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„Frau Faeser führt die Öffentlichkeit wieder mal an der Nase herum“

Die Ampel-Regierung plant, sich innerhalb der EU für Asylverfahren an den Außengrenzen einzusetzen. Doch nicht alle Grüne halten die Einigung für tragbar. Und während der Union der Vorstoß nicht weit genug geht, befürchtet die Linke, „unmenschliche Lager wie Moria“.

null Hermine Poschmann/picture alliance/dpa/Mission Lif; Wolfgang Kumm/dpa; Montage: Infografik WELT

null Hermine Poschmann/picture alliance/dpa/Mission Lif; Wolfgang Kumm/dpa; Montage: Infografik WELT© Bereitgestellt von WELT

Die Bundesregierung hat sich auf eine Position in den Brüsseler Verhandlungen für eine EU-Asylreform geeinigt. Das dafür verantwortliche Bundesinnenministerium teilte WELT mit, die Ampel verfolge die Grundlinie, „irreguläre Migration zu begrenzen und legale Migrationswege zu ermöglichen“. Entscheidend sei „eine verlässliche Identifizierung, Registrierung und Überprüfung von Menschen bereits an den EU-Außengrenzen“.

Schon seit Jahren sind alle EU-Staaten dazu verpflichtet, beachten diese Pflichten aber oft unzureichend. Das zeigt sich etwa daran, dass rund die Hälfte aller in Deutschland ankommenden Asylsuchenden keinen Treffer in der EU-Datenbank EURODAC aufweisen. Den zentralen Punkt hob Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) in einem Gespräch mit der ARD hervor: „Wir sehen jetzt ein historisches Momentum, dass wir mit anderen europäischen Staaten es schaffen können, ein gemeinsames Asylsystem auf den Weg zu bringen, wo an den Grenzen die Asylverfahren stattfinden“, sagte sie.

SPD und FDP im Bundestag signalisierten ihre Zustimmung. Der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Sebastian Hartmann, erklärte auf WELT-Anfrage, es sei „wichtig, dass Bundesinnenministerin Nancy Faeser mit einer geschlossenen deutschen Position in die Verhandlungen über ein gemeinsames europäisches Asylsystem geht“.

Dazu gehöre es selbstverständlich, in der gesamten EU rechtsstaatliche Verfahren nach gleichen Regeln und auf gleichem Niveau sicherzustellen. „Allen schutzsuchenden Menschen, die asylberechtigt sind, muss dieses Recht auch gewährt werden. Bereits an den Grenzen kann dann geprüft werden, ob ein Asylverfahren überhaupt Aussicht auf Erfolg hat“, so Hartmann.

Der parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion, Stephan Thomae, stützt die Pläne: „Wenn bereits an den EU-Außengrenzen schneller Klarheit geschaffen werden kann, kommen weniger Menschen als Asylbewerber in die EU, die eigentlich nicht vor Krieg oder Bürgerkrieg fliehen oder um politisches Asyl nachsuchen, sondern Arbeit oder eine Ausbildung suchen.“

Auch für diese Menschen müsse es einen regulären Einwanderungsweg geben, aber nicht über das Asylsystem. Thomae verwies auf die geplante „Chancenkarte“, um den Zuzug für Arbeitsmigranten offener zu gestalten.

Diffiziler ist die Lage beim grünen Koalitionspartner. Co-Fraktionschefin Britta Haßelmann sieht die Bundesregierung in Brüssel „vor extrem schwierigen Verhandlungen“. Der Zugang zu individuellen und rechtsstaatlichen Asylverfahren und menschenwürdiger Unterbringung sei auch für die Zukunft sicherzustellen. „Viele EU-Mitgliedsländer vertreten eine restriktive Linie. Wir setzen uns für einen dauerhaften verlässlichen Solidaritätsmechanismus und für faire Asylverfahren ein“, so Haßelmann.

Deutliche Kritik übte eine andere Grüne, nämlich Schleswig-Holsteins Integrationsministerin Aminata Touré: „Ich kann mir nicht vorstellen, wie das die Anrainerstaaten des Mittelmeers entlasten soll und zeitgleich menschenwürdige Unterbringung in bereits jetzt schon überforderten Staaten gelingen soll. Das widerspricht meiner Meinung nach außerdem dem Grundgedanken des deutschen Asylrechts“, so Touré im WELT-Interview.

Nach Ansicht des Innenexperten der Unionsfraktion, Alexander Throm (CDU), bleibt die Ampel hinter dem Vorschlag der EU-Kommission zurück. „Damit werden die Verfahren ineffektiv und das schadet vor allem Deutschland als Hauptzielland von Flucht in Europa. Frau Faeser führt die Öffentlichkeit wieder mal an der Nase herum“, beklagte Throm.

Asylzentren außerhalb der EU sieht er kritisch, „weil die Ampel damit einseitig für Deutschland einen weiteren zusätzlichen Weg der Asylantragstellung eröffnet und damit noch mehr Asylmigration nach Deutschland ermöglicht“.

In der AfD-Fraktion werden flankierende Maßnahmen gefordert. Wenn ein Außengrenzverfahren „jetzt der neue, entscheidende Filter werden soll, müssten alle anderen, bisherigen Wege illegaler Migration in Staaten der EU wirklich faktisch ausgeschlossen sein“, betonte deren innenpolitischer Sprecher Gottfried Curio. Sonst bleibe der neue Filter wirkungslos. Anerkennungskonditionen müssten auf echte Fluchtsituationen beschränkt bleiben.

