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Kanadischer Wasserstoff: „Eine dumme Idee, aus Verzweiflung entstanden“

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Foto: Pro Imago Lifedata-portal-copyright=© Bereitgestellt von Wirtschaftswoche

Die Energieversorger E.On und Uniper stehen vor der Unterzeichnung von Lieferverträgen für Wasserstoff aus dem Osten Kanadas. Kein Preis scheint dafür zu hoch.

„Es ist eine dumme Idee, die aus Verzweiflung entstanden ist. Nichts anderes.“ Paul Martin kann nicht glauben, dass Deutschland einen Teil seines Energieproblems mit dem Kauf von Wasserstoff aus Kanada zu lösen gedenkt. Der Chemie-Ingenieur war einer der Wasserstoff-Pioniere in Nordamerika, vor mehr als 30 Jahren schon. Nach seiner Pensionierung bei Zeton, Weltmarktführer für Entwicklung und Bau skalierbarer Pilotanlagen, gründete Martin 2021 in Toronto das Beratungsbüro Spitfire Research. Er will Unternehmen bei der Dekarbonisierung unterstützen. Wasserstoff darf da gerne mitmischen – wo es sinnvoll ist.

Martin gehört neben Jochen Bard vom Fraunhofer-Institut für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik auch zu den Gründungsmitgliedern der Hydrogen Science Coalition, einer Gruppe von Wissenschaftlern und Ingenieuren, die unabhängige Orientierung im Hype um Wasserstoff verspricht. „Ich bin nicht gegen Wasserstoff,“ betont er während der Video-Schalte aus seiner Wohnung. „Ich bin gegen Bullshit.“

So ein Mist ist seiner Meinung nach aber die Absicht, Wasserstoff zunächst unter dem Einsatz großer Energiemengen zu gewinnen und in das transportable Medium Ammoniak umzuwandeln, dann über den Atlantik zu verschiffen, um es dort mit erneutem Energieaufwand rückzuverwandeln in Wasserstoff und schließlich zu verbrennen. „Von zehn Kilowattstunden, die man einkauft, bleiben am Ende zwei übrig.“

Deal mit EverWind soll durchgezogen werden

Wie immer man es mehr oder weniger höflich formulieren mag: Der Deal mit dem Unternehmen EverWind, das Wasserstoff am Hafen Hawkesbury in der kanadischen Ost-Provinz Nova Scotia herstellen will, soll durchgezogen werden. Um jeden Preis, wie es scheint. Eine Sprecherin des vor gut einem Jahr mit Steuermilliarden geretteten Energiekonzerns Uniper bestätigte der WirtschaftsWoche auf Anfrage, dass ein Vertragsabschluss bevor stehe: „Wir sind weiterhin in konstruktiven Verhandlungen.“ Die Frage sei nicht ob, sondern lediglich wann eine verbindliche Vereinbarung unterzeichnet werde.

Im August 2022 hatten Uniper und E.On jeweils einen Vorvertrag mit EverWind geschlossen, ein so genanntes Memorandum of Understanding (MoU). E.On verweist auf vertrauliche Vertragsgespräche, gibt sich aber ebenfalls optimistisch: „Sobald die notwendigen Unterschriften geleistet wurden und wir dies bekanntgeben können, werden wir dies selbstverständlich kommunizieren.“

Zweifel an der Fähigkeit von EverWind, die Lieferversprechen einzuhalten, haben die Pläne offenbar nicht beeinträchtigt. Grün soll der Wasserstoff sein, der nach Deutschland kommt. Also zu 100 Prozent mit Hilfe von erneuerbaren Energiequellen hergestellt. Allerdings ist Nova Scotia zu einem Drittel auf Kohlestrom angewiesen. Nochmal so viel Elektrizität wird aus der Verbrennung von Gas, Öl und Petrolkoks gewonnen. Dass die Stromkunden vor Ort weiter auf den Kohleausstieg warten müssen, während ihnen hunderte Windräder zum Zweck der Wasserstoffproduktion für ein weit entferntes Land vor die Nase gesetzt werden sollen, scheint ebenfalls kein Hindernis.

