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Energiepolitik

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Dramatisches Szenario führender Institute: Bei einem kalten Winter droht Deutschland eine beispiellose Wirtschaftskrise

In ihrer Gemeinschaftsprognose haben die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute ein Risikoszenario berechnet: Danach droht Deutschland im Falle einer Gasknappheit eine dramatische Krise.

In ihrer Gemeinschaftsprognose haben die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute ein Risikoszenario berechnet: Danach droht Deutschland im Falle einer Gasknappheit eine dramatische Krise.© Picture Alliance
In ihrer Gemeinschaftsprognose haben die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute ein Risikoszenario berechnet: Danach droht Deutschland im Falle einer Gasknappheit eine dramatische Krise.

Wie kommt Deutschland durch den Winter? Reichen die Gasvorräte, stehen ausreichend Alternativen zur Energie aus Russland bereit? Auf diese Frage versuchte Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) vor ein paar Tagen etwas Optimismus auszustrahlen: „Wenn beim Gassparen alles gut geht und wir Glück mit dem Wetter haben, dann haben wir eine Chance, gut durch den Winter zu kommen.“

Und wenn nicht? Wenn Haushalte und Unternehmen nicht genügend Gas sparen, auch weil der Winter sehr kalt wird? Was droht dann eigentlich?

Damit haben sich die vier großen Wirtschaftsforschungsinstitute befasst, die diese Woche ihre gemeinsame Konjunkturprognose vorgestellt haben. In ihrem Basisszenario erwarten die Ökonomen demnach eine eher milde Rezession. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) werde 2023 um 0,4 Prozent schrumpfen, die deutsche Wirtschaft werde aber bereits im Laufe des Jahres wieder wachsen.

Das Risikoszenario der Wirtschaftsinstitute?

In ihrem 83-seitigen Gutachten befassen sich die Institute aber auch intensiv mit einem weniger beachteten Risikoszenario. Es stellt genau die "Habeck"-Frage. Was passiert, wenn der Winter kalt wird und wir nicht genug Gas sparen? Antwort der Forscher: Die Folgen wären ein dramatischer Einbruch der Wirtschaft und die tiefste und längste Wirtschaftskrise seit dem Zweiten Weltkrieg.

Im Jahr 2023 würde die Wirtschaftsleistung in Deutschland dann um 7,9 Prozent einbrechen. Im Winterquartal würde das BIP sogar um 14 Prozent schrumpfen. Die Krise wäre nicht nur tief, sondern auch lang. Denn auch im Folgejahr 2024 würde die Wirtschaft noch einmal um deutliche 4,2 Prozent schrumpfen, im ersten Quartal 2024 sogar um 15 Prozent.

Eine solche Depression hat es in der Bundesrepublik noch nie gegeben. Die Folgen für Wohlstand, Einkommen, Arbeitsmarkt und mit großer Wahrscheinlichkeit für die soziale und politische Stabilität wären immens.

Das größte Risiko für Deutschland ist die Verfügbarkeit von Gas

"Das größte Risiko für die konjunkturelle Entwicklung stellt derzeit die Verfügbarkeit von Gas dar", schreiben die Forscher. "Sollte der Verbrauch in diesem Winter nicht, wie in dieser (Basis-)Prognose unterstellt, ausreichend sinken, käme es zu einer staatlichen Rationierung. In dieser Situation müssten die Unternehmen ihre Produktion zusätzlich einschränken." Mehr noch: "Auch im darauffolgenden Winter ist eine Gasmangellage nicht auszuschließen, sofern es nicht gelingt, die Speicher im Laufe

des Jahres ausreichend zu füllen." Dann käme es im Winter 2023/2024 abermals zu Ausfällen der Produktion.

Das Besondere an der Situation ist, dass sich die Wahrscheinlichkeit der Risiken schwer schätzen lässt. Denn das Wohl und Wehe der deutschen Wirtschaft hängt in einem hohen Maß vom Wetter ab. "Sollte der kommende Winter deutlich wärmer (kälter) als im Durchschnitt der vergangenen Jahre werden, würde die Gasnachfrage geringer (größer) ausfallen als in dieser Prognose unterstellt. In diesem Fall dürften die Gaspreise schneller (langsamer) zurückgehen und die Wirtschaftsaktivität in geringerem (größerem) Maße dämpfen", beschreiben die Ökonomen die Unsicherheit.

Um eine Rationierung von Gas zu verhindern, müsse der Gasverbrauch um 20 Prozent zum Vorjahr sinken. Dies wäre aber wohl nur dann zu erreichen, wenn es keinen außergewöhnlich kalten Winter gibt. Zusätzlich müsse der Import von Gas aus anderen Quellen, vor allem von Flüssiggas, erhöht werden.

Gelinge dies nicht, "sind gravierende Konsequenzen für die wirtschaftliche Aktivität zu erwarten", heißt es in der Prognose. "In einem Risikoszenario, welches unter anderem einen sehr kalten Winter sowie geringere Gaseinsparungen unterstellt, dürfte das preisbereinigte Bruttoinlandsprodukt jeweils zu Jahresbeginn 2023 und 2024 massiv einbrechen."

Für ihre Szenarien haben die Institute ihre Modelle deutlich verfeinert. Das gilt sowohl für die Annahmen über das Gasangebot als auch für die Einsparpotenziale bei Haushalten und Unternehmen sowie die Folgewirkung von Gasrationierungen auf die Wirtschaft. Besonders wurden die Modelle aber um den Einfluss des Wetters ergänzt.

Der große Einfluss des Wetters im Winter

Die Institute berechnen den Einfluss des Wetters auf den Gasverbrauch anhand von Erfahrungswerten zu Temperatur und Gasverbrauch aus der Vergangenheit. Sie rechnen mehrere Szenarien anhand vieler Parameter.

"Eine entscheidende Rolle spielt das Wetter", steht in der Studie. Wird der Winter wärmer als im Mittel der vergangenen Jahre, kommt es zu keinem Mangel an Gas. Im mittleren Szenario "besteht ein erhöhtes Risiko, dass es zwischen Januar und März 2024 zu Rationierungen in der Industrie kommen kann". Der Grund ist, dass die Gasspeicher leer laufen und vor dem Winter 2024 nicht wieder gefüllt werden können. Ein Mangel ließe sich durch den Weiterbetrieb der verbliebenen Atomkraftwerke und die volle Auslastung der Flüssiggas-Terminals vermeiden.

Sind die Temperaturen im kommenden Winter ähnlich dem Durchschnitt der vergangenen Jahre, könnte ein Gasmangel vermieden werden, wenn:

  • der Gasverbrauch um zehn Prozent reduziert wird,
  • die Gasexporte (zum Beispiel nach Tschechien) um 20 Prozent reduziert werden,
  • über Pipelines weiterhin etwa so viel Gas wie im August 2022 importiert wird.

Für den Fall, dass die beiden kommenden Winter sehr kalt werden, reiche dies aber nicht aus. Um einen Gasmangel auch dann zu vermeiden, müssten 20 Prozent Gas gespart werden. Dies ist gerade bei tieferen Temperaturen aber unwahrscheinlich. Daher müssten die Importe über Pipelines oder Flüssiggas-Terminals entsprechend erhöht werden.

Sollte es aufgrund eines Gasmangels zu Einschränkungen der Produktion kommen, seien die Folgen gravierend, lautet das Fazit der Ökonomen. In ihrem Szenario gehen die Forscher davon aus, die gesamtwirtschaftliche Aktivität im ersten Quartal 2023 um rund 14 Prozent und zum Jahresanfang 2024 noch einmal um rund 16 Prozent einbrechen würde. In den Jahresverläufen würde es dann jeweils eine Erholung geben, die die Einbußen aber nicht mehr aufholen könnte.