Warnung vor „Grenzverfahren unter Haftbedingungen“

Clara Bünger, Sprecherin für Flucht- und Rechtspolitik der Linke-Fraktion, lehnte die Einigung ab: „Das historische Momentum besteht darin, dass Frau Faeser die erste sozialdemokratische Innenministerin ist, die sehenden Auges weitere Menschenrechtsverletzungen an den europäischen Außengrenzen ermöglicht und mit ihren politischen Entscheidungen vorantreibt.“ Die Grünen seien „kein verlässlicher Partner bei der Durchsetzung von Menschenrechten“ mehr. Bünger befürchtet, dass „unmenschliche Lager wie Moria“ und „Grenzverfahren unter Haftbedingungen“ zur Normalität in der EU würden.

Das Deutsche Institut für Menschenrechte betonte, das geplante System sei „mit Deutschlands flüchtlings- und menschenrechtlichen Verpflichtungen nicht vereinbar“. Schutzsuchenden werde die Einreise während des Verfahrens formal nicht gestattet. Diese Vorgabe lasse sich in der Praxis „nur durch geschlossene Aufnahmezentren oder erhebliche Einschränkungen der Bewegungsfreiheit in Transitzonen oder auf kleinen Inseln durchsetzen“.

Der Reformplan für das neue Asylsystem in Europa soll bis zum Februar 2024 ausverhandelt sein. Die EU-Kommission möchte erreichen, dass Migranten aus Staaten mit einer Anerkennungsquote von unter 20 Prozent in Ankunftszentren bereits an der Grenze ihr Asylverfahren durchlaufen und direkt von dort wieder zur freiwilligen Heimreise motiviert oder abgeschoben werden.

Die Ampel setzt sich nach WELT-Informationen in den Verhandlungen dafür ein, diese Quote abzusenken, damit nur jene aus Staaten mit einer unter 15-prozentigen Chance ihr Asylverfahren dort durchlaufen müssten. Falls sich eine Überfüllung von Aufnahmezentren abzeichnet, will die Ampel nur Personen aus Staaten mit unter fünf-prozentiger Chance dort behalten.

Auch will die deutsche Regierung, anders als die EU-Kommission, dass Familien mit Kindern unter 18 Jahren sowie unbegleitete Minderjährige generell von den Asylverfahren in den Erstaufnahmezentren ausgenommen werden, selbst wenn sie aus Staaten mit geringer Bleibeperspektive stammen.

Die aktuell EU-weit und in Deutschland bedeutendsten Gruppen, Syrer und Afghanen, wären ohnehin nicht betroffen. Syrer erhalten aktuell bis auf wenige Ausnahmefälle Schutz, egal, ob sie schon lange in die Türkei oder Jordanien lebten, bevor sie in die EU zogen. Bei Afghanen ist es ähnlich, und auch Türken haben inzwischen eine höhere Schutzquote als die 20 Prozent.

Zudem möchte die Regierung laut Innenministerium, dass besonders unter Druck stehende Mitgliedstaaten „mit der Solidarität weniger belasteter Staaten rechnen können“. Die EU müsse sich „auf eine Reform der bisherigen Dublin-Regeln einigen, um irreguläre Sekundärmigration – also das unkontrollierte Weiterziehen in andere EU-Staaten – zu verhindern.“

Die Bundesinnenministerin habe eine Gruppe mit Vertretern aus sechs Staaten gegründet, um die Verhandlungen voranzutreiben. Dazu zählen Deutschland, Frankreich, Italien, plus Schweden als aktuelle und Spanien und Belgien als Länder, die demnächst mit Ratspräsidentschaften an der Reihe sind.

Die Ampel möchte diesbezüglich die Überstellungsfrist, in der illegal aus den für sie zuständigen EU-Staaten weiterwandernde Asylsuchende wieder aus Deutschland und anderen wichtigen Zielstaaten zurückgebracht werden können, von aktuell in der Regel sechs Monate auf zwölf Monate ausdehnen.

Sanktionen, wie etwa den ausschließlichen Bezug von Sachleistungen, falls jemand dennoch unerlaubt weiterzieht, oder Maßnahmen gegen Staaten, die eine Überstellung erschweren, hat die Ampel bisher nicht in ihrer präsentierten Verhandlungsposition für die EU-Asylreform.

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Anwohner von geplanten Asyl-Standorten in Dresden: "Wir haben Angst"

Im Mai entscheidet der Stadtrat über die Container-Standorte für Geflüchtete. Im Vorfeld machen immer mehr Anwohnerinnen und Anwohner mobil.

Die Anwohnerinnen und Anwohner an der Industriestraße machen sich Sorgen wegen der Pläne der Stadt. © Marion Doering

Die Anwohnerinnen und Anwohner an der Industriestraße machen sich Sorgen wegen der Pläne der Stadt. © Marion Doering© Marion Doering

Dresden. In dem kleinen Wohngebiet der Wohnungsgenossenschaft "Glückauf" Süd Dresden in Trachau herrscht Unruhe seitdem bekannt geworden ist, dass die Stadt rund 100 Meter entfernt 48 Geflüchtete unterbringen will.

Anwohnerin Rita Johne hat Unterschriften im Umfeld gesammelt. Auch Renate Dunkel und weitere Nachbarn haben Bedenken, wollen die Container nicht an der Stelle. Der Widerstand gegen die Container-Pläne der Stadt nimmt kurz vor der Entscheidung darüber zu.

So läuft die Debatte an der Industriestraße

Das Grundstück an der Industriestraße, auf dem die Container aufgestellt werden sollen, ist umzäunt. Am Tor und entlang der Straße kleben mehrere Aufkleber der rechtsextremen Kleinstpartei "Freie Sachsen", die Botschaft: "Nein zum Heim!"

