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Arbeitsmarkt
Zitat von Gast am 17. November 2022, 08:54 UhrFachkräftemangel: IW-Studie: Deutschland muss mehr ausländische Studierende anwerben und ihnen Perspektiven bieten
Studierende aus dem Nicht-EU-Ausland konzentrieren sich besonders häufig auf Mint-Fächer. Damit könnten sie laut einer Studie eine Fachkräftelücke verkleinern.
Deutschland sollte gezielt Studierenden von außerhalb der EU den Weg an deutsche Hochschulen ebnen und ihnen danach den Sprung in den Arbeitsmarkt erleichtern. Das fordert das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft in einer neuen Studie, die dem Handelsblatt vorliegt.
Diese Gruppe von Studierenden sei geeignet, den Fachkräftemangel zu lindern, weil sie am Ende des Studiums im Idealfall bereits integriert sind und die deutsche Sprache beherrschen. Zudem sind unter ihnen Abschlüsse in Mint-Fächern besonders häufig, sie sind also zum Beispiel Ingenieure, Informatiker oder Naturwissenschaftlerinnen.Noch stellt diese Gruppe der „Zuwanderer über die Hochschule“ aber lediglich drei Prozent aller Akademiker, konstatiert die Studie. Und da sie weltweit gefragt sind, müsse man diese jungen Talente aktiver als bisher anwerben, empfiehlt IW-Experte Wido Geis-Thöne.
Er fordert dazu vor allem ein Stipendien- oder Bürgschaftsprogramm für „leistungsstarke junge Menschen aus ärmeren Familien in Drittstaaten“, die bisher de facto vom Studium in Deutschland ausgeschlossen seien.
Zwar seien die Zuzugsmöglichkeiten generell recht liberal. Allerdings müssen Studierende aus EU-Drittländern nachweisen, dass sie über ausreichend Finanzmittel verfügen – andernfalls „können sie nicht nach Deutschland kommen“, schreibt der Zuwanderungsexperte.
Keine Stipendienkultur an deutschen Hochschulen
Einmal an einer deutschen Hochschule eingeschrieben, dürfen sie zwar einen Nebenjob annehmen – allerdings nur für maximal 120 Tage im Jahr. Das jedoch „nützt Studierenden aus ärmeren Familien in Ländern mit niedrigem Wohlstandsniveau letztlich wenig, da sie ohne ausreichendes Vermögen der Familie bereits vom Erstzuzug zum Studium ausgeschlossen sind“, kritisiert der Experte.
Da nutze auch die Gebührenfreiheit des Studiums selbst nichts, mit der Deutschland international eine Sonderrolle einnimmt. Sie werde sogar zu einem Nachteil, denn wegen der Gebührenfreiheit habe sich hierzulande „kein starkes Stipendiensystem entwickelt, das den Lebensunterhalt der Leistungsstärksten gegebenenfalls sichern könnte“.
Aktuell verlangen nur Baden-Württemberg und Sachsen Studiengebühren von Nicht-EU-Ausländern. Im Südwesten sind es generell 1500 Euro je Semester. Sachsen stellt es den Hochschulen frei, ob und in welcher Höhe sie eine Gebühr erheben, sofern sie gleichzeitig ein Stipendienprogramm anbieten.
Nach einem Abschluss in Deutschland sollte man diesen Zuwanderern unmittelbar eine unbegrenzte Aufenthaltsgenehmigung erteilen, empfiehlt Geis-Thöne. Denn ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt seien selbst dann hervorragend, wenn sie in einer Übergangsphase einen Job annehmen, für den sie als Akademiker überqualifiziert sind.
Aktuell können sie einen Aufenthaltstitel für bis zu 18 Monate für die Suche nach einer Stelle erhalten, die dann aber „qualifikationsadäquat“ sein muss. Sobald sie eine solche gefunden haben, können sie dann eine Niederlassungserlaubnis beantragen. Diese kann nach zwei Jahren auch entfristet werden.
IW wirbt für Vertrauen ins deutsche Hochschulwesen
Dieser komplizierte Weg sei unnötig, „wenn man dem deutschen Hochschulsystem vertraut“, meint Geis-Thöne. Zudem könne man mit einem einfacheren Zugang zum Arbeitsmarkt bereits mehr Studierende vom Standort Deutschland überzeugen.
Bisher nutzt Deutschland diese Zuwanderungsform noch wenig: 2019 hatten lediglich 307.000 Personen zwischen 25 und 64 ihren Schulabschluss im Ausland und ihren höchsten Studienabschluss im Inland erworben – das waren drei Prozent aller Akademiker.
Zum Vergleich: Der Anteil der Zuwanderer, die erst nach einem Studienabschluss einwanderten, war mit gut 15 Prozent mehr als fünfmal so hoch.
