Forum

Energie

Zitat

Was ein Öl-Embargo der EU gegen Russland bedeuten würde

Schluss, aus, vorbei: Nach Plänen der EU-Kommission sollen die russischen Öllieferungen in die Europäische Union bereits Anfang nächsten Jahres weitestgehend eingestellt sein.

Das sieht nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur der Vorschlag der Behörde von Ursula von der Leyen und des Europäischen Auswärtigen Dienstes für ein sechstes Paket mit Russland-Sanktionen vor. Für die Verbraucher und die deutsche Wirtschaft könnte die neue Unterstützung für die Ukraine teuer werden. Ein Überblick.

Sind Sanktionen der richtige Weg, um Russlands Präsident Wladimir Putin zum Rückzug aus der Ukraine zu bewegen? Zumindest von der Sinnhaftigkeit eines Öl-Embargos sind nicht alle westlichen Politikerinnen und Politiker überzeugt.

Was genau schlägt die EU-Kommission jetzt vor?

Konkret ist den Angaben zufolge geplant, dass nach einer Auslaufphase von sechs Monaten ein Einfuhrverbot für Rohöl gelten soll und nach einer Auslaufphase von acht Monaten dann auch ein Einfuhrverbot für Ölprodukte. Eine Rolle soll zudem spielen, ob Öllieferungen per Pipeline oder per Schiff erfolgen.

Weitreichende Ausnahmeregelungen sind den Informationen zufolge nur für Ungarn und Slowakei geplant. Diese beiden EU-Länder beziehen derzeit noch einen Großteil ihres Ölbedarfs aus Russland und sehen sich auch wegen eines fehlenden Meereszugangs nicht in der Lage, schnell andere Lieferquellen zu erschließen.

Was könnte das für deutsche Verbraucher bedeuten?

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) erwartet hohe «Preissprünge». Grund ist unter anderem, dass russisches Öl durch wahrscheinlich teurere Alternativen aus anderen Ländern ersetzt werden muss. Zudem bedeutet die Umstellung von Raffinerien und Lieferwegen Aufwand und Kosten. Aber wann und wie stark das Tanken oder Heizen teurer werden, wagt kaum jemand vorherzusagen.

Der Mineralöl-Wirtschaftsverband Fuels und Energie äußert sich sehr vage: Es sei «eher unwahrscheinlich», dass es keine Auswirkungen auf die Preise an den Tankstellen geben werde. Doch hänge die Markt- und Preisentwicklung von vielen Faktoren ab, etwa auch vom Dollarkurs und Beschlüssen der großen Förderländer.

Die Verbraucherzentrale Bundesverband sieht das ähnlich. «Die Entwicklung der Preise nach einem Öl-Embargo-Beschluss kann niemand zuverlässig vorhersagen», sagt vzbv-Mobilitätsexpertin Marion Jungbluth der Deutschen Presse-Agentur. «Der Ölmarkt ist immer schon sensibel und die Preise volatil gewesen.»

Energieexperte Klaus-Jürgen Gern vom Kieler Institut für Weltwirtschaft wagt die Prognose: «Drastische Preisanstiege wären gar nicht zwangsläufig.» Das gilt aus seiner Sicht zumindest für ein Embargo mit Übergangsfrist. Denn die schrittweise Abkehr von russischem Öl sei ja bereits angekündigt und in den derzeit hohen Preisen wohl schon berücksichtigt.

Was kann man gegen den Preisanstieg tun?

Die Verbraucherzentrale mahnt die Bundesregierung, ein strenges Auge auf die Preise an der Zapfsäule zu haben. Sie müsse einschreiten, wenn Konzerne sich in der Krise bereichern wollten, sagt Jungbluth mit Blick auf mögliche Gewinne durch plötzliche Veränderungen der Marktsituation (Windfall Profits). Gefordert seien die Markttransparenzstelle für Kraftstoffe und das Bundeskartellamt.

«Die beschlossene Energiesteuersenkung vom 1. Juni 2022 muss eins zu eins an die Verbraucher und Verbraucherinnen weitergegeben werden», verlangt die Expertin. Ein Preismoratorium solle auch verhindern, dass Tickets für Busse und Bahnen teurer werden. Wichtig sei zudem Energiesparen. Zugleich warnt Jungbluth: «Hamsterkäufe würden den Preis unnötig in die Höhe treiben oder sogar zu einer Verknappung führen, daher raten wir davon ab.»

Was könnte das Embargo für die deutsche Wirtschaft bedeuten?

Gezittert wird vor allem in Schwedt an der Oder in Brandenburg. Dort steht die vom russischen Staatskonzern Rosneft betriebene PCK-Raffinerie, die bislang von russischen Öllieferungen abhängig ist. 1200 Menschen sind direkt im Werk beschäftigt, zudem Hunderte Mitarbeiter bei Zulieferern und Dienstleistern auf dem Gelände.

Wie abhängig ist Deutschland noch von russischem Öl?

Deutschland sieht sich inzwischen einigermaßen gewappnet. Ohne russische Lieferungen sei keine «Ölkrise» zu erwarten, sagte Habeck zuletzt. Denn der Anteil russischen Öls am deutschen Verbrauch ist nach seinen Angaben binnen weniger Wochen von 35 auf 12 Prozent gesunken. Der verbliebene Anteil russischen Öls von zwölf Prozent entfällt demnach auf Schwedt.

Gibt es noch andere mögliche unerwünschte Nebenwirkungen?

Als ein Risiko gilt, dass ein Embargo die Ölpreise international so in die Höhe treibt, dass Russland am Ende mit weniger Exporten mindestens genauso viel Geld verdient wie vorher. Damit einhergehen könnte, dass Öl für ärmere Länder unbezahlbar wird.

Dies wiederum könnte Präsident Wladimir Putin nutzen, indem er russisches Öl billiger an ärmere Länder verkauft - unter der Bedingung, dass sich diese Länder nicht an den westlichen Sanktionen gegen Russland beteiligen. In Brüssel, aber auch in Hauptstädten wie Berlin und Washington sind deswegen nicht alle Politiker davon überzeugt, dass ein Öl-Embargo derzeit die klügste Idee ist.

Warum schlägt die Kommission dennoch ein Embargo vor?

Einen nicht unerheblichen Anteil an der Entscheidung dürfte der große Druck aus der Öffentlichkeit gehabt haben. Für viele Menschen ist es schwer verständlich, dass die EU-Staaten auch mehr als zwei Monate nach Kriegsausbruch noch im großen Stil Öl in Russland einkaufen und damit indirekt auch die Regierung von Putin stützen.

Nach Schätzung der Denkfabrik Bruegel wurde in die EU zuletzt noch täglich russisches Öl im Wert von etwa 450 Millionen Euro importiert.

Wie stark könnte das neue Embargo Russland treffen?

Die Befürworter hoffen, dass die Folgen gravierend sind. Zu Jahresbeginn hat Russland noch die Hälfte seiner täglich knapp fünf Millionen Barrel Rohöl nach Europa exportiert. Auch von den drei Millionen Barrel an Ölprodukten, also Diesel oder Schweröl, ging die Hälfte gen Westen. Das Öl, das bisher über die Druschba-Pipeline geflossen ist - etwa 750.000 Barrel pro Tag - dürfte selbst mit teuren Schifftransporten nicht komplett in andere Länder umgeleitet werden. Die einzige Pipeline nach Osten ist ohnehin ausgelastet.

