschiede sind deutlich geworden, was rot grün macht. Es gibt mehr Klarheit.“ Die Parteien sahen natürlich ihren eigenen Kandidaten vorn. So sagte SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil: „Olaf Scholz hat gezeigt, dass er Kanzlerformat hat. Laschet ist zwar auf Attacke gegangen. Ich finde, das ist unwürdig für jemanden, der am Ende ja als Kanzler ein Land zusammenhalten will.“
CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak sagte, Laschet seit der Bewerber mit Kanzlerformat. „Olaf Scholz hat sich bemüht. Bemüht abzulenken von seinen Verfehlungen, hatte wenig neue Ideen und hat vor allem auf Steuererhöhungen und mehr Bürokratie und mehr Belastungen für die Menschen gesetzt.“ Am Ende entscheiden die Wähler am 26. September. Eine Woche vor der Bundestagswahl wird es noch ein drittes und letztes Triell geben.
TV-Triell: Das waren die fünf großen Streitthemen beim Triell
Beim zweiten Triell ging es hart zur Sache. Armin Laschet und Olaf Scholz traktierten sich – besonders bei einem Thema.
Das Triell war gerade fünf Minuten im Gange, da scheppert es im TV-Studio in Berlin-Adlershof richtig. Irgendetwas war umgefallen. „So wie es hier im Studio rumpelt, so spannend wird die Bundestagswahl“, sagte Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock, die gerade das Wort hatte.
Ordentlich geknallt hat es aber nicht nur in den Kulissen, sondern auch vor der Kamera. Die drei Spitzenkandidaten von Union, SPD und Grünen schenkten sich in ihrer zweiten TV-Diskussion nichts.
Insbesondere CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet und sein SPD-Kontrahent Olaf Scholz beharkten sich immer wieder. Zwischenzeitlich schien das Triell daher eher ein Duell zu sein. Aber auch Annalena Baerbock konnte Punkte machen, etwa in der Klimapolitik.
Das waren die fünf großen Streitthemen des Triells:
Koalitionen
Gleich zu Beginn wurden die drei Kandidaten von Fragen nach Koalitionsoptionen überrumpelt. Das Thema war für CDU-Spitzenkandidat Armin Laschet eine gute Gelegenheit, Scholz direkt anzugreifen.
„Jedem muss klar sein, wenn es eine rechnerische Mehrheit gibt, werden Sie eine Koalition mit den Linken machen“, sagte Laschet an Scholz gewandt. Dass Scholz in seinem Redebeitrag zuvor eine solche Koalition wieder nicht ausgeschlossen habe, „ist ja schon mal eine klare Aussage an diesem Abend“.
Scholz konterte: Die ganzen Fragen nach dem Ausschließen von Koalitionsoptionen seien „absurde Theateraufführungen“. Auch die FDP sei ja schon von der Union aufgefordert worden, Koalitionen auszuschließen.
Wer SPD wähle, bekomme Olaf Scholz als Bundeskanzler – und die Grundsätze, für die er stehe, so Scholz. Vor allem habe der Bürger das letzte Wort, er müsse bei allen Entscheidungen berücksichtigt werden. Das wollte Laschet so nicht stehen lassen: Die Bürger müssten vor der Wahl „Klarheit haben“, was Koalitionen anginge.
Kampf gegen Geldwäsche
Noch härter zur Sache ging es beim Kampf gegen Geldwäsche, ein Thema, das vor wenigen Tagen noch niemand auf dem Zettel hatte, und das für Scholz höchst unangenehm war.
Der Grund: Am Donnerstag hatte es eine Razzia im Bundesfinanzministerium gegeben. Anlass waren Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Osnabrück gegen die beim Zoll und damit beim Bundesfinanzministerium angesiedelte Geldwäsche-Einheit FIU. Sie hat offenbar Geldwäsche-Verdachtsmeldungen nicht rechtzeitig weitergegeben.
Scholz erklärte, er habe die Probleme bei der Geldwäsche-Einheit geerbt und in seiner Amtszeit alles getan, um diese Probleme zu beheben und die Einheit aufzurüsten: mehr Personal, eine neue Leitung, mehr IT.
Doch Laschet nutzte die Steilvorlage für einen Frontalangriff auf seinen SPD-Kontrahenten. Es sei „schon ein Wunder, wie der Finanzminister angesichts dieser Situation eine solche Schönfärberei an den Tag legen kann“. Scholz trage doch die Verantwortung für die Behörde.
Auch sei Scholz' Kritik an der Justiz, dass die Razzia übertrieben gewesen sei, völlig „unangemessen“ gewesen, so Laschet. Solche Kritik an der Justiz übten sonst nur „Populisten in anderen Ländern“. Und es sei ja nicht Scholz „erster Fall“, so Laschet und erinnerte an den Wirecard-Skandal oder den Steuerskandal cum-ex, für die Scholz auch die Verantwortung trage. „Wenn mein Finanzminister so arbeiten würde, hätten wir ein ernstes Problem“, so Laschet.
Scholz schien ungewohnt angefasst und schlug für ihn auf eher ungewohnte Weise kämpferisch zurück. Laschet „verdreht die Dinge“, er agiere „unehrlich“, das müsse er sich vorwerfen lassen. Die Durchsuchungen hätten sich nicht gegen das Bundesfinanzministerium gerichtet, sondern gegen eine Behörde in Köln, die Staatsanwaltschaft habe sich in seinem Finanzressort Informationen eingeholt.
Außerdem habe er die Geldwäsche-Einheit aufgerüstet und nach dem Wirecard-Skandal große Reformen gegen „die Widerstände aller Lobbyisten“ auf den Weg gebracht. Beide fielen sich nun ins Wort. „Sie haben doch die Fachaufsicht“, so Laschet. „Sie haben jetzt fünfmal die falschen Fakten wiederholt“, konterte Scholz.
Baerbock tat das, was sie an diesem Abend oft tun sollte: Sie ließ die beiden Männer streiten und stellte dann heraus, das sowohl bei Union als auch der SPD die Geldwäsche-Bekämpfung nicht oben auf der Prioritätenliste stand – und jetzt die Krankenschwester für den hohen Steuerausfall, der durch Geldwäsche und Steuervermeidung entsteht, aufkommen müsse.
Steuerpolitik
Auch in der Steuerpolitik arbeiteten die Kandidaten die Unterschiede heraus, allerdings deutlich sachlicher. Die Steuerpolitik sei der „fundamentale Unterschied“ zwischen der Union und den anderen beiden Parteien, sagte Laschet. Anders als SPD und Grüne wolle die Union keine Steuern erhöhen.
Die Steuern zu erhöhen sei „grundfalsch, weil das die Wirtschaft abwürgt“, so der CDU-Kandidat. Er fände die Aussage, eine Vermögensteuer einführen zu wollen, „gerade für einen Finanzminister erstaunlich“, sagte Laschet mit Blick auf die Pläne der SPD und dessen Kanzlerkandidaten.
Scholz und Baerbock verteidigten dagegen ihre Pläne, die Steuern für Spitzenverdiener und Vermögende anzuheben. Der Staat habe in der Krise 400 Milliarden Euro Schulden gemacht und mit vielen Milliarden auch die Wirtschaft gerettet. Große Steuersenkungen seien da „unfinanzierbar“, so Scholz. Geld werde aber etwa für Bildung gebraucht. „Steuergeschenke für Leute, die sehr viel verdienen, wird es mit mir nicht geben“, sagte Scholz. Und das Wirtschaftswunder in den 1950er Jahren sei im übrigen auch mit einer Vermögensteuer gelungen.
Sozialpolitik
Auch in der Sozialpolitik bemühten sich die Kandidaten um Abgrenzung. Scholz versprach stabile Renten und ein Festschreiben des Rentenniveaus auf 48 Prozent. Dies sei anders als von Experten behauptet auch finanzierbar. Frühere Horror-Prognosen aus den 90er Jahren seien nie eingetroffen.
„Die Antwort ist nicht seriös“, hielt Laschet entgegen. Man könne Berufseinsteigern nicht einfach sagen, es werde alles so bleiben, wie es ist. Laschet kritisierte auch die Pläne von SPD und Grünen, in der Gesundheitspolitik eine Bürgerversicherung einführen zu wollen.
Die Versorgung in anderen Ländern, die eine solche Einheitsversicherung haben, sei schlechter als in Deutschland. Gleichzeitig würde es Reichen aber gelingen, an eine gute Versorgung zu kommen. Baerbock dagegen sagte, die „Zwei-Klassen-Medizin“ sei „unsozial“ und führe nicht zu einer gleichmäßigen Versorgung. Während Privatpatienten sofort an Arzttermine käme, müssten gesetzlich Versicherte monatelang etwa auf einen Termin beim Hausarzt warten.
Klimapolitik
In der Klimapolitik kreiste die Diskussion vor allem um die Frage des Stromverbrauchs. Scholz sagte, die Union habe „ein großes Modernisierungsprojekt verpasst“, weil sie viel zu lange ignoriert habe, wie hoch der Strombedarf der Wirtschaft tatsächlich ist, wenn Deutschland bis 2050 klimaneutral sein soll. Das wollte Laschet so nicht stehen lassen und wehrte sich gegen „Legendenbildungen“. Wissenschaftliche Institute hätten den Strombedarf neu berechnet, und dem sei dann das CDU-geführte Bundeswirtschaftsministerium gefolgt.