Die Anwohner sagen, sie sind keine Rechtsextremen, aber gegen die konkrete Unterkunft. Es sind alles ältere Dresdnerinnen und Dresdner, wie viele in dem Gebiet. "Hier wohnen 60 bis 65 Prozent Senioren", erzählt eine der Frauen. "Und viele Kinder und Jugendliche."

Auf diesem Grundstück an der Industriestraße sollen Container für 48 Geflüchtete aufgestellt werden. © Marion Doering

Auf diesem Grundstück an der Industriestraße sollen Container für 48 Geflüchtete aufgestellt werden. © Marion Doering© Marion Doering

Die Container im Umfeld von einer Kita, einer Grundschule, einem Gymnasium und einer Oberschule zu errichten, sei falsch, darin sind sie sich einig. Dazu komme die Nähe zum Krankenhaus Neustadt und zu kleinen Geschäften.

Sie fürchten auch, dass der kleine Spielplatz, der im Zentrum des Wohngebietes liegt, zum Anlaufpunkt für die Geflüchteten werden könnte. "Was sollen die jungen Männer, die dort untergebracht werden, denn machen, sie dürfen ja nicht arbeiten?", fragt ein Mann. "Klar brauchen wir gut ausgebildete Zuwanderer", ist er sich sicher. "Aber dann müssen die Gesetze und das Verfahren auch so vereinfacht werden, dass sie arbeiten dürfen."

"Wir haben Angst"

Einige der Frauen sagen: "Wir haben Angst und trauen uns dann im Winter ab 16 Uhr nicht mehr auf die Straße. Wir befürchten Unruhe, wenn die Menschen hier untergebracht werden." Renate Dunkel sagt noch: "Wenn wir das verhindern könnten, wäre es ein Segen. Dann soll die Stadt im Zweifel besser Turnhallen und die Messe belegen."

Sie hoffen, wie auch Anwohner der anderen betroffenen Stadtteile, dass die Stadträte die Standorte verhindern. In den Stadtbezirksbeiräten und im Ortschaftsrat Schönfeld-Weißig verliefen die Abstimmungen sehr unterschiedlich. Das sind aber nur Empfehlungen, der Dresdner Stadtrat soll am 11. Mai endgültig darüber entscheiden. Die Stadt hat mehrfach betont, wenn die Containerstandorte angelehnt werden, müssen die Turnhallen und die Messe stattdessen als Unterkünfte genutzt werden, dann müssen Konzerte und Messen abgesagt werden, Schulen und Vereine können keinen Sport mehr in den Hallen treiben.

Petition gegen Standort Geystraße

Adrett gekleidet und leicht nervös sitzt Elke Otto im Dresdner Rathaus. Mittags will OB Dirk Hilbert (FDP) ihre Petition gegen den geplanten Asyl-Standort an der Geystraße annehmen. Über 500 Anwohner haben unterschrieben. Die Petition fordert OB Hilbert freundlich, aber bestimmt auf, die Planungen am Standort Geystraße zu stoppen. "Dieser Standort ist ungeeignet".

In der Begründung werden das angrenzende Pflegeheim, ein Kindergarten, der angrenzende große und viel genutzte Spielplatz und generell der Siedlungscharakter des Wohngebietes samt geplantem Neubaugebiet genannt. Ganz bewusst habe man sich für eine Petition in Briefform entschieden, ausschließlich Anwohner sollten unterschreiben. "Trillerpfeifen und laute Demos sind nicht unser Ding, es geht uns um die Anwohner", sagt Elke Otto.

Die 78-Jährige ist Diplom-Ingenieurin und Handwerksmeisterin im Buchdruck. Vor Ort in ihrem Viertel habe sie sich spontan dazu entschlossen, die Initiative zu starten. "Es gab eine Versammlung, kurz nachdem der Plan der Stadt bekannt wurde. Jeder wusste Bescheid, keiner wollte aber etwas machen. Aus der Not heraus habe ich dann die Petition vorgeschlagen."

Es sei "noch immer unvorstellbar, dass an der Geystraße ein Containerdorf entstehen könnte". Vor allem ältere Menschen hätten Angst um ihre Rente, wenn in der "großen Politik irgendwann das Geld ausgeht." Zudem gibt es eine spürbare Furcht vor Übergriffen.

Die AfD in der Vermittlerrolle

Vermittelt bei der Petition hat Stadtrat Thomas Ladzinski (AfD). Elke Otto: "Das war Zufall, ich kannte bisher keinen Stadtrat. Dass Herr Ladzinski in einer Partei ist, habe ich erst später erfahren, es ist mir aber auch egal. Hauptsache, ich habe jemanden, der mich an die Hand nimmt." Ihre Hoffnung: OB und Rat lehnen zumindest den Standort an der Geystraße ab. Flüchtlinge sollten ihrer Meinung nach eher zentral untergebracht werden. Turnhallen sollten frei bleiben, die Messe könne belegt werden. Zudem müsse die Stadt verstärkt neue Angebote für Standorte einwerben.

Online gibt es weitere Petitionen gegen Asyl-Standorte. Eine zusätzliche Petition mit 172 Unterschriften richtet sich ebenfalls gegen den Standort an der Geystraße. Zudem fordert eine Petition pauschal "Keine neuen Asylcontainer-Standorte in Dresden". 2.295 Menschen haben unterschrieben.

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Länder werfen dem Bund falsche Berechnung der Zuschüsse vor

Wenn die Regierungschefs der Länder am Mittwoch mit Bundeskanzler Olaf Scholz über die Unterbringung von Flüchtlingen reden, ist mit harten Verhandlungen zu rechnen. Es geht vor allem um Geld. Die Länder werfen dem Kanzleramt falsche Berechnungen vor.