Will oder kann man nicht mehr zurück, um in geopolitisch schwierigen Zeiten den Partner Kanada nicht bloß zu stellen? Immerhin haben SPD-Bundeskanzler Olaf Scholz und Wirtschaftsminister Robert Habeck vorigen August die Wasserstoff-Partnerschaft mit der kanadischen Regierung eingetütet. „Kanada wird für die Entwicklung des grünen Wasserstoffs eine ganz, ganz zentrale Rolle spielen“, schwärmte Scholz damals. Und lobte insbesondere die Absichtserklärungen zwischen Uniper, E.On und EverWind.

Kanada „bevorzugter Partner der Bundesregierung“

Kanada ist nicht der einzige Energie-Hoffnungsträger der Bundesregierung. Partnerschaften für grünen Wasserstoff gibt es inzwischen viele. Auf kaum einer ruhen aber so viele Erwartungen wie auf jener mit dem G7-Partner. Eine Sprecherin des Bundeswirtschaftsministeriums teilt schriftlich mit: „Die Zusammenarbeit mit Kanada auf dem Gebiet der Energiepolitik fügt sich in die besonders enge wirtschaftspolitische Zusammenarbeit mit Kanada ein, einem Land, mit dem Deutschland seit Jahrzehnten freundschaftlich verbunden ist, das verlässlich ist und in dem alle Entscheidungen – ob auf Bundes- oder Provinzebene – demokratisch zustande kommen. Das gilt auch für alle Entscheidungen in der Energiepolitik.“

Es sei „Sache der demokratisch gewählten kanadischen Bundesregierung und der Provinzregierung von Nova Scotia, das Für und Wider von energiepolitischen Richtungsentscheidungen auch unter Nachhaltigkeitsaspekten abzuwägen und den betreffenden Unternehmen dann zum Beispiel Genehmigungen zum Errichten von Windparks zu erteilen oder auch zu verweigern.“ Es gebe aber keinen Zweifel daran, dass solche Entscheidungen in Kanada auf demokratischen Wege zustande kämen. „Deshalb ist Kanada ein bevorzugter Partner der Bundesregierung bei allen wirtschaftspolitischen Fragen und deshalb werten wir die Ergebnisse wie zum Beispiel das Wasserstoffabkommen positiv.“

Paul Martin hält Wasserstoff für zu teuer und wertvoll, um den enormen Energieaufwand bei der Transformation zu verschmerzen. Ohnehin sei Nova Scotia mit einem vergleichbar niedrigen Kapazitätsfaktor für Windenergie denkbar schlecht für die Elektrolyse zur Aufspaltung von Wasser in seine Moleküle geeignet. Die Auslastung der Anlagen liege bei lediglich 30 bis 35 Prozent. Chile etwa habe das doppelte zu bieten. Projekte wie das von EverWind seien nur darstellbar, weil sie mit vielen Steuermillionen subventioniert würden. Üppige Fördertöpfe in Kanada, Zuschüsse für die Zusammenarbeit mit indigenen Bevölkerungsgruppen, EU-Gelder für die Ankurbelung der Wasserstoff-Wirtschaft, die Bereitschaft des Bundes, zehn Jahre lang die Preisdifferenz zwischen dem Ankauf von Wasserstoff und der Abgabe an die Wirtschaft auszugleichen: Möglichkeiten, das eigene finanzielle Engagement zu minimieren, gibt es für die erst 2022 gegründete Tochterfirma eines in New York registrierten Firmenkonglomerats genug.

Keine Anträge auf Umweltverträglichkeitsprüfung

Der Beweis, dass die Bewohner von Nova Scotia im Gegenzug von der Dekarbonisierung ihrer Provinz profitieren dürfen, steht aus. EverWind-Gründer und Private-Equitiy-Manager Trent Vichie, kanadische Politiker und auch das Bundeswirtschaftsministerium betonen dies zwar im Chor. Seit EverWind im Mai erstmals Landkarten präsentierte, auf denen ein Areal für eigene Windparks markiert war, wurden jedoch keine Leasing-Verträge für die Staatsflächen von der doppelten Größe von Frankfurt am Main geschlossen. Anträge für eine auch in Kanada verpflichtende Umweltverträglichkeitsprüfung wurden bis Redaktionsschluss ebenfalls nicht gestellt.