Allerdings ist die Qualifikationsstruktur der „Zuwanderer über die Hochschule“ für die Fachkräftesicherung besonders günstig: Sie haben wesentlich häufiger als andere Akademiker einen Masterabschluss oder promoviert.
Bei den jungen über die Hochschule zugewanderten Akademikern und Akademikerinnen zwischen 24 und 34 können sogar fast 60 Prozent Master oder Promotion vorweisen. Unter den inländischen Akademikern dieser Altersgruppe sind es nur 30 Prozent. Zudem hat fast jeder zweite Zugewanderte einen Abschluss in einem Mint-Fach – bei Nichtzugewanderten sind es nur gut 30 Prozent.
Mehr: Ausländische Studierende bilden ein enormes Potenzial für die Wirtschaft – doch noch bleiben zu wenige hier
Fachkräftemangel: IW-Studie: Deutschland muss mehr ausländische Studierende anwerben und ihnen Perspektiven bieten
Studierende aus dem Nicht-EU-Ausland konzentrieren sich besonders häufig auf Mint-Fächer. Damit könnten sie laut einer Studie eine Fachkräftelücke verkleinern.
Deutschland sollte gezielt Studierenden von außerhalb der EU den Weg an deutsche Hochschulen ebnen und ihnen danach den Sprung in den Arbeitsmarkt erleichtern. Das fordert das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft in einer neuen Studie, die dem Handelsblatt vorliegt.
Noch stellt diese Gruppe der „Zuwanderer über die Hochschule“ aber lediglich drei Prozent aller Akademiker, konstatiert die Studie. Und da sie weltweit gefragt sind, müsse man diese jungen Talente aktiver als bisher anwerben, empfiehlt IW-Experte Wido Geis-Thöne.
Er fordert dazu vor allem ein Stipendien- oder Bürgschaftsprogramm für „leistungsstarke junge Menschen aus ärmeren Familien in Drittstaaten“, die bisher de facto vom Studium in Deutschland ausgeschlossen seien.
Zwar seien die Zuzugsmöglichkeiten generell recht liberal. Allerdings müssen Studierende aus EU-Drittländern nachweisen, dass sie über ausreichend Finanzmittel verfügen – andernfalls „können sie nicht nach Deutschland kommen“, schreibt der Zuwanderungsexperte.
Keine Stipendienkultur an deutschen Hochschulen
Einmal an einer deutschen Hochschule eingeschrieben, dürfen sie zwar einen Nebenjob annehmen – allerdings nur für maximal 120 Tage im Jahr. Das jedoch „nützt Studierenden aus ärmeren Familien in Ländern mit niedrigem Wohlstandsniveau letztlich wenig, da sie ohne ausreichendes Vermögen der Familie bereits vom Erstzuzug zum Studium ausgeschlossen sind“, kritisiert der Experte.
Da nutze auch die Gebührenfreiheit des Studiums selbst nichts, mit der Deutschland international eine Sonderrolle einnimmt. Sie werde sogar zu einem Nachteil, denn wegen der Gebührenfreiheit habe sich hierzulande „kein starkes Stipendiensystem entwickelt, das den Lebensunterhalt der Leistungsstärksten gegebenenfalls sichern könnte“.
Aktuell verlangen nur Baden-Württemberg und Sachsen Studiengebühren von Nicht-EU-Ausländern. Im Südwesten sind es generell 1500 Euro je Semester. Sachsen stellt es den Hochschulen frei, ob und in welcher Höhe sie eine Gebühr erheben, sofern sie gleichzeitig ein Stipendienprogramm anbieten.
Nach einem Abschluss in Deutschland sollte man diesen Zuwanderern unmittelbar eine unbegrenzte Aufenthaltsgenehmigung erteilen, empfiehlt Geis-Thöne. Denn ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt seien selbst dann hervorragend, wenn sie in einer Übergangsphase einen Job annehmen, für den sie als Akademiker überqualifiziert sind.
Aktuell können sie einen Aufenthaltstitel für bis zu 18 Monate für die Suche nach einer Stelle erhalten, die dann aber „qualifikationsadäquat“ sein muss. Sobald sie eine solche gefunden haben, können sie dann eine Niederlassungserlaubnis beantragen. Diese kann nach zwei Jahren auch entfristet werden.
IW wirbt für Vertrauen ins deutsche Hochschulwesen
Dieser komplizierte Weg sei unnötig, „wenn man dem deutschen Hochschulsystem vertraut“, meint Geis-Thöne. Zudem könne man mit einem einfacheren Zugang zum Arbeitsmarkt bereits mehr Studierende vom Standort Deutschland überzeugen.