Bereits im April ist die Ölförderung um neun Prozent gefallen. Bis Jahresende erwartet Finanzminister Anton Siluanow einen Rückgang von 17 Prozent. Weitere Einbußen könnten schmerzhaft sein, da Öleinnahmen rund 30 Prozent des russischen Haushalts ausmachen. Bislang sind die Verluste für Moskau zu ertragen. Die hohen Ölpreise machen einen Teil wieder wett, denn bei der Haushaltsplanung ist der Kreml noch von einem deutlich geringeren Ölpreis ausgegangen.

Wie geht es jetzt weiter?

An diesem Mittwoch wollen sich die ständigen Vertreter der EU-Staaten in Brüssel mit den in der Nacht verschickten Vorschlägen der Kommission beschäftigen. Wenn aus den Hauptstädten keine großen Einwände mehr kommen, könnte das Embargo dann bereits in den kommenden Tagen zusammen mit weiteren neuen Russland-Sanktionen beschlossen werden.

Um was für andere Sanktionen geht es?

Neben dem Öl-Embargo umfasst der Vorschlag der zuständigen EU-Institutionen nach dpa-Informationen auch neue Strafmaßnahmen gegen Unternehmen. Unter letzteren sind demnach die größte russische Bank, die Sberbank, sowie zwei andere Banken und TV-Sender, die gezielt Falschinformationen zum Ukraine-Krieg verbreiten.

Die Banken sollen so nicht mehr das internationale Finanzkommunikationssystem Swift nutzen können. Auf die EU-Liste derjenigen Personen und Organisationen, deren Vermögenswerte eingefroren werden, sollen neu unter anderem Akteure kommen, die für Gräueltaten in ukrainischen Städten wie Butscha und Mariupol zuständig sind.

Zitat

Die Spritpreise steigen wieder

Nur ein Teil der Spritsteuersenkung kommt bei den Bürgern an. Am Donnerstag stiegen die Spritpreise wieder, wie der ADAC mitteilte.

Sowohl der Verkehrsclub als auch das Bundeskartellamt sehen an den Tankstellen noch Luft für Nachlässe. «Eigentlich müsste es weiter nach unten gehen, stattdessen steigen die Preise aktuell aber», kritisierte ADAC-Experte Christian Laberer.

Dem Verkehrsclub zufolge kostete Superbenzin der Sorte E10 am Donnerstag um 14.20 Uhr im bundesweiten Durchschnitt 1,885 Euro pro Liter. Das sind 3,2 Cent mehr als 24 Stunden zuvor. Diesel kostete 1,934 Euro und damit 2,8 Cent mehr.

Dabei war der Steuervorteil - bei Superbenzin sind es 35,2 Cent pro Liter und bei Diesel 16,7 Cent - schon am Mittwoch nicht komplett beim Verbraucher angekommen. Stattdessen fielen die Preise im bundesweiten Tagesdurchschnitt von Dienstag auf Mittwoch nur um 27,3 Cent bei E10 und 11,6 Cent bei Diesel. «Es scheint so, dass ein großer Teil der für die Verbraucher gedachten Entlastung im Moment bei der Mineralölindustrie landet», sagte Laberer.

«Fairer» Preis für Super E10 «bei etwa 1,60 pro Liter»

Laberer hält den aktuellen Anstieg für nicht gerechtfertigt - zumal der Ölpreis zuletzt gesunken sei und an den Tankstellen inzwischen immer mehr steuerreduzierter Kraftstoff ankomme. Auch insgesamt seien die Preise deutlich zu hoch: Schon vor der Steuersenkung sei E10 seiner Einschätzung nach um etwa 20 Cent zu teuer gewesen. «Bei Super E10 müsste ein fairer Preis rund 55 Cent unterhalb des Preises vom Dienstag liegen», zählt er zusammen. «Also bei etwa 1,60 pro Liter. Davon sind wir im Moment rund 30 Cent entfernt.»

Laberer befürchtet, dass sich diese Lücke nicht schnell schließen wird. «Die Preise müsse sinken. Es besteht aber die Gefahr, dass das nicht passiert. Gerade jetzt vor der Pfingstreisewelle, in der viele Menschen gezwungen sind, zu tanken.»

Bundeskartellamt will genau hinsehen

Der Präsident des Bundeskartellamts, Andreas Mundt, will den Ölkonzernen sehr genau auf die Finger schauen, wie er am Donnerstag im Deutschlandfunk sagte. Es gebe große Transparenz bei den Preisen. Dies habe den Vorteil, «dass wir unter Umständen auch sehr unangenehme Fragen stellen können». Zudem will das Kartellamt die Entwicklung auch auf Ebene der Raffinerien und des Großhandels genau beobachten.

Angesichts der Preisentwicklung am Mittwoch sagte Mundt: «Das sind noch nicht die Zahlen, die der Tankrabatt in vollem Umfang erlaubt, aber wir sehen natürlich schon eine deutliche Senkung der Kraftstoffpreise gegenüber dem Vortag.» Gleichzeitig rief er in einer Mitteilung seiner Behörde die Autofahrer auf, die Spritpreise mit Hilfe einer Preis-App zu vergleichen. «Im Laufe eines Tages schwanken die Preise in ein und derselben Stadt oft um über 20 Cent. Tanken Sie tendenziell eher am frühen Abend und bei einer der preiswerteren Tankstellen.»

Aktion läuft bis Ende August

Die Steuersenkung soll bis Ende August gelten. Damit will die Bundesregierung angesichts stark gestiegener Energiepreise Verbraucher entlasten. Allerdings wirkt sie nicht erst an der Zapfsäule, sondern bereits bei Tanklagern und Raffinerien. Vor Mittwoch gekaufte Lagerbestände der Tankstellen sind daher noch mit der höheren Steuer belastet.

Die Wirtschaftsweise Monika Schnitzer befürchtet, dass Ölkonzerne trotz fallender Preise an den Tankstellen deutlichen Profit aus der Steuersenkung schlagen könnten. «Nach den Erfahrungen in der Vergangenheit, insbesondere bei der Mehrwertsteuersenkung 2020, halte ich das Risiko für hoch», sagte die Ökonomin der «Augsburger Allgemeinen». «Selbst wenn prozentual dieses Mal mehr von der Steuersenkung weitergegeben wird als vor zwei Jahren, kann der Mehrgewinn der Unternehmen durch die unvollständige Weitergabe in absoluten Eurobeträgen doch sehr hoch sein.»

Bei der Mehrwertsteuersenkung im Sommer 2020 hätten ihren Berechnungen nach die Ölkonzerne 40 Prozent der Steuersenkung einbehalten, sagte das Mitglied des Sachverständigenrats der Bundesregierung. Diesmal stünden die Tankstellen allerdings unter besonders genauer Beobachtung.

Der Ökonom Achim Wambach rechnet mit spürbaren Einsparungen für die Verbraucher durch die Steuersenkung. Studien hätten ergeben, dass die Mehrwertsteuersenkung während der Corona-Krise zu 80 Prozent bei Kunden von Diesel und zu 40 Prozent bei Kunden von Benzin weitergegeben worden sei, sagte der Chef des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung der «Rheinischen Post».

Zitat

Russland steigt zu Chinas größtem Öl-Lieferanten auf

Der Westen sanktioniert Moskau wegen des Angriffs auf die Ukraine, das Regime hat für sein Öl aber andere Absatzmärkte gefunden. So profitiert das chinesische Raffinerieunternehmen Sinopec von kräftigen Preisnachlässen.