Dagegen sei die SPD immer die Partei gewesen, die alles in der Energiepolitik „blockiert“ habe, sowohl in seinem Bundesland NRW als auch in den Koalitionsverhandlungen im Bund 2017, so Laschet. Baerbock sagte, die „Vergangenheitsbewältigung“ von Scholz und Laschet zeige, warum das Land in der Klimapolitik nicht genug vorangekommen sei. „Sie waren nicht an Lösungen orientiert, sondern schieben sich gegenseitig die Schuld in die Schuhe“, so Baerbock und forderte einen früheren Kohleausstieg, der derzeit bis zum Jahr 2038 geplant ist. Dann schob sei eine der wenigen Spitzen gegen Scholz hinterher: „Wir brauchen in der Klimapolitik keine Analysen, Herr Scholz.“
Streit auch um Umgang mit Maaßen
Einen kleinen Schlagabtausch gab es auch wegen CDU-Politiker Hans-Georg Maaßen. Der frühere Präsident des Verfassungsschutzes kandidiert in Thüringen für den Bundestag, ist aber wegen seiner Äußerungen zu Ausländern, der AfD und dem Öffentlich-Rechtlichen-Rundfunk stark umstritten.
Laschet wollte nicht darauf antworten, ob er Maaßen wählen würde. Maaßen sei Mitglied der CDU und er stimme in vielen Punkten nicht mit Maaßen überein, Maaßen kandidiere aber nicht in seinem Wahlkreis, so Laschet. Das nutzte Baerbock für einen Angriff: Die Union müsse „die Brandmauer nach Rechts klar ziehen“. Das unterscheide sie offenbar. Als der grüne Bürgermeister Boris Palmer mit rassistischen Aussagen auffiel, habe sie dafür gesorgt, dass ein Parteiausschlussverfahren gegen ihn geprüft wird, so Baerbock.
Nicht umstritten dagegen waren die Lehren aus Corona und das Thema Digitalisierung, das anders als im ersten Triell dieses Mal angesprochen wurde. Hier waren sich alle einig: Die Politik muss die Digitalisierung endlich stärker forcieren.
Und es gab auch einen sehr fairen Moment. Annalena Baerbock wies von sich aus daraufhin, dass die Uhr, die die Redezeit von Olaf Scholz erfasste, weiterlief, obwohl gar nicht er sprach, sondern die Moderatoren. Die Zeitmessung soll gewährleisten, dass alle Kandidaten ungefähr gleich viel zu Wort kommen.
In ihren Schlussstatements stellten die drei Kandidaten dann aber wieder ihre Unterschiede aus. Laschet versprach, er werde ein Kanzler sei, der die Menschen „nicht gängele, sondern machen lasse“.
Baerbock sagte, die Menschen hätten die Wahl zwischen „einem Aufbruch oder einem Verharren im Weiter-So.“ Scholz stellte die Solidarität heraus, mit der das Land gut die durch die Corona-Krise gekommen sei und mit der er in Zukunft für stabile Renten sorgen oder den Klimawandel bekämpfen werde.
Die Umfrage nach dem Triell zeigten dann ein gespaltenes Bild: Am überzeugendsten fanden die Befragten zwar Olaf Scholz. Er kam auf 41 Prozent, Armin Laschet auf 27 und Annalena Baerbock auf 25. Allerdings versprühte Baerbock laut der Umfrage die größte Tatkraft, sie kam bei dieser Frage auf 41 Prozent, Scholz auf 28 und Laschet auf 25. Dennoch ist Laschet, dessen Union in Umfragen nur noch bei 20 Prozent liegt und damit hinter die SPD gefallen ist, nicht zwingend der Verlierer des Abends.
Aber Laschet und Baerbock machen Boden gut
Denn auch das zeigte die ARD-Umfrage im Anschluss an das Triell: Bei der Direktwahl des Kanzlerkandidaten konnten er und Baerbock gegenüber Scholz Boden gut machen. Sagten vor dem Triell noch 19 Prozent der Befragten, sie würden Laschet als Kanzler unter den drei Kandidaten bevorzugen, waren es nach dem Triell 24 Prozent. Auch Baerbock legte zu von 13 auf 19 Prozent, Scholz kam nach der TV-Diskussion wie auch schon davor auf 43 Prozent.
Laschet sagte nach der Diskussion, „dass das ein gelungenes Triell war. Die Unterschiede sind deutlich geworden, was rot grün macht. Es gibt mehr Klarheit.“ Die Parteien sahen natürlich ihren eigenen Kandidaten vorn. So sagte SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil: „Olaf Scholz hat gezeigt, dass er Kanzlerformat hat. Laschet ist zwar auf Attacke gegangen. Ich finde, das ist unwürdig für jemanden, der am Ende ja als Kanzler ein Land zusammenhalten will.“
CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak sagte, Laschet seit der Bewerber mit Kanzlerformat. „Olaf Scholz hat sich bemüht. Bemüht abzulenken von seinen Verfehlungen, hatte wenig neue Ideen und hat vor allem auf Steuererhöhungen und mehr Bürokratie und mehr Belastungen für die Menschen gesetzt.“ Am Ende entscheiden die Wähler am 26. September. Eine Woche vor der Bundestagswahl wird es noch ein drittes und letztes Triell geben.
Zitat von Gast am 24. September 2021, 11:38 Uhr„Charisma eines Buchhalters“: Wie das Ausland auf Deutschlands Kanzlerkandidaten blickt
Wie geht es nach 16 Jahren Angela Merkel in Deutschland politisch weiter? Kurz vor der Bundestagswahl richten immer mehr internationale Medien ihren Blick auf den Wahlkampf und speziell auf die drei Kanzlerkandidaten Annalena Baerbock, Armin Laschet und Olaf Scholz. Und die werden in der Berichterstattung hart attackiert. „Nie in der Geschichte der Bundesrepublik hatten die Bürger die Wahl zwischen unattraktiveren Alternativen“, ist die „Neue Züricher Zeitung“ (NZZ) überzeugt.
„Deutschland ist heute so umständlich und träge wie die Union, die das Land seit 16 Jahren regiert. Aber die Alternativen sind beängstigend“, schreibt die NZZ in einem weiteren Kommentar.
„Die Kanzlerkandidaten von CDU/CSU und SPD ähneln Angela Merkel, sie sind die Politiker der Mitte, bereit, weiterzumachen. Auch ein Sieg der Grünen, sehr wahrscheinlich vor wenigen Monaten, jetzt unrealistisch, müsste keine Revolution bedeuten“, schreibt die polnische Rzeczpospolita.
„Vielleicht der langweiligste Typ im ganzen Land“
Dem SPD-Kandidaten Scholz wird wahlweise das Charisma eines Bankangestellten oder Buchhalters im mittleren Management attestiert. „Der Typ, den alle am liebsten mögen, ist der langweiligste Typ bei der Wahl – vielleicht sogar im ganzen Land“, lästerte John Kornblum, ehemaliger amerikanischer Botschafter in Deutschland, in der „New York Times“. Im Vergleich zu Olaf Scholz sei es spannender, einem Topf Wasser beim Kochen zuzuschauen.
CDU-Mann Laschet – ebenfalls wenig charismatisch – sei ein Möchtegernnachfolger von Merkel und sehe aus wie ein regionaler Bankmanager, findet der „Daily Express“. In den Niederlanden hat der Mann aus Aachen eher das Ansehen eines Provinzpolitikers. Und die „Financial Times“ konstatiert: Die Deutschen scheinen von Laschets Langweiligkeit abgestoßen zu sein.
„Nach 15 Jahren „Merkelismus“ bedeutet der neutrale, konsensbildende Ansatz der Bundeskanzlerin, dass viele Europäer ihr Land als EU-Führer akzeptieren – aber Berlin nach Angela Merkel muss radikal umsteuern, schreibt „The Guardian“ unter Bezugnahme auf eine Studie.
„Charisma eines Buchhalters“: Wie das Ausland auf Deutschlands Kanzlerkandidaten blickt
Wie geht es nach 16 Jahren Angela Merkel in Deutschland politisch weiter? Kurz vor der Bundestagswahl richten immer mehr internationale Medien ihren Blick auf den Wahlkampf und speziell auf die drei Kanzlerkandidaten Annalena Baerbock, Armin Laschet und Olaf Scholz. Und die werden in der Berichterstattung hart attackiert. „Nie in der Geschichte der Bundesrepublik hatten die Bürger die Wahl zwischen unattraktiveren Alternativen“, ist die „Neue Züricher Zeitung“ (NZZ) überzeugt.
„Deutschland ist heute so umständlich und träge wie die Union, die das Land seit 16 Jahren regiert. Aber die Alternativen sind beängstigend“, schreibt die NZZ in einem weiteren Kommentar.
„Die Kanzlerkandidaten von CDU/CSU und SPD ähneln Angela Merkel, sie sind die Politiker der Mitte, bereit, weiterzumachen. Auch ein Sieg der Grünen, sehr wahrscheinlich vor wenigen Monaten, jetzt unrealistisch, müsste keine Revolution bedeuten“, schreibt die polnische Rzeczpospolita.