Im Juli kündigte EverWind den Kauf und die Entwicklung von drei in Planung befindlichen Windpark-Vorhaben an. Bis Redaktionsschluss lagen auch für diese Projekte keine Anträge auf Umweltverträglichkeitsprüfung vor. Dabei drängt die Zeit: In einer Präsentation, die EverWind im Juni für E.On und Uniper erstellte, werden die Genehmigungen bis spätestens November in Aussicht gestellt. Bis 2025 sollen sie demnach Strom liefern.

Zwei der Projekte wollte ursprünglich der Versorger Nova Scotia Power (NSP) realisieren. Das 1992 privatisierte Unternehmen muss laut gesetzlichen Vorgaben bis 2030 den Ausstieg aus der Kohle schaffen. 80 Prozent der Energie sollen dann aus erneuerbaren Quellen stammen. Bereits im Frühjahr hatte die Provinz-Regierung jedoch eine Strafe von umgerechnet 6,9 Millionen Euro aufgebrummt, weil das Etappenziel von 40 Prozent verfehlt wurde.

Nach Darstellung von EverWind soll in den drei Windparks produzierter Strom zwar in das Netz eingespeist werden. Allerdings will das Unternehmen im Gegenzug über Stromabnahmevereinbarungen genauso viel Energie für die Herstellung von Wasserstoff und Ammoniak aus dem Netz entnehmen. Und das nicht zu knapp. Für die erste Phase 2025, wenn E.On und Uniper 200.000 Tonnen Ammoniak erhalten sollen, beziffert EverWind die Leistung der Anlagen – sofern sie dann laufen – auf rund 530 Megawatt. Selbst bei einer Windkapazität von 40 Prozent und unter der Annahme, dass die Produktion von Ammoniak nur das Minimum von 10 Megawattstunden Strom pro Tonne bedarf, würde die Menge nicht ausreichen.

Für die zweite Phase ab 2026, wenn E.On und Uniper jedes Jahr 1 Million Tonnen Ammoniak erhalten sollen, hat Larry Hughes, Professor für Energiewirtschaft an der Dalhousie-Universität in Nova Scotia, einen Bedarf von rund 11.000 Gigawattstunden errechnet. „Das ist soviel Elektrizität wie Nova Scotia Power im gesamten Jahr 2021 produzierte,“ sagt er. Ihm zu Folge müsste EverWind in den nächsten drei Jahren mindestens 600 Windräder errichten, um die Lieferversprechen einzuhalten.

EverWind stellt die zusätzliche Errichtung eines Solarparks mit einer Kapazität von 300 Megawatt (laut Website) beziehungsweise bis zu 350 Megawatt (in der Kundenpräsentation) in Aussicht und spricht überdies von Speicherkapazitäten. Vor allem in den Wintermonaten werde man nicht benötigten Strom in das Netz einspeisen. „Das hängt von vielen Faktoren ab,“ bremst Hughes den Optimismus. „Mit dem Klimawandel wandelt sich auch das Wetter. Dieser Sommer war miserabel für Sonnenenergie. Wenn sich der Ozean erwärmt und die Winde sich ändern, ist vergangene Leistung keine Garantie für künftigen Erfolg.“ Zudem dürfe es keine Lieferprobleme für Türme, Rotoren und Turbinen geben.

Ins Gesamtbild passt die Aussage einer Sprecherin des Bundeswirtschaftsministeriums: „Über geplante Liefermengen können daher noch keine Aussagen gemacht werden, genauso über Zeiträume.“

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„Kann sich die Regierung nicht leisten“: Habecks Strategie für grünen Wasserstoff in der Kritik

Für Klimaneutralität ab 2045

„Kann sich die Regierung nicht leisten“: Habecks Strategie für grünen Wasserstoff in der Kritik

Wirtschaftsminister Robert Habeck: Leitplanken für Kraftwerkstrategie mit EU-Kommission aufgestellt.

Wirtschaftsminister Robert Habeck: Leitplanken für Kraftwerkstrategie mit EU-Kommission aufgestellt.© Marcus Brandt/dpa

Habeck kündigt die überarbeitete Wasserstoff-Strategie als „große nächste Geschichte“ an. Aus der Wissenschaft gibt es mehrere Punkte zu bemängeln.