Während die westliche Welt versucht, sich von russischer Energie zu emanzipieren, geht China den gegenteiligen Weg: Russland hat im Mai so viel Öl in die Volksrepublik verkauft wie noch nie und ist damit zum größten Öl-Lieferanten der Volksrepublik aufgestiegen.

Konkret importierte China im vergangenen Monat fast 8,42 Millionen Tonnen Rohöl aus Russland, wie die Zollbehörde in Peking mitteilte. Das sind knapp zwei Millionen Barrel pro Tag und 55 Prozent mehr als vor Jahresfrist sowie etwa ein Viertel mehr als im April. Damit verdrängte Russland nach 19 Monaten wieder Saudi-Arabien von Rang eins der größten Öl-Lieferanten Chinas.

Saudi-Arabien wiederum lieferte im Mai mit 7,82 Millionen Tonnen beziehungsweise 1,84 Millionen Barrel pro Tag neun Prozent mehr Öl nach China als im Vorjahr. Gegenüber den 2,17 Millionen Barrel pro Tag im April ist dies allerdings ein Rückgang von rund 15 Prozent.

Engere wirtschaftliche Beziehungen vereinbart

Chinesische Unternehmen wie das große Raffinerie-Unternehmen Sinopec profitieren von kräftigen Preisnachlässen Russlands, nachdem sich westliche Ölkonzerne und Handelshäuser aufgrund der Sanktionen wegen des Ukrainekriegs vom russischen Markt zurückgezogen hatten. Auch Indien hatte zuletzt seine Ölimporte aus Russland ausgeweitet.

Die EU indes plant einen weitgehenden Importstopp von russischem Öl. Dies betrifft aber nur Transporte mit Öltankern über den Seeweg, Pipeline-Öl wurde auf Drängen vor allem Ungarns von dem Embargo ausgeschlossen. Das EU-Embargo soll zudem mit teils langen Übergangsfristen greifen.

Während der Westen sanktioniert hat Russland mit China vergangene Woche einen weiteren Ausbau der wirtschaftlichen Zusammenarbeit vereinbartMoskau und Peking wollen unter anderem in den Bereichen Energie, Finanzen, Industrie und Transport stärker kooperieren. Die Präsidenten Wladimir Putin und Xi Jinping hatten zudem zuletzt auch über die Entwicklung der militärischen Beziehungen gesprochen.

China hält sich mit Kritik am russischen Krieg in der Ukraine auffallend zurück. Mehrere Wochen vorher hatten sich Putin und Xi vereinbart, dass die Beziehungen zwischen beiden Seiten »keine Grenzen« haben würden. Offen ist, ob Xi damals um die russischen Angriffspläne wusste.

Das Fazit vefalscher deutscher Politik:

Bei uns wurde Öl teurer,

die Chinesen bekommen das Öl zu Sonderangebot

und Putin hat andere Abnehmer sowie kaum wirksammen Schaden!!

Zitat

Studie: Bei Gaslieferstopp «tiefe Rezession» in Deutschland

Ein Anzeige für Druck an einem Gasspeicher.

© Peter Kneffel/dpaEin Anzeige für Druck an einem Gasspeicher.

Bei einem Stopp russischer Gaslieferungen im kommenden Halbjahr würde Deutschlands Wirtschaftsleistung nach einer Studie des Prognos-Instituts um 12,7 Prozent einbrechen. Deutschland würde «in eine tiefe Rezession gleiten», sagte Chefvolkswirt Michael Böhmer am Dienstag in München. «Insgesamt wären rechnerisch etwa 5,6 Millionen Arbeitsplätze von den Folgen betroffen», sagte Bertram Brossardt, Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw). Die vbw hatte die Studie in Auftrag gegeben.

Böhmer sagte, die Industrie stehe für 36 Prozent des Gasverbrauchs in Deutschland. Ohne russisches Gas hätte sie nur noch die Hälfte zur Verfügung. Zur Stromerzeugung könnte sie teilweise auf andere Energien ausweichen. Aber für die Chemieindustrie sei Gas ebenso unverzichtbar wie für die Glasindustrie oder die Walzwerke der Stahlindustrie. Ohne Lack, Glas oder Stahl kämen die Autoindustrie und viele andere Branchen in Bedrängnis. In der Autoindustrie und in der Lebensmittelbranche wäre der Schaden am größten. Ein großer Teil der fehlenden Produkte könnte zwar durch Einkäufe im Ausland ersetzt werden, aber «es pflanzt sich am Ende auf die gesamte Volkswirtschaft fort», sagte Böhmer.

Die Studie untersuchte die Folgen eines plötzlichen russischen Gas-Lieferstopps von 1. Juli bis Ende Dezember. Im Gegensatz zu einigen früheren Studien habe Prognos einzelne Produktionsprozesse und deren Bedeutung für andere Branchen in den Blick genommen, betonte Böhmer. Mit starken Anstrengungen könnte ein Viertel des Gasverbrauchs ersetzt oder eingespart werden. Dazu gehöre zum Beispiel auch, Wohnungen etwas weniger zu heizen. Aber die Industrie müsste schon ab Juli mit einer Deckungslücke von 50 Prozent rechnen. «In Summe droht damit ein Wertschöpfungsverlust von 193 Milliarden Euro» in einem halben Jahr, sagte Brossardt und mahnte zur Vorbereitung: «Putin kann uns jederzeit den Gashahn abdrehen.»

Zur Stromerzeugung könne Gas kurzfristig durch Öl und Kohle ersetzt werden. Die letzten drei deutschen Atomkraftwerke steuerten etwa 6 Prozent zur Stromerzeugung bei, ihre Laufzeit könnte verlängert werden. Langfristig bremse der ambitionierte Ausbau aller erneuerbarer Energien die Strompreise und befreie von einseitigen Abhängigkeiten im Energiesektor, sagte Brossardt.
Zitat

Wie Energie und Lebensmittel gleichzeitig auf dem Acker gewonnen werden sollen

Schafe fühlen sich unter schattigen Solarpanelen wohl Quelle: Getty Images/Westend61

© Getty Images/Westend61Schafe fühlen sich unter schattigen Solarpanelen wohl Quelle: Getty Images/Westend61

Im Jahr 1981 erschien in der Zeitschrift „Sonnenenergie“ ein Beitrag der Wissenschaftler Adolf Götzberger und Armin Zastrow. Er trug den Titel „Kartoffeln unter dem Kollektor“. Die Autoren schlugen vor, Äcker so zu nutzen, dass dort zweierlei geerntet würde: Kartoffeln und Solarstrom. Denn der Kartoffel bekommt der Schatten der Photovoltaikmodule (PV) besser als Sonnenschein im Zenit.

Die Idee der „Agri-PV“ war geboren. Es dauerte dann mehr als 40 Jahre, bis sich die Politik dafür begeisterte. Anfang Juli beschloss der Bundestag eine Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG). Darin steht, dass Agri-PV fortan auch auf Grünland erlaubt ist. Und das Bundesagrarministerium teilte mit, dass für die Kombination von Kollektor und Kartoffel oder Grünland auch weiterhin die für Landwirte lebenswichtigen EU-Flächenprämien ausgezahlt würden. Das bedeutet: Agri-PV ist auch juristisch als Landwirtschaft zu betrachten, nicht als Kraftwerkbau. Zwei wichtige Stellschrauben sind verändert, um den Ausbau zu forcieren.