„Vielleicht der langweiligste Typ im ganzen Land“
Dem SPD-Kandidaten Scholz wird wahlweise das Charisma eines Bankangestellten oder Buchhalters im mittleren Management attestiert. „Der Typ, den alle am liebsten mögen, ist der langweiligste Typ bei der Wahl – vielleicht sogar im ganzen Land“, lästerte John Kornblum, ehemaliger amerikanischer Botschafter in Deutschland, in der „New York Times“. Im Vergleich zu Olaf Scholz sei es spannender, einem Topf Wasser beim Kochen zuzuschauen.
CDU-Mann Laschet – ebenfalls wenig charismatisch – sei ein Möchtegernnachfolger von Merkel und sehe aus wie ein regionaler Bankmanager, findet der „Daily Express“. In den Niederlanden hat der Mann aus Aachen eher das Ansehen eines Provinzpolitikers. Und die „Financial Times“ konstatiert: Die Deutschen scheinen von Laschets Langweiligkeit abgestoßen zu sein.
„Nach 15 Jahren „Merkelismus“ bedeutet der neutrale, konsensbildende Ansatz der Bundeskanzlerin, dass viele Europäer ihr Land als EU-Führer akzeptieren – aber Berlin nach Angela Merkel muss radikal umsteuern, schreibt „The Guardian“ unter Bezugnahme auf eine Studie.
Zitat von Gast am 18. November 2021, 09:18 UhrMerkel entrückt, Scholz noch nicht da: Der Missmut im Lande darf nicht weiter wachsen
Die Coronalage ist bedrückend, die Stimmung der Bürger mies – und klar regiert wird gerade nicht. Das Vertrauen in die Parteien schwindet. Ein Kommentar.
Wie konnte es mit der Stimmung im Land nur so weit kommen? Stimmt, es gibt da die amtierende Bundesregierung - aber wer sieht die noch wirklich als solche an? Immer weniger. Denn es gibt ja auch die neue noch nicht, nicht einmal in Umrissen.
Und so wächst währenddessen die Zahl der Missmutbürger, die mit der gegenwärtigen Situation unzufrieden sind. Diese Zahl kann gefährlich schnell wachsen. Das sagen Umfragen; doch dafür brauchte es die nicht einmal.
Nehmen wir beispielsweise Noch-Kanzlerin Angela Merkel. Sie wirkt schon wie in den Olymp der Ehemaligen entrückt und sorgt sich um die Ausstattung ihres zukünftigen Büros im Bundestag. Üppig soll’s werden, hört man. Unmut ist da absehbar.
Im Zentrum des Interesses der Bundesbürger steht die Entwicklung der Coronalage in Deutschland, und die ist besorgniserregend. Findet Merkel auch, doch ist sie im Amt längst nur noch eingeschränkt handlungsfähig. Das Nebeneinander mit einem virtuellen Bundeskanzler Olaf Scholz macht planvolles Regieren schwer.
Was könnte Merkel so gesehen an der Behandlung der vierten Coronawelle ändern? Wo sie doch gerade überall verliert, an Autorität als Person und im Amt, und dazu an Zustimmung im (alten) Bundestag.
Die Gesetze müssen noch da durchgebracht werden. Nur hat die SPD die große Koalition gefühlt schon verlassen. Der krachenden Fehlstart der künftigen Koalitionäre ist auch darauf zurückzuführen - den sie allerdings selbst zu verantworten haben.
Vor diesem Hintergrund sagen denn auch die Menschen zu 58 Prozent, sie trauten derzeit keiner Partei zu, die Corona-Pandemie eindämmen zu können. Dass die SPD dazu in der Lage ist, glauben 13 Prozent. Von der FDP glauben das fünf, von den Grünen nur drei Prozent. Zusammen glaubt also gerade mal ein Fünftel aller Bundesbürger laut „Forsa“, dass die Ampel-Parteien die richtige Corona-Politik betreiben. (Der Union - und Merkel - trauen das mehr als der SPD zu. Nicht viel, zwei Prozent, aber immerhin.)
Wie es dazu gekommen ist? Die Neufassung des Infektionsschutzgesetzes erarbeiten zu wollen wie die Koalitionspapiere - hinter geschlossenen Türen, intransparent, ohne korrigierenden Sachverstand von außen -, führt zu einem grassierenden Eindruck von Überheblichkeit. Und von Überforderung. Offenkundig fehlende Regierungspragmatik bei Grünen und Freidemokraten bei gleichzeitigem Fremdeln mit dem deutschen Föderalismus hat ein Übriges getan. So gerade noch zum Beispiel der Fehler geheilt, bei Aufhebung der „nationalen Tragweite“ gleichzeitig die Notkompetenz der Länderparlamente heranzunehmen.
Die Realität hat allem Hin und Her der Ampel ein spektakuläres Ende gemacht. Mit bis dahin von den Amplern undenkbaren Verschärfungen in der Sache. Das ist für die Gegenwehr gegen Corona gut, für die Haltung, durchs Überzeugen zu prägen, womöglich zu spät.
Es verwundert dann wenig, dass das Interesse an der Bildung der neuen Bundesregierung weiter zurück geht. Nicht einmal 43 Prozent halten die Verhandlungen zwischen SPD, Grünen und FDP noch für ein wichtiges Thema.
Und Scholz, der virtuelle Kanzler? Der schweigt fein stille. So weit kommt’s noch, dass damit alles gesagt wäre.
Im Gegenteil, es verbreitet sich der Eindruck, dass hier die Einigung auf eine Koalition mit seiner Kanzlerschaft zu Nikolaus nicht gefährdet werden soll. Trotzdem darf sich die Stimmung im Land nicht noch weiter zuziehen. Wer will schon damit starten, gegen Missmut anzuregieren?
Merkel entrückt, Scholz noch nicht da: Der Missmut im Lande darf nicht weiter wachsen
Die Coronalage ist bedrückend, die Stimmung der Bürger mies – und klar regiert wird gerade nicht. Das Vertrauen in die Parteien schwindet. Ein Kommentar.
Wie konnte es mit der Stimmung im Land nur so weit kommen? Stimmt, es gibt da die amtierende Bundesregierung - aber wer sieht die noch wirklich als solche an? Immer weniger. Denn es gibt ja auch die neue noch nicht, nicht einmal in Umrissen.
Und so wächst währenddessen die Zahl der Missmutbürger, die mit der gegenwärtigen Situation unzufrieden sind. Diese Zahl kann gefährlich schnell wachsen. Das sagen Umfragen; doch dafür brauchte es die nicht einmal.
Nehmen wir beispielsweise Noch-Kanzlerin Angela Merkel. Sie wirkt schon wie in den Olymp der Ehemaligen entrückt und sorgt sich um die Ausstattung ihres zukünftigen Büros im Bundestag. Üppig soll’s werden, hört man. Unmut ist da absehbar.
Im Zentrum des Interesses der Bundesbürger steht die Entwicklung der Coronalage in Deutschland, und die ist besorgniserregend. Findet Merkel auch, doch ist sie im Amt längst nur noch eingeschränkt handlungsfähig. Das Nebeneinander mit einem virtuellen Bundeskanzler Olaf Scholz macht planvolles Regieren schwer.
Was könnte Merkel so gesehen an der Behandlung der vierten Coronawelle ändern? Wo sie doch gerade überall verliert, an Autorität als Person und im Amt, und dazu an Zustimmung im (alten) Bundestag.
Die Gesetze müssen noch da durchgebracht werden. Nur hat die SPD die große Koalition gefühlt schon verlassen. Der krachenden Fehlstart der künftigen Koalitionäre ist auch darauf zurückzuführen - den sie allerdings selbst zu verantworten haben.
Vor diesem Hintergrund sagen denn auch die Menschen zu 58 Prozent, sie trauten derzeit keiner Partei zu, die Corona-Pandemie eindämmen zu können. Dass die SPD dazu in der Lage ist, glauben 13 Prozent. Von der FDP glauben das fünf, von den Grünen nur drei Prozent. Zusammen glaubt also gerade mal ein Fünftel aller Bundesbürger laut „Forsa“, dass die Ampel-Parteien die richtige Corona-Politik betreiben. (Der Union - und Merkel - trauen das mehr als der SPD zu. Nicht viel, zwei Prozent, aber immerhin.)
Wie es dazu gekommen ist? Die Neufassung des Infektionsschutzgesetzes erarbeiten zu wollen wie die Koalitionspapiere - hinter geschlossenen Türen, intransparent, ohne korrigierenden Sachverstand von außen -, führt zu einem grassierenden Eindruck von Überheblichkeit. Und von Überforderung. Offenkundig fehlende Regierungspragmatik bei Grünen und Freidemokraten bei gleichzeitigem Fremdeln mit dem deutschen Föderalismus hat ein Übriges getan. So gerade noch zum Beispiel der Fehler geheilt, bei Aufhebung der „nationalen Tragweite“ gleichzeitig die Notkompetenz der Länderparlamente heranzunehmen.
Die Realität hat allem Hin und Her der Ampel ein spektakuläres Ende gemacht. Mit bis dahin von den Amplern undenkbaren Verschärfungen in der Sache. Das ist für die Gegenwehr gegen Corona gut, für die Haltung, durchs Überzeugen zu prägen, womöglich zu spät.