Berlin – Um Klimaneutralität zu erreichen, setzt Wirtschaftsminister Robert Habeck auf Wasserstoff. Dazu hat die Bundesregierung eine neue Nationale Wasserstoffstrategie verabschiedet. Vor allem grüner Wasserstoff soll gefördert werden. „Grundsätzlich stehe ich sehr positiv zu dem, was Habeck mit der Wasserstoffstrategie gemacht hat. Er ist immer noch weit weg von dem, was wir wirklich brauchen“, sagt Prof. Robert Schlögl, der in 2020 und 2021 Vize-Vorsitzender im Nationalen Wasserstoffrat (NWR) war, zu IPPEN.MEDIA. Denn aus Sicht der Wissenschaft hapert es noch an einigen Punkten, was die Pläne für grünen Wasserstoff betrifft.

Habeck stellt neue Wasserstoff-Strategie vor: Grüner Wasserstoff soll gefördert werden

Ziel ist laut Habeck, grünen Wasserstoff überall da einzusetzen, wo Elektroenergie nicht verwendet werden kann: also vor allem in der Industrie, im Verkehr und in Kraftwerken, sowie zunehmend im Luft- und Schiffsverkehr einzusetzen, ebenso in Gaskraftwerken und bei der Wärmeversorgung.

„Im Transportsektor wird Wasserstoff in Zügen und Nutzfahrzeugflotten Einzug halten. Batterieelektrische Lösungen schränkten bei großen Fahrzeugen die Nutzlast ein, und Flotten solcher Fahrzeuge kämen beim Laden an die Grenzen des lokalen Stromnetzes“, sagte Prof. Dr. Harry Hoster, wissenschaftliche Leiter des Hydrogen and fuel cell center ZBT GmbH in Duisburg, zu IPPEN.MEDIA.

Habeck will Produktion von grünem Wasserstoff ankurbeln – gelingt das?

In Deutschland sollen zahlreiche Elektrolyseanlagen gebaut werden, die vor allem grünen Wasserstoff produzieren. Laut Habeck soll ungefähr ein Drittel des benötigten Wasserstoffs in Deutschland erzeugt werden. Die Strategie sieht vor, die Produktion von Elektrolyse-Anlagen verdoppeln, auf 10 Gigawatt. Bis 2027 und 2028 soll eine erste Infrastruktur stehen und gefördert werden. Aber hat Deutschland überhaupt die Kapazitäten, die Produktion von grünem Wasserstoff anzukurbeln?

„Die reine Produktion aus Überstrom per Elektrolyse wird in absehbarer Zeit nicht ausreichen“, sagte Dr. Ing Andy Gradel, stellv. Institutsleiter des Institutes für Wasserstoff- und Energietechnik zu IPPEN.MEDIA. „Durch gleichzeitig steigenden Strombedarf für E-Mobilität und Wärmepumpen werden die erneuerbaren Energien nicht so schnell ausgebaut werden können, wie nötig.“

Geht es nach Gradel, müsste man auch auf andere Technologien setzen, die den Ausbau fördern könnten. „Andere Pfade wie die Erzeugung aus biogenen Reststoffen, die heute noch enorme Potenziale in Deutschland haben, sind elementar für einen schnellen Hochlauf und eine flächendeckende Anwendung. Diese werden in der Nationalen Wasserstoff-Strategie vollständig ignoriert, obwohl eigenen Forschungsnetzwerke des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) seit zwei Jahren auf Technologieoffenheit plädieren und das BMWK die Forschung und Entwicklung an diesen Technologien aufgrund ihrer immensen Produktions- und Klimaschutzpotenziale zurecht fördert.“

Deutschlands Beitrag bei Wasserstoff-Strategie ist „Weiterentwicklung“

Wissenschaftler appellieren, den Schwerpunkt auf die Importe zu setzen, als die Produktion von grünem Wasserstoff in Deutschland anzukurbeln. Bislang wird in der Strategie festgehalten, dass zwei Drittel des Bedarfs an grünem Wasserstoff importiert werden soll. Dieser soll hauptsächlich aus Afrika geliefert werden. „Die Erzeugung von grünem Wasserstoff in Deutschland wird einen Beitrag leisten, wir werden aber (wie bei Gas und Erdöl) Energieimporteur bleiben. Deutschlands Beitrag ist die Weiterentwicklung und der Export von Elektrolyseuren zur Herstellung von Wasserstoff aus grünem Strom. Anlagenbau können wir“, sagte Hoster.