Im Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) in Freiburg beschäftigt man sich schon länger mit dem Thema. Max Trommsdorff leitet dort die Forschung zu Agri-PV. In seinen Augen ist ihre Zeit gekommen, ,,schneller als gedacht“.

Trommsdorff sieht in der Agri-PV „eine Technologie, die das Potenzial hat, den Wasserverbrauch zu reduzieren und die Flächennutzung viel effizienter zu gestalten“. Vieles tue sich in der Materialforschung: Es gebe etwa vermehrtes Interesse an organischen PV-Folien oder an Dünnschicht-PV, die passgenau die von den jeweiligen Pflanzen benötigten Lichtspektren durchlassen. „Es gibt auch einen Trend zu sogenannten bifazialen PV-Anlagen, deren Rückseite ebenfalls elektrisch aktiv ist“, sagt Trommsdorff. Das bringt höhere Stromausbeute je Quadratmeter Modulfläche.

Über die Durchsetzung entscheiden in der Praxis aber nicht nur gute wissenschaftliche Argumente, sondern vor allem betriebswirtschaftliche. Jetzt haben die Landwirte Klarheit: Die EU-Agrarförderung gibt es weiter, wenn „landwirtschaftliche Hauptnutzung“ vorliegt, also nicht mehr als 15 Prozent des üblichen Ertrages durch die Solaranlagen verloren gehen. Klare Kriterien für die Tierhaltung fehlen aber noch.

Die erste wissenschaftliche Versuchsanlage in Deutschland entstand 2015 in Heggelbach am Bodensee, betreut unter anderem vom ISE. Sechs Meter hoch beschirmen in Heggelbach PV-Module die Felder, auf denen Sellerie, Kartoffeln, Klee und Weizen wachsen. Viel Licht dringt hindurch, und schon die ersten Forschungsergebnisse waren vielversprechend.

in der Versuchsanlage Heggelbach wird die erste Getreideernte unter der APV-Anlage eingebracht. Quelle: © Hofgemeinschaft Heggelbach

© Hofgemeinschaft Heggelbachin der Versuchsanlage Heggelbach wird die erste Getreideernte unter der APV-Anlage eingebracht. Quelle: © Hofgemeinschaft Heggelbach

Die Ernten gingen durch die Beschattung zurück – bei Kartoffeln und Weizen rund 18 Prozent, aber die Stromausbeute verbessert die Gesamtbilanz. Das Land wurde um 60 Prozent effektiver genutzt als im Falle der reinen Feldwirtschaft. Im besonders heißen Sommer 2018 waren die Getreideernten unter PV-Schatten sogar etwas größer als auf den offenen Vergleichsfeldern. Die Früchte wurden geschützt.

Die zunehmend sonnigeren Sommer führen auch in anderen Bereichen zur Idee einer zusätzlichen Beschattung durch PV-Dächer. Im Weinbau lassen Hitze und Trockenheit die Trauben früher reifen, oft zu früh, hier könnte die Bedachung besonders positiv wirken, meinen Wissenschaftler von der Hochschule Geisenheim mit der berühmten Weinbauschule im hessischen Rheingau.

Quelle: Infografik WELT

© Infografik WELTQuelle: Infografik WELT

Am Geisenheimer Fuchsberg soll im Idealfall im kommenden Jahr unter Agri-PV-Dächern Weintrauben geerntet werden. Drei Meter hoch überdecken hier Solardächer die jungen Reben. Die Fläche ist gering: ein halber Hektar. Hier geht es nicht um Marktreife – sondern, wie es im Forschungsantrag heißt, um neue Wege für die Anpassung an den Klimawandel zu eröffnen und um „gesellschaftliche Partizipation bei der Ausgestaltung der Energiewende am praktischen Beispiel“ zu erlangen. Die Ertragsauswirkungen werden dokumentiert. Eine weitere Frage in Geisenheim ist, was man über die Integration sogenannter Biodiversitätsinseln – Blüh- und Nistfelder inmitten der Dächer – erreichen kann.

Was sagen die Landwirte? Grund, über Agri-PV nachzudenken, haben sie: Die Dürre drückt, Schattenspender sind überlebenswichtig. Auch in der bayerischen Rhön stauben die Böden wieder. Wie ernährt uns künftig solches Wüstenland?

Der Bauer Mathias Klöffel beackert in Großbardorf mit seinem Sohn 180 Hektar Land. Hier reifen Weizen, Mais und anderes. Er hat schon vieles dafür getan, um den Ackerbau an die neuen Klimabedingungen anzupassen. Weg vom Mais, hin zu Fruchtfolgen mit Triticalen, tief wurzelnden Luzernen, Leguminosen, Salbei. Vieles davon kommt in die Biogasanlage.

Klöffel wäre ein idealer Interessent für Agri-PV. Paneele könnten seine Äcker vor dem schnellen Austrocknen schützen. Klöffel, auch Geschäftsführer der Energiegenossenschaft Agrokraft, denkt aber vor allem an Mehraufwand und rechnet am Beispiel seines Betriebes vor: 300 Euro spüle ein Hektar Weizenland in seine Betriebskasse, und das sei nicht eben viel. Da müsse die Arbeit unkompliziert sein. „Wenn dazwischen fünf PV-Anlagen stehen, wird die Arbeitszeit für das Mähen viel zu lang.“

Er denkt nicht daran. Sein eigener Weg zur Sonnenenergie war weniger kompliziert: Klöffel ließ schon vor 20 Jahren seine Stalldächer mit PV-Modulen eindecken. Und die Genossenschaft betreibt eine klassische Solaranlage, die Fläche frisst.

Aber die Agri-PV-Technik entwickelt sich fort. Große Traktoren und Mähdrescher könnten durch die Reihen fahren – die Höhe der PV-Dächer liegt bei sechs Metern, der Abstand der Paneelreihen bei 18 Metern.

Markus Haastert will Bedenken zerstreuen. Der Unternehmer in Berlin berät mit seiner AgroSolar Europe GmbH Landwirte und berichtet von stark gestiegenem Interesse nach dem Parlamentsbeschluss vom Juli. Fragen kommen aus dem ganzen Land: Es geht um die optimale Beschattung von Obst im Alten Land, von Beeren in Brandenburg, von Kartoffeln und Rüben im Rheinland. Aber auch, sagt Haastert, um naturnähere Anlagen. „Wir wollen nicht Beton auf den Acker gießen, sondern Anlagen auf filigrane Stahlverankerungen stellen, die wie Baumwurzeln gemacht sind.“

Noch sind viele Fragen offen: Wie lassen sich Paneele so aufstellen, dass sie im Frühling vor Hagel schützen und im Sommer das Mikroklima verbessern? Wie kann man Bewässerungsanlagen integrieren? Wird die Artenvielfalt beeinflusst, werden Vögel geblendet?

In der Agrarwissenschaft werden sinnvolle Antworten oft nur für sehr konkreten Anwendungen gegeben. Jede Frucht, jeder Boden, jede Klimaregion hat eigene Bedarfe. Welche Anwendungsfelder landwirtschaftlich sinnvoll sind, ist bekannt: Dauergrünland oder Getreide vertragen eine Beschattung am Morgen und Abend. Damit experimentiert etwa der süddeutsche Energieversorger Lechwerke seit gut einem Jahr im Allgäu. Diese Paneele lassen etwa die Beweidung durch SchafeZiegen oder Hühner zu.

