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Cannabis legalisieren? Was die Ampel von anderen Ländern lernen kann

 

Die Ampel-Koalition will den Cannabis-Verkauf in Deutschland auf eine legale Grundlage stellen. Drogenforscher haben aber Warnungen an SPD, Grüne und FDP. Und sie raten dazu, sich Länder anzusehen, die diesen Weg bereits gegangen sind. Welche Risiken drohen?

Kommt die Ampel-Koalition, dürfte sie bald auch eine lockerere Drogenpolitik auf die Agenda setzen. SPD, Grüne und FDP fordern in ihren Wahlprogrammen alle die Freigabe von Cannabis.

Dass sich dazu im kürzlich vorgelegten Sondierungspapier keine Passage findet, muss nichts heißen: Es ist möglich, dass der Punkt nur deshalb keinen Eingang gefunden hat, weil darüber ohnehin bereits Einigkeit besteht. Grüne und FDP fordern, dass Cannabis in lizenzierten Fachgeschäften zum Eigengebrauch an Erwachsene verkauft werden solle. Die SPD will die legale Abgabe an Volljährige zunächst in Modellprojekten testen. Der Konsum von Cannabis sei eine „gesellschaftliche Realität”, argumentieren die Sozialdemokraten in ihrem Wahlprogramm. Mit dieser müsse man „einen adäquaten politischen Umgang finden”.

Dem aktuellen Drogenbericht der Bundesregierung zufolge haben 7,1 Prozent aller Erwachsenen in den vergangenen zwölf Monaten Cannabis konsumiert. In der Altersgruppe von 18 bis 25 Jahren sind es sogar 24,1 Prozent.

Viele Fachleute befürworten eine Entkriminalisierung von Cannabis. Zu ihnen gehört Maximilian Gahr, Oberarzt für Psychiatrie und Psychotherapie am Uniklinikum Ulm. Er warnt aber: „Es gibt Studien, die zeigen, dass der früh einsetzende, lang anhaltende Cannabinoid-Gebrauch bei Jugendlichen vermutlich wegen der noch nicht abgeschlossenen Hirnentwicklung schwerwiegende Folgen haben kann.“ Die Hirnstruktur könne sich verändern, bestimmte Hirnbereiche, etwa die Hirnrinde, bei Konsumenten kleiner werden. In der Folge könne es zu einer Veränderung der geistigen Leistungsfähigkeit kommen.

Gahr fordert daher, Cannabis – wenn überhaupt – nur an Erwachsene ab 21 oder sogar 25 Jahren zu verkaufen. Auch die Zusammensetzung müsse strikt überwacht werden: „Je höher der THC-Gehalt, desto größer ist das Risiko für einen Horrortrip – wir Psychiater sprechen von Intoxikationspsychosen – oder eine Abhängigkeitsentwicklung. Deshalb sollte man auch den THC-Gehalt kontrollieren.“

Was kann man von anderen Ländern lernen?

Auch Bernd Werse, Drogenforscher und Mitbegründer des Centre for Drug Research an der Goethe-Universität in Frankfurt, fordert eine Entkriminalisierung. Aus den Erfahrungen, die andere Länder gemacht haben, lasse sich viel lernen.

In den Niederlanden etwa darf Cannabis seit 1976 in Coffeeshops legal verkauft und konsumiert werden. Das große Problem dabei: „Das, was in den Coffeeshops verkauft wird, wird komplett illegal produziert oder illegal importiert“, so Werse.

Im besten Falle seien die Produzenten des Stoffs „enthusiastische Cannabis-Anbauer, die ihr selbst angebautes Gras an den Coffeeshop ihres Vertrauens weiterverkaufen – im schlimmsten Fall aber sind das skrupellose, kriminelle Organisationen“. Wegen des florierenden Schwarzmarkts haben die Niederlande weiterhin große Probleme mit Drogenbanden. Das Beispiel zeigt, dass die Hoffnung, Kriminellen das Handwerk zu legen, bei einer bloßen Entkriminalisierung oft nicht aufgeht.

Ähnliche Erfahrungen gibt es in Portugal. Dort wurden bereits vor 20 Jahren sämtliche Drogen entkriminalisiert. Der Konsum und Besitz von kleineren Mengen Marihuana, aber auch harten Drogen wie Heroin oder LSD wird lediglich als Ordnungswidrigkeit betrachtet. Wer bis zu 25 Gramm Cannabis besitzt, muss keine rechtlichen Konsequenzen befürchten.

Zwar entlastet die Entkriminalisierung die Staatskasse; am Markt selbst hat sich aber nichts geändert. „In Portugal gibt es weiterhin das Problem, dass in bestimmten Stadtvierteln überall die Dealer herumstehen“, sagt Drogenforscher Werse. „Man gibt die Abgabe von Cannabis also teilweise hochkriminellen Leuten in die Hand und muss sich immer noch stark mit der Strafverfolgung dieser Dealer beschäftigen. Das alles könnte man verhindern, wenn man einen legalen Rahmen für den Verkauf finden würde.“

Diesen legalen Rahmen gibt es in Uruguay. 2013 wurde der Konsum in dem südamerikanischen Land komplett legalisiert, seit 2017 gibt es lizenziertes Gras für den Eigengebrauch in Apotheken zu kaufen. Zudem darf eine Privatperson bis zu sechs Pflanzen besitzen oder kann einem der sogenannten Cannabis Social Clubs beitreten, in denen gemeinsam angebaut und konsumiert wird. Aber: Nur Einheimische dürfen in Uruguay legal Gras erwerben. So will man Cannabis-Tourismus wie in den Niederlanden vorbeugen. Die Erfahrungen mit diesem Modell sind laut Drogenforscher Werse überwiegend positiv.

In den Ländern, die bereits gelockert haben, lasse sich ein Trend beobachten: „Teilweise – das muss man zugeben – hat es Anstiege bei den Konsumenten-Zahlen gegeben. In allen Fällen betraf das aber nur Erwachsene.“

Die Befürchtung vieler, dass eine Beteiligung des Staates an Produktion und Vertrieb von Cannabis eine Signalwirkung an Jugendliche haben könnte, weist Werse vehement zurück. „In keinem der genannten Länder hat sich gezeigt, dass es bei den Jugendlichen nennenswerte Veränderungen gegeben hat. Wenn, gehen die Zahlen sogar eher leicht runter.“