Auch Schlögl sieht beim Import von Wasserstoff eine Schlüsselrolle. „Die Umstellung von fossiler auf erneuerbare Energie ist eine große Aufgabe, die wir niemals mit Energieressourcen aus dem eigenen Land lösen können“, betonte Schlögl. Die Bundesregierung habe sich bei den Plänen, die Produktion von grünem Wasserstoff in Deutschland anzukurbeln, „ganz sicher überschätzt.“

Finanzierung bei Wasserstoff-Strategie: „Kann sich die Regierung nicht leisten“

Unklar ist, wie viel Staat und Unternehmen für die Umstellung auf Wasserstoff finanziell aufwenden müssen. Laut solarenergie hängen die Kosten für grünen Wasserstoff von der Herkunft des eingesetzten Stroms ab. Bei der Verwendung von Solarstrom belaufen sie sich auf knapp 6 €/kg Wasserstoff, bei Windenergie auf etwa 4 €/kg. Je nach Verfügbarkeit von grünem Strom können die Herstellungskosten regional auf bis zu 2,50 €/kg sinken. Experten rechnen mit einem Investitionsbedarf von vielen Milliarden Euro. Forschungsministerin Bettina Stark-Watzinger stellt 700 Millionen Euro bereit, um Wege zur Wasserstoff-Herstellung zu optimieren. Doch wird das reichen?

„Ein wesentlicher Fehler bei der Wasserstoffstrategie ist, dass die deutsche Regierung davon ausgeht, dass sie das im Wesentlichen finanzieren oder kofinanzieren, das werden sie garantiert, nicht tun. Das können Sie sich überhaupt nicht leisten“, hieß es von Schlögl. Für den Elektrolyseur, den Speicher und das Kraftwerk müsse man für jede Stunde zahlen, auch wenn sie nicht im Betrieb seien. „Deswegen entsteht ein irrsinniger Kostenüberhang.“ Grob gerechnet könne man sagen, dass die Kosten für die Erzeugung von erneuerbarer Energie doppelt so hoch, vielleicht wie die von Fossil.

Falscher Ansatz bei Wasserstoff-Strategie? „Habeck muss Spielregeln definieren“

„Herr Habeck soll sich um die Dinge kümmern, die er als Staat unbedingt regeln muss, und das Einzige, was er nicht unbedingt regeln muss, das ist das Subventionieren“, urteilt Schlögl. Stattdessen müsste der Staat „Spielregeln“ definieren und „Rahmenbedingungen“ zu schaffen. „Das Wichtigste wäre mal zu einer Übereinkunft zu kommen, wie man den Wert von Wasserstoff bestimmt. Man braucht eine juristische, international eindeutige Definition, was das ist. Sie ist aber Voraussetzung dafür, dass irgendjemand mal ein Geschäftsmodell machen kann.“

Diese Aufgabe sieht Schlögl allerdings nicht nur bei der Bundesregierung. „Es braucht mindestens die Idee von Olaf Scholz mit dem Klimaclub“, so der Experte. „Die könnten das definieren. Wenn zum Beispiel die G7-Staaten bestimmen, wie man einen Wasserstoffpreis festlegt, dann ist das allgemein gültig.“ Zudem müsse wissenschaftlich definiert werden, was grüner Wasserstoff eigentlich ist.

Habecks Wasserstoff-Strategie „ist langsam, geht aber in die richtige Richtung“

Grundsätzlich kommen die Wissenschaft zu dem Schluss, dass Habecks Strategie ein richtiger Ansatz ist. Zwar ist sie „langsam, geht aber in die richtige Richtung“, sagte Schlögl und lobt den Wirtschaftsminister, dass „überhaupt Initiative ergriffen wird“. Grundsätzlich erkennt die Wissenschaft an, dass Habecks Wasserstoff-Strategie ein richtiger Ansatz ist. Sie sei „langsam, geht aber in die richtige Richtung“, sagte Schlögl und lobte den Wirtschaftsminister, dass „überhaupt Initiative ergriffen wird“. „Habeck hat die erste Version der Wasserstoff-Strategie stark korrigiert“, so Schlögl.