Obstkulturen wie Birnen und Äpfel oder Kartoffeln, die Sonnenschutz in der Mittagszeit benötigen, lassen sich eher mit dachförmigen, auf Stelzen stehenden PV-Modulen kombinieren. Davon gibt es in Deutschland bislang nur wenige Versuchsanlagen – eine etwa am Bodensee, eine in Rheinland-Pfalz, wo auf Apfelplantagen die Früchte erfolgreich vor Sonnenbrand geschützt werden.

Wie viel teurer ist eine hochgeständerte PV-Anlage, wie sie in Heggelbach eingesetzt wird? Das Kompetenzzentrum für Nachwachsende Rohstoffe im bayerischen Straubing hat Daten dazu: 1234 Euro fallen an Investitionskosten je Kilowatt Peak – die maximale Leistung unter Standardbedingungen – Stromertrag für diese Anlagen an, bei gängigen Freiflächenanlagen sind es im Vergleich nur 572 Euro. Weil unter dem teureren Solardach aber eine Bewirtschaftung möglich ist, kommt der Getreide- oder Obstverkauf hinzu, ebenso wie die rund 300 Euro EU-Flächenprämie. Agri-PV wird sich zunächst auf sehr ertragreichen Böden rentieren.

Für die sogenannte integrierte Photovoltaik wie Agri-PV kommen mehreren Möglichkeiten infrage, überall dort, wo Solarpaneele in bestehende Infrastrukturen eingebaut werden, an Hausfassaden, in Gleisen, auf Autodächern bis hin zu Baggerseen, auf denen Anlagen schwimmen. Das Ausbaupotenzial der Agri-PV ist aber besonders groß, hat Forscher Trommsdorff mit Kollegen errechnet.

Dazu verglich er den Stromertrag der Agri-PV mit anderen Bereichen: Auf 1700 Gigawatt Peak kamen sie, das ist deutlich mehr als jeweils für den Solarausbau der Gebäude, der Straßen- und Schienenwege, der Wasserflächen, Lärmschutzwände oder einer entsprechenden Nutzung der Autoflächen. Und es wäre vielfach mehr, als für die Klimaneutralität im Energiesektor laut Berechnungen des ISE nötig wäre.

Quelle: Infografik WELT

© Infografik WELTQuelle: Infografik WELT

Der Ausbau von Agri-PV geht nicht mit der Brechstange, es gibt auch Vorbehalte in der Bevölkerung. Am Freiburger ISE wird auch die Akzeptanz der Agri-PV erforscht. Erste Ergebnisse: Die Kombination von Agrarwirtschaft und Photovoltaik wird von Menschen weniger störend wahrgenommen als reine PV-Flächen am Boden oder vor allem als Windparks.

Zitat

ADAC: Preise an der Tankstelle sinken deutlich

Die Preise an der Zapfsäule sind laut dem ADAC im Vorwochenvergleich deutlich abgesunken. Wie der ADAC am Mittwoch mitteilte, sank insbesondere der Preis für Diesel deutlich: Er kostete demnach im bundesweiten Durchschnitt 1,89 Euro, ein Minus von 3,7 Cent im Vergleich zur Vorwoche. Der Benzinreis sank in dem Zeitraum um 2,5 Cent auf aktuell 1,707 Euro.

Die Preise an der Zapfsäule sind laut dem ADAC im Vorwochenvergleich deutlich abgesunken. Grund für die gesunkenen Spritpreise waren laut ADAC die deutlich gesunkenen Preise für Rohöl an den internationalen Rohstoffmärkten.

© MIGUEL MEDINADie Preise an der Zapfsäule sind laut dem ADAC im Vorwochenvergleich deutlich abgesunken. Grund für die gesunkenen Spritpreise waren laut ADAC die deutlich gesunkenen Preise für Rohöl an den internationalen Rohstoffmärkten.

Grund für die niedrigeren Spritpreise sind laut ADAC die deutlich gesunkenen Preise für Rohöl an den internationalen Rohstoffmärkten. So wurde ein Barrel der Rohölsorte Brent zuletzt für 96 Dollar (93,90 Euro) gehandelt. In der Vorwoche lag der Preis noch bei 100 Dollar. Bereits im Juli war der Benzinpreis um knapp zwölf Cent gesunken, der Preisrückgang bei Diesel war mit 6,3 Cent geringer ausgefallen.

Zitat

Wärmepumpe verdrängt in Deutschland zunehmend Gasheizung

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat das Heiztechnikunternehmen Viessman besucht. Er warnte davor, zu glauben, dass die Energiekrise schnell überwunden werden kann: „Die Preise werden nicht so schnell sinken, wie wir uns das vorstellen.“

© Bereitgestellt von WELTBundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat das Heiztechnikunternehmen Viessman besucht. Er warnte davor, zu glauben, dass die Energiekrise schnell überwunden werden kann: „Die Preise werden nicht so schnell sinken, wie wir uns das vorstellen.“

Die Wärmepumpe verdrängt in Deutschland einem Medienbericht zufolge zunehmend die Gasheizung. Das „Handelsblatt“ berichtete am Donnerstag unter Berufung auf Zahlen des Bundesverbands der Deutschen Heizungsindustrie (BDH), Heizungsbauer hätten im ersten Halbjahr dieses Jahres 25 Prozent mehr Wärmepumpen ausgeliefert als im Vorjahreszeitraum.

Damit steige der Marktanteil der Wärmepumpe im Geschäft mit neuen Heizungen von 17 auf 21 Prozent. Eine Berechnung des „Handelsblatts“ aus den Zahlen zeigt außerdem, dass der Absatz von Gasheizungen im zweiten Quartal 2022 um zehn Prozent zurückgegangen ist.

Allerdings gebe es derzeit laut dem Zentralverband Sanitär Heizung Klima (ZVSHK) bei keiner Produktgruppe so große Lieferschwierigkeiten wie bei der Wärmepumpe. Eine Erhebung des ZVSHK zeigt demnach, dass 94 Prozent der Innungsbetriebe aktuell über Lieferprobleme vonseiten des Großhändlers oder Herstellers berichten.

„Unsere Betriebe könnten im Moment jede Wärmepumpe installieren, wenn sie denn welche hätten“, erklärte ZVSHK-Sprecher Frank Ebisch auf AFP-Anfrage. „Wenn Sie heute eine Wärmepumpe ordern, können Sie frühestens im Frühjahr nächsten Jahres mit dem Einbau rechnen“, erklärte Ebisch. Zwar bauten die deutschen Hersteller aktuell ihre Produktionsstrecken aus. „Aber aktuell können sie nicht liefern.“

Das Problem hat sich demnach in den vergangenen zwei Jahren deutlich verschärft: Zu Beginn der Pandemie, im März 2020, berichteten erst 31,4 Prozent der Sanitärbetriebe von Lieferproblemen. Eine hohe Nachfrage gibt es derzeit nicht nur nach Wärmepumpen, sondern auch nach Heizkesseln und Heizkörpern sowie nach Steuerungs- und Regeltechnik.

Zitat
Großes Erdgasfeld südlich von Zypern entdeckt
Das Bohrschiff "Tungsten Explorer" (Archivbild): Das Schiff hat im Mai 2022 mit der Bohrung Cronos-1 vor Zypern begonnen. Jetzt wurde dort ein Gasfeld mit rund 70 Milliarden Kubikmeter Erdgas gefunden.

