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EZB überrascht mit schnellerem Bilanzabbau

EZB überrascht beim Bilanzabbau

Notenbank verzichtet auf Signale für zeitnahe Zinssenkungen – Inflationsprognose nach unten korrigiert

Die Europäische Zentralbank (EZB) lässt die Leitzinsen konstant und hat doch eine Überraschung parat. Ab Mitte 2024 reduziert sie das Volumen der Reinvestitionen des Anleihekaufprogramms PEPP, ab 2025 stellt diese komplett ein. EZB-Präsidentin Christine Lagarde mahnt, dies sei keine Vorbereitung für Zinssenkungen.

Nach dem gestrigen Zinsentscheid der Fed, bei dem die US-Notenbank drei Zinssenkungen in 2024 in Aussicht stellte, haben Anleger am Donnerstag vergeblich auf Signale für eine geldpolitische Lockerung der Europäischen Zentralbank (EZB) gehofft. Weder im Kommuniqué der Notenbank noch in der Stellungnahme von EZB-Präsidentin Christine Lagarde taucht das Wort „Zinssenkung“ auf. Auf Nachfrage eines Journalisten sagte Lagarde auf der Pressekonferenz: „Wir haben überhaupt nicht über Zinssenkungen diskutiert.“

Damit bleibt die EZB ihrer Linie treu, baldigen Zinssenkungen öffentlich eine Absage zu erteilen. „Die EZB liefert eine zweigeteilte Botschaft. Einerseits verabschiedet sie sich faktisch von der Zinsanhebungsphase, wie dies die Fed bereits gestern getan hat“, urteilt Elmar Völker, Analyst der Landesbank Baden-Württemberg. „Andererseits beschleunigt sie das Abschmelzen der Anleihebestände ab der Mitte nächsten Jahres.“

Änderung zur Jahresmitte 2024

Während die EZB wie erwartet die Leitzinsen unverändert ließ, verkündete sie beim Pandemie-Notfallanleihekaufprogramm PEPP eine Änderung. Die Reinvestitionen der Notenbank werden sich ab der zweiten Jahreshälfte 2024 auf durchschnittlich 7,5 Mrd. Euro pro Monat halbieren. Ab 2025 ist mit den Reinvestitionen dann ganz Schluss. Dies ist für Jörg Angelé, Senior Economist des Asset Managers Bantleon, „die größte Überraschung des heutigen EZB-Ratstreffens“. Der Schritt erhöht das Tempo beim Bilanzabbau der EZB.

„Damit dürfte sie eine erste Zinssenkung im zweiten Halbjahr 2024 vorbereiten“, meint Michael Holstein, Chefvolkswirt der DZ Bank. Eine Einschätzung, die Lagarde auf der Pressekonferenz zu zerstreuen versuchte. Die Änderungen bei PEPP seien kein Hinweis auf eine Vorbereitung von Zinssenkungen.

„Die EZB ist der Ansicht, dass PEPP seinen Zweck erfüllt hat“, begründete Lagarde den Schritt. Die Pandemie sei inzwischen vorbei und es sei daher geboten, die Reinvestitionen früher zu reduzieren und dann ab 2025 einzustellen. Das Ende der Reinvestitionen sei einstimmig beschlossen worden, was den Zeitpunkt der Reduzierung betrifft, habe es unterschiedliche Positionen gegeben. „Manche Ratsmitglieder wollten mit dem Tapern früher beginnen, andere später“, gab die EZB-Präsidentin an.

Starker Anstieg der Anleihen

Tomasz Wieladek, Chefvolkswirt für Europa beim US-Finanzdienstleitungsunternehmen T. Rowe Price sieht die jüngsten Marktentwicklungen als Grund für die Änderungen bei PEPP. „Dies ist wahrscheinlich auf den starken Anstieg der Anleihen des Euroraums im vergangenen Monat zurückzuführen, der der EZB die Möglichkeit gab, diese Politik anzukündigen, ohne einen unerwünschten Ausverkauf der Märkte zu riskieren“. Das schrittweise Vorgehen bei der Reduzierung der PEPP-Käufe dürfte das Risiko von Turbulenzen an den Finanzmärkten ebenfalls senken.

Im Rahmen von PEPP kauft die EZB überproportional viele italienische Staatsanleihen. Dies reduziert die Spreads zu den Papieren anderer Staaten, etwa zu deutschen Bonds. Kritiker eines früheren Endes des Anleihekaufprogramms befürchten, dass dies negative Auswirkungen auf die Finanzmärkte haben könnte. Zudem könnten höhere Spreads die effektive Transmission der Geldpolitik im gesamten Euroraum gefährden.