Zur Wahrscheinlichkeit ihres Risikoszenarios stellen die Forscher fest: "Die Modellsimulationen zur Gasverfügbarkeit zeigen, dass eine Reduktion des Gasverbrauchs um 20 Prozent bei gleichzeitiger Erhöhung der Importe (inklusive der geplanten LNG-Terminals) eine Gasmangellage bei jeder Wetterlage verhindern kann." Bei den Haushalten entspreche eine Senkung der Raumtemperatur um drei Grad einer Einsparung um 18 Prozent. Wenn die Einsparungen aber nicht gelingen, seien gravierende Folgen zu erwarten. Selbst wenn die Rationierung von Gas dann nicht mit einer Pleitewelle einhergehe, würden das BIP 2023 um 7,9 Prozent und 2024 nochmals um 4,2 Prozent schrumpfen.

In jedem Fall kostet die Energiekrise Wohlstand

Die Institute weisen darauf hin, dass die Gaskrise in jedem Fall einen Wohlstandsverlust für Deutschland bedeute, den der Staat mit allen Entlastungsprogrammen nicht ausgleichen könne.

"Die deutsche Wirtschaft befindet sich in einer Energiekrise, die das Ausmaß der Ölpreisschocks der 1970er Jahre übertreffen könnte", schreiben die Institute. Der Ölpreis hatte sich 1973/74 verdoppelt und war 1979/80 um das Eineinhalbfache gestiegen. Die Folgen waren jeweils Rezessionen, die mit minus 2,5 Prozent und minus einem Prozent zwar vergleichsweise mild blieben, aber stark steigende Arbeitslosenzahlen mit sich brachten.

Für den Wohlstand Deutschlands müsse zudem bedacht werden, dass die Preise für Güter, die Deutschland importiert, viel stärker steigen als für Güter, die Deutschland exportiert. Das bewirkt einen Einkommensverlust ans Ausland, den die Ökonomen auf rund 100 Milliarden Euro schätzen.

Die aktuelle Energiekrise werde in Deutschland zu dauerhaften Einkommenseinbußen führen. "Diesen Wohlstandsverlust kann die Politik mit Entlastungspaketen nicht aus der Welt schaffen", mahnen die Ökonomen. Wichtiger seien daher eine Ausweitung des Energieangebotes, die Steigerung der Energieeffizienz und die Stabilisierung der Energiepreise.

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EU-Kommission hält Stromausfälle und andere Notlagen in Europa für möglich

Berlin. EU-Kommissar für humanitäre Hilfe und Krisenschutz, Janez Lenarcic, schließt wegen des Ukraine-Krieges und der Energiekrise Katastrophenhilfe für Länder in der EU nicht aus. Zwei Szenarien hat die EU dafür ausgearbeitet.

Janez Lenarcic (M), EU-Kommissar für Krisenmanagement, bei einer Rede im EU-Parlament.

Janez Lenarcic (M), EU-Kommissar für Krisenmanagement, bei einer Rede im EU-Parlament.© Virginia Mayo

Angesichts des Ukraine-Krieges und der Energiekrise hält die EU-Kommission Stromausfälle und andere Notlagen innerhalb der EU für möglich. „Es ist gut möglich, dass Katastrophenhilfe auch innerhalb der EU nötig wird“, sagte der EU-Kommissar für humanitäre Hilfe und Krisenschutz, Janez Lenarcic, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (Dienstag).

Die EU arbeitet demnach mit zwei Szenarien. Sollte nur eine kleine Zahl an Mitgliedsstaaten von einem Zwischenfall wie einem Blackout betroffen sein, „können andere EU-Staaten über uns Stromgeneratoren liefern, wie es während Naturkatastrophen geschieht“, sagte der EU-Kommissar. Wäre eine große Zahl an Ländern gleichzeitig betroffen, sodass die EU-Länder ihre Nothilfe-Lieferungen an andere Mitgliedsstaaten deckeln müssten, könne die Kommission den Bedarf aus ihrer strategischen Reserve bedienen.

Zu dieser Reserve für Krisenfälle zählen laut Lenarcic Löschflugzeuge, Generatoren, Wasserpumpen und Treibstoff, aber auch medizinisches Gerät und inzwischen auch Medizin. Bereits im Zuge der Corona-Pandemie habe sich die EU-Kommission demnach gegen chemische, biologische, radiologische und nukleare Notfälle gewappnet. „So konnten wir nun schon fünf Millionen Jodtabletten an die Ukraine liefern, für die Anwohner bedrohter Atomkraftwerke“, sagte er.

Bei dem EU-Programm für Katastrophenschutz können alle EU-Mitgliedsstaaten, aber auch alle anderen Länder der Welt Hilfe im Fall von Waldbränden, Überschwemmungen, Erdbeben und ähnlichen akuten Krisen beantragen. Die Hilfen mit Material und Gerät aus anderen EU-Staaten werden dann von dem Programm unter dem Krisenschutz-Kommissar koordiniert und weitergeleitet. Im Notfall geschehe das noch am selben Tag, betonte er.

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Preis für europäisches Erdgas fällt unter 150 Euro

Der Preis für europäisches Erdgas gibt auf hohem Niveau weiter nach. Am Montagvormittag kostete der stark beachtete Terminkontrakt TTF für niederländisches Erdgas im Tief 144 Euro je Megawattstunde. Das waren etwa fünf Prozent weniger als am Freitag. Der TTF-Kontrakt gilt als Richtschnur für das allgemeine Preisniveau am europäischen Erdgasmarkt.

Der Preis für Erdgas ist etwas gesunken.

Der Preis für Erdgas ist etwas gesunken.© Karl-Josef Hildenbrand/dpa

Am Gasmarkt hat sich die lange Zeit sehr angespannte Situation zuletzt etwas gebessert. Hintergrund sind mittlerweile gut gefüllte europäische Erdgasspeicher und politische Bemühungen zur Dämpfung des Erdgasverbrauchs.

Ungeachtet dessen kostet Erdgas immer noch viel mehr als vor Beginn des Ukraine-Kriegs. Hintergrund ist die hohe Abhängigkeit Europas von russischen Erdgaslieferungen, die in den vergangenen Monaten Zug um Zug verringert wurden. Ersatzlieferungen kommen insbesondere aus Norwegen oder in Form von Flüssiggas etwa aus den USA.

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Füllstand der Gasspeicher nähert sich dem 95-Prozent-Ziel – dennoch spricht viel dafür, dass Gas im Winter rationiert werden muss

Füllstand der Gasspeicher nähert sich dem 95-Prozent-Ziel – dennoch spricht viel dafür, dass Gas im Winter rationiert werden muss

Füllstand der Gasspeicher nähert sich dem 95-Prozent-Ziel – dennoch spricht viel dafür, dass Gas im Winter rationiert werden muss© Getty Images

Die Gasspeicher in Deutschland haben mittlerweile einen Füllstand von 94,03 Prozent erreicht. Damit rückt das gesetzlich festgelegte Ziel, die Speicher bis zum 1. November zu 95 Prozent zu füllen, in Sichtweite. Obwohl Russland seit September kein Gas mehr durch die wichtigste Pipeline Nord Stream 1 nach Deutschland liefert, steigt der Füllstand der Speicher aktuell zwischen 0,2 und 0,45 Prozentpunkten am Tag. Ein Grund für eine Entwarnung ist das aber nicht. Stand jetzt ist es eher wahrscheinlich, dass es in Deutschland im Laufe des Winters zu einem Gasmangel kommt und Gas dann von der Bundesnetzagentur rationiert, also zugeteilt werden muss. Ein Grund ist, dass Haushalte aktuell aufgrund des eher kühlen Wetters eher mehr Gas verheizen als im Vorjahr - statt wie nötig kräftig Gas zu sparen.