Rettung von Migranten im Mittelmeer: In Deutschland tobt ein Streit über die Kosten der Unterbringung pa/dpa/Ärzte ohne Grenzen via AP/Skye McKee

Rettung von Migranten im Mittelmeer: In Deutschland tobt ein Streit über die Kosten der Unterbringung pa/dpa/Ärzte ohne Grenzen via AP/Skye McKee© Bereitgestellt von WELT

Kurz vor dem Flüchtlingsgipfel verschärft sich der Ton zwischen Bund und Ländern: Die Bundesländer werfen dem Kanzleramt in einem internen Papier falsche Berechnungen vor. Faktisch habe der Bund seine Hilfen in den vergangenen Jahren trotz steigender Flüchtlingszahlen sogar zurückgefahren, heißt es in dem 15-seitigen Papier der Finanzministerkonferenz, das der Nachrichtenagentur Reuters vorliegt.

Es war am Sonntagabend vom niedersächsischen Vorsitz des Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) an die anderen 15 Länder versandt worden. Am Mittwoch trifft Kanzler Olaf Scholz mit den 16 Ministerpräsidenten zusammen.

Auch die Argumentation, dass der Bund über einen immer geringeren Anteil der Steuereinnahmen verfügt, wird bestritten. „Nach der Abgrenzung der amtlichen Statistik betrug im Jahr 2021 der Anteil des Bundes am Steueraufkommen 41,2 Prozent, während der Länderanteil bei 40,5 Prozent liegt“, heißt es in dem Papier.

„Keine Scheindebatte führen“

„Bei allem Verständnis für Unannehmlichkeiten der Finanzpolitik in Zeiten enger werdender finanzieller Spielräume muss der Bund endlich anfangen, seine Haushaltsprobleme in den eigenen Ausgabenpositionen zu lösen und keine Scheindebatte führen, die Länder seien an seinen Haushaltsproblemen schuld.“

Die Bundesregierung lehnt ihrerseits eine von den Ländern geforderte Erhöhung der Zuweisungen mit dem Argument ab, dass laut Grundgesetz Länder und Kommunen zuständig seien und der Bund in den vergangenen Jahren freiwillig Leistungen übernommen habe, die sich im Jahr 2023 über verschiedene Töpfe ohnehin schon auf 15,6 Milliarden Euro belaufen würden.

Während der Bund darauf verweist, dass die Zahl der Asylbewerber jetzt etwa auf dem Niveau von 2014 liege – also bevor der Bund im großen Umfang mit finanziellen Hilfen begonnen habe –, wird in dem neuen Länder-Papier anders argumentiert: 2022 habe es zwar mit 244.000 Asylanträgen (Erst- und Folgeanträge) eine geringere Zahl als in den Jahren 2015/16 gegeben. Sie sei aber deutlich höher als in allen anderen Jahren.

Zudem wird auf die Dynamik verwiesen: Die Zahl der Asylanträge (ohne Ukraine-Kriegsflüchtlinge) seit 2022 bereits mehr als 20 Prozent höher als 2014 gewesen sei und in den ersten drei Monaten 2023 nochmals 80 Prozent höher als vor Jahresfrist.

Die Länder wollen zurück zu den Fallpauschalen

In dem Papier wird die Darstellung des Bundes sogar rundweg bestritten: „Der bisherige Höhepunkt von Bundesleistungen an die Länder im Rahmen der Flüchtlingsfinanzierung lag im Jahr 2016 bei 9,1 Milliarden Euro. Im Jahr 2023 gibt der Bund an Länder fluchtbedingte Leistungen von insgesamt 2,75 Milliarden Euro. Im Jahr 2024 fällt der Betrag auf 1,25 Milliarden Euro und bleibt nach geltendem Recht unverändert auf diesem Niveau.“

Die Länder fordern vom Bund unter anderem eine Rückkehr zu einer Fallpauschale pro Flüchtling. Statt der früheren Pauschale von 670 Euro monatlich wollen sie aber nun einen höheren Betrag. „Aus einer Aktualisierung auf der jüngsten Datengrundlage ergäbe sich ein Betrag von ca. 1000 Euro je Flüchtling“, heißt es in dem Papier.

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„Der Bund muss seinen Anteil von derzeit 2,75 Milliarden Euro mindestens verdoppeln“

Die Minister der Länder fordern vor dem Flüchtlingsgipfel am kommenden Mittwoch mehr Geld zur Unterbringung und Versorgung von Geflüchteten. Mit dem Bund streiten sie über ein Milliardenbudget. Nur ein Ministerpräsident sieht Asylbewerber als Arbeitsmarkt-Chance und fordert einen „Spurwechsel“.

„Der Bund muss seinen Anteil von derzeit 2,75 Milliarden Euro mindestens verdoppeln“

„Der Bund muss seinen Anteil von derzeit 2,75 Milliarden Euro mindestens verdoppeln“© dpa/Arne Dedert

Vor dem für kommenden Mittwoch geplanten Flüchtlingsgipfel haben die Ministerpräsidenten der Länder den Druck auf die Bundesregierung erhöht. „Städte, Gemeinden und Landkreise brauchen deutlich mehr Geld – der Bund muss deshalb seinen Anteil von derzeit 2,75 Milliarden Euro mindestens verdoppeln“, forderte Hessens Landeschef Boris Rhein (CDU) im Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) mit Blick auf die Kosten. „Anders sind Unterbringung und Integration dauerhaft nicht zu finanzieren.“

Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) sagte der „Bild am Sonntag“ (BamS): „Die Bundesregierung muss endlich dafür sorgen, dass Zuwanderung gesteuert wird. Wenn wir uns in Deutschland nicht handlungsfähig zeigen, wird das Vertrauen in unsere Demokratie mehr und mehr untergraben.“

Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow von der Linken fordert stattdessen einem Spurwechsel für Asylbewerber. „Ich möchte einem bestimmten Kreis von Menschen, die sowieso da sind, die Möglichkeit geben, den Asylantrag zurückzunehmen, um ihnen im Gegenzug eine Bleibeperspektive zu geben – so, als wenn wir sie als Arbeitsmigranten angeworben hätten“, sagte Ramelow dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).