Ob durch Habecks Wasserstoff-Strategie letztlich die angestrebte Klimaneutralität ab 2045 erreicht werden kann und ob die Energiewende gelingen wird, bleibt von einigen Faktoren abhängig. „Energiewende kann man nicht erzwingen. Diese Kommandostruktur ist nicht richtig und schadet den Grünen politisch sehr. Vielleicht diskutiert Habeck die Wasserstoff-Strategie erst mit den Vertretern“, sagte Schlögl.

„Solange das BMWK bzw. die Bundesregierung technologiespezifisch nach eigener Auswahl fördert und nicht gemessen an der Klimabilanz des Produktes, sehe ich die Ziele nicht erreichbar. Ich sehe hier sehr starke Parallelen zum umstrittenen Fokus auf Wärmepumpen im ausgebremsten GEG“, sagte Gradel.

Wasserstoff-Strategie wichtig für Klimaziele – in Deutschland fehlt jedoch Technologieoffenheit

Grüner Wasserstoff könnte künftig für das Erreichen Klimaziele unabdingbar werden. „Klimaneutralität kann ohne grünen Wasserstoff nicht erreicht werden“, sagte Hoster. Generell sei Wasserstoff als Energieträger der Zukunft unverzichtbar. Auf klimafreundlich hergestellten Wasserstoff zu setzen, hält auch Gradel für eine „kluge Entscheidung, wenn man die Einsatzbereiche weise wählt.“ „Neben einer schnellen Energiewende schafft die Wasserstoffbranche derzeit auch viele begehrte Arbeitsplätze, Deutschland ist in vielen Bereichen in dieser Branche führend“, sagte Gradel.

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"Macht Habeck so weiter, gibt es nur noch Industrie-Brötchen"

Die FDP erteilt Habecks Industriestrompreis eine Absage. Bei "Hart aber fair" wird um das grüne Projekt heftig gestritten. Eine Bäckerin sieht dabei schwarz.

Ein Wort brachte bei "Hart aber fair" am Montagabend die Lage in der Bundesregierung auf den Punkt. "Kommen Sie noch auf den Pfad der Grünen?", fragte Moderator Louis Klamroth Johannes Vogel, den stellvertretenden FDP-Parteichef. "Nein", antwortete der ohne zu zögern. Die beiden Unternehmer in der Talk-Runde fürchteten angesichts des Koalitionsstreits um ihre Profite, wenn nicht gar ihre Existenz. "Wenn er so weitermacht, gibt es halt irgendwann nur noch industrielle Brötchen", ließ Mittelständlerin Caterina Künne Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Die Grünen) ausrichten.

Die Gäste

  • Katharina Dröge (B‘90/Die Grünen), Fraktionsvorsitzende
  • Johannes Vogel (FDP), stellvertretender Bundesvorsitzender
  • Jens Spahn (CDU), stellvertretender Fraktionsvorsitzender
  • Christian Kullmann, Evonik Industries AG
  • Jens Südekum, Ökonom, berät das Wirtschaftsministerium
  • Caterina Künne, Inhaberin einer Bäckerei

Vogels "Nein" bezog sich auf den von Habeck geforderten Industriestrompreis. Mangelnde Investitionen und fehlende Innovationen ließen sich nicht durch weitere Subventionen lösen, bekräftigte Christian Lindners Stellvertreter die Position des Bundesfinanzministers. Wenn die Bundesregierung an die Energiepreise ran wolle, "dann bitte für alle: Unternehmen und alle Bürgerinnen und Bürger, durch die Senkung der Stromsteuer zum Beispiel. Da könnten wir was machen. Das hielte ich für richtig", sagte Vogel in der Sendung von Moderator Louis Klamroth.

Ein großes "Aber" hatte der Liberale hier allerdings eingebaut. Denn die Schuldenbremse will er wie Lindner nicht antasten. Aber vielleicht lasse sich ja im nicht durch Schulden finanzierten Klimafonds "Geld finden, um an die Energiepreise ranzugehen", meinte Vogel. Ungewohnt still wurde er auch, als Klamroth wissen wollte, ob der taiwanesische Chip-Riese TSMC wirklich mit Milliarden-Subventionen nach Deutschland gelockt werden muss. "Ich frage mich, ob das die richtige Schwerpunktsetzung ist", kommentierte der Liberale Habecks Kurs.