Der Präsident der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, wird daher nicht müde zu warnen. "Der Gasverbrauch ist auch letzte Woche zu stark angestiegen", sagte er vergangen Woche. Trotz der stark gestiegenen Preise lag der Gasverbrauch der privaten Haushalte und kleineren Gewerbekunden fast zehn Prozent über dem durchschnittlichen Verbrauchsniveau der Jahre 2018 bis 2021. Auch der Verbrauch der Industriekunden, die bisher stärker gespart hatten, lag zuletzt nur noch gut zwei Prozent unter dem Niveau der Vorjahre.

Deutschland kann eine Gasnotlage im Winter nach Einschätzung der Netzagentur und weiterer Experten nur dann verhindern, wenn im privaten, gewerblichen und industriellen mindestens 20 Prozent weniger Gas verbraucht wird. "Die Lage kann sehr ernst werden, wenn wir unseren Gasverbrauch nicht deutlich reduzieren," sagte Müller.

Die privaten Haushalte und kleineren Gewerbekunden sind in Deutschland für rund 40 Prozent des Gasverbrauchs verantwortlich. Die übrigen 60 Prozent entfallen auf die großen Industriekunden. Die Haushalte und auch viele Unternehmen wiederum verbrauchen den Großteil des Gases in der Heizperiode zwischen Oktober und April. Ohne den Zustrom russischen Gas werden sich die Speicher daher schneller leeren als in den Vorjahren.

Die Netzagentur entscheidet im Falle eines Engpasses über die Rationierung von Gas. Dabei gibt es eine Reihenfolge, nach der zuerst viele Unternehmen von Einschränkungen betroffen wären. Auch um kritische Infrastruktur, aber auch private Haushalte zunächst vor Einschränkungen zu schützen. "Ganz offensichtlich ist bei vielen Menschen noch nicht angekommen, wie teuer ihr Gasverbrauch wirklich und welche Konsequenzen der eigene hohe Verbrauch für die Unternehmen und die Arbeitsplätze haben kann", hatte Müller bereits zuvor gesagt.

"Die steigenden Gasverbräuche aufgrund fallender Temperaturen reduzieren zunehmend die Einspeichermöglichkeiten", warnte auch der Geschäftsführer des Branchenverbandes Initiative Energien Speichern (Ines), Sebastian Bleschke. Wegen der geringeren Gaslieferungen an Deutschland würden die Speicher früher und stärker als sonst zur Versorgung eingesetzt werden müssen. Ob sie dann über den Winter ausreichen, hänge stark davon ab, wie viel Gas private Haushalte sparen.

Die führenden deutschen Wirtschaftsforschungsinstitute warnen in einem Risikoszenario, dass Deutschland im Falle von Gas-Rationierungen die tiefste und längste Wirtschaftskrise seit dem Zweiten Weltkrieg drohe.

Seit Anfang September kommt über die wichtigste Pipeline Nord Stream 1 kein russisches Gas mehr nach Deutschland. Dennoch ist der aktuelle Füllstand der Gasspeicher höher als im langjährigen Durchschnitt zu dieser Zeit des Jahres. Das zeigt diese Grafik.

Volle Speicher allein sind aber noch kein Grund zur Entwarnung, betonen Ökonomen der Deutschen Bank (DB). Sie halten eine Einsparung von 20 Prozent zum Vorjahr für wenig wahrscheinlich, denn der Winter 2021/22 sei bereits sehr milde gesesen.

Doch selbst wenn Unternehmen und Haushalte im Vergleich zum Vorjahr 20 Prozent Gas sparten, würden auch prallvolle Gasspeicher gerade einmal bis Ende März 2023 reichen, also nicht einmal bis zum Ende der Heizperiode, schreiben Erik Heymann und Marion Mühlberger von DB Research. Sie halten es für wahrscheinlich, dass Gas rationiert werden muss, damit die Speicher nicht komplett leer laufen.

Die Gasspeicher vor dem Winter 2023/24 dann wieder zu füllen, werde ohne russisches Gas aus der Pipeline Nord Stream 1 anspruchsvoll und vor allem teuer. "Eine spürbare Erleichterung bei den Preisen ist nicht in Sicht", schrieben die Ökonomen Anfang September. Für das kommende Jahr erwartet DB Research eine tiefe Rezession mit einem Rückgang der Wirtschaftsleistung um drei bis vier Prozent.

Selbst wenn wir alle 20 Prozent Gas sparen, reichen volle Gasspeicher nur bis Ende März, warnt die Deutsche Bank

Selbst wenn wir alle 20 Prozent Gas sparen, reichen volle Gasspeicher nur bis Ende März, warnt die Deutsche Bank

Das größte Einzelrisiko für die Gasversorgung in Deutschland sei ein kalter Winter, schreiben Heymann und Mühlberger. Die Haushalte verbrauchten 85 Prozent des Gases in der Heizperiode zwischen Oktober und April. Würden statt 20 Prozent nur zehn oder 15 Prozent Gas eingespart, dürften die Speicher bereits im Februar oder frühen im März leer sein.

DB Research hat ein eigenes Modell zur Prognose der Gasversorgung in Deutschland aufgesetzt. Die Ökonomen rechnen wie Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) nicht damit, dass Russland die Gaslieferung durch Nord Stream 1 in absehbarer Zeit wieder aufnimmt. Zum anderen wurde berücksichtigt, dass die Speicher den August über schneller auf den aktuellen Stand von gut 86 Prozent gefüllt werden konnten als erwartet.

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Bundeswehr-General Breuer warnt vor mehr Angriffen auf Deutschland: "Jede Pipeline, jedes Kraftwerk kann attackiert werden"

Generalleutnant Carsten Breuer, Befehlshaber des neuen Territorialen Führungskommandos sitzt in seinem Büro in der Julius-Leber-Kaserne.

Generalleutnant Carsten Breuer, Befehlshaber des neuen Territorialen Führungskommandos sitzt in seinem Büro in der Julius-Leber-Kaserne.© picture alliance/dpa | Annette Riedl
Generalleutnant Carsten Breuer, Befehlshaber des neuen Territorialen Führungskommandos sitzt in seinem Büro in der Julius-Leber-Kaserne.

Bundeswehr-General Carsten Breuer hat vor zunehmenden Angriffen auf die Infrastruktur in Deutschland gewarnt. "Jede Umspannstation, jedes Kraftwerk, jede Pipeline kann attackiert werden, kann ein mögliches Ziel sein", sagte der Befehlshaber, der seit zwei Wochen das Territoriale Führungskommandos der Bundeswehr leitet, der "Bild am Sonntag". "Wir stellen uns hier im Kommando vor allem auf hybride Bedrohungen ein. Das ist der Zustand zwischen nicht mehr ganz Frieden, aber auch noch nicht richtig Krieg."