Es verwundert dann wenig, dass das Interesse an der Bildung der neuen Bundesregierung weiter zurück geht. Nicht einmal 43 Prozent halten die Verhandlungen zwischen SPD, Grünen und FDP noch für ein wichtiges Thema.
Und Scholz, der virtuelle Kanzler? Der schweigt fein stille. So weit kommt’s noch, dass damit alles gesagt wäre.
Im Gegenteil, es verbreitet sich der Eindruck, dass hier die Einigung auf eine Koalition mit seiner Kanzlerschaft zu Nikolaus nicht gefährdet werden soll. Trotzdem darf sich die Stimmung im Land nicht noch weiter zuziehen. Wer will schon damit starten, gegen Missmut anzuregieren?
Zitat von Gast am 23. November 2021, 14:07 UhrFriedrich Merz ist gegen die Impfpflicht: "Es gibt einen viel einfacheren Weg"
Immer mehr Spitzenpolitiker fordern die Einführung einer allgemeinen Impfpflicht zum Schutz vor Corona. Friedrich Merz bleibt hingegen skeptisch. Der Bewerber um den CDU-Vorsitz glaubt, einen "viel einfacheren, viel schnelleren Weg" aus der Pandemie entdeckt zu haben.
Die Debatte um die allgemeine Impfpflicht ist im politischen Berlin im vollen Gange. Zur Frage, ob nur auf diese Weise der Ausweg aus der Pandemie gelingen kann, äußerte sich am Dienstag auch Friedrich Merz im Morgenmagazin der ARD. Er wundere sich ein bisschen über den Wankelmut seiner Kollegen, erklärte der Bewerber um den CDU-Vorsitz im Gespräch mit Moderator Michael Strempel. "Diejenigen, die vor einem Jahr gesagt haben, die Geimpften und die Ungeimpften darf man nicht ungleich behandeln, diskutieren jetzt die allgemeine Impfpflicht."
Was Merz skeptisch macht: Eine solche Regelung "würde Wochen, Monate dauern, bis sie wirkt". Das dauere zu lange. "Ich finde, es gibt einen viel einfacheren, viel schnelleren Weg: Warum machen wir nicht mal ganz konsequent 2G in diesem Land - und zwar wirklich überall?" Merz weiter: "Dann würde auch kein Fußballspieler mehr den Rasen betreten und kein Abgeordneter mehr den Deutschen Bundestag, der nicht geimpft ist. Das wäre eine Maßnahme, die würde schnell greifen und würde uns auch die lang andauernde Debatte um die allgemeine Impfpflicht ersparen."
"Was machen sie mit denen, die sich konsequent weigern?"
Er selbst habe nach wie vor verfassungsrechtliche Bedenken, gab der Unionspolitiker zu Protokoll. "Und selbst, wenn's ginge - sie müssen es ja auch durchsetzen. Wie machen sie das eigentlich mit denen, die sich konsequent weigern?" Man führe im Augenblick zu diesem Thema eine "Scheindebatte", so Merz. "Die sind wichtig, aber praktisch sind sie im Augenblick nicht."
Merz setzte in diesem Zusammenhang auch eine Spitze gegen den designierten Bundeskanzler der SPD: "Wir sehen von Herrn Scholz praktisch gar nichts. Ich hätte ganz gerne mal gewusst, was er für eine Meinung zum Thema Impfpflicht hat."
Friedrich Merz ist gegen die Impfpflicht: "Es gibt einen viel einfacheren Weg"
Immer mehr Spitzenpolitiker fordern die Einführung einer allgemeinen Impfpflicht zum Schutz vor Corona. Friedrich Merz bleibt hingegen skeptisch. Der Bewerber um den CDU-Vorsitz glaubt, einen "viel einfacheren, viel schnelleren Weg" aus der Pandemie entdeckt zu haben.
Die Debatte um die allgemeine Impfpflicht ist im politischen Berlin im vollen Gange. Zur Frage, ob nur auf diese Weise der Ausweg aus der Pandemie gelingen kann, äußerte sich am Dienstag auch Friedrich Merz im Morgenmagazin der ARD. Er wundere sich ein bisschen über den Wankelmut seiner Kollegen, erklärte der Bewerber um den CDU-Vorsitz im Gespräch mit Moderator Michael Strempel. "Diejenigen, die vor einem Jahr gesagt haben, die Geimpften und die Ungeimpften darf man nicht ungleich behandeln, diskutieren jetzt die allgemeine Impfpflicht."
Was Merz skeptisch macht: Eine solche Regelung "würde Wochen, Monate dauern, bis sie wirkt". Das dauere zu lange. "Ich finde, es gibt einen viel einfacheren, viel schnelleren Weg: Warum machen wir nicht mal ganz konsequent 2G in diesem Land - und zwar wirklich überall?" Merz weiter: "Dann würde auch kein Fußballspieler mehr den Rasen betreten und kein Abgeordneter mehr den Deutschen Bundestag, der nicht geimpft ist. Das wäre eine Maßnahme, die würde schnell greifen und würde uns auch die lang andauernde Debatte um die allgemeine Impfpflicht ersparen."
"Was machen sie mit denen, die sich konsequent weigern?"
Er selbst habe nach wie vor verfassungsrechtliche Bedenken, gab der Unionspolitiker zu Protokoll. "Und selbst, wenn's ginge - sie müssen es ja auch durchsetzen. Wie machen sie das eigentlich mit denen, die sich konsequent weigern?" Man führe im Augenblick zu diesem Thema eine "Scheindebatte", so Merz. "Die sind wichtig, aber praktisch sind sie im Augenblick nicht."
Merz setzte in diesem Zusammenhang auch eine Spitze gegen den designierten Bundeskanzler der SPD: "Wir sehen von Herrn Scholz praktisch gar nichts. Ich hätte ganz gerne mal gewusst, was er für eine Meinung zum Thema Impfpflicht hat."
Zitat von Gast am 8. Dezember 2021, 09:56 UhrMachtwechsel in Deutschland
Olaf Scholz soll vom Bundestag mit den Stimmen von SPD, Grünen und FDP zum neunten Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland gewählt werden. Damit endet die 16 Jahre dauernde Ära der Kanzlerin Angela Merkel.
Es gibt keine ernsthaften Zweifel, dass der Deutsche Bundestag den Sozialdemokraten Olaf Scholz zum neuen Bundeskanzler wählen wird. Er ist der einzige Kandidat. Zur Wahl ist die Mehrheit der Stimmen der Parlamentarier nötig. Bei aktuell 736 Abgeordneten sind dies 369 Stimmen. Die Ampel-Parteien SPD, Grüne und FDP verfügen über zusammen 416 Sitze. Es wird damit die erste Ampel-Koalition in Deutschland auf Bundesebene geben.
Einziger Tagesordnungspunkt: Wahl des Bundeskanzlers
Im Reichstagsgebäude wird Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) den Abgeordneten mitteilen, dass der Bundespräsident gemäß Artikel 63 Grundgesetz vorgeschlagen habe, Olaf Scholz zum Bundeskanzler wählen zu lassen. Der Artikel legt auch fest, dass dies ohne Aussprache zu geschehen hat, abgestimmt wird geheim.
Der 63-Jährige wäre der vierte SPD-Kanzler nach Willy Brandt, Helmut Schmidt und Gerhard Schröder. Die CDU stellte bislang die vier Kanzler Konrad Adenauer, Ludwig Erhard, Kurt Georg Kiesinger und Helmut Kohl sowie in den vergangenen 16 Jahren Kanzlerin Angela Merkel.
Die Choreografie des Tages ist genau geregelt: Nach der Wahl zum Bundeskanzler und seiner Erklärung, dass er die Wahl annimmt, wird Scholz im Schloss Bellevue bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier erwartet, der ihn offiziell ernennen wird. Dann muss der neue Kanzler zurück in den Bundestag, um dort vereidigt zu werden. Dann geht es ein zweites Mal ins Schloss Bellevue. Bei diesem Besuch ernennt der Bundespräsident - in Anwesenheit von Scholz - die neuen Bundesministerinnen und Bundesminister. Auch diese werden dann später im Bundestag vereidigt. Am Nachmittag will die bisherige Bundeskanzlerin Merkel das Kanzleramt an ihren Nachfolger übergeben.
Leitmotiv "Mehr Fortschritt wagen"
Damit ist die Regierungsbildung abgeschlossen und die neue Regierung im Amt. Am Dienstag hatten die führenden Vertreter der sogenannten Ampel-Parteien ihren Koalitionsvertrag unterschrieben.
Die Ampel-Koalition hat sich viel vorgenommen: Sie spricht vom größten industriellen Umbau in Deutschland seit mehr als hundert Jahren und tiefgreifenden gesellschaftlichen Reformen. Ihr 177 Seiten starker Koalitionsvertrag steht unter dem Leitmotiv "Mehr Fortschritt wagen". Die neue Regierung will ein "Bündnis für Freiheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit" sein. Sie verspricht unter anderem große Anstrengungen beim Klimaschutz und einen Umbau der Industrie. Zugleich sind Verbesserungen etwa für Geringverdiener, Mieter und Familien vorgesehen. Im Kampf gegen die Klimakrise haben sich SPD, Grüne und FDP zum Ziel gesetzt, dass bis 2030 Deutschland 80 Prozent seines Stroms aus erneuerbaren Energien bezieht.