Bayerns Regierungschef Markus Söder (CSU) drohte, Herkunftsstaaten, die ablehnte Asylbewerber nicht zurücknehmen, Hilfen zu kürzen. „Wir stehen zum Grundrecht auf Asyl. Aber bei Ländern, die einer geordneten Rückführung nicht zustimmen, müssen wir künftig auch über Kürzungen bei der Entwicklungshilfe nachdenken“, sagte Söder der Zeitung.

Auch von Ministerpräsidenten der Ampel-Parteien kamen kritische Töne. „Der Bund muss seiner Verantwortung gerecht werden und darf die Länder und Kommunen mit den Mehrkosten der Flüchtlingskrise nicht alleine lassen“, sagte Baden-Württembergs Landeschef Winfried Kretschmann (Grüne) der „BamS“. Anke Rehlinger (SPD), saarländische Ministerpräsidentin, forderte, „nicht abgerufene Mittel der Wohnraumförderung einsetzen zu können, um bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, der zeitweise auch zur Unterbringung von Flüchtlingen dienen kann“.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sieht vor dem Treffen gute Chancen, innerhalb der EU bald zu einer Lösung in der Migrationspolitik zu kommen. „Ich will, dass wir als Europäer endlich gemeinsam handeln – trotz aller Widerstände„, sagte sie dem Blatt. „Die jahrelange gegenseitige Blockade in der EU haben wir schon durchschlagen.“ Dabei geht es vor allem um den Vorschlag für Asylzentren an den EU-Außengrenzen, von wo Asylbewerber auch zurückgeschickt oder gerecht verteilt werden können. Forderungen nach einer stärkeren Beteiligung des Bundes an den Flüchtlingskosten der Länder und Kommunen stand Faeser bisher jedoch skeptisch gegenüber.

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Migration: Illegale Einreisen an Deutschlands Ostgrenze nehmen zu

Beamte der Bundespolizei im Herbst 2021 am deutsch-polnischen Grenzübergang in Frankfurt (Oder)

Beamte der Bundespolizei im Herbst 2021 am deutsch-polnischen Grenzübergang in Frankfurt (Oder)© Picture Alliance

An Deutschlands Ostgrenze haben illegale Einreisen in den vergangenen Monaten stark zugenommen. Im Monat März stellte die Bundespolizei allein in Brandenburg und Berlin 800 dieser Grenzübertritte fest, gegenüber 605 im Vorjahresmonat. Auch die anderen deutsch-polnischen Abschnitte und in weit geringerem Maße die deutsch-tschechische Grenze waren demnach betroffen. So kamen allein im März 1556 Migranten über Deutschlands Ostgrenze unerlaubt ins Land.

Diese Zahlen liegen zwar weit unter dem Höhepunkt derartiger Einreisen an der Ostgrenze im Oktober 2021. Damals hatte der Machthaber von Belarus, Alexandr Lukaschenko, nach öffentlichen Ankündigungen, Migranten Richtung EU „nicht mehr aufzuhalten“, ernst gemacht. Seine Behörden erleichterten Menschen vor allem aus der Region von der Türkei bis Afghanistan nicht nur die Einreise per Flugzeug und dann weiter auf dem Landweg, sondern trieben sie in vielen Fällen im Grenzgebiet zu Polen und Litauen sogar unter Gewaltandrohung über die Grenze.

Polens Grenzschutz hat in diesem Jahr schon mindestens 300 Schleuser oder andere Personen festgenommen, die Migranten bei der Ein- oder Weiterreise behilflich waren. Die unerlaubten Einreisen an Deutschlands Ostgrenze machten jedoch im März nur etwa ein Viertel aller solcher Einreisen nach Deutschland aus. Allerdings erwarten die polnischen Behörden für die kommenden Monate eine weitere Zunahme der Migration, nicht nur wegen der Jahreszeit, sondern auch wegen einer denkbaren Rückkehr Lukaschenkos zu einer organisierten Förderung der Migration wie 2021.

Forciert den Bau weiterer Sperranlagen: Polens Innenminister Mariusz Kamiński

Forciert den Bau weiterer Sperranlagen: Polens Innenminister Mariusz Kamiński© EPA

Zwischenzeitlich hat Polen an den leichter zu erreichenden Grenzabschnitten zu Belarus in einer Länge von etwa 186 Kilometern einen 5,50 Meter hohen, massiven Metallzaun mit entsprechender Frühwarntechnik errichtet. Dafür wurden umgerechnet etwa 350 Millionen Euro aufgewendet. Doch haben auch die Schleuser ihre Mittel verfeinert. So sind im Mai bisher nach Angaben Warschaus täglich etwa 80 Menschen über die Ostgrenze gekommen. Sie wurden, was aus den Meldungen nicht hervorgeht, großenteils zurückgeschickt oder festgenommen. Die Migranten kamen nicht nur aus den bekannten Herkunftsländern, sondern auch aus afrikanischen Staaten.