Hintergrund sei der Angriff Russlands auf die Ukraine und die neue Sicherheitslage in Europa. "Der Krieg Russlands hat dazu geführt, dass unser Schwerpunkt wieder auf der Landes- und Bündnisverteidigung liegt. Dem ganzen Land ist klar geworden: Krieg in Europa ist wieder möglich." Anschläge und Einflussnahmen aus dem Ausland könnten zunehmen.

Breuer hat diese Gefahren auch deshalb im Blick, weil er im Falle der Landesverteidigung alle Soldaten in Deutschland anführt, die ausrücken müssen. Sein neues Territoriales Führungskommando hat die Verantwortung für die operative Führung der Kräfte - darunter Heer, Luftwaffe, Marine, Sanitätsdienst und Cyber-/Informationsraum - beim Heimatschutz. Mit seinem Team sitzt er in der Berliner Julius-Leber-Kaserne und organisiert sonst die Bundeswehrhilfe, wenn es in Deutschland zu Katastrophen wie Hochwasser kommt.

"Die Sicherheitsbehörden müssen sich auf diese Bedrohungslage einstellen"

Doch aktuell behält Breuer nicht nur die Lage in Deutschland, sondern der ganzen Welt im Blick. Der russische Angriff auf die Ukraine und Vorfälle wie die Gaslecks an den Nordstream-Pipelines haben das erforderlich gemacht: „Die Zerstörung der Pipelines ist nach allen Erkenntnissen vermutlich durch einen Anschlag verursacht worden", sagt er der "Bild am Sonntag". Zu einem hybriden Zustand zwischen Krieg und Frieden gehörten aber immer mehrere Nadelstiche.

Dabei können die Nadelstiche, von denen Breuer spricht, ihm zufolge ganz unterschiedlicher Art sein: "Es geht hier nicht um eine feindliche Armee mit Soldaten und Panzern, die unser Land angreift", betonte Breuer. "Aber es gibt Einflussnahmen, mit Anschlägen auf Infrastruktur und mit Cyberangriffen, oder zum Beispiel Aufklärungsflüge mit Drohnen über Kasernen. Also Nadelstiche, die in der Bevölkerung, die bei uns Verunsicherung schüren und das Vertrauen in unseren Staat erschüttern sollen." Die Sicherheitsbehörden müssten sich auf diese Bedrohungslage einstellen, sagte Breuer der Zeitung.

Auf die Frage hin, wie ernst Breuer die Atom-Drohungen aus Russland nehme, antwortet er: „Unsere Lebensweise, unsere Werte, unsere gesamte Gesellschaft sind bedroht. Wenn wir das nicht alles aufgeben wollen, müssen wir diese Bedrohungen sehr ernst nehmen".

Breuer rät eine Taschenlampe und genügend Batterien zu Hause zu haben

Dennoch gab der Bundeswehr-General zu bedenken: "Man kann nicht jeden Strommast schützen", sagt er. Deutschland müsse mit seinen Sicherheitsbehörden ein Auge darauf und ein Ohr daran haben, wogegen mögliche Anschläge geplant werden, was die wahrscheinlichsten Szenarien sind. Dann, so Breuer, müsste man die begrenzten Kräfte gezielt dorthin schicken.

Zeitgleich warnt der Breuerl aber Bürger davor, der Panik zu verfallen: "Hysterie ist ein schlechter Ratgeber". Jedem Bürger sollte klar sein, dass er sein individuelles Verhalten ändern sollte – dazu gehöre zum Beispiel die mentale Einstellung oder auch die Anschaffung einer Taschenlampe mit Batterien und eines Radios mit ausreichend Batterien für zu Hause, also unabhängig von der Stromversorgung aus der Steckdose.

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Habeck-Ministerium warnt vor Verzögerung bei AKW-Weiterbetrieb

Der Koalitionsstreit über die Atomkraft könnte nach Darstellung des Bundeswirtschaftsministeriums zu einem Problem für einen Weiterbetrieb des bayerischen Meilers Isar 2 im kommenden Jahr führen.

Wirtschaftsminister Habeck erwartet einen Weiterbetrieb von zwei Atomkraftwerken in Deutschland über das Jahresende hinaus. Sein Ministerium gehe davon aus, dass man die „Reserve“ ziehen werde und Isar 2 und Neckarwestheim im ersten Quartal 2023 weiter am Netz sein werden. Quelle: WELT

Wirtschaftsminister Habeck erwartet einen Weiterbetrieb von zwei Atomkraftwerken in Deutschland über das Jahresende hinaus. Sein Ministerium gehe davon aus, dass man die „Reserve“ ziehen werde und Isar 2 und Neckarwestheim im ersten Quartal 2023 weiter am Netz sein werden. Quelle: WELT© WELT

Es habe eine „klare Verständigung mit den Koalitionspartnern“ gegeben, „trotz unterschiedlicher Perspektiven“ den Gesetzentwurf zur Einsatzreserve zweier Atomkraftwerke am Montag durchs Kabinett zu bringen, teilte das Ministerium auf Anfrage mit. „Aufgrund politischer Unstimmigkeiten wurde aber von dieser Verständigung abgerückt.“ Damit sei der enge Zeitplan für das Verfahren nicht zu halten, worüber die Betreiber am Montag informiert worden seien. Zuerst hatte die „Süddeutsche Zeitung“ darüber berichtet.

„Diese Verzögerung ist ein Problem, wenn man will, dass Isar 2 im Jahr 2023 noch Strom produziert“, erklärte das Ministerium von Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) weiter. „Es müssen zeitnah die Reparaturen am Atomkraftwerk vorgenommen werden, die Atomkraftwerksbetreiber brauchen Klarheit.“ Das Wirtschaftsministerium setze sich weiter für Lösungen ein, „sonst steht man wegen Verzögerungen ohne Isar 2 da“.

Wegen der Energiekrise will Habeck zwei Atomkraftwerke für den Fall von Engpässen in der Stromversorgung bis ins Frühjahr einsatzbereit halten. Die FDP dringt dagegen auf einen Weiterbetrieb aller drei verbliebenen deutschen Atomkraftwerke bis ins Jahr 2024 – Parteichef Christian Lindner bekräftigte dies am Montag nochmal.

Aus dem Ressort des Finanzministers hieß es, der Weiterbetrieb von nur zwei Kraftwerken allein sei nicht ausreichend: „Es sind weitere Schritte notwendig, um Versorgungssicherheit zu garantieren und das Angebot an verfügbarem Strom auszuweiten.“ Eigentlich war im Zuge des Atomausstiegs vorgesehen, dass die letzten deutschen Kernkraftwerke Ende des Jahres vom Netz gehen.

Schon am vergangenen Mittwoch hatte sich das Bundeskabinett entgegen Habecks Planungen nicht mit einem Entwurf seines Ressorts zum möglichen Weiterbetrieb der zwei süddeutschen Atomkraftwerke befasst. Dieser sieht vor, das Atomgesetz und das Energiewirtschaftsgesetz um Regelungen zu ergänzen, welche die Rahmenbedingungen für eine zeitlich bis zum 15. April 2023 befristete „Einsatzreserve“ der Atomkraftwerke Isar 2 in Bayern und Neckarwestheim 2 in Baden-Württemberg schaffen.