Die erste große Herausforderung, vor der die neue Bundesregierung steht ist, die Bewältigung der Corona-Pandemie. Bereits am Freitag steht im Bundestag das erste Gesetzespaket der Regierung zur Abstimmung. Unter anderem soll eine berufsbezogene Corona-Impfpflicht beschlossen werden.
Machtwechsel in Deutschland
Olaf Scholz soll vom Bundestag mit den Stimmen von SPD, Grünen und FDP zum neunten Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland gewählt werden. Damit endet die 16 Jahre dauernde Ära der Kanzlerin Angela Merkel.
Es gibt keine ernsthaften Zweifel, dass der Deutsche Bundestag den Sozialdemokraten Olaf Scholz zum neuen Bundeskanzler wählen wird. Er ist der einzige Kandidat. Zur Wahl ist die Mehrheit der Stimmen der Parlamentarier nötig. Bei aktuell 736 Abgeordneten sind dies 369 Stimmen. Die Ampel-Parteien SPD, Grüne und FDP verfügen über zusammen 416 Sitze. Es wird damit die erste Ampel-Koalition in Deutschland auf Bundesebene geben.
Einziger Tagesordnungspunkt: Wahl des Bundeskanzlers
Im Reichstagsgebäude wird Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) den Abgeordneten mitteilen, dass der Bundespräsident gemäß Artikel 63 Grundgesetz vorgeschlagen habe, Olaf Scholz zum Bundeskanzler wählen zu lassen. Der Artikel legt auch fest, dass dies ohne Aussprache zu geschehen hat, abgestimmt wird geheim.
Der 63-Jährige wäre der vierte SPD-Kanzler nach Willy Brandt, Helmut Schmidt und Gerhard Schröder. Die CDU stellte bislang die vier Kanzler Konrad Adenauer, Ludwig Erhard, Kurt Georg Kiesinger und Helmut Kohl sowie in den vergangenen 16 Jahren Kanzlerin Angela Merkel.
Die Choreografie des Tages ist genau geregelt: Nach der Wahl zum Bundeskanzler und seiner Erklärung, dass er die Wahl annimmt, wird Scholz im Schloss Bellevue bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier erwartet, der ihn offiziell ernennen wird. Dann muss der neue Kanzler zurück in den Bundestag, um dort vereidigt zu werden. Dann geht es ein zweites Mal ins Schloss Bellevue. Bei diesem Besuch ernennt der Bundespräsident - in Anwesenheit von Scholz - die neuen Bundesministerinnen und Bundesminister. Auch diese werden dann später im Bundestag vereidigt. Am Nachmittag will die bisherige Bundeskanzlerin Merkel das Kanzleramt an ihren Nachfolger übergeben.
Leitmotiv "Mehr Fortschritt wagen"
Damit ist die Regierungsbildung abgeschlossen und die neue Regierung im Amt. Am Dienstag hatten die führenden Vertreter der sogenannten Ampel-Parteien ihren Koalitionsvertrag unterschrieben.
Die Ampel-Koalition hat sich viel vorgenommen: Sie spricht vom größten industriellen Umbau in Deutschland seit mehr als hundert Jahren und tiefgreifenden gesellschaftlichen Reformen. Ihr 177 Seiten starker Koalitionsvertrag steht unter dem Leitmotiv "Mehr Fortschritt wagen". Die neue Regierung will ein "Bündnis für Freiheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit" sein. Sie verspricht unter anderem große Anstrengungen beim Klimaschutz und einen Umbau der Industrie. Zugleich sind Verbesserungen etwa für Geringverdiener, Mieter und Familien vorgesehen. Im Kampf gegen die Klimakrise haben sich SPD, Grüne und FDP zum Ziel gesetzt, dass bis 2030 Deutschland 80 Prozent seines Stroms aus erneuerbaren Energien bezieht.
Die erste große Herausforderung, vor der die neue Bundesregierung steht ist, die Bewältigung der Corona-Pandemie. Bereits am Freitag steht im Bundestag das erste Gesetzespaket der Regierung zur Abstimmung. Unter anderem soll eine berufsbezogene Corona-Impfpflicht beschlossen werden.
Zitat von Gast am 9. Dezember 2021, 07:42 UhrMeinung: Das Kabinett des Kanzlers Olaf Scholz - Endlich eine Regierung, die wieder regieren möchte
Die 16-jährige Ära Merkel ist zu Ende - der Sozialdemokrat Olaf Scholz ist neuer Bundeskanzler. Aber es ist nicht ausgeschlossen, dass die Ampel-Koalition nur eine Episode bleibt, meint Felix Steiner.
Manchmal muss auch ein Kommentator zugeben, dass er sich geirrt hat. Heute ist so ein Tag. Vier Wochen vor der Bundestagswahl habe ich angesichts der von mir prognostizierten langwierigen Koalitionsverhandlungen geschrieben, die Deutschen könnten eine solche Zeitspanne mit Fassung tragen - das Land funktioniere ganz gut auch ohne richtige Regierung.
Was bei der Regierungsbildung vor vier Jahren noch galt, erwies sich nun mitten in der Pandemie als grundfalsch. Denn obwohl Virologen schon seit dem Frühsommer vor genau diesem Szenario gewarnt hatten, ist Deutschland in der Schlussphase des Bundestagswahlkampf, erst recht aber in den Wochen seit der Wahl mit voller Wucht in die vierte Welle gerauscht. Doch gekümmert hat das augenscheinlich niemand.
Lethargie und Selbstbeschäftigung
Die alte Bundesregierung, die seit zwei Monaten ja nur noch geschäftsführend im Amt war, legte keinen besonderen Ehrgeiz mehr an den Tag und blieb lethargisch - wie schon so oft in der vergangenen Legislaturperiode. Die neue Koalition hingegen war vor allem mit sich selbst und dem Ausloten von Gemeinsamkeiten beschäftigt. So kam es zu grandiosen Fehlentscheidungen wie dem Schließen der Impfzentren (als hätte man von den dringend notwendigen Boosterimpfungen nichts geahnt) oder dem öffentlichen Nachdenken über einen "Freedom-Day". Und der Bundestag beschloss das Ende der "pandemischen Notlage" - als wäre inzwischen alles vorbei.
Dabei ist die aktuelle Lage dramatisch - nach den Rekordwerten der Neuinfektionen steigt nun auch die Zahl der Todesfälle wieder heftig an. Dass es so nicht weitergehen kann, hat inzwischen auch die neue Bundesregierung begriffen und legt plötzlich Eile sowie Entschlusskraft an den Tag: Schon am Donnerstag wird der Bundestag eine Impfpflicht für besondere Berufsgruppen beschließen, eine allgemeine Impfpflicht ab dem kommenden Frühjahr gilt als sicher.
Damit beschreitet die Regierung von Olaf Scholz jedoch einen Weg, der sie - wie auch die Politik überhaupt - sehr viel Vertrauen bei den Bürgerinnen und Bürgern kosten wird: Hatten doch ausnahmslos alle Parteien und Kanzlerkandidaten im Wahlkampf (und selbst noch danach) versprochen, dass es garantiert keine Impfpflicht geben werde. Aus einer möglichen Radikalisierung der Impfgegner könnte so bald eine ganz besondere Herausforderung für die neue Bundesregierung entstehen.
Muss wieder ein SPD-Kanzler in den Krieg ziehen?
Eine zweite, potenziell sehr unangenehme Herausforderung für die neue Bundesregierung lauert im Osten Europas: Wie reagiert Deutschland, wenn Wladimir Putin tatsächlich Ernst macht und seinen an der Ostgrenze der Ukraine aufmarschierten Truppen den Befehl zum Angriff auf das Nachbarland gibt? Es heißt zwar, dass sich Geschichte nicht wiederholt. Aber die Situation erinnert schon stark an das Frühjahr 1999, als ausgerechnet ein neuer sozialdemokratischer Bundeskanzler und ein grüner Außenminister deutsche Soldaten in den ersten Kriegseinsatz seit 1945 schickten. Und auch damals im Kosovo-Krieg ging es um den Schutz eines Volkes, dem man gar nicht automatisch durch das Bündnisversprechen der NATO verpflichtet war.
Angesichts dieser drängenden Probleme sind die großen Reformvorhaben der Koalition, die "mehr Fortschritt wagen" will, erst einmal in den Hintergrund getreten. Ohnehin wird sich zeigen, wie stark die Begeisterung der Deutschen für den Kampf gegen den Klimawandel (nach Umfragen für die Mehrheit das drängendste Problem) noch ist, wenn sie merken, was dieser konkret für ihren Wohlstand und Lebensstandard bedeutet. Weil es nämlich nicht damit getan sein wird, dass lediglich der Staat Entscheidungen trifft, die aber niemand in seinem Alltag und Geldbeutel spürt. Klimaneutralität wird so jedenfalls nicht erreicht.
Wie lange glüht der Shooting Star?