Bisher nutzt Deutschland diese Zuwanderungsform noch wenig: 2019 hatten lediglich 307.000 Personen zwischen 25 und 64 ihren Schulabschluss im Ausland und ihren höchsten Studienabschluss im Inland erworben – das waren drei Prozent aller Akademiker.
Zum Vergleich: Der Anteil der Zuwanderer, die erst nach einem Studienabschluss einwanderten, war mit gut 15 Prozent mehr als fünfmal so hoch.
Allerdings ist die Qualifikationsstruktur der „Zuwanderer über die Hochschule“ für die Fachkräftesicherung besonders günstig: Sie haben wesentlich häufiger als andere Akademiker einen Masterabschluss oder promoviert.
Bei den jungen über die Hochschule zugewanderten Akademikern und Akademikerinnen zwischen 24 und 34 können sogar fast 60 Prozent Master oder Promotion vorweisen. Unter den inländischen Akademikern dieser Altersgruppe sind es nur 30 Prozent. Zudem hat fast jeder zweite Zugewanderte einen Abschluss in einem Mint-Fach – bei Nichtzugewanderten sind es nur gut 30 Prozent.
Mehr: Ausländische Studierende bilden ein enormes Potenzial für die Wirtschaft – doch noch bleiben zu wenige hier
Zitat von Gast am 17. November 2022, 11:45 UhrDie Zahl der Erwerbstätigen in Deutschland steigt auf Rekord, doch die Produktivität sinkt deutlich – das ist alarmierend
In Deutschland sind so viele Menschen erwerbstätig wie niemals zuvor. Ihre Zahl stieg im dritten Quartal 2022 auf gut 45,6 Millionen. Dies waren 166.000 Erwerbstätige mehr als im zweiten Quartal, teilte das Statistische Bundesamt mit. Damit wurde der bisherige Höchstwert von Ende 2019, also direkt vor der Corona-Pandemie, um gut 80.000 übertroffen.
Der deutsche Arbeitsmarkt ist damit weiter robust. Dennoch hinterlässt die Krise infolge des Ukraine-Krieges nun Spuren. Der saisonübliche Anstieg der Erwerbstätigenzahl nach den Sommerferien fiel kleiner aus als in den letzten drei Vorkrisenjahre 2017 bis 2019.
Auch der Vergleich zum Vorjahr zeigt die nachlassende Dynamik. Die Zahl der Erwerbstätigen stieg zwar immer noch sehr deutlich um 490 000 Personen oder 1,1 Prozent. Das Wachstum wird aber kleiner. Im zweiten Quartal betrug der Abstand zum Vorjahr noch 669 000.
Arbeitsvolumen steigt, die Produktivität sinkt
Nicht nur die Zahl der Erwerbstätigen steigt, sondern sie arbeiten im Durchschnitt auch mehr Arbeitsstunden. Die Arbeitszeit erhöhte sich nach Berechnung der Bundesagentur für Arbeit im Vergleich zum Vorjahr um 1,1 Prozent auf 342,1 Stunden.
Zusammengenommen wuchs das gesamtwirtschaftliche Arbeitsvolumen – also das Produkt aus der Erwerbstätigenzahl und den geleisteten Stunden. Es war im dritten Quartal mit 15,6 Milliarden Stunden um 2,2 Prozent höher als vor einem Jahr.Das Arbeitsvolumen stieg damit schneller als die Wirtschaftsleistung, denn das Bruttoinlandsprodukt wuchs in Deutschland im dritten Quartal nur um 0,3 Prozent. Daraus folgt, dass die Produktivität je Arbeitsstunde in gesunken ist. Die gesamtwirtschaftliche Produktivität ging mit minus 1,86 Prozent sogar deutlich zurück.
Eine sinkende Produktivität ist für jede Volkswirtschaft ein alarmierendes Signal. Besonders gilt dies aber für Länder mit einer schrumpfenden und alternden Bevölkerung. Sie müssen in der Zukunft sowohl den Wohlstand mit weniger Arbeitskräften zu erwirtschaften als auch höhere Kosten für Ruhegehälter, Gesundheit und Pflege aufzubringen.
In Deutschland gibt es zudem tendenziell den Wunsch, weniger zu arbeiten. Die SPD hat sich sogar eine 25-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich als Ziel gesetzt. Dies wäre nur bei einer stark steigenden Produktivität möglich.
Selbst ohne kürzere Arbeitszeiten schrumpft die Erwerbsbevölkerung in Deutschland in den nächsten Jahren stark. Denn es gehen mehr Berufstätige aus den geburtenstarken Jahrgängen in den Ruhestand als Jüngere neu in das Arbeitsleben einsteigen. Allein um den Wohlstand zu halten, braucht Deutschland daher in jedem Jahr netto 400.000 bis 500.000 Zuwanderer in den Arbeitsmarkt. Spürbar ist bereits jetzt der Mangel an Arbeitskräften. Im dritten Quartal waren über 1,8 Millionen offen Stellen in Unternehmen nicht besetzt.