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Gasexperte: „Wir Deutschen kaufen LNG teurer ein, weil wir so reich sind“

 

Gasexperte: „Wir Deutschen kaufen LNG teurer ein, weil wir so reich sind“

Gasexperte: „Wir Deutschen kaufen LNG teurer ein, weil wir so reich sind“© Bereitgestellt von Berliner Zeitung

Gabor Beyer ist Geschäftsführer und Mitgründer von Liquind. Das 2015 gegründete Berliner Unternehmen baut europa- und bundesweit Verteilinfrastruktur für Flüssiggas (LNG) auf, insbesondere LNG-Tankstellen für Schwerlastverkehr. Liquind kauft LNG ein und verkauft es an seine Kunden. Gabor Beyer kennt also den Gasmarkt, die Gaspreise und die Zusammenhänge mit LNG sehr gut. Wir haben ihm die relevantesten Fragen rund um die Energiekrise, den Gasmarkt und die Gaspreisbremse  gestellt.

Berliner Zeitung: Herr Beyer, wo kriegen Sie LNG für Ihre Tankstellen?

Gabor Beyer: Wir als Liquind bekommen unser LNG aktuell von den Terminals in Polen, Rotterdam und Seebrügge und in Kürze auch aus Spanien und Frankreich. Man muss im Auge behalten, dass es noch keine physischen Versorgungsengpässe beim Gas gibt. Es sind die Preise, die allen Sorgen machen. Das erste deutsche LNG-Terminal in Wilhelmshaven wird in erster Linie gebaut, um Flüssiggas in das deutsche Erdgasnetz einzuspeisen, weil die Gasleitungskapazitäten der oben genannten großen LNG-Terminals nach Deutschland nicht ausreichen. Kommt ein deutsches Terminal dazu, gibt es für Deutschland mehr Kapazitäten und für uns werden die Transportwege kürzer und die Kosten etwas niedriger.

Der Chef der deutschen Energieagentur Dena, Andreas Kuhlmann, kann die Entwicklung an den „verrückten Gasmärkten“ nach eigenen Worten kaum mehr verstehen. Wie funktioniert der Gasmarkt?

Früher war jeder Gasmarkt ein sehr regional orientierter Markt, sowohl von der Menge als auch von den Preisen her. Die Russen, Norweger oder auch Holländer haben Gasfelder entwickelt und von diesen Feldern Pipelines gebaut zu dem Land, wo Gas gebraucht wurde. Dafür hatte man langjährige Kontakte für zehn bis 20 Jahre, damit sich die Investitionen auch lohnen. Es ergab sich dadurch zwar eine hundertprozentige Abhängigkeit der beiden Seiten voneinander. Aber Gas war günstiger.

Es gab so einen europäischen, amerikanischen, asiatischen und andere Märkte, und sie haben fast problemlos funktioniert. Das Problem ist, dass diese Märkte nicht miteinander gekoppelt waren. Russisches Erdgas, das per Pipeline nach Europa kam, konnte nicht woanders hingehen. Die Länder im Nahen Osten oder Australien, die viel mehr Gas haben als sie brauchen, können ihren Überschuss aber nicht mit der Pipeline exportieren.

Stattdessen fördern sie Flüssigerdgas, aber wie?

Deswegen haben diese Länder Flüssigerdgas oder Liquefied Natural Gas (LNG) eingeführt. Es ist das gleiche Erdgas, das ganz normal gefördert und dann auf minus 152 Grad tiefgekühlt wird, um eine enorme Energiedichte zu bekommen. Dieses LNG kann man auf Schiffe laden und in alle Welt transportieren. Dort wird es an Terminals entladen und in die Gasnetze des jeweiligen Landes eingespeist, wo das Terminal steht.

Damit hat Flüssiggas oder LNG zwei große Vorteile, weil es auf der einen Seite einen physischen Connector darstellt, also aus den Ländern, wo es einen Angebotsüberschuss gibt, wie Australien, Katar oder die USA, in die Länder exportiert werden kann, die einen Nachfrageüberschuss haben, wie China oder eben jetzt Deutschland. Auf der anderen Seite hat LNG auch einen Preis-Connector.

Was bedeutet dieser Preis-Connector?

Stellen Sie sich vor, in Europa wäre der Gaspreis jetzt 500 Euro pro Megawattstunde. Und im Nahen Osten wäre der Preis zehn Euro. Wenn es nur Pipeline-Gas gäbe, das Sie nicht aus einer Region in eine andere beliebige Region transportieren könnten, würden die Preise so auch bleiben. Das Flüssiggas wird jedoch immer dorthin verkauft, wo es am teuersten ist. So funktioniert der Preis-Connector: Er verknüpft so die verschiedenen regionalen Gasmärkte miteinander.

Wird LNG wie normales Erdgas an der Börse gehandelt?

Grundsätzlich ja: Es gibt weltweit verschiedene Gasmärkte mit ihren eigenen Preisen, wo nicht zwischen LNG und gasförmigem Erdgas unterschieden wird, da ja auch LNG wieder ganz überwiegend in die Gasnetze eingespeist wird. Für Europa gibt es zum Beispiel den sogenannten TTF-Preis, zu dem Gas also an der virtuellen niederländischen Gasbörse in Rotterdam gehandelt wird. Aber es gibt auch Preise für den spanischen, französischen und andere europäische Märkte, wobei der Preis für Deutschland in den letzten Monaten deutlich höher war.

Aber es gibt grundsätzlich keinen eigenen LNG-Preis, sondern Sie kaufen LNG zum Börsenpreis für normales Erdgas. Heute (Stand Montag) liegt der Preis (TTF) bei rund 159 Euro pro Megawattstunde. Es sind heutzutage aber öfter 180 Euro pro Megawattstunde.

Gibt es noch den Markt der langfristigen Verträge, abgesehen von der Börse?

Genau, man muss den Spotmarkt und den Langfristmarkt auseinandersortieren. Auf dem Langfristmarkt können Sie Pipeline-Gas oder LNG zu einem bestimmten Preis kaufen, zu dem Sie eine Lieferung im Kalenderjahr 2023, 2024 oder 2025 bekommen. Wir hatten solche Verträge für Pipeline-Gas mit den Russen, sagen wir mal, zum Preis 50 Euro pro Megawattstunde. Jetzt beschließen wir, dass wir dieses Gas aus moralischen Gründen wegen des Ukraine-Krieges nicht wollen. Wir brauchen aber weiterhin Gas.

Der Ausweg ist, LNG zu kaufen. Das Problem ist nur: Jedes Land, das LNG verschifft, ob Katar, Australien oder die USA, will sein Gas eben langfristig verkaufen, um die Investitionen in die Gasentwicklung zu sichern. Mit anderen Worten: Es sind außerhalb des Langfristmarkts nur wenige freie Gasmengen zu haben.

Woher nimmt Deutschland dann LNG?

Wenn deutsche Gasimporteure jetzt LNG kaufen, heißt es, dass sie entweder die Spotmengen zu horrend hohen Preisen absaugen oder versuchen, aus Langfristverträgen anderer Käufer Gas, das schon verkauft wurde, zu sich umzuleiten. Dafür bezahlen sie ebenfalls deutlich höhere Preise. Das ist unsere alternative Besorgung zu Langfristverträgen. Finanzminister Christian Lindner sagt nun, dass uns eine Normalisierung der Gaspreise erwartet. Es stimmt, der Gaspreis liegt jetzt nicht bei über 300 Euro wie Ende August. Aber die deutsche Industrie – vor allem Chemie, Papier, Stahl – wird auch bei 180 Euro pro Megawattstunde nicht lange produzieren können.

Wie oft wird, sagen wir, US-amerikanisches LNG verkauft, bis es in Deutschland ankommt?