Dass Olaf Scholz jetzt zum Kanzler gewählt wurde, ist die Überraschung des Jahres - noch vor sechs Monaten hätte da kaum jemand (mich eingeschlossen) darauf gewettet. Und die Unionsparteien haben erst recht in den Wochen nach der Wahl mit Nachdruck unterstrichen, dass sie derzeit alles andere als regierungsfähig sind. Dennoch sollte Scholz nicht vergessen: Der Stimmenvorsprung der SPD bei den Bundestagswahlen, der seine Kanzlerschaft begründet, war nur hauchdünn. Der kann auch schnell wieder verloren gehen.
Zwar haben die Deutschen in den vergangenen 50 Jahren jede Koalition und jeden Kanzler mindestens einmal wiedergewählt. Ein gesetzlicher Anspruch leitet sich daraus aber nicht ab. Nein, Scholz und sein Kabinett müssen jetzt liefern. Sonst bleibt die Ampel-Koalition nur eine Episode.
Meinung: Das Kabinett des Kanzlers Olaf Scholz - Endlich eine Regierung, die wieder regieren möchte
Die 16-jährige Ära Merkel ist zu Ende - der Sozialdemokrat Olaf Scholz ist neuer Bundeskanzler. Aber es ist nicht ausgeschlossen, dass die Ampel-Koalition nur eine Episode bleibt, meint Felix Steiner.
Manchmal muss auch ein Kommentator zugeben, dass er sich geirrt hat. Heute ist so ein Tag. Vier Wochen vor der Bundestagswahl habe ich angesichts der von mir prognostizierten langwierigen Koalitionsverhandlungen geschrieben, die Deutschen könnten eine solche Zeitspanne mit Fassung tragen - das Land funktioniere ganz gut auch ohne richtige Regierung.
Was bei der Regierungsbildung vor vier Jahren noch galt, erwies sich nun mitten in der Pandemie als grundfalsch. Denn obwohl Virologen schon seit dem Frühsommer vor genau diesem Szenario gewarnt hatten, ist Deutschland in der Schlussphase des Bundestagswahlkampf, erst recht aber in den Wochen seit der Wahl mit voller Wucht in die vierte Welle gerauscht. Doch gekümmert hat das augenscheinlich niemand.
Lethargie und Selbstbeschäftigung
Die alte Bundesregierung, die seit zwei Monaten ja nur noch geschäftsführend im Amt war, legte keinen besonderen Ehrgeiz mehr an den Tag und blieb lethargisch - wie schon so oft in der vergangenen Legislaturperiode. Die neue Koalition hingegen war vor allem mit sich selbst und dem Ausloten von Gemeinsamkeiten beschäftigt. So kam es zu grandiosen Fehlentscheidungen wie dem Schließen der Impfzentren (als hätte man von den dringend notwendigen Boosterimpfungen nichts geahnt) oder dem öffentlichen Nachdenken über einen "Freedom-Day". Und der Bundestag beschloss das Ende der "pandemischen Notlage" - als wäre inzwischen alles vorbei.
Dabei ist die aktuelle Lage dramatisch - nach den Rekordwerten der Neuinfektionen steigt nun auch die Zahl der Todesfälle wieder heftig an. Dass es so nicht weitergehen kann, hat inzwischen auch die neue Bundesregierung begriffen und legt plötzlich Eile sowie Entschlusskraft an den Tag: Schon am Donnerstag wird der Bundestag eine Impfpflicht für besondere Berufsgruppen beschließen, eine allgemeine Impfpflicht ab dem kommenden Frühjahr gilt als sicher.
Damit beschreitet die Regierung von Olaf Scholz jedoch einen Weg, der sie - wie auch die Politik überhaupt - sehr viel Vertrauen bei den Bürgerinnen und Bürgern kosten wird: Hatten doch ausnahmslos alle Parteien und Kanzlerkandidaten im Wahlkampf (und selbst noch danach) versprochen, dass es garantiert keine Impfpflicht geben werde. Aus einer möglichen Radikalisierung der Impfgegner könnte so bald eine ganz besondere Herausforderung für die neue Bundesregierung entstehen.
Muss wieder ein SPD-Kanzler in den Krieg ziehen?
Eine zweite, potenziell sehr unangenehme Herausforderung für die neue Bundesregierung lauert im Osten Europas: Wie reagiert Deutschland, wenn Wladimir Putin tatsächlich Ernst macht und seinen an der Ostgrenze der Ukraine aufmarschierten Truppen den Befehl zum Angriff auf das Nachbarland gibt? Es heißt zwar, dass sich Geschichte nicht wiederholt. Aber die Situation erinnert schon stark an das Frühjahr 1999, als ausgerechnet ein neuer sozialdemokratischer Bundeskanzler und ein grüner Außenminister deutsche Soldaten in den ersten Kriegseinsatz seit 1945 schickten. Und auch damals im Kosovo-Krieg ging es um den Schutz eines Volkes, dem man gar nicht automatisch durch das Bündnisversprechen der NATO verpflichtet war.
Angesichts dieser drängenden Probleme sind die großen Reformvorhaben der Koalition, die "mehr Fortschritt wagen" will, erst einmal in den Hintergrund getreten. Ohnehin wird sich zeigen, wie stark die Begeisterung der Deutschen für den Kampf gegen den Klimawandel (nach Umfragen für die Mehrheit das drängendste Problem) noch ist, wenn sie merken, was dieser konkret für ihren Wohlstand und Lebensstandard bedeutet. Weil es nämlich nicht damit getan sein wird, dass lediglich der Staat Entscheidungen trifft, die aber niemand in seinem Alltag und Geldbeutel spürt. Klimaneutralität wird so jedenfalls nicht erreicht.
Wie lange glüht der Shooting Star?
Dass Olaf Scholz jetzt zum Kanzler gewählt wurde, ist die Überraschung des Jahres - noch vor sechs Monaten hätte da kaum jemand (mich eingeschlossen) darauf gewettet. Und die Unionsparteien haben erst recht in den Wochen nach der Wahl mit Nachdruck unterstrichen, dass sie derzeit alles andere als regierungsfähig sind. Dennoch sollte Scholz nicht vergessen: Der Stimmenvorsprung der SPD bei den Bundestagswahlen, der seine Kanzlerschaft begründet, war nur hauchdünn. Der kann auch schnell wieder verloren gehen.
Zwar haben die Deutschen in den vergangenen 50 Jahren jede Koalition und jeden Kanzler mindestens einmal wiedergewählt. Ein gesetzlicher Anspruch leitet sich daraus aber nicht ab. Nein, Scholz und sein Kabinett müssen jetzt liefern. Sonst bleibt die Ampel-Koalition nur eine Episode.
Zitat von Gast am 10. Dezember 2021, 07:05 UhrKanzlerschaft und internationale Beziehungen: Der Mann fürs Äußere
Am ersten Tag im Amt nimmt Olaf Scholz an Bidens "Gipfel der Demokratie" teil - sein Kanzlerdebüt in der Außenpolitik. Durch diese soll ihn ein selbstbewusster Diplomat begleiten.
Der Mann fürs Äußere
Für Diplomaten, die auf Zwischen- und Untertöne trainiert sind, gab es in der Abschiedsrede von Heiko Maas eine interessante Passage. Bei der Übergabe des Auswärtigen Amtes an Annalena Baerbock dankte Maas in warmen Worten seinen engsten und wichtigsten Mitarbeitern, lobte den einen als "großartigen Diplomaten und vor allem als großartigen Menschen", bekannte bei der anderen, er habe ihr "blind" vertraut, und auch menschlich habe es funktioniert. Einen aber würdigte Maas staubtrocken. "Ich will mich bedanken, bei Jens Plötner, der mich als Politischer Direktor begleitet hat und auch beraten hat. Und auf den ich mich vor allem immer verlassen konnte und das auch getan habe", sagte Maas knapp.
Verlassen können auf Plötner muss sich künftig auch Bundeskanzler Olaf Scholz. Der SPD-Politiker hat Plötner zu seinem außen- und sicherheitspolitischen Berater erwählt und damit nach dem üblichen Zögern bis zur letzten Minute eine Entscheidung getroffen, aus der sich einiges herauslesen lässt über seine Pläne für die Außenpolitik. Das ist auch deshalb wichtig, weil zwischen der SPD und den Grünen die Meinungsunterschiede, wenn es um Russland oder China geht, im Ampel-Vertrag eher übertüncht als überbrückt worden sind. Offen etwa ist die Haltung zum Investitionsabkommen mit China oder zur Gas-Pipeline Nord Stream 2.SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich hat schon wissen lassen, dass die Außenpolitik "insbesondere im Kanzleramt" gesteuert werden solle, was auch als Botschaft an die Grüne Baerbock verstanden werden kann, die nun dringend einen neuen Politischen Direktor braucht. In Plötner hat Scholz sich für die Reise in die Weltpolitik jedenfalls einen Führer engagiert, dem es nicht an Erfahrung, aber auch nicht an Selbstbewusstsein gebricht. Plötner gehört zu den eher wenigen Diplomaten, die einem Minister auch vor Zeugen widersprechen.
Der 54-Jährige wird geschätzt als versierter Netzwerker, der auch in schwierigen Situationen diplomatische Geschäfte auszuhandeln versteht. Zu Beginn der Covid-Pandemie klagte er über die "handwerklich-diplomatischen" Schwierigkeiten aufgrund des Zwangs zu Telefon- und Videokonferenzen. Da könne man nicht sagen: "Wir bleiben jetzt in diesem Raum und streiten das aus, bis wir eine Einigung haben."