Das Bohrschiff "Tungsten Explorer" (Archivbild): Das Schiff hat im Mai 2022 mit der Bohrung Cronos-1 vor Zypern begonnen. Jetzt wurde dort ein Gasfeld mit rund 70 Milliarden Kubikmeter Erdgas gefunden. (Quelle: Bilal Hussein/dpa)

Hoffnungsschimmer im Gaskrimi: Vor der Küste Zyperns sind weitere Erdgasvorkommen entdeckt worden. Bis zum Beginn der Förderung dauert es aber noch.

Südlich von Zypern sind erneut Erdgasvorkommen entdeckt worden. Dies teilte die zyprische Energieministerin Natasa Pileidou am Montag im staatlichen Rundfunk (RIK) mit. Das italienisch-französische Energie-Konsortium Eni-Total habe die Entdeckung bei Forschungsarbeiten gemacht. Das Gasfeld soll der Ministerin zufolge rund 70 Milliarden Kubikmeter Erdgas guter Qualität enthalten.

Italiens teilstaatlicher Energieversorger Eni sprach in einer Mitteilung von einem "wichtigen Fund" in 2.287 Metern Tiefe, rund 160 Kilometer von der Küste Zyperns entfernt. Die italienische Zeitung "La Repubblica" sah darin eine bedeutsame Nachricht für Italiens Energiepolitik. Der Fund gebe aber auch den Ländern in Europa die Möglichkeit, sich von russischen Gaslieferungen unabhängig zu machen. Bis zum Beginn der Förderung dürfte jedoch noch ein Jahr vergehen.

Zypern streitet mit der Türkei über Bohrungen im Mittelmeer

Bereits 2011 hatte die US-Firma Noble Energy bei Bohrungen weiter östlich des aktuellen Fundortes große Erdgasfelder in der Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) Zyperns entdeckt. Seither ist mit dem Nachbarland Türkei allerdings ein Streit um die Ausbeutung des Rohstoffs entbrannt.

Zypern ist seit 1974 in einen griechisch-zyprischen Teil im Süden und einen türkisch-zyprischen Teil im Norden der Insel geteilt. Solange es keine Lösung der Zypernfrage gibt, sperrt sich Ankara gegen die Ausbeutung der Erdgasfelder und die Forschung nach weiteren Vorkommen.

Zitat

Strom und Erdgas: Deutschland steckt in der Energiepreis-Falle – „Reihenweise Betriebe in Schlüsselindustrien werden schließen“

Die Preise für Strom und Gas sind um ein Vielfaches teurer als in den USA und Asien – und der große Kostenschub kommt erst noch. Die deutschen Konzerne fürchten eine Deindustrialisierung.

„Insgesamt gefährden die hohen Energiekosten die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland.“ Foto: dpadata-portal-copyright=

„Insgesamt gefährden die hohen Energiekosten die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland.“ Foto: dpadata-portal-copyright=© Bereitgestellt von Handelsblatt

Die dramatisch steigenden Preise für Strom und Gas werden zu einem immer größeren Wettbewerbsnachteil für Unternehmen in Deutschland: „Die deutsche Industrie zahlt für Erdgas aktuell einen Marktpreis, der um den Faktor acht höher liegt als der Marktpreis in den USA“, sagt Christof Bauer, Energieexperte der TU Darmstadt.

Bauer bezieht sich mit seinen Berechnungen, die dem Handelsblatt exklusiv vorliegen, auf den aktuellen Großhandelspreis für Lieferungen im Jahr 2023. Dieser Preis liegt aktuell bei 270 Euro pro Megawattstunde.

Rechnet man noch Steuern und Abgaben hinzu, unterscheiden sich die Gaspreise in Deutschland und den USA laut Bauer sogar um den Faktor neun. Allein die Umlagen wie Konzessionsabgaben und Netzentgelte, zu denen im Oktober noch die neue Gasumlage kommt, sind fast so hoch wie der gesamte Gaspreis in den USA. Es würde aufgrund der gestiegenen Gaspreise bereits weniger hergestellt und Produktion verlagert, sagt Bauer.

Matthias Zachert, CEO des Chemiekonzerns Lanxess, sieht darin eine gefährliche Entwicklung und warnt vor einer Deindustrialisierung des Landes. „Bleiben die deutschen Energiepreise auf dem derzeitigen Niveau, dann werden wir erleben, dass reihenweise Betriebe in deutschen Schlüsselindustrien schließen“, sagt er. „Und was jetzt an wettbewerbsfähigere Regionen wie die USA verloren geht, wird nicht zurückkommen.“

Die Warnung der Industrie ist auch deshalb brisant, weil der eigentliche Kostenschub erst noch bevorsteht. „Die große Welle bei den Kosten für Strom und Gas wird die energieintensiven Firmen in Deutschland erst im kommenden Jahr richtig erfassen“, sagt Unternehmerin Carletta Heinz, Chefin der fränkischen Heinz-Glas, eines Herstellers von Parfümflakons.

Viele Unternehmen profitieren im Moment noch von alten Lieferverträgen, die sie für einen gewissen Zeitraum vor den derzeit großen Preissprüngen schützen. Doch die laufen nach und nach aus. In den nächsten Monaten und im kommenden Jahr müssen sie sich zu den dann geltenden Konditionen mit Erdgas und Strom eindecken – und die werden nach aktueller Erwartung im Handel mit Zukunftskontrakten an den Energiebörsen kaum niedriger liegen als aktuell.

„Für den Industriestandort sind die hohen Gas- und Stromkosten ein Riesenproblem“

Besonders stark betroffenen sind energieintensive Branchen wie Chemie, Stahl, Papier, Baustoffe, Zement oder Glas. „Für den Industriestandort sind die hohen Gas- und Stromkosten ein Riesenproblem“, sagt Hubertus Bardt, Geschäftsführer des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW).

„Kurzfristig haben wir extreme Preissteigerungen, die es in anderen Regionen nicht gegeben hat. Langfristig ist immer noch ein höheres Preisniveau zu erwarten, wenn wir uns stärker über LNG versorgen“, sagt der IW-Geschäftsführer. Das stelle die Wettbewerbsfähigkeit energieintensiver Unternehmen infrage. „Schon bisher war Deutschland ein teures Energieland, das wird nun noch deutlich schlechter“, sagt er.

Das hohe Energiepreisniveau ist seit vielen Jahren eine Bürde für zahlreiche Branchen in Deutschland. Die Folgen sind seit Langem zu spüren: Unternehmen aus energieintensiven Branchen investieren weniger, als sie abschreiben, sie zehren somit ihre Substanz auf.

Teures Deutschland – Schere bei den Energiepreisen geht immer weiter auseinander

Dieser Trend dürfte sich nun deutlich verstärken. Denn die Schere zwischen Deutschland und anderen europäischen und außereuropäischen Ländern bei den Strom- und Gaspreisen geht immer weiter auseinander.

Wie stark sich die Energiepreise schon vor Kriegsausbruch auseinanderentwickeln, zeigt der Zehnjahresvergleich mit Daten der Internationalen Energieagentur (IEA). Danach lag der Industriestrompreis in Deutschland 2010 noch bei etwa zehn Cent je Kilowattstunde und schnellte bis 2021 um gut 50 Prozent auf rund 15 Cent pro Kilowattstunde in die Höhe – ohne Stromsteuer. Damit hat Deutschland Japan als langjährigen Strompreis-Spitzenreiter unter den großen Industrieländern abgelöst.