Deutsche Gasimporteure beschaffen LNG sowohl über die verschiedenen europäischen Gasmärkte als auch bei den großen Händlern oder anderen Ländern. Diese Händler vereinbaren dann, wer diese Mengen transportiert. Das Gas mag auch schon in Europa angekommen sein, bevor es nach Deutschland verkauft wird, muss aber nicht. E.ON Ruhrgas kauft zum Beispiel Gas beim norwegischen Equinor (früher Statoil), aber es können auch Energiehändler wie Glencore dazwischen stehen. Es können auch mehrere Händler dazwischen sein.

Die deutschen Unternehmen versuchen inzwischen, die amerikanische Regierung dazu zu bringen, durch die Änderung von Rahmenbedingungen mehr Gasförderung zuzulassen. Aber grundsätzlich verkaufen amerikanische oder katarische Unternehmen ihr LNG an den, der am meisten bezahlt. Und wir Deutschen verdrängen einfach, weil wir so reich sind, andere LNG-Nachfrager vom Weltmarkt. Die Amerikaner verkaufen jetzt nicht an China, Sri Lanka oder Indonesien, sondern an uns.

Ist die Gasbörse in Rotterdam für den Verbraucher relevant? Der Gaspreis ist im Vergleich zum Rekordhoch von 340 Euro pro Megawattstunde im August um rund 50 Prozent gesunken. Ist das Schlimmste schon vorbei?

Das zu behaupten, ist unseriös. Wir haben einen relativ kalten Herbst, in Bayern gab es vor Kurzem schon Schnee in den Alpen. Wenn es durchschnittlich kalt bleibt, werden wir genug Gas haben. Aber wenn der Winter kalt wird, dann kriegen wir Probleme, und am Ende wird auch die Preisstellung abhängig von der Nachfrage.

Sie haben auf einer Veranstaltung des Vereins Berliner Kaufleute und Industrieller (VBKI) gesagt, dass ein Kilogramm LNG im August 2021 1,30 Euro kostete, im August dieses Jahres schon 3,30 Euro, und für September wurden 5,20 Euro verlangt. Welche Preise gelten für Oktober?

Das sind die LNG-Preise für den Transportsektor. Sie basieren auf dem TTF-Gaspreis plus Energiesteuer plus CO₂-Abgabe plus die Investitionen in Infrastruktur und Transport. Da der TTF-Gaspreis jetzt etwas gesunken ist, haben wir gerade etwa einen LNG-Preis von 4,80 Euro pro Kilogramm. Das Interessante daran ist, dass der Endpreis in Deutschland aktuell im Schnitt 50 bis 80 Euro über denen der anderen europäischen Länder pro Megawattstunde liegt.

Liegt das daran, dass der Anteil von russischem Gas am deutschen Verbrauch höher war?

Das ist das eine. Das zweite ist, dass die Nachfrage in Deutschland höher ist. Das ist die Kehrseite der Gasspeicherstände. Wenn Sie Gas aus Europa anstelle des russischen Gases absaugen, kreieren Sie eine Nachfrage, die von Lieferanten nur bedient wird, wenn Sie entsprechende Preise bezahlen. Die Versorgungssicherheit in Deutschland wird so sichergestellt. Doch es entsteht ein enormer Preisdruck für die Verbraucher. Deswegen braucht man extreme Lösungen, wie man diesen Preisdruck etwas abmildern kann.

Und die Bundesregierung bietet bisher keine Lösungen?

Wer A sagt, nämlich: ich will kein russisches Gas mehr haben, muss auch B sagen und das Gas woanders her besorgen. Der wiederum muss auch C sagen und damit einverstanden sein, dass es sehr teuer wird, und dann noch D sagen und Ausgleichsmechanismen für die Haushalte und Institutionen suchen. Ich fürchte aber, dass die Politik diese Kette von A, B, C bis D bisher nicht vollständig verstanden hat.

Anstelle der Gasumlage soll nun die Gaspreisbremse kommen, deren Grundidee ist, dass der Preis für einen Grundbedarf an Gas pro Haushalt festgelegt wird und die Differenz zum tatsächlichen Marktpreis den Gasversorgern vom Staat erstattet wird. Wem würde der Eingriff in den Markt helfen?

Die Preise sind da, um die Knappheit von dem Gut auszudrücken. Der sinkende Verbrauch ist daher das sicherste Mittel dafür, dass der Gaspreis sinkt. Unser Problem ist nur, dass schwächere Haushalte sich die hohen Preise selbst beim Gassparen nicht leisten können. Dann brauche ich keine Gas- oder Strompreisbremse für jeden Haushalt, sondern ich brauche eine direkte Unterstützung der Haushalte, die sie wirklich brauchen.

Warum nicht die Mehrwertsteuer für Gas gleich auf null senken?

Das würde den Gaspreis nicht ausreichend senken. Man könnte auch die CO₂-Abgabe sowie alle anderen Umlagen vorübergehend aussetzen; das würde den Preis in Summe sicher erheblich senken. Aber es gilt auch: Es gibt Verbraucher, die brauchen weder einen Gaspreisdeckel noch eine Strompreisbremse und könnten es sich leisten, den vollen Gaspreis zu bezahlen. Die Energiepauschale von 300 Euro und Ähnliches für alle verfehlen daher völlig ihr Ziel.

Wir müssen denen helfen, die in eine wirtschaftliche Notlage geraten, und nicht allen nach dem Gießkannenprinzip. Warum sollte jetzt jeder eine X-Menge Gas zum subventionierten Preis kriegen? Wir wollen doch, dass weniger verbraucht wird und die Leute anfangen, sich über Energieeffizienz Gedanken zu machen. Die hohen Preise wären jetzt also eine Chance dafür.

Bundeskanzler Scholz hat einen LNG-Deal mit den Arabischen Emiraten abgeschlossen. Noch in diesem Jahr sollen 137.000 Kubikmeter Flüssiggas per Schiff nach Deutschland kommen. Ein Tropfen im Meer, sodass selbst die Menschenrechtsfrage nicht zählt?

Wir tauschen den Teufel gegen den Beelzebub. Am besten wäre es gewesen, man hätte diese kleine Menge von den Emiraten gar nicht gekauft und eingespart. Brauchen wir nicht.

Wo dann sonst Alternativen zum russischen Gas finden? Norwegen kann nicht mehr produzieren, und Kanada wird vorerst nur grünen Wasserstoff liefern.

In Kanada ist der Bau von großen Pipelines an der Küste sowie der Bau von Exportterminals in der Bevölkerung sehr umstritten. Außerdem würde es Jahre dauern, bis wir aus Kanada LNG kriegen würden. Die Kanadier wären vielleicht bereit, ein Terminal für Gaslieferungen nach Deutschland zu bauen, aber dafür bräuchten sie dann einen langfristigen Liefervertrag für zehn bis 20 Jahre, um die Investitionen zu decken. Und das wollen deutsche Politiker nicht, denn sie steigen ja aus fossilem Gas aus.

Was wir am Ende haben: Unsere Energiepolitik, die schon ab 2030 fossilfrei sein will, beißt sich mit der Struktur der Energiemärkte. Niemand wird uns jetzt langfristige Energielieferungen entwickeln. Wir steigen aus Kohle und Atom aus und wollen auch keine langfristigen Lieferverträge beim Gas mehr haben. Hohe Preise für Energie sind damit vermutlich unser Verhängnis, mit dem wir noch lange leben müssen.

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Energiekrise in Deutschland: IWF-Vize-Direktorin warnt vor dem Winter 2023/2024

Seit Wochen stimmen Politik und Wirtschaft die Öffentlichkeit auf einen harten Winter ein. Nach Einschätzung von IWF-Vizechefin Gopinath wird der aber gar nicht der Schlimmste.