Plötners Karriere ist eng mit Frank-Walter Steinmeier verbunden
Das Ausstreiten hatte Plötner unter anderem 2014 eingeübt. Da war er Büroleiter des damaligen Außenministers Frank-Walter Steinmeier und an den Verhandlungen beteiligt, die den von Russland befeuerten Krieg in der Ost-Ukraine unter Kontrolle bringen sollten. Seine Karriere ist wie die etlicher Führungskräfte eng mit dem jetzigen Bundespräsidenten verbunden. Ihm hatte er schon als Sprecher in dessen erster Amtszeit als Außenminister gedient.
Plötners neuer Posten hat schon während der Amtszeit Merkels erheblich an Bedeutung gewonnen, und zwar in dem Maße, in dem die außenpolitischen Kanäle vom Auswärtigen Amt ins Kanzleramt umgeleitet wurden. Während ihre Außenminister wechselten, nahm Merkel die Außenpolitik immer stärker selbst in die Hand, jedenfalls bei weltpolitischen Krisen. Der Arbeitsplatz von Diplomaten wie Christoph Heusgen, jahrelang Merkels außenpolitischer Berater, wurde dadurch zu einer wichtigen Schaltstelle, die nun auch Scholz nutzen wird. Dabei hilft, dass Plötner mit den Krisen, die auf den neuen Kanzler nun vom ersten Tag an zukommen, schon zu tun hatte.Das gilt auch für die Kriegsgefahr nach dem russischen Truppenaufmarsch an der Grenze zur Ukraine, über die Merkel in ihren letzten Tagen als Kanzlerin gleich mehrfach mit US-Präsident Joe Biden und anderen westlichen Staats- und Regierungschefs konferierte. Biden hat nach seinem Videotelefonat mit Kremlchef Wladimir Putin eine diplomatische Initiative angekündigt, in die er mit höchster Wahrscheinlichkeit auch Scholz einbinden will.
Der bleibt aber erst einmal betont vage, was seine eigenen Schritte angeht. Es müsse "Klarheit" geben, sagte er in mehreren Interviews, dass Grenzen in Europa nicht verletzt werden dürften. Offen ließ er, ob ein russischer Angriff einen Stopp von Nord Stream 2 nach sich zöge. "Das wäre eine ganz dramatische Regelverletzung, die noch ganz andere Konsequenzen haben würde", sagte Scholz im ZDF. Jetzt sei aber "doch erst mal unsere Aufgabe, ganz klar zu beschreiben, was wir jetzt wollen und erreichen müssen".
Scholz will sich in Entscheidungen nicht drängen lassen
Scholz beruft sich dabei gerne auf die Entspannungspolitik der sozialdemokratischen Bundeskanzler Willy Brandt und Helmut Schmidt und will deren Erfahrungen in die heutige Zeit übertragen. Beide hätten gezeigt, "dass es möglich ist, ein Miteinander zu entwickeln in einer dramatisch verfeindeten Situation, die auch für den Frieden und die Sicherheit sehr bedrohlich war".
Vor allem will sich Scholz international, wie auch zu Hause, nicht zu Entscheidungen drängen lassen. Nach dem von den USA angekündigten diplomatischen Boykott der Olympischen Spiele in China sieht er "keinen Grund, sich vorschnell auf irgendein Vorgehen hinzubewegen". Hier müsse man "sorgfältig beraten".
An der engen Bindung zu den USA will der neue Kanzler jedoch keinen Zweifel zulassen. Gerade in einer Welt mit immer mehr Machtzentren gelte es, "verbunden zu sein mit denen, die Demokratien und Rechtsstaaten" seien wie die USA. Schon sein erster Arbeitstag bot Scholz Gelegenheit, das einzuüben als Teilnehmer an dem von Biden ausgerichteten virtuellen "Gipfel der Demokratie". Die demokratischen Werte seien in den vergangenen Jahren immer stärker unter Druck geraten, sagte er. Es sei daher "umso wichtiger für die bestehenden Demokratien, für diese Werte einzustehen".
Am Freitag wird Scholz dann in Paris von Präsident Emmanuel Macron zum Antrittsbesuch erwartet, danach in Brüssel bei der EU und der Nato. Alles eher freundliche Termine. Bis Sonntag, dann will Scholz Polen besuchen. Ministerpräsident Mateusz Morawiecki hat sein wichtigstes Anliegen schon angekündigt. Er will den neuen Kanzler auffordern, Nord Stream 2 zu stoppen.
Kanzlerschaft und internationale Beziehungen: Der Mann fürs Äußere
Am ersten Tag im Amt nimmt Olaf Scholz an Bidens "Gipfel der Demokratie" teil - sein Kanzlerdebüt in der Außenpolitik. Durch diese soll ihn ein selbstbewusster Diplomat begleiten.
Der Mann fürs Äußere
Für Diplomaten, die auf Zwischen- und Untertöne trainiert sind, gab es in der Abschiedsrede von Heiko Maas eine interessante Passage. Bei der Übergabe des Auswärtigen Amtes an Annalena Baerbock dankte Maas in warmen Worten seinen engsten und wichtigsten Mitarbeitern, lobte den einen als "großartigen Diplomaten und vor allem als großartigen Menschen", bekannte bei der anderen, er habe ihr "blind" vertraut, und auch menschlich habe es funktioniert. Einen aber würdigte Maas staubtrocken. "Ich will mich bedanken, bei Jens Plötner, der mich als Politischer Direktor begleitet hat und auch beraten hat. Und auf den ich mich vor allem immer verlassen konnte und das auch getan habe", sagte Maas knapp.
SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich hat schon wissen lassen, dass die Außenpolitik "insbesondere im Kanzleramt" gesteuert werden solle, was auch als Botschaft an die Grüne Baerbock verstanden werden kann, die nun dringend einen neuen Politischen Direktor braucht. In Plötner hat Scholz sich für die Reise in die Weltpolitik jedenfalls einen Führer engagiert, dem es nicht an Erfahrung, aber auch nicht an Selbstbewusstsein gebricht. Plötner gehört zu den eher wenigen Diplomaten, die einem Minister auch vor Zeugen widersprechen.
Der 54-Jährige wird geschätzt als versierter Netzwerker, der auch in schwierigen Situationen diplomatische Geschäfte auszuhandeln versteht. Zu Beginn der Covid-Pandemie klagte er über die "handwerklich-diplomatischen" Schwierigkeiten aufgrund des Zwangs zu Telefon- und Videokonferenzen. Da könne man nicht sagen: "Wir bleiben jetzt in diesem Raum und streiten das aus, bis wir eine Einigung haben."
Plötners Karriere ist eng mit Frank-Walter Steinmeier verbunden
Das Ausstreiten hatte Plötner unter anderem 2014 eingeübt. Da war er Büroleiter des damaligen Außenministers Frank-Walter Steinmeier und an den Verhandlungen beteiligt, die den von Russland befeuerten Krieg in der Ost-Ukraine unter Kontrolle bringen sollten. Seine Karriere ist wie die etlicher Führungskräfte eng mit dem jetzigen Bundespräsidenten verbunden. Ihm hatte er schon als Sprecher in dessen erster Amtszeit als Außenminister gedient.
Das gilt auch für die Kriegsgefahr nach dem russischen Truppenaufmarsch an der Grenze zur Ukraine, über die Merkel in ihren letzten Tagen als Kanzlerin gleich mehrfach mit US-Präsident Joe Biden und anderen westlichen Staats- und Regierungschefs konferierte. Biden hat nach seinem Videotelefonat mit Kremlchef Wladimir Putin eine diplomatische Initiative angekündigt, in die er mit höchster Wahrscheinlichkeit auch Scholz einbinden will.
Der bleibt aber erst einmal betont vage, was seine eigenen Schritte angeht. Es müsse "Klarheit" geben, sagte er in mehreren Interviews, dass Grenzen in Europa nicht verletzt werden dürften. Offen ließ er, ob ein russischer Angriff einen Stopp von Nord Stream 2 nach sich zöge. "Das wäre eine ganz dramatische Regelverletzung, die noch ganz andere Konsequenzen haben würde", sagte Scholz im ZDF. Jetzt sei aber "doch erst mal unsere Aufgabe, ganz klar zu beschreiben, was wir jetzt wollen und erreichen müssen".
Scholz will sich in Entscheidungen nicht drängen lassen
Scholz beruft sich dabei gerne auf die Entspannungspolitik der sozialdemokratischen Bundeskanzler Willy Brandt und Helmut Schmidt und will deren Erfahrungen in die heutige Zeit übertragen. Beide hätten gezeigt, "dass es möglich ist, ein Miteinander zu entwickeln in einer dramatisch verfeindeten Situation, die auch für den Frieden und die Sicherheit sehr bedrohlich war".
Vor allem will sich Scholz international, wie auch zu Hause, nicht zu Entscheidungen drängen lassen. Nach dem von den USA angekündigten diplomatischen Boykott der Olympischen Spiele in China sieht er "keinen Grund, sich vorschnell auf irgendein Vorgehen hinzubewegen". Hier müsse man "sorgfältig beraten".