Transmission nicht gefährdet

Lagarde zeigte in dieser Hinsicht keine Bedenken. „Wir sehen derzeit kein Risiko einer Fragmentierung“, sagte sie. Zudem wies die EZB-Präsidentin darauf hin, dass die Notenbank 2022 ein Instrument aufgelegt hat, das dann zum Einsatz kommt, wenn tatsächlich „ungerechtfertigte und ungeordnete Marktentwicklungen“ auftreten, die die Transmission der Geldpolitik gefährden. Bislang kam dieses Programm namens TPI (Transmission Protection Instrument) noch nie zum Einsatz. Die EZB werde aber „keine Sekunde zögern“, TPI einzusetzen, falls dies in Zukunft nötig sein werde, so Lagarde.

EZB überrascht mit schnellerem Bilanzabbau

EZB überrascht mit schnellerem Bilanzabbau© Bereitgestellt von Börsen-Zeitung

Eine weitere Änderung neben PEPP hatte die EZB bei den Inflations- und Konjunkturprognosen parat. Für das kommende Jahr rechnet sie nur noch mit einer Inflation von 2,7%. Bei der vorangegangenen Projektion im September waren es noch 3,2% gewesen. Auch bei der Kerninflation erwarten die Volkswirte der Notenbank im kommenden Jahr 2,7%.

Ökonomen erwarten Zinssenkungen in 2024

Bei der Konjunktur bleibt die EZB recht optimistisch. Sie geht weiterhin davon aus, dass es im kommenden Jahr keine Rezession in der Eurozone geben wird. Statt mit 1,0% Wirtschaftswachstum rechnet sie nun mit 0,8%. Der Ausblick für 2025 bleibt stabil bei 1,5%.

„Die Tür für Zinssenkungen wird sich im kommenden Jahr sperrangelweit öffnen“, meint Thomas Gitzel, Chefvolkswirt der VP Bank, mit Verweis auf die schwache Konjunktur und den abnehmenden Preisdruck. Ökonomen erwarten durch die Bank weg Zinssenkungen der EZB in 2024. Die große Frage für Volkswirte ist jedoch, wann diese erfolgen. Mit einer ersten Lockerung bereits im Frühjahr rechnet nur eine Minderheit.

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„Es riecht nach Zinssenkungen“: Rückgang der Inflation und sanftere Töne aus der EZB deuten auf eine Zinswende hin

Die Europäische Zentralbank (EZB) und ihre Präsidentin Christine Lagarde könnten bald die Zinsen senken.© Picture Alliance
Die Europäische Zentralbank (EZB) und ihre Präsidentin Christine Lagarde könnten bald die Zinsen senken.

Es liegt etwas in der Luft in Europa. Die Inflation geht zurück, sogar schneller als erwartet. Gleichzeitig ist die Konjunktur schwach, nicht nur in Deutschland, sondern in der gesamten Euro-Zone. In dieser Lage kommen aus der Europäischen Zentralbank (EZB) neue, sanftere Töne zu Inflation und Zinsen. Auch von EZB-Chefin Christine Lagarde. „Es riecht nach Zinssenkungen“, sagt Bantleon-Analyst Jörg Angelé. Die Frage ist nicht mehr, ob die EZB die Leitzinsen senkt, sondern wann und wie stark.

Ihren Höhepunkt hat die Inflationswelle zwar schon lange überschritten. Doch von ihrem Höhepunkt mit zweistelligen Inflationsraten im Herbst 2022 kam die Teuerung zunächst nur zäh zurück. Nun aber kühlt der Preisauftrieb spürbar ab. Im Januar stiegen die Preise in der Euro-Zone nur noch mit einer Jahresrate von 2,75 Prozent, nach bereits geringen 2,9 Prozent im Dezember.

In Deutschland, der mit Abstand größten Volkswirtschaft der Euro-Zone, stiegen die Preise im Januar in europäischer Rechnung um 3,1 Prozent. In der nationalen Rechnung des Statistischen Bundesamtes fiel die Inflationsrate deutlich von 3,7 auf 2,9 Prozent. Und dies, obwohl die Preisbremsen für Strom und Gas wegfielen, die CO₂-Steuer stieg und Senkung der Mehrwertsteuer in der Gastronomie endete.

Der wichtigste Grund für den Rückgang der Inflationsraten in Deutschland und der Euro-Zone sind die niedrigeren Energiepreise. Auch die Preise für Nahrungsmittel, lange Treiber die Inflation, steigen jetzt langsamer. Doch auch ohne diese beiden oft stark schwankenden Preise sank die Kerninflation in der Euro-Zone im Januar von 3,4 auf 3,3 Prozent.

Zinssenkungen der EZB rücken näher

Gleichzeitig ist die Konjunktur in Europa schwach. In Deutschland ist die Wirtschaft 2023 geschrumpft. Im ersten Quartal 2024 dürfte das deutsche Bruttoinlandsprodukt weiter zurückgehen, erwartet das Ifo-Institut. Während Deutschland in Europa lange ein Ausreißer war, erfasst die Flaute jetzt die gesamte Euro-Zone insgesamt. Das Euro-BIP stagniert. Es entwickelt sich auch schwächer als von der EZB erwartet. Von der Nachfrageseite ist kein Preisdruck zu erwarten.