"Wasserpistole gegen Godzilla"

"Ich brauche keine Subventionen", meinte Christian Kullmann, Vorstandsvorsitzender der Evonik Industries AG. Aber das Geld für die heute doppelt so hohen Energiekosten seines Chemiekonzerns müsse irgendwo herkommen. Die von Lindner geplanten Steuersenkungen für Unternehmen in Höhe von sechs Milliarden Euro seien ein guter Schritt, um die Wirtschaft anzukurbeln. Verglichen mit den 400 Milliarden Dollar an Subventionen in den USA sei das, "als würden wir mit einer Wasserpistole gegen Godzilla anlaufen. Das reicht nicht".

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Laut dem Ökonomen Jens Südekum von der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf sind schon eher 100 Milliarden Euro nötig, um die deutsche Wirtschaft wieder wettbewerbsfähig zu machen – und zwar jedes Jahr bis mindestens 2030. "Sonst schaffen wir die Transformation der Wirtschaft nicht", mahnte der Wissenschaftler, der seit 2020 im Wissenschaftlichen Beirat des Bundeswirtschaftsministeriums sitzt. Zur Wahrheit gehöre aber auch: Dauerhafte Subventionen könne sich Deutschland nicht leisten.

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Nun ist Lindners Wachstums-Chancen-Gesetz bekanntermaßen kürzlich im Kabinett von der Grünen-Familienministerin Lisa Paus gestoppt worden. "Niemand investiert, weil keiner weiß, was gilt", monierte CDU-Präsidiumsmitglied Jens Spahn die offenen Konflikte in der Ampel.

An anderer Stelle attestierte der Ex-Gesundheitsminister Rot-Grün-Gelb dann aber plötzlich eine erstaunliche Geschlossenheit – zumindest, wenn es um angeblich nicht mehr zeitgemäße Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag geht. "Jedes Projekt wird umgesetzt, koste es, was es wolle", behauptete Spahn.

Viel zu teuer ist für immer mehr Bürger dagegen das Brötchen vom echten Bäcker an der Ecke geworden. "Warum werden wir nicht entlastet?", klagte Caterina Künne, die in Hannover mit ihrem Mann sieben Bäckereien betreibt. Die Unternehmerin war im September 2022 schon mal bei "Hart aber fair" zu Gast. Besser geworden sei es seitdem nicht, erklärte sie.

Anklage bei "Hart aber fair"

Auch bei der Herzensbäcker Künne GmbH hätten sich die Energiepreise laut der Firmenchefin verdoppelt. Im Gegensatz zur Industrie hätten Betriebe wie ihrer die stark gestiegenen Kosten aber nicht einfach an die Verbraucher abwälzen können – in Verbindung mit nicht so stark gestiegenen Lohnkosten, laut dem Ökonomen Südekum, ein Grund, warum Dax-Konzerne trotz Krise satte Gewinne einfahren.

Künne warf Habeck vor, mit seinem Industriestrompreis ihre großen Konkurrenten zu stärken und damit den Untergang eines ganzen Handwerks zu besiegeln. "Dann ist Ihre Regierung dafür, dass es nur noch große Bäckereien gibt?", fragte sie die Grünen-Vertreterin Dröge. Die verwies auf Entlastungen des Mittelstands an anderer Stelle, etwa durch den Wegfall der EEG-Umlage. Das hilft kleinen bis mittelgroßen Bäckern laut Künne aber wenig, wenn Branchenriesen durch einen Industriestrompreis gezielt subventioniert würden.

Sollte das so kommen, würden halt nur fünf Großbäckereien übrigbleiben, warnte Künne. Schon jetzt könnten sich immer mehr Kunden nur noch Aufbackware vom Discounter leisten. Das treibe noch mehr Handwerksbetriebe in die Pleite. "Wir wollen Grundversorger bleiben und kein Luxus", unterstrich die Mittelständlerin das Existenzrecht ihres Berufsstands.

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