Zwar stiegen auch in den anderen Regionen wie etwa den USA die Industriestrompreise in den vergangenen zehn Jahren um einen zweistelligen Wert. Aber das Niveau ist vergleichsweise niedrig geblieben. 2010 zahlten Unternehmen in den USA umgerechnet gut fünf Cent pro Kilowattstunde, 2021 waren es gut sechseinhalb Cent.

Ähnliche Dimensionen zeigen sich beim Gaspreis nach Vergleichsdaten, die von der Weltbank erhoben wurden. Danach lag der Preis pro Megawattstunde in Europa Ende 2020 noch bei 20 Euro, das waren dreimal mehr als der damalige Vergleichspreis in den USA, aber weniger als der in Japan. Ab Mitte 2021 schnellten die Gaspreise in Europa viel steiler in die Höhe als in den USA und Japan.

Mehr zur EnergiekriseVom Sanierungsfall zum Krisenprofiteur: Rekordstrompreise sorgen bei Steag für Gewinnsprung

Stromverbrauch könnte zur Schwachstelle der Wärmepumpe werden

„Unsere Werke fliegen raus, während Putin Profit macht“: Teures Gas gefährdet Dünger-Produktion und LogistikFür das hohe Energiepreisniveau gibt es verschiedene Gründe. Beim Strom ist der Erzeugungsmix einer davon. Aktuell treiben die hohen Gaspreise die Stromkosten. Gaskraftwerke werden in Spitzenzeiten zwar zuletzt angeworfen, weil sie die teuerste Stromerzeugungsvariante darstellen. Sie setzen aber den Preis für die gesamte Stromerzeugung.

Mit anderen Worten: Auch der Strom aus Kohlekraftwerken oder Windrädern wird an der Strombörse zu dem Preis abgerechnet, den die teuren Gaskraftwerke für ihren Strom ansetzen. Hohe Gaspreise ziehen das Strompreisniveau also automatisch nach oben.

Hinzu kommen in Deutschland besonders hohe Steuern, Abgaben und Umlagen auf Strom. Zwar kommen gerade energieintensive Branchen in den Genuss von Befreiungen und Reduktionen; diese Vergünstigungen sind aber in jedem Einzelfall hart umkämpft und müssen Jahr für Jahr neu erstritten werden. Und selbst dann, wenn sie greifen, ist das Strompreisniveau oft noch höher als in vielen anderen Ländern.

Beim Gas wiederum hat Deutschland zwar jahrelang von günstigem Pipelinegas aus Russland profitiert, doch im Laufe der Jahre hat dieser Vorteil an Bedeutung verloren, weil insbesondere die USA vom Nettoimporteur zum Nettoexporteur von Erdgas geworden sind. Die US-Erdgaspreise sind daher besonders niedrig. Für energieintensive Branchen sind die USA daher zu einem sehr attraktiven Standort geworden.

Industrie fordert Kompensation für die neue Gasumlage

Gerade beim Erdgas wird die Lage durch die neue Gasbeschaffungsumlage zusätzlich erschwert. Es sei „schwer verständlich, warum für die Privatverbraucher durch die Absenkung der Mehrwertsteuer diese Umlage durch Mittel aus dem Bundeshaushalt vollständig kompensiert wird, während Industrieunternehmen allenfalls in einzelnen extremen Härtefällen eine Unterstützung erhalten“, kritisiert Christoph Bauer. „Konsequent wäre insofern eine Neutralisierung der Umlage ebenfalls aus Staatsmitteln für die Industrie“, sagt Bauer.

Hinzu kommt, dass sich die Umlage nicht nur auf den Gaspreis, sondern auch auf den Strompreis auswirkt. Denn höhere Brennstoffkosten für die preissetzenden Gaskraftwerke werden das Strompreisniveau in die Höhe treiben.

Der dramatische Anstieg der Energiekosten in Deutschland beschleunigt Prozesse, die sich in den vergangenen Jahren eher schleichend vollzogen haben: Investitionen werden zurückgehalten, die Produktion runtergefahren.

So verzeichnete die deutsche Aluminiumindustrie im zweiten Quartal einen Produktionsrückgang um 23 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Die Branche, die zu den größten Stromverbrauchern des Landes zählt, blickt pessimistisch in die Zukunft.

„Wenn wir nicht zeitnah eine Lösung in der Energiekrise finden, wird es bald keine Aluminiumhütten mehr in Deutschland geben. Sie sind akut bedroht“, sagt Hinrich Mählmann, Präsident des Branchenverbands Aluminium Deutschland. Erst am Mittwoch kündigte der Hersteller Speira an, die Produktion seiner Hütte im nordrhein-westfälischen Neuss auf die Hälfte der Gesamtkapazität zu drosseln.

Für die deutsche Chemie als eine der energieintensivsten Industrien überhaupt sind die hohen Energiepreise schon seit Jahren eine Herausforderung. Doch konnten die Firmen das dank ideenreicher Steuerung und staatlicher Entlastung bislang wegstecken.

Jetzt ist die Lage deutlich dramatischer. „Die Belastungen haben sich derart vervielfacht, dass kurz- und mittelfristig selbst die stärksten Schultern versagen werden“, sagt Wolfgang Große Entrup, Hauptgeschäftsführer des Verbands der Chemischen Industrie (VCI). „Keine Idee der Welt schafft es noch, die aktuellen Wettbewerbsnachteile bei den Energiekosten zu kompensieren.“ Der Schritt von einer „weltweit führenden Industrie- und Exportnation hin zum Industriemuseum ist kurz und muss unter allen Umständen vermieden werden“, warnt er.

Die großen Chemieunternehmen können mit der Belastung noch umgehen, weil sie international mit großen Standorten in den USA und Asien stabiler aufgestellt sind als etwa ein aus Deutschland heraus exportierender Mittelständler. Aber die teure Energie hinterlässt auch bei Konzernen wie dem Kunststoffhersteller Covestro tiefe Spuren.

Covestro-Chef fürchtet Schwächung der Industrie

Für das laufende Jahr 2022 rechnet Covestro mit globalen Energiekosten von bis zu 2,2 Milliarden Euro. Das ist mehr als drei Mal so viel wie im Jahr 2020. Die Gasumlage kommt noch hinzu und wird die Kosten um einen niedrigen bis mittleren dreistelligen Millionen-Euro-Betrag erhöhen. Jetzt spart der Leverkusener Konzern Gas, wo er kann.

Auswirkungen auf die Investitionsplanung hat die teure Energie bei Covestro noch nicht – das gilt zumindest für dieses Jahr. CEO Markus Steilemann fürchtet bei anhaltend hohen Preisen eine strukturelle Schwächung nicht nur der heimischen Chemie. „Insgesamt gefährden die hohen Energiekosten die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland“, sagt er.

Viele mittelständische Firmen können bei den herrschenden Energiekosten nur überleben, wenn sie schon längst Produktionen im Ausland aufgebaut haben. Eine Entwicklung, die wegen der teuren Energiebasis noch beschleunigt werden könnte.