Energiekrise in Deutschland: IWF-Vize-Direktorin warnt vor dem Winter 2023/20324

Energiekrise in Deutschland: IWF-Vize-Direktorin warnt vor dem Winter 2023/20324© Andrew Caballero-Reynolds / AFP

Deutschland wird dem Internationalen Währungsfonds (IWF) zufolge noch lange mit der Energiekrise zu kämpfen haben. »Dieser Winter wird schwierig, aber der Winter 2023 könnte noch schlimmer werden«, sagte die IWF-Vize-Direktorin Gita Gopinath dem »Handelsblatt«. »Die Energiekrise wird nicht mehr so schnell verschwinden, die Energiepreise werden noch für längere Zeit hoch bleiben.«

Die IWF-Vizechefin lobte zugleich den Kurs von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP), der die expansive Fiskalpolitik beenden und die Schuldenbremse wieder einhalten will. »Ich halte den Ansatz des Finanzministers für richtig«, sagte Gopinath. Die Inflation sei so hoch wie seit Jahrzehnten nicht. »Hier muss alles getan werden, um die Inflation zu senken«, sagte die Ökonomin. Die Europäische Zentralbank (EZB) erhöhe zwar ihre Zinsen, aber auch die Finanzpolitik müsse ihren Beitrag leisten. »Deshalb lautet unser Rat, auf eine expansive Fiskalpolitik zu verzichten.«

Die IWF-Vizechefin sieht Deutschland von der aktuellen globalen Wachstumsschwäche besonders betroffen. Deutschland habe einen größeren Industriesektor als andere Länder. »Und diese Unternehmen hatten schon in der Coronapandemie mit den unterbrochenen Lieferketten zu kämpfen, jetzt kommen noch die rasant steigenden Energiekosten hinzu«, sagte Gopinath.

»Deutschland ist ein Industriestandort und bekommt deshalb diese Schocks derzeit besonders deutlich zu spüren.« Der Ausbau der erneuerbaren Energien müsse deutlich beschleunigt werden. Und es brauche Energielieferungen aus anderen Ländern, die verlässlich seien. »An beidem arbeitet die Bundesregierung, und das ist auch notwendig«, sagte Gopinath.

Der IWF hatte vergangene Woche seine Wachstumsprognose für Deutschland gesenkt. Anders als etwa Frankreich, Spanien und Großbritannien rechnet der IWF hierzulande für 2023 mit einer schrumpfenden Wirtschaftsleistung – konkret von minus 0,3 Prozent. Damit wurde die Schätzung aus dem Juli um 1,1 Prozentpunkte reduziert.

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Gebt dem Fracking eine Chance

Gebt dem Fracking eine Chance

Gebt dem Fracking eine Chance© Bereitgestellt von SZ - Sächsische Zeitung

Gebt dem Fracking eine Chance

Gesellschaftlich und politisch ist es gerade en vogue, vor den Gefahren des Klimawandels zu warnen und für die Entstehung des Klimawandels den Menschen und vor allem dessen übermäßige Nutzung fossiler Energieträger verantwortlich zu machen. Das ist auch richtig. Die Atmosphäre der Erde hat sich verändert. In den letzten Jahrhunderten jedenfalls war der Einfluss menschlichen Tuns auf das System Erde signifikant stärker als in den letzten 300.000 Jahren zuvor.

In den letzten Jahrzehnten, in denen insbesondere in Deutschland sehr viel von der sogenannten „Energiewende“ gesprochen worden ist und Milliarden in deren Umsetzung investiert worden sind, haben wir allerdings nur sehr wenig zur Verbesserung der Lage erreicht. Eigentlich ist das Erreichte der sprichwörtliche Tropfen auf dem heißen Stein: Energiebereitstellung aus nicht fossilen Energieträgern findet fast ausschließlich im Stromsektor statt. Hier kennen wir alle die Stromerzeugung aus regenerativer Energie wie Wind, Solar, Biogas und Wasserkraft. Immerhin erreicht die Strombereitstellung aus diesen Energieträgern bis zu rund 50 Prozent im Jahresmittel.

Tatsache allerdings ist, dass der Stromsektor nur etwa 21 Prozent des gesamten Energiemix in Deutschland ausmacht. Wärme- und Verkehrssektor sind die weitaus größeren Bereiche. Und hier findet Energiewende so gut wie gar nicht statt, was dazu führt, dass die fossilen Energieträger und Atomkraft zusammen etwa das Vierfache der Erneuerbaren Energien im Gesamtenergiemix ausmachen. Das Fazit ist klar: Wir brauchen weitaus größere Anstrengungen als bisher zur Verringerung des Verbrauchs fossiler Energieträger! Da reichen ein paar mehr Windräder oder ein paar mehr Solarstromfelder nicht. Wir brauchen sauberere Energieträger wie Wasserstoff, Biogas, CO2-neutrale synthetische Kraftstoffe und andere, wenn wir eine tatsächliche Wende herbeiführen wollen.

Nun spüren wir derzeit auch noch besonders drastisch die extreme Abhängigkeit von Energieimporten. Kohle, Gas, Öl und Atomstrom müssen teuer importiert werden. Der Wandel hin zu einer CO2-neutralen Energieversorgung muss daher auch erfolgen, um diese Abhängigkeit zu verringern. Da wir jedoch viele Rohstoffe, die wir dringend benötigen – ob für die Herstellung von Windrädern, Solarpanels oder Wasserstoff – nicht in Deutschland verfügbar haben, müssen wir durch möglichst vielfältige Handels- und Wirtschaftsbeziehungen die Anzahl der Quellen auch für diese Rohstoffe so groß wie möglich gestalten und die wenigen in Deutschland verfügbaren Quellen so gut wie möglich erschließen.

Wir brauchen die denkbar klügsten Ingenieure und Ingenieurinnen, Natur- und Wirtschaftswissenschaftler und die besten Technologien, wie sie in Freiberg ausgebildet werden, um die Herausforderungen anzupacken. Dazu brauchen wir auch eine technologieoffene Herangehensweise ohne ideologische Scheuklappen und eine kommunikative Wissenschaft, die den Transfer wissenschaftlicher Erkenntnisse in die Gesellschaft vollbringt, ohne unbegründete Ängste zu schüren.Am Reizthema „Fracking“ lässt sich dies gut darstellen: Zu den aus aktuellem Anlass besonders viel diskutierten Rohstoffen gehört das Erdgas. Seit dem weitgehenden Verbot von Frackbehandlung in Deutschland geht die einheimische Produktion von ca. 20 Prozent des Verbrauchs kontinuierlich linear auf ca. fünf Prozent zurück, während in den USA und anderen Ländern die Erdgasförderung mithilfe dieser Technologie weiterhin stark zunahm. Gegenwärtig sind wir uns nicht zu schade, dieses Gas importieren zu wollen.