Alle diese Herausforderungen werden größer, wenn die Produktivität nicht steigt.
In den frühen Jahren der Bundesrepublik stieg die Produktivität zunächst stark. Dadurch wurden sowohl steigende Löhne und Gehälter als auch kürzere Arbeitszeiten möglich. Nach der Wiedervereinigung wuchs die Produktivität noch einmal deutlich, weil weniger produktive Unternehmen in Ostdeutschland modernisiert oder geschlossen wurden. Seither geht das Wachstum der Produktivität zurück.
Mehr Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, weniger Selbstständige
Positiv an der jüngsten Entwicklung am Arbeitsmarkt war, dass der Anstieg der Erwerbstätigkeit vor allem auf sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zurückgeht, also nicht nur auf Minijobs. Die Zahl der geringfügig oder nur kurzfristig Beschäftigten ging sogar leicht zurück, wie auch die Zahl der Selbstständigen. Insgesamt erhöhte sich die Zahl der Arbeitnehmer um 546 000 auf 41,7 Millionen Personen. Die Zahl der Selbstständigen sank um 56 000 Personen auf 3,9 Millionen.
Die Zahl der Erwerbstätigen in Deutschland steigt auf Rekord, doch die Produktivität sinkt deutlich – das ist alarmierend
In Deutschland sind so viele Menschen erwerbstätig wie niemals zuvor. Ihre Zahl stieg im dritten Quartal 2022 auf gut 45,6 Millionen. Dies waren 166.000 Erwerbstätige mehr als im zweiten Quartal, teilte das Statistische Bundesamt mit. Damit wurde der bisherige Höchstwert von Ende 2019, also direkt vor der Corona-Pandemie, um gut 80.000 übertroffen.
Der deutsche Arbeitsmarkt ist damit weiter robust. Dennoch hinterlässt die Krise infolge des Ukraine-Krieges nun Spuren. Der saisonübliche Anstieg der Erwerbstätigenzahl nach den Sommerferien fiel kleiner aus als in den letzten drei Vorkrisenjahre 2017 bis 2019.
Auch der Vergleich zum Vorjahr zeigt die nachlassende Dynamik. Die Zahl der Erwerbstätigen stieg zwar immer noch sehr deutlich um 490 000 Personen oder 1,1 Prozent. Das Wachstum wird aber kleiner. Im zweiten Quartal betrug der Abstand zum Vorjahr noch 669 000.
Arbeitsvolumen steigt, die Produktivität sinkt
Nicht nur die Zahl der Erwerbstätigen steigt, sondern sie arbeiten im Durchschnitt auch mehr Arbeitsstunden. Die Arbeitszeit erhöhte sich nach Berechnung der Bundesagentur für Arbeit im Vergleich zum Vorjahr um 1,1 Prozent auf 342,1 Stunden.
Das Arbeitsvolumen stieg damit schneller als die Wirtschaftsleistung, denn das Bruttoinlandsprodukt wuchs in Deutschland im dritten Quartal nur um 0,3 Prozent. Daraus folgt, dass die Produktivität je Arbeitsstunde in gesunken ist. Die gesamtwirtschaftliche Produktivität ging mit minus 1,86 Prozent sogar deutlich zurück.
Eine sinkende Produktivität ist für jede Volkswirtschaft ein alarmierendes Signal. Besonders gilt dies aber für Länder mit einer schrumpfenden und alternden Bevölkerung. Sie müssen in der Zukunft sowohl den Wohlstand mit weniger Arbeitskräften zu erwirtschaften als auch höhere Kosten für Ruhegehälter, Gesundheit und Pflege aufzubringen.
In Deutschland gibt es zudem tendenziell den Wunsch, weniger zu arbeiten. Die SPD hat sich sogar eine 25-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich als Ziel gesetzt. Dies wäre nur bei einer stark steigenden Produktivität möglich.
Selbst ohne kürzere Arbeitszeiten schrumpft die Erwerbsbevölkerung in Deutschland in den nächsten Jahren stark. Denn es gehen mehr Berufstätige aus den geburtenstarken Jahrgängen in den Ruhestand als Jüngere neu in das Arbeitsleben einsteigen. Allein um den Wohlstand zu halten, braucht Deutschland daher in jedem Jahr netto 400.000 bis 500.000 Zuwanderer in den Arbeitsmarkt. Spürbar ist bereits jetzt der Mangel an Arbeitskräften. Im dritten Quartal waren über 1,8 Millionen offen Stellen in Unternehmen nicht besetzt.
Alle diese Herausforderungen werden größer, wenn die Produktivität nicht steigt.