Polens Innenminister Mariusz Kamiński (Mitte) im November 2022 in Nomiki an der polnisch-belarussischen Grenze

Polens Innenminister Mariusz Kamiński (Mitte) im November 2022 in Nomiki an der polnisch-belarussischen Grenze© AP

Im April hatte Polens Innenminister Mariusz Kamiński angekündigt, bis zum Herbst an der 199 Kilometer langen Grenze zum russischen Gebiet Kaliningrad eine lückenlose „elektronische Sperre“ mit 3000 Videokameras zu errichten. Dort wurde bisher kein nennenswerter Zustrom von Migranten registriert. Der Minister sagte, dass Polens Ostgrenze auf jegliche illegale Aktivität im Zusammenhang mit Krisensituationen „hervorragend vorbereitet sein wird“. Auch die baltischen Staaten haben mit dem Bau von Sperranlagen begonnen.

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Scholz und Faeser beim Flüchtlingsgipfel im Kanzleramt: Die schwierige Finanzfrage ist weiter nicht endgültig geklärt.

Scholz und Faeser beim Flüchtlingsgipfel im Kanzleramt: Die schwierige Finanzfrage ist weiter nicht endgültig geklärt. (Quelle: Jürgen Heinrich/imago images)

Beim Flüchtlingsgipfel gab es keine grundsätzliche Einigung auf Finanzmittel für die Kommunen. Kritik kommt aus der Opposition und den Landkreisen.

Der Deutsche Städtetag hat die Beschlüsse des Flüchtlingsgipfels von Bund und Ländern als völlig unzureichend bewertet. "Dieses Treffen war für uns unterm Strich eine ziemliche Enttäuschung", sagte Städtetags-Präsident Markus Lewe der "Rheinischen Post“. So sei die zugesagte zusätzliche eine Milliarde Euro des Bundes für dieses Jahr nicht das, "was die Städte brauchen".

Der Deutsche Landkreistag beklagte das "insgesamt enttäuschende Gipfelergebnis". Bund und Länder hätten "zumindest die Finanzen klarziehen müssen", sagte Verbandspräsident Reinhard Sager den Zeitungen der Funke Mediengruppe . "Wenn einzelne Punkte bis zum Sommer weiter ausgearbeitet werden sollen, um dann im November beschlossen zu werden, suggeriert das Zeit, die wir nicht haben."

Bund und Länder hatten bei ihrem Flüchtlingsgipfel am Mittwoch keine Grundsatzentscheidung über dauerhaft höhere Bundesmittel zur Unterbringung und Versorgung von Schutzsuchenden getroffen. Der Bund wird aber für das Jahr 2023 die Flüchtlingspauschale an die Länder um eine Milliarde Euro erhöhen. In dem gemeinsamen Beschluss heißt es weiter, eine Arbeitsgruppe werde diese Entscheidung vorbereiten.

Auch die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl hat scharf kritisiert, dass sich Bund und Länder für Asylverfahren an den Außengrenzen der EU stark machen wollen. Pro Asyl sei "schockiert, dass der Gipfel zu einer Finanzeinigung auf Kosten der Menschenrechte fliehender Menschen geführt hat", sagte die rechtspolitische Sprecherin von Pro Asyl, Wiebke Judith, den Zeitungen der Funke Mediengruppe.

"Haftzentren an den EU-Außengrenzen sind das Rezept für ein menschenrechtliches Desaster“, kritisierte Judith und forderte, die Bundesregierung müsse "dringend zu einer menschenrechtsbasierten Politik“ zurückkehren. Es sei zu hoffen, "dass in wenigen Wochen nicht die gleiche Debatte tobt - denn diese öffentliche Diskussion war Wasser auf den Mühlen der Rechtspopulisten", monierte sie.

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Kommentar nach dem Migrationsgipfel: Eine überforderte Regierung

Bundeskanzler Olaf Scholz am 10. Mai im Kabinett

Bundeskanzler Olaf Scholz am 10. Mai im Kabinett© EPA

Die Ampelkoalition stellt nicht die erste Bundesregierung, die mit der Gestaltung und Verwaltung von Migration überfordert wäre. Das ist insofern sogar verständlich, weil es für das Phänomen in all seinen Schattierungen keine Patentlösungen gibt. Vorgeschichte, Verlauf und Folgen des „Migrationsgipfels“ im Kanzleramt zeigen aber, dass diese Regierung noch weniger als ihre Vorgänger in der Lage ist, sich auf die Wirklichkeit einzulassen.

Das Ergebnis, eine Milliarde Euro mehr für die Bedürfnisse von Ländern und Kommunen, ließe sich nur dann als ausreichend rechtfertigen, wenn die Regierung Scholz in der Lage wäre, das zu tun, wozu sich bislang alle Bundesregierungen seit mehr als dreißig Jahren veranlasst sahen, nämlich den Zuzug drastisch zu reduzieren. Dafür gibt es bislang viele Ankündigungen, aber keine Ergebnisse. Angesichts grüner Bedenken ist fraglich, ob es sie je geben wird.

Aus einem zweiten Grund hat die Summe nur wenig mit der Wirklichkeit vor Ort zu tun. Die Bundesregierung behauptete vor dem Treffen, sie zahle schon mehr als genug. Damit wollte sie die Forderungen nach unten drücken, die aus den Ländern an sie herangetragen wurden. Das ging so weit, dass Kostenbeteiligungen geschönt wurden. Ein Beispiel: Die Übernahme des Bürgergelds für Ukraineflüchtlinge durch den Bund heißt nicht, wie aus dem Kabinett nahegelegt wurde, die Kommunen seien hier frei von Belastungen.

Über solcher Trickserei geriet in Vergessenheit, dass die wahren Kosten einer versäumten seriösen Finanzierung deutscher Migrationspolitik woanders liegen. An Integration durch Sprache, Schulen, Wohnen oder Arbeit ist in vielen Gemeinden gar nicht mehr zu denken. All die Berliner Beschwörungsformeln in dieser Richtung liegen weitab alltäglicher Erfahrungen.