Der fränkische Glashersteller Heinz-Glas etwa lässt seine Flakons für Parfümhersteller schon seit einigen Jahren in Südamerika und Indien fertigen. Am Heimatstandort im oberfränkischen Kleintettau ist die Produktion hingegen wegen der teuren Energie kaum noch wirtschaftlich zu betreiben. 2019 lagen die Kosten für Strom und Gas bei dem Glashersteller noch bei elf Millionen Euro.

In diesem Jahr wird der Mittelständler 30 Millionen Euro für Energie ausgeben. Im nächsten dürften es noch mal deutlich mehr werden, befürchtet Unternehmerin Carletta Heinz. Die Chefin will das Unternehmen am Traditionsstandort in Franken erhalten, dort, wo es vor 400 Jahren gegründet wurde. Doch ihr ist klar: „Ohne Unterstützung der Politik wird uns das nicht gelingen.“

Zitat

Chemie: „Hier stehen Hunderttausende Jobs auf der Kippe“

Die Lage in der Chemiebranche ist dramatisch, vor allem Mittelständer leiden unter den hohen Energiekosten. Die Regierung muss sofort handeln und die Gaspreise deckeln, fordert der Chemie-Manager Uwe Brunk.

Uwe Brunk leitet das Frankfurter Chemieunternehmen Weylchem. Foto: Pressedata-portal-copyright=

Uwe Brunk leitet das Frankfurter Chemieunternehmen Weylchem. Foto: Pressedata-portal-copyright=© Bereitgestellt von Wirtschaftswoche

Uwe Brunk arbeitet seit gut dreißig Jahren als Manager in der Chemiebranche. Zunächst war er für große Konzerne wie Bayer und Lanxess tätig, später wechselte er zum mittelständischen Hersteller CABB. Seit Oktober 2018 leitet er das Frankfurter Chemieunternehmen Weylchem mit mehr als 600 Millionen Euro Jahresumsatz. Weylchem stellt unter anderem Chemikalien für die Pharma- und Agrarindustrie sowie für Reinigungs- und Körperpflegemittel her. Das Unternehmen gehört zur International Chemical Investors Group in Luxemburg, die mehrere mittelgroße Unternehmen unter ihrem Dach vereint.

WirtschaftsWoche: Herr Brunk, die Prognosen für die Chemieindustrie sind düster. Wie schlimm ist die Lage im Mittelstand?

Uwe Brunk: Die Bedrohung ist existentiell. Eine solche Dramatik wie jetzt habe ich in meinem über 30-jährigen Berufsleben noch nicht erlebt. Die hohen Energiepreise erdrücken uns. Wenn man verhindern will, dass große Teile der Chemieproduktion nach Asien abwandern, muss die Regierung jetzt sofort handeln. Hier stehen Hunderte mittelständischer Unternehmen und Hunderttausende Jobs auf der Kippe.

Was fordern Sie konkret?

Die Chemieindustrie braucht ab Oktober eine Deckelung der Strom- und Gaspreise. Anfang 2022 kostete Gas 80 Euro pro Megawattstunde, Strom 50 Euro pro Megawattstunde, heute ist es das Fünf- bis Siebenfache. Ich kann mir vorstellen, dass die Chemiefirmen 80 Prozent ihres Strom- und Gasbedarfs zu den Preisen vom Jahresanfang beziehen. Was darüber hinaus geht, zumindest für einen Basisbedarf, muss die Regierung kompensieren, so wie es in Frankreich und Spanien praktiziert wird. Und die Gasumlage würde die Preise noch weiter treiben. Die Unternehmen benötigen die Unterstützung jetzt und nicht irgendwann im kommenden Jahr, weil Teile der Industrie die nächsten sechs Monate möglicherweise nicht überleben.

Das würde weitere Milliarden kosten. Und bis zum Oktober ist es nicht mehr lange hin. Wie soll die Regierung in so kurzer Zeit eine Deckelung auf den Weg bringen?

In anderen Fällen hat die Regierung auch schnell gehandelt – als es etwa darum ging, Anlagen für LNG-Terminals zu beschlagnahmen. Die bisherigen Entlastungspakete zielten vor allem auf Gruppen, die persönlich betroffen sind, vor allem sozial schwächere Bürger. Das ist auch völlig in Ordnung. Jetzt allerdings muss die Regierung betroffene Branchen entlasten, um Schlimmeres zu verhindern.

Mal ganz konkret: Wie stark belasten die hohen Energiepreise die Chemiebranche?

Fast alle Produktionsprozesse in der Chemie laufen über Dampf, der wiederum mithilfe von Gas erzeugt wird. Vor gut einem Jahr lag der Preis pro Tonne Dampf zwischen 20 und 40 Euro, heute bezahlen wir das Fünffache. Nehmen wir zum Beispiel einige Vorprodukte für Pflanzenschutzmittel. Dort machten die Energiekosten vor gut einem Jahr 15 Prozent des Umsatzes aus. Mittlerweile hat sich dieser Anteil auf 65 Prozent erhöht. Damit sind wir international nicht mehr wettbewerbsfähig, denn schon die Herstellkosten liegen um 50 Prozent über dem Weltmarktpreis.

Aber Sie können doch die dramatisch gestiegenen Energiekosten über höhere Preise an ihre Kunden weiterreichen?

Das hat bis zum zweiten Quartal dieses Jahres funktioniert. Aber inzwischen sind die Kunden nicht mehr bereit, weitere Preissteigerungen zu akzeptieren. Selbst europäische Kunden kaufen stattdessen lieber in Japan, China, Indien und den USA, wo Energie günstiger ist. Die Folge ist, dass Aufträge wegbrechen und europäische und deutsche Hersteller ihre Kapazitäten nicht mehr auslasten können. Sie brauchen aber in der Chemiebranche eine Kapazitätsauslastung von 85 bis 90 Prozent, um profitabel arbeiten zu können. Das ist nicht zu erreichen, wenn die Aufträge nach Übersee abwandern.

Gibt es schon Beispiele für Unternehmen, die ihre Produktion in Europa deswegen stillgelegt haben?

Ich weiß von Fabriken in Spanien, die wegen der hohen Energiekosten keine Antibiotika und keine Vorprodukte für Pflanzenschutzmittel mehr produzieren. Das kann auch in Deutschland passieren.

Wo spüren Sie die hohen Energiekosten noch?

Bei den gestiegenen Preisen für Rohstoffe und Zwischenprodukte, die wir für die Produktion bei Weylchem einkaufen müssen. Der Preis für Natronlauge hat sich pro Tonne innerhalb eines Jahres von durchschnittlich rund 400 auf 1300 Euro erhöht. Auch Chlortoluole aus Europa, die für die Herstellung von Pflanzenschutzmittel-Vorprodukten gebraucht werden, sind um das Dreifache teurer geworden – wenn man überhaupt noch welche bekommt.

Die Chemieindustrie hat jahrzehntelang gut vom günstigen Gas gelebt. Wie weit sind die Unternehmen denn damit, ihre Energieversorgung entsprechend umzustellen?

Deutschland hatte schon vor der aktuellen Krise mit die höchsten Energiepreise der Welt. Laufende Prozessoptimierung gehört daher ohnehin zur DNA der Chemiebranche. Wir prüfen jetzt weitere Optionen wie die Umstellung von Gas auf Öl oder Wasserstoff-Lösungen. Aber dafür benötigt man Monate, alleine schon wegen der Genehmigungen. Diese Zeit haben wir nicht. Die Energiekosten laufen uns gerade davon – wir brauchen jetzt unmittelbar eine Lösung.