Ein größeres Potenzial an Erdgas als bislang in Deutschland gefördert wurde, vermutet die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) laut einer Studie aus dem Jahr 2016 in sogenannten Schiefergaslagerstätten. Berechnungen gehen von gewinnbaren Vorräten je nach Teufe von 500 bis 2.500 Milliarden Kubikmeter Gas aus. Diese Vorkommen verteilen sich hauptsächlich auf folgende Bundesländer: Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Thüringen, Sachsen-Anhalt und Bayern. Die BGR gab 2013 folgende Einschätzung ab: „Sofern die gesetzlichen Regelungen und die technischen Standards eingehalten und detaillierte standortbezogene Voruntersuchungen durchgeführt werden, ist der Einsatz der Technologie aus geowissenschaftlicher Sicht sicher und umweltverträglich möglich.“

Für die Förderung wird „Fracking“ benötigt. Fracking wird insbesondere in den USA vielfach praktiziert und hat wesentlich dazu beigetragen, dass die USA von einem Erdgasimporteur zu einem Erdgasexporteur wurden, ist jedoch in Deutschland verboten und trifft auf überwiegende Ablehnung bei der Bevölkerung wie Umfragen der Sächsischen Zeitung in 2022 und von infratest dimap in 2015 ergaben. Es stellt sich die Frage, ob Verbot und mehrheitliche Ablehnung gerechtfertigt sind. Mit Fracking ist eine in der Fördertechnik genutzte Technologie zur Stimulation bzw. Produktivitätserhöhung von Öl-, Gas-, und Geothermie-Bohrungen gemeint. Dabei wird die Frackflüssigkeit – das sogenannte Frackfluid – über eine Bohrung, unter hohem Druck und großer Injektionsrate in die Zielformation, die mehr als 900 m unter der Oberfläche liegt, injiziert.

Beim Abteufen jeder Bohrung wird sichergestellt, dass die durchteuften geologischen Formationen voneinander sicher getrennt sind. Dies wird erreicht, indem die Bohrung mehrfach verrohrt und zementiert wird. Über den zu frackenden Horizonten sind mehrere sichere Deckschichten (Barrieren) vorhanden, die als Barriere eine Fluidmigration verhindern. Die natürliche geologische Situation wird durch die Bohrung nicht beeinflusst.

Die Zusammensetzung der injizierten Frackfluide richtet sich nach der Art der Lagerstätte, der Formationszusammensetzung des Gesteins und der Teufe. Sie sollen besondere Eigenschaften aufweisen, die den umweltgerechten Erfolg sicherstellen.Die Frackfluide bestehen zu 98 Prozent aus Wasser und inerten Stützmitteln. Die restlichen zwei Prozent sind Zusatzstoffe zur Einstellung der besonderen Eigenschaften. Dazu zählen Polymere, Tenside, Inhibitoren, die das Quellen des Tons verhindern sollen. Biozide sollen vermieden werden.Gegebenenfalls aus der Bohrung zurückfließende Flüssigkeit wird aufbereitet, bevor sie fachgerecht entsorgt oder wiederverwendet wird.

Nach erprobter Standardregel sollte die Frackteufe ab ca. 1.000 Meter betragen. Das Deckgebirge bildet eine massive Schutzbarriere. Diese simplen Geo-Bedingungen sind in Deutschland die Grundvoraussetzungen für das Fracking. Die geologische Distanz zwischen Grundwasserhorizonten in 30 bis 300 Metern Tiefe in Deutschland und den Zielformationen in 800 bis 6.000 Metern Tiefe beinhaltet den Schutzcharakter des Deckgebirges zwischen diesen Tiefen. Für die Errichtung der Bohrplätze, von denen aus die Frackbehandlung erfolgt, und das Frackverfahren selbst gibt es in Deutschland strenge Vorschriften, die eine Gefährdung des Grundwassers, der angrenzenden Biosphäre und der umliegenden Siedlungen ausschließen.

Grund- oder Oberflächenwasser sind in Deutschland vor Verunreinigung geschützt. Fracking ist ausgeschlossen, wo es auch nur das kleinste Risiko bezüglich einer Verunreinigung geben könnte.Auf die Sicherheit der Frackbehandlung in Deutschland soll hier ausdrücklich hingewiesen werden, weil in der Vergangenheit unbegründete Kritik und Vorurteile zur Einstellung der Frackbehandlung geführt haben. Stattdessen will Deutschland nun LNG aus USA importieren.

LNG ist durch Kühlung verflüssigtes Erdgas, welches in den USA weitgehend durch den Einsatz von Fracking gewonnen wird. Obwohl in Deutschland höhere Sicherheitsstandards bestehen, wir technisch Bohrungen und Fracking beherrschen und in Deutschland diese Methode in deutlich tiefergelegenen Erdschichten und damit sicherer angewendet wird, wollen wir uns wieder auf den Import verlassen. Das ist inkonsequent, zynisch und fahrlässig.

Wir sollten dringend die Technologien, die wir in Deutschland beherrschen, auch einsetzen und damit unsere Abhängigkeiten verringern. „Not in my backyard“-Mentalität und eine verfehlte europäische und deutsche Energiemarktpolitik der letzten zwei Jahrzehnte haben zur gegenwärtigen Situation massiv beigetragen. Aber das ist einen weiteren Artikel wert. Hoffen wir gemeinsam, dass wir das besser machen – weil: Wir können es besser!

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Energie-Wende: EU produziert seit Russland-Ukraine-Krieg Rekordmenge an erneuerbarem Strom

Zwischen März und September sei fast ein Viertel der Elektrizität in der Europäischen Union aus Solar- und Windkraft gekommen. Das geht aus einer neuen Studie hervor. Demnach war der Wert noch nie höher.

Energie-Wende: EU produziert seit Russland-Ukraine-Krieg Rekordmenge an erneuerbarem Strom

Energie-Wende: EU produziert seit Russland-Ukraine-Krieg Rekordmenge an erneuerbarem Strom© TAMAS VASVARI / EPA

Seit Beginn des Kriegs in der Ukraine hat die Europäische Union laut einer Studie so viel Strom aus Wind und Sonne produziert wie noch nie. Zwischen März und September kam fast ein Viertel der Elektrizität in der EU aus Solar- und Windkraft: Das geht aus einer Studie der Organisationen Ember und E3G hervor, die am Dienstag veröffentlicht wurde und aus der die Nachrichtenagentur dpa zitiert.

Im vergangenen Jahr waren es demnach 21 Prozent in dem Zeitraum, verglichen mit 24 Prozent in diesem Jahr. Insgesamt kamen 345 Terawattstunden aus den beiden erneuerbaren Quellen – ein Plus von 39 Terawattstunden im Vergleich zu 2021.

Auch Deutschland erreichte der Studie zufolge einen Rekord mit 104 Terawattstunden Strom aus Sonne und Wind seit März. Das entspreche etwa einem Drittel der gesamten Elektrizität. Insgesamt haben den Analysten zufolge 19 EU-Staaten Rekorde bei der Stromproduktion mit den beiden erneuerbaren Energien erreicht – darunter sind etwa FrankreichItalienPolen und Spanien.

Durch die Rekordproduktion habe die EU etwa 11 Milliarden Euro an Gaseinkäufen gespart, hieß es. »Wind- und Solarenergie helfen den europäischen Bürgern schon jetzt«, sagte Chris Rosslowe von Ember. »Aber das zukünftige Potenzial ist noch größer.«

Die Pläne der EU, angesichts des Kriegs in der Ukraine die Energiewende zu beschleunigen, müssten von den EU-Staaten und vom Europaparlament umgesetzt werden. Dazu laufen derzeit Verhandlungen.

Am Dienstag will die Europäische Kommission neue Sofortmaßnahmen gegen die hohen Strom- und Gaspreise vorstellen. Sie wird voraussichtlich vorschlagen, gemeinsame Gaskäufe der Mitgliedstaaten zu verstärken und auf mehr Energiesparen zu setzen. Mit den Vorschlägen der Europäischen Kommission werden sich am Donnerstag und Freitag dann die Staats- und Regierungschefs beim EU-Gipfel in Brüssel befassen.