In den frühen Jahren der Bundesrepublik stieg die Produktivität zunächst stark. Dadurch wurden sowohl steigende Löhne und Gehälter als auch kürzere Arbeitszeiten möglich. Nach der Wiedervereinigung wuchs die Produktivität noch einmal deutlich, weil weniger produktive Unternehmen in Ostdeutschland modernisiert oder geschlossen wurden. Seither geht das Wachstum der Produktivität zurück.
Mehr Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, weniger Selbstständige
Positiv an der jüngsten Entwicklung am Arbeitsmarkt war, dass der Anstieg der Erwerbstätigkeit vor allem auf sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zurückgeht, also nicht nur auf Minijobs. Die Zahl der geringfügig oder nur kurzfristig Beschäftigten ging sogar leicht zurück, wie auch die Zahl der Selbstständigen. Insgesamt erhöhte sich die Zahl der Arbeitnehmer um 546 000 auf 41,7 Millionen Personen. Die Zahl der Selbstständigen sank um 56 000 Personen auf 3,9 Millionen.
Zitat von Gast am 30. November 2022, 07:43 UhrStreit über Einbürgerung: »Alles was hilft, den Zuzug zu erleichtern, ist wichtig«
Während die Parteien über Regeln für Zuwanderung streiten, sind Wirtschaft und Gewerkschaften schon weiter: Das Handwerk fordert »Welcome-Center«, die IG-Metall verweist auf die Vorteile, wenn qualifizierte Arbeitskräfte kommen.
Es ist ein Thema, das wieder mal für heftige politische Diskussionen sorgt: Wie kann die Zuwanderung von Arbeitskräften erleichtert werden? Dabei sind sich sowohl Arbeitsmarktexperten als auch Unternehmensverbände und Gewerkschaftsvertreter einig: Deutschland braucht angesichts des Fachkräftemangels dringend Input aus anderen Ländern.
Die Bundesagentur für Arbeit (BA) hat deshalb die Pläne der Bundesregierung für ein Eckpunktepapier zur vereinfachten Einwanderung von Fachkräften begrüßt. Deutschland gingen bis 2035 sieben Millionen Arbeitskräfte verloren, der Verlust müsse durch Maßnahmen im In- und Ausand ausgeglichen werden. »Auch wenn beim inländischen Potenzial alle Hebel greifen, wird das nicht reichen«, sagte BA-Vorstandsmitglied Vanessa Ahuja. Ergänzend zu den inländischen Anstrengungen brauche es ausländische Arbeits- und Fachkräfte, damit der deutsche Arbeitsmarkt weiterhin gut funktioniere.
»Alles was hilft, den Zuzug von Arbeits- und Fachkräften zu erleichtern, ist wichtig«, sagte Ahuja. Das Einwanderungsrecht müsse moderner, schneller, unbürokratischer und flexibler werden.
Das Bundeskabinett will am Mittwoch ein Eckpunktepapier verabschieden, auf dessen Grundlage die Einwanderung von qualifizierten Arbeitskräften erleichtert werden soll. Anerkannte Fachkräfte mit einem gültigen Arbeitsvertrag sollen einfacher als bisher nach Deutschland kommen können.
Unter anderem soll bei entsprechend langer Berufserfahrung nicht unbedingt ein in Deutschland geltender Abschluss nötig sein, um nach Deutschland kommen zu können.
Vorgesehen ist zudem, dass Menschen künftig über ein Punktesystem nach Deutschland einwandern können, auch wenn sie noch keinen Arbeitsplatz vorweisen können. Dieses Punktesystem soll sich nach Auswahlkriterien wie Qualifikation, Sprachkenntnisse, Berufserfahrung, Deutschlandbezug und Alter richten.
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil argumentiert, bei den geplanten neuen Regeln für die Zuwanderung von Fachkräften gehe es um die Zukunftschancen des Landes. »Unser Ziel ist das modernste Einwanderungsrecht in Europa, denn wir konkurrieren mit vielen Ländern um kluge Köpfe und helfende Hände«, sagte der SPD-Politiker dem SWR-Hauptstadtstudio. »Dass wir die richtigen Kräfte bekommen, sichert den Wohlstand in Deutschland.«
Er sprach von einer »gesamtstaatlichen Anstrengung« für Bund, Länder und Kommunen – und auch für die Wirtschaft. »Wir dürfen Fachkräfteeinwanderung nicht einfach bürokratisch hinnehmen wie in der Vergangenheit, sondern wir müssen sie massiv wollen«, sagte Heil.