Es ist ja richtig, was Olaf Scholz zur Vertagung grundsätzlicher Entscheidungen in den Herbst (!) sagte: Die Zeiten sind andere. Die Zeitenwende hat in diesem Fall allerdings nicht erst vor einem Jahr stattgefunden, sondern vor Jahrzehnten.

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„Zu große Zahl an Menschen, die nach Deutschland kommen“: Kretschmer stellt Asylrecht im Grundgesetz infrage

Sachsens Ministerpräsidenten Michael Kretschmer zufolge lösen Geflüchtete „wachsende Spannungen und Frustrationen“ in Deutschland aus. Er fordert eine grundlegende Änderung des Asylrechts.

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU).

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU).© Foto: dpa/Sebastian Kahnert

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) will das Asylrecht in Deutschland grundlegend ändern und schließt dabei auch eine Verfassungsänderung nicht aus. „Es ist höchste Zeit für beherzte Entscheidungen“, sagte Kretschmer der Zeitung „Die Welt“ (Dienstagsausgabe).

Der CDU-Politiker schlug dafür die Bildung einer Kommission vor, in der unterschiedliche politische und gesellschaftliche Gruppen vertreten sein sollten.

„Diese Kommission erarbeitet einen Vorschlag, hinter dem sich Bund und Länder versammeln können und zu der auch eine Grundgesetzänderung gehören könnte“, sagte Kretschmer dazu weiter. „Wir brauchen stärkere Instrumente und wirksame Abkommen zur Rückführung abgelehnter Asylbewerber und illegaler Einwanderer“, warb Kretschmer für einen harten Kurs in der Flüchtlingspolitik. Das Gremium solle sich mit der Höhe von Sozialleistungen für Flüchtlinge befassen, die in Europa sehr unterschiedlich seien.

Wegen wachsender Spannungen und Frustrationen

Zur Begründung verwies der Ministerpräsident auf wachsende „Spannungen“ und „Frustrationen“ in Deutschland. „Das wird nicht gut ausgehen, wenn wir die Dinge so weiterlaufen lassen“, warnte er. Derzeit sei die Zahl der Menschen, die nach Deutschland kommen, „einfach zu groß“. Schulen und Kindergärten seien überlastet, es gebe keine Wohnungen und nicht genügend Sprachkurse.

Scharfe Kritik an Kretschmers Vorstoß äußerte die Linken-Bundestagsabgeordnete Clara Anne Bünger. Die Worte des Ministerpräsidenten seien „rhetorische Brandbeschleuniger in einer ohnehin überhitzt geführten Debatte“, schrieb Bünger auf Twitter. „Dadurch wird es mehr Hass gegen Menschen geben, die als Geflüchtete identifiziert werden“. Daher sei Kretschmer „eine Gefahr für unsere Demokratie“. Der CDU-Politiker müsse sich fragen, „ob er noch auf dem Boden des Grundgesetzes steht“, sagte Bünger zudem der „Welt“.

Der FDP-Politiker Stephan Thomae wies in dem Blatt darauf hin, dass, von den rund 228.000 Asylentscheidungen im Jahr 2022 nur in 0,8 Prozent der Fälle Asyl nach Artikel 16a Grundgesetz gewährt worden sei. Die weitaus meisten Anerkennungen erfolgten auf Grundlage der Genfer Flüchtlingskonvention. Das zeige, dass eine Grundgesetzänderung „praktisch keinen Effekt“ hätte. „Worauf es ankommt, ist eine konsequentere Differenzierung zwischen Menschen, die wirklich politisch verfolgt sind oder vor Krieg und Bürgerkrieg fliehen, und solchen Menschen, bei denen das nicht der Fall ist“, sagte Thomae.

Unterstützung erhielt Kretschmer von AfD-Chef Tino Chrupalla. „Das Grundrecht auf Asyl sollte zur Disposition gestellt werden, wenn es nicht mehr im Interesse der deutschen Bürger funktioniert“, sagte er ebenfalls der „Welt“. Chrupalla warf Kretschmer aber vor, er wolle vor den Landtagswahlen in Sachsen in kommenden Jahr „punkten, indem er unsere Forderungen kopiert“.

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Bundesamt für Statistik: So viele Einbürgerungen wie seit 20 Jahren nicht mehr

Feierliche Einbürgerung im Rathaus von Berlin-Neukölln im Dezember 2012.

Feierliche Einbürgerung im Rathaus von Berlin-Neukölln im Dezember 2012.© Imago

In Deutschland sind im vergangenen Jahr rund 168.500 Menschen eingebürgert worden. Das waren 28 Prozent mehr als im Vorjahr, teilte das Statistische Bundesamt am Montag in Wiesbaden auf der Grundlage noch vorläufiger Ergebnisse mit. Seit 2002 seien innerhalb eines Jahres nicht mehr so viele Einbürgerungen registriert worden, hieß es weiter.

Syrerinnen und Syrer machten 2022 mit einem Anteil von 29 Prozent die größte Gruppe der Eingebürgerten aus. Insgesamt wurden 48.300 syrische Staatsangehörige eingebürgert, das waren mehr als doppelt so viele wie 2021 (19.100). Sie waren im Schnitt 24,8 Jahre alt und zu zwei Dritteln männlich. Vor ihrer Einbürgerung hielten sie sich durchschnittlich 6,4 Jahre in Deutschland auf.

Bei Syrern gab es auch den mit Abstand deutlichsten Anstieg bei Einbürgerungen (plus 29.200), gefolgt von ukrainischen (plus 3.700), irakischen (plus 2.400) und türkischen (plus 2.000) Staatsangehörigen. Eingebürgert wurden den Angaben zufolge Menschen mit 171 unterschiedlichen Staatsangehörigkeiten.