Entsprechend erwartungsvoll blicken neben Ökonomen auch viele Politiker auf die EZB. Sinkende Zinsen könnten die Wirtschaft ankurbeln. Die Europäische Zentralbank ist aber allein der Preisstabilität verpflichtet. Wirtschaftswachstum und Beschäftigung gehören nicht zu ihrem Mandat.

Im Kampf gegen die Rekord-Inflation hatte die EZB die Leitzinsen seit dem Sommer 2022 kräftig um 4,5 Prozentpunkte angehoben. Bei ihrer ersten Sitzung im neuen Jahr ließ die EZB die Leitzinsen noch unverändert bei vier bis 4,5 Prozent.

Doch Lagardes Äußerungen zu dieser Zinsentscheidung wurden von vielen Ökonomen so bewertet, dass im EZB-Rat die „Tauben“ (für eine Lockerung der Geldpolitik) die Oberhand gegenüber den „Falken“ (für eine straffere Geldpolitik) gewinnen.

„Die EZB hat einen klaren Wechsel in ihrer Denkweise zum Ausdruck gebracht“, kommentierte etwa Peter Sidorov, Senior Economist bei Deutsche Bank Research. „Sollte sich unsere Einschätzung bewahrheiten, dass Wachstum und Inflation geringer ausfallen als von der EZB erwartet, rechnen wir mit Zinssenkungen ab April.“

„Die EZB positioniert sich deutlich weniger falkenhaft als noch im Dezember“, urteilt auch Bantleons Jörg Angelé. „Die Währungshüter scheinen zuversichtlicher zu werden, ihr Inflationsziel trotz des bis zuletzt starken Lohnwachstums in absehbarer Zeit zu erreichen“. Angelé: „Es riecht nach Zinssenkungen. Mit ihren Ausführungen bereitet die EZB unserer Ansicht nach eine baldige Lockerung der Geldpolitik vor.“ Angelé ist laut dem Magazin Bloomberg der weltweit treffsicherster Ökonom für Prognosen für die Euro-Zone.

Angelé argumentiert ähnlich wie Sidorov: „Sollten wir mit unserer Erwartung eines deutlichen Inflationsrückgangs im Januar und Februar richtig liegen, liefe es wohl auf eine erste Zinssenkung im April hinaus“. Bis zum Herbst könne die EZB die Leitzinsen dann um mindestens einen Prozentpunkt senken. „Die Gesamtinflationsrate sollte im laufenden Monat auf 2,4 Prozent zurückgehen. Für das zweite Halbjahr prognostizieren wir unverändert Werte unter 2,0 Prozent.“

Kritischer sieht dies Michael Heise, Chefökonom des Vermögensverwalters HQ Trust. In Deutschland sei der Rückgang der Inflation zwar erfreulich. „Er signalisiert aber noch keine Rückkehr zur Preisstabilität.“ Heise rechnet mit weiterem Preisdruck vor allem bei Dienstleistungen. Daher sei ein stärkerer Rückgang der Inflation in den kommenden Monaten nicht sehr wahrscheinlich. „Für die EZB ist die Preisentwicklung in der größten Volkswirtschaft der Währungsunion noch kein Grund der Lockerung der Geldpolitik.“

Ähnlich urteilt Michael Holstein, Chefvolkswirt der DZ Bank. „Auch wenn die Konjunktur im Euro-Raum schwach ist und möglicherweise noch weiter nachlässt, wird die EZB mit einer ersten Zinssenkung mindestens bis zum Sommer warten – wir gehen sogar vom vierten Quartal aus.“ Holstein verweist auf den Preisdruck durch deutlich steigende Löhne und Gehälter. „Die Lohnentwicklung stellt die größte Inflationsgefahr dar.“ Die aktuellen Erwartungen der Finanzmärkte für Tempo und Ausmaß der Zinssenkungen hält er für übertrieben.

Wann senkt die US-Notenbank Fed die Zinsen?

Am Mittwoch hatte auch die US-Notenbank Fed ihren Leitzins für die USA unverändert in einer Spanne von 5,25 bis 5,5 Prozent belassen. Fed-Chef Jerome Powell machte dabei erstmals deutlich, dass auch in den USA der Zinsgipfel erreicht sei. Die Fed hatte im Dezember in ihrer Wirtschaftsprognose sogar unterstellt, dass es in diesem Jahr drei Zinssenkungen geben wird. Wann sie beginnen, ließ Powell offen. „Ich halte es nicht für wahrscheinlich, dass die Fed bis zur März-Sitzung ein Maß an Vertrauen (in den dauerhaften Rückgang der Inflation) erreichen wird, um den März als den richtigen Zeitpunkt dafür zu identifizieren", sagte Powell – und fügte hinzu: ‚Aber das bleibt abzuwarten.‘

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