»Die Ausländerbehörden müssen »Welcome-Center« werden«
Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) hat die Regierungspläne begrüßt, aber Nachbesserungen etwa bei der Gehaltsgrenze und der Anwerbung von Auszubildenden aus dem Ausland gefordert. »Hierzu enthält das Eckpunktepapier noch recht wenig. Bei der wachsenden Zahl unbesetzter Ausbildungsplätze in Deutschland müssen wir noch pragmatischer werden, um verstärkt Auszubildende aus Drittstaaten zu gewinnen«, sagte DIHK-Vize-Hauptgeschäftsführer Achim Dercks der »Rheinischen Post«.
Handwerkspräsident Hans Peter Wollseifer forderte in der Diskussion über Fachkräfte aus anderen Ländern eine Neuausrichtung der Ausländerbehörden und der deutschen Botschaften im Ausland. »Die Ausländerbehörden müssen »Welcome-Center« werden, Visa müssen schneller erteilt werden. Sonst kommen die Leute nicht, zumal Deutschland ja ohnehin nicht den allerbesten Ruf als Einwanderungsland hat«, sagte Wollseifer der Zeitung. Neue Regeln müssten sich an der Praxis orientieren und unbürokratisch sein. »Kleine Betriebe haben keine großen Personalabteilungen, die sich lange mit Ausländerbehörden auseinandersetzen können.«
Wollseifer betonte, dass es im Handwerk derzeit sogar deutlich mehr als die offiziellen 153 000 offenen Stellen gebe, da viele Betriebe aus Resignation ihre freien Stellen gar nicht mehr melden würden.
Auch der IG-Metall-Vorsitzende Jörg Hofmann unterstützt die Regierungspläne für eine erleichterte Zuwanderung von Fachkräften. »Als Gesellschaft profitieren wir davon, wenn qualifizierte Arbeitskräfte nach Deutschland kommen«, sagte Hofmann der Nachrichtenagentur dpa. Deshalb sei es an der Zeit, das Thema anzupacken. »Bürokratische Hürden – beginnend bei der Visa-Beantragung bis zur Anerkennung von Berufsabschlüssen – behindern heute den Zuzug«, bemängelte der Vorsitzende der größten deutschen Einzelgewerkschaft.
Hofmanns verwies darauf, dass Zuwanderung nicht der einzige Weg sei, den Fachkräftemangel zu bekämpfen: »Konsequente Aus- und Weiterbildung, Arbeitszeiten, die Familie und Beruf vereinbar machen sowie gute, gesundheitsfreundliche Arbeitsbedingungen sind ebenfalls von großer Bedeutung.«
Jährliche Zuwanderung von mindestens 260.000 Menschen nötig
Deutschland sei in den kommenden Jahren auf Zuwanderung angewiesen, sagte die geschäftsführende Direktorin des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung, Catherina Hinz, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). »Die Babyboomer gehen in Rente, und die Zahl der Menschen im Erwerbsalter schrumpft – laut einer Prognose des Berlin-Instituts von heute etwa 50 Millionen um rund zwölf Prozent auf 44 Millionen im Jahr 2035.« Um den prognostizierten Arbeitskräftebedarf geradeso zu decken, brauche es eine jährliche Zuwanderung von mindestens 260.000 Menschen.
»Da die Hauptherkunftsländer in der EU ähnliche demografische Entwicklungen erleben wie Deutschland, wird die EU-Zuwanderung aller Voraussicht nach zurückgehen«, sagte Hinz. »Zuwanderung aus Drittstaaten wird an Bedeutung gewinnen.«
Vorbehalte gegen die Regierungspläne hatte die Union geäußert. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Thorsten Frei, erteilte dem angepeilten Punktesystem eine Absage. Fraktionschef Friedrich Merz (CDU) sagte, die Union werde entsprechende Vorschläge vorurteilsfrei prüfen. Das Punktesystem sei aber »wahrscheinlich für andere Länder besser anwendbar als für unseres«.
Im Streit über eine Reform des Einbürgerungsrechts argumentierte Grünen-Chef Omid Nouripour unterdessen ebenfalls mit der Attraktivität Deutschlands für ausländische Fachkräfte. »Viele Unternehmen finden schon jetzt kaum noch Fach- und Arbeitskräfte und die Lücke wird in den nächsten Jahren noch größer werden«, sagte er der »Süddeutschen Zeitung«. »Wir konkurrieren weltweit um die klügsten Köpfe und müssen ihnen eine Perspektive in Deutschland anbieten. Die Modernisierung des Staatsbürgerschaftsrechts ist daher überfällig.«
Am umstrittensten beim Thema Zuwanderung ist die geplante Reform des Staatsbürgerschaftsrechts. Pläne von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sehen vor, dass Zuwanderer – anstatt wie bisher nach acht Jahren künftig – schon nach einem fünfjährigen Aufenthalt die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten können. Bei »besonderen Integrationsleistungen« sogar schon nach drei Jahren. Von CDU und CSU kam scharfe Kritik, aber auch in den Reihen des Koalitionspartners FDP gibt es Vorbehalte.