An der engen Bindung zu den USA will der neue Kanzler jedoch keinen Zweifel zulassen. Gerade in einer Welt mit immer mehr Machtzentren gelte es, "verbunden zu sein mit denen, die Demokratien und Rechtsstaaten" seien wie die USA. Schon sein erster Arbeitstag bot Scholz Gelegenheit, das einzuüben als Teilnehmer an dem von Biden ausgerichteten virtuellen "Gipfel der Demokratie". Die demokratischen Werte seien in den vergangenen Jahren immer stärker unter Druck geraten, sagte er. Es sei daher "umso wichtiger für die bestehenden Demokratien, für diese Werte einzustehen".
Am Freitag wird Scholz dann in Paris von Präsident Emmanuel Macron zum Antrittsbesuch erwartet, danach in Brüssel bei der EU und der Nato. Alles eher freundliche Termine. Bis Sonntag, dann will Scholz Polen besuchen. Ministerpräsident Mateusz Morawiecki hat sein wichtigstes Anliegen schon angekündigt. Er will den neuen Kanzler auffordern, Nord Stream 2 zu stoppen.
Zitat von Gast am 16. Dezember 2021, 09:33 UhrScholz stimmt Bürger auf größten Umbruch seit 100 Jahren ein
Bundeskanzler Olaf Scholz hat in seiner ersten Regierungserklärung den größten Umbruch von Wirtschaft und Produktion seit 100 Jahren angekündigt. Zugleich machte er Mut, dass die Corona-Krise überwunden werden kann.
"Hinter uns liegen 250 Jahre, in denen unser Wohlstand auf dem Verbrennen von Kohle, Öl und Gas gründete. Jetzt liegen vor uns etwa 23 Jahre, in denen wir aus den fossilen Brennstoffen aussteigen müssen und aussteigen werden", sagte Bundeskanzler Olaf Scholz in seiner ersten Regierungserklärung im Bundestag. Bis 2045 müsse Deutschland klimaneutral sein. Die Regierung sei dem Pariser Klimaabkommen verpflichtet und werde zu seinem Erfolg beitragen. "Damit liegt vor uns die größte Transformation unserer Industrie und Ökonomie seit mindestens 100 Jahren."
Scholz sagte, die neue Regierung sei eine Regierung des Fortschritts - und zwar sozial, gesellschaftlich und kulturell. Er betonte zudem: "Wir sind eine Regierung des technischen Fortschritts, weil wir nur mit technischem Fortschritt klimaneutral werden können und weil Deutschland und Europa nur so mithalten können im globalen Wettbewerb.
Keine roten Linien im Kampf gegen die Pandemie
Mit Blick auf die Corona-Pandemie bekräftigte Scholz das Ziel, bis Jahresende 30 Millionen Dosen als Erst-, Zweit- oder Booster-Impfung zu verabreichen. Seit dem 18. November seien bereits 19 Millionen Dosen verimpft worden. Jetzt gelte es, in den verbleibenden Tagen den Rest zu schaffen. Nur so bekomme Deutschland es hin, die Corona-Welle hinter sich zulassen, sagte Scholz.
"Die Bundesregierung wird nicht einen einzigen Augenblick ruhen, und wir werden jeden nur möglichen Hebel bewegen, bis wir alle unser früheres Leben und alle unsere Freiheiten zurückbekommen haben", so der Kanzler weiter. Dafür werde sein Kabinett alle notwendigen Maßnahmen ergreifen. "Wir werden alles tun, was notwendig, ist, es gibt da für die Bundesregierung keine roten Linien."Widerstand gegen extremistische Minderheit
Der SPD-Politiker machte zugleich den Bürgern Mut, dass die Corona-Krise überwunden werden kann: "Ja, es wird wieder besser, ja, wir werden den Kampf gegen diese Pandemie mit der größten Entschlossenheit führen, und ja, wir werden diesen Kampf gewinnen." Es sei allerdings keine Zeit zu verlieren. Scholz räumte ein, dass es in diesen "dunklen Tagen" manchmal schwerfalle, nicht den Mut zu verlieren. Niemandem gehe es in diesen Zeiten richtig gut, auch ihm selbst nicht. "Ich weiß, dass Abstandhalten und Glücklichsein schlecht zusammenpassen."
In diesem Zusammenhang übte der Bundeskanzler allerdings heftige Kritik an den Corona-Leugnern. Es gebe in Deutschland eine kleine extremistische und ungehemmte Minderheit, die sich in der Pandemie vom Staat und der Wissenschaft abgewendet habe. Die Bundesrepublik werde es sich aber nicht gefallen lassen, dass die Minderheit der Mehrheit ihren Willen aufzwinge. "Unsere Demokratie ist eine wehrhafte Demokratie."
Gegen Rassismus, Sexismus und andere Diskriminierungen
Den Menschen mit ausländischen Wurzeln in Deutschland versprach Scholz mehr gesellschaftliche Teilhabe. "Wir sprechen hier von fast einem Viertel unserer Bevölkerung." Die Bundesrepublik sei ein Einwanderungsland, aber sie müsse ein noch besseres Integrationsland werden. Die Probleme dieser Zeit seien nur zu bewältigen, wenn "uns unterwegs nicht der gesellschaftliche Zusammenhalt abhandenkommt", betonte der Kanzler. Zu jeder Politik des Respekts gehöre, dass sie sich konsequent gegen Rassismus, Sexismus und jede andere Diskriminierung richte.
Scholz stimmt Bürger auf größten Umbruch seit 100 Jahren ein
Bundeskanzler Olaf Scholz hat in seiner ersten Regierungserklärung den größten Umbruch von Wirtschaft und Produktion seit 100 Jahren angekündigt. Zugleich machte er Mut, dass die Corona-Krise überwunden werden kann.
"Hinter uns liegen 250 Jahre, in denen unser Wohlstand auf dem Verbrennen von Kohle, Öl und Gas gründete. Jetzt liegen vor uns etwa 23 Jahre, in denen wir aus den fossilen Brennstoffen aussteigen müssen und aussteigen werden", sagte Bundeskanzler Olaf Scholz in seiner ersten Regierungserklärung im Bundestag. Bis 2045 müsse Deutschland klimaneutral sein. Die Regierung sei dem Pariser Klimaabkommen verpflichtet und werde zu seinem Erfolg beitragen. "Damit liegt vor uns die größte Transformation unserer Industrie und Ökonomie seit mindestens 100 Jahren."
Scholz sagte, die neue Regierung sei eine Regierung des Fortschritts - und zwar sozial, gesellschaftlich und kulturell. Er betonte zudem: "Wir sind eine Regierung des technischen Fortschritts, weil wir nur mit technischem Fortschritt klimaneutral werden können und weil Deutschland und Europa nur so mithalten können im globalen Wettbewerb.
Keine roten Linien im Kampf gegen die Pandemie
Mit Blick auf die Corona-Pandemie bekräftigte Scholz das Ziel, bis Jahresende 30 Millionen Dosen als Erst-, Zweit- oder Booster-Impfung zu verabreichen. Seit dem 18. November seien bereits 19 Millionen Dosen verimpft worden. Jetzt gelte es, in den verbleibenden Tagen den Rest zu schaffen. Nur so bekomme Deutschland es hin, die Corona-Welle hinter sich zulassen, sagte Scholz.
Widerstand gegen extremistische Minderheit
Der SPD-Politiker machte zugleich den Bürgern Mut, dass die Corona-Krise überwunden werden kann: "Ja, es wird wieder besser, ja, wir werden den Kampf gegen diese Pandemie mit der größten Entschlossenheit führen, und ja, wir werden diesen Kampf gewinnen." Es sei allerdings keine Zeit zu verlieren. Scholz räumte ein, dass es in diesen "dunklen Tagen" manchmal schwerfalle, nicht den Mut zu verlieren. Niemandem gehe es in diesen Zeiten richtig gut, auch ihm selbst nicht. "Ich weiß, dass Abstandhalten und Glücklichsein schlecht zusammenpassen."
In diesem Zusammenhang übte der Bundeskanzler allerdings heftige Kritik an den Corona-Leugnern. Es gebe in Deutschland eine kleine extremistische und ungehemmte Minderheit, die sich in der Pandemie vom Staat und der Wissenschaft abgewendet habe. Die Bundesrepublik werde es sich aber nicht gefallen lassen, dass die Minderheit der Mehrheit ihren Willen aufzwinge. "Unsere Demokratie ist eine wehrhafte Demokratie."
Gegen Rassismus, Sexismus und andere Diskriminierungen
Den Menschen mit ausländischen Wurzeln in Deutschland versprach Scholz mehr gesellschaftliche Teilhabe. "Wir sprechen hier von fast einem Viertel unserer Bevölkerung." Die Bundesrepublik sei ein Einwanderungsland, aber sie müsse ein noch besseres Integrationsland werden. Die Probleme dieser Zeit seien nur zu bewältigen, wenn "uns unterwegs nicht der gesellschaftliche Zusammenhalt abhandenkommt", betonte der Kanzler. Zu jeder Politik des Respekts gehöre, dass sie sich konsequent gegen Rassismus, Sexismus und jede andere Diskriminierung richte.