Zu den Voraussetzungen für die Einbürgerung zählen unter anderem ausreichende Sprachkenntnisse, ein gesicherter Lebensunterhalt und in der Regel eine Mindestaufenthaltsdauer von acht Jahren. Ehegatten und minderjährige Kinder können dabei ohne Mindestaufenthaltsdauer miteingebürgert werden.

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„Entweder wir beenden die irreguläre Migration – oder sie beendet unser Asylrecht“

Die Union wirft der Ampel mit Blick auf den AfD-Höhenflug vor, mit der aktuellen Migrationspolitik eine „Stimmungsveränderung im Land“ verursacht zu haben. Asylleistungen müssten europaweit angeglichen werden, damit Deutschland nicht mehr der „größte Magnet“ für Migranten sei.

Migranten in Bensheim (Hessen) pa/dpa/Arne Dedert

Migranten in Bensheim (Hessen) pa/dpa/Arne Dedert© Bereitgestellt von WELT

Angesichts der Überlastung durch die Asylzuwanderung dringen namhafte Vertreter der Unionsparteien auf eine grundsätzliche Neuausrichtung der Migrationspolitik. „Die andauernde Untätigkeit der Ampel bei der Begrenzung der irregulären Migration führt zu einer weiteren Stimmungsveränderung im Land“, sagte CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt WELT AM SONNTAG. Mit Blick auf den wachsenden Zuspruch für die AfD in Wahlumfragen konstatierte der Christsoziale: „Es braucht endlich einen Kurswechsel der Bundesregierung.“

CSU-Politiker Dobrindt schlägt vor: „Pull-Effekte müssen reduziert werden, statt immer neue Anreize zu schaffen. Asylleistungen müssen europäisch angeglichen werden, damit Deutschland nicht länger der größte Magnet für illegale Migration in Europa ist.“ Freiwillige Aufnahmeprogramme müssten sofort beendet werden.

Bund und Länder hatten auf dem Asylgipfel im Mai beschlossen, irreguläre Migration zu erschweren, um die Kommunen zu entlasten. „Deshalb haben wir einstimmig unter anderem einen gesteuerten Zugang, beschleunigte Asylverfahren, eine Stärkung der europäischen Grenzagentur Frontex und verbesserte Rückführungen vereinbart, zum Beispiel über zusätzliche Migrationsabkommen mit Herkunftsländern“, sagte Hessens Ministerpräsident Boris Rhein (CDU). Das alles seien Aufgaben, „die allein die Bundesregierung angehen kann und muss. Und genau das erwarte ich jetzt.“

Der parlamentarische Geschäftsführer der Union, Thorsten Frei, stellte sich hinter Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (beide CDU), der zu Wochenbeginn in WELT auch eine Grundgesetzänderung vorgeschlagen hatte, falls diese nötig sein sollte. Kretschmer, so Frei, habe zu Recht einen neuen Asylkompromiss gefordert.

„Es wird Zeit, dass wir ohne Scheuklappen über die Senkung sozialstaatlicher Anreize und über einen besseren Grenzschutz diskutieren“, so der Christdemokrat. Die Begrenzung des Zuzugs müsse angegangen werden, „auch wenn Änderungen am Grundgesetz, den EU-Verordnungen oder der Genfer Flüchtlingskonvention erforderlich sind“.

Weiter sagte Frei: „Entweder wir beenden die irreguläre Migration, oder die irreguläre Migration beendet unser Asylrecht. Das wollen wir verhindern.“ Nötig seien die Umstellung auf Sachleistungen, die Ausweitung stationärer Grenzkontrollen oder der Abbau der Abschiebungshürden.

„Asylpicking in Europa muss beendet werden“

Grundsätzliche Unterstützung bekommt Kretschmer auch von der früheren Integrations-Staatssekretärin in NRW, der Bundestagsabgeordneten Serap Güler (CDU). Die Bundesländer seien, was die Infrastruktur für gelungene Integration angehe, wie Kita- oder Schulplätze, „am Ende ihrer Kapazitäten“, erklärte die CDU-Politikerin: „Das ist die Beschreibung der Realität vor Ort. Wer das als Hetze definiert, hat kein Interesse an einer ehrlichen Debatte.“

Eine Notwendigkeit zur Verfassungsänderung sieht Güler aber nicht: „Die Zahlen müssen runter. ... Nur wird uns das nicht mit einer Grundgesetzänderung gelingen, da die meisten nach der Flüchtlingskonvention anerkannt werden“, sagte sie. Lösungen müssten gefunden werden für diejenige, „die wir nicht abschieben können, weil Herkunftsländer nicht mitmachen.“

Der Vorsitzende der CDU Thüringen, Mario Voigt, schlägt indes vor, die Entscheidung zur Aufnahme von Asylbewerbern vor der Einreise in die EU zu fällen. „Perspektivisch muss das ganze Asylverfahren in zentralen europäischen Asyleinrichtungen an den europäischen Außengrenzen abschließend bearbeitet werden“, sagte Voigt. „Nur anerkannte Asylberechtigte mit guter Bleibeperspektive würden dann in unser Land einreisen.“ Diese Praxis würde dem Beispiel Australiens folgen.

Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Alexander Throm (CDU), ergänzte: „Das Asylpicking in Europa muss beendet werden. Wer in einem anderen europäischen Land als Asylbewerber registriert ist, sollte automatisch von einem weiteren Asylgesuch in Deutschland gesperrt sein.“ Mehrfache Asylgesuche in unterschiedlichen Mitgliedstaaten der EU dürfe es nicht mehr geben. „Das Land mit der erstmaligen Registrierung muss dauerhaft für den Asylbewerber zuständig bleiben.“