Streit über Einbürgerung: »Alles was hilft, den Zuzug zu erleichtern, ist wichtig«
Während die Parteien über Regeln für Zuwanderung streiten, sind Wirtschaft und Gewerkschaften schon weiter: Das Handwerk fordert »Welcome-Center«, die IG-Metall verweist auf die Vorteile, wenn qualifizierte Arbeitskräfte kommen.
Es ist ein Thema, das wieder mal für heftige politische Diskussionen sorgt: Wie kann die Zuwanderung von Arbeitskräften erleichtert werden? Dabei sind sich sowohl Arbeitsmarktexperten als auch Unternehmensverbände und Gewerkschaftsvertreter einig: Deutschland braucht angesichts des Fachkräftemangels dringend Input aus anderen Ländern.
»Alles was hilft, den Zuzug von Arbeits- und Fachkräften zu erleichtern, ist wichtig«, sagte Ahuja. Das Einwanderungsrecht müsse moderner, schneller, unbürokratischer und flexibler werden.
Das Bundeskabinett will am Mittwoch ein Eckpunktepapier verabschieden, auf dessen Grundlage die Einwanderung von qualifizierten Arbeitskräften erleichtert werden soll. Anerkannte Fachkräfte mit einem gültigen Arbeitsvertrag sollen einfacher als bisher nach Deutschland kommen können.
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Unter anderem soll bei entsprechend langer Berufserfahrung nicht unbedingt ein in Deutschland geltender Abschluss nötig sein, um nach Deutschland kommen zu können.
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Vorgesehen ist zudem, dass Menschen künftig über ein Punktesystem nach Deutschland einwandern können, auch wenn sie noch keinen Arbeitsplatz vorweisen können. Dieses Punktesystem soll sich nach Auswahlkriterien wie Qualifikation, Sprachkenntnisse, Berufserfahrung, Deutschlandbezug und Alter richten.
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil argumentiert, bei den geplanten neuen Regeln für die Zuwanderung von Fachkräften gehe es um die Zukunftschancen des Landes. »Unser Ziel ist das modernste Einwanderungsrecht in Europa, denn wir konkurrieren mit vielen Ländern um kluge Köpfe und helfende Hände«, sagte der SPD-Politiker dem SWR-Hauptstadtstudio. »Dass wir die richtigen Kräfte bekommen, sichert den Wohlstand in Deutschland.«
Er sprach von einer »gesamtstaatlichen Anstrengung« für Bund, Länder und Kommunen – und auch für die Wirtschaft. »Wir dürfen Fachkräfteeinwanderung nicht einfach bürokratisch hinnehmen wie in der Vergangenheit, sondern wir müssen sie massiv wollen«, sagte Heil.
»Die Ausländerbehörden müssen »Welcome-Center« werden«
Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) hat die Regierungspläne begrüßt, aber Nachbesserungen etwa bei der Gehaltsgrenze und der Anwerbung von Auszubildenden aus dem Ausland gefordert. »Hierzu enthält das Eckpunktepapier noch recht wenig. Bei der wachsenden Zahl unbesetzter Ausbildungsplätze in Deutschland müssen wir noch pragmatischer werden, um verstärkt Auszubildende aus Drittstaaten zu gewinnen«, sagte DIHK-Vize-Hauptgeschäftsführer Achim Dercks der »Rheinischen Post«.
Handwerkspräsident Hans Peter Wollseifer forderte in der Diskussion über Fachkräfte aus anderen Ländern eine Neuausrichtung der Ausländerbehörden und der deutschen Botschaften im Ausland. »Die Ausländerbehörden müssen »Welcome-Center« werden, Visa müssen schneller erteilt werden. Sonst kommen die Leute nicht, zumal Deutschland ja ohnehin nicht den allerbesten Ruf als Einwanderungsland hat«, sagte Wollseifer der Zeitung. Neue Regeln müssten sich an der Praxis orientieren und unbürokratisch sein. »Kleine Betriebe haben keine großen Personalabteilungen, die sich lange mit Ausländerbehörden auseinandersetzen können.«
Wollseifer betonte, dass es im Handwerk derzeit sogar deutlich mehr als die offiziellen 153 000 offenen Stellen gebe, da viele Betriebe aus Resignation ihre freien Stellen gar nicht mehr melden würden.
Auch der IG-Metall-Vorsitzende Jörg Hofmann unterstützt die Regierungspläne für eine erleichterte Zuwanderung von Fachkräften. »Als Gesellschaft profitieren wir davon, wenn qualifizierte Arbeitskräfte nach Deutschland kommen«, sagte Hofmann der Nachrichtenagentur dpa. Deshalb sei es an der Zeit, das Thema anzupacken. »Bürokratische Hürden – beginnend bei der Visa-Beantragung bis zur Anerkennung von Berufsabschlüssen – behindern heute den Zuzug«, bemängelte der Vorsitzende der größten deutschen Einzelgewerkschaft.
Hofmanns verwies darauf, dass Zuwanderung nicht der einzige Weg sei, den Fachkräftemangel zu bekämpfen: »Konsequente Aus- und Weiterbildung, Arbeitszeiten, die Familie und Beruf vereinbar machen sowie gute, gesundheitsfreundliche Arbeitsbedingungen sind ebenfalls von großer Bedeutung.«
Jährliche Zuwanderung von mindestens 260.000 Menschen nötig
Deutschland sei in den kommenden Jahren auf Zuwanderung angewiesen, sagte die geschäftsführende Direktorin des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung, Catherina Hinz, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). »Die Babyboomer gehen in Rente, und die Zahl der Menschen im Erwerbsalter schrumpft – laut einer Prognose des Berlin-Instituts von heute etwa 50 Millionen um rund zwölf Prozent auf 44 Millionen im Jahr 2035.« Um den prognostizierten Arbeitskräftebedarf geradeso zu decken, brauche es eine jährliche Zuwanderung von mindestens 260.000 Menschen.
»Da die Hauptherkunftsländer in der EU ähnliche demografische Entwicklungen erleben wie Deutschland, wird die EU-Zuwanderung aller Voraussicht nach zurückgehen«, sagte Hinz. »Zuwanderung aus Drittstaaten wird an Bedeutung gewinnen.«
Vorbehalte gegen die Regierungspläne hatte die Union geäußert. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Thorsten Frei, erteilte dem angepeilten Punktesystem eine Absage. Fraktionschef Friedrich Merz (CDU) sagte, die Union werde entsprechende Vorschläge vorurteilsfrei prüfen. Das Punktesystem sei aber »wahrscheinlich für andere Länder besser anwendbar als für unseres«.
Im Streit über eine Reform des Einbürgerungsrechts argumentierte Grünen-Chef Omid Nouripour unterdessen ebenfalls mit der Attraktivität Deutschlands für ausländische Fachkräfte. »Viele Unternehmen finden schon jetzt kaum noch Fach- und Arbeitskräfte und die Lücke wird in den nächsten Jahren noch größer werden«, sagte er der »Süddeutschen Zeitung«. »Wir konkurrieren weltweit um die klügsten Köpfe und müssen ihnen eine Perspektive in Deutschland anbieten. Die Modernisierung des Staatsbürgerschaftsrechts ist daher überfällig.«
Am umstrittensten beim Thema Zuwanderung ist die geplante Reform des Staatsbürgerschaftsrechts. Pläne von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sehen vor, dass Zuwanderer – anstatt wie bisher nach acht Jahren künftig – schon nach einem fünfjährigen Aufenthalt die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten können. Bei »besonderen Integrationsleistungen« sogar schon nach drei Jahren. Von CDU und CSU kam scharfe Kritik, aber auch in den Reihen des Koalitionspartners FDP gibt es Vorbehalte.
Zitat von Gast am 1. Dezember 2022, 08:15 UhrEinwanderung: Kabinett einigt sich auf Eckpunkte für erleichterten Zuzug von Fachkräften
Mit einem neuen Gesetz sollen qualifizierte und in Deutschland dringend benötigte Arbeitskräfte leichter ins Land kommen können. Vorgesehen ist ein Punktesystem nach dem Vorbild Kanadas.
Kabinett einigt sich auf Eckpunkte für erleichterten Zuzug von Fachkräften
Fachkräfte aus dem Ausland sollen nach dem Willen der Bundesregierung künftig leichter nach Deutschland kommen können. Wer bereits deutsch spricht oder in sogenannten Mangelberufen arbeitet, soll in Zukunft auch ohne Jobnachweise wie Arbeitsvertrag oder Ausbildungszeugnis einreisen dürfen, heißt es in dem Eckpunktepapier für das neue Fachkräftezuwanderungsgesetz, auf das sich das Kabinett am Mittwochmorgen geeinigt hat. "Ich bin mir sicher, dass dieses moderne Fachkräftesetz einen wirklichen Beitrag zur Wohlstandssicherung in Deutschland leisten wird", sagt Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD).
Geplant ist ein Punktesystem einzuführen, ähnlich wie es in Kanada existiert. Die Hürden für Einwanderung sollen damit verringert und Deutschland attraktiver für Fachkräfte aus dem Ausland werden. "Wir werden auf Grundlage eines transparenten, unbürokratischen Punktesystems eine Chancenkarte zur Arbeitsplatzsuche einführen", heißt es in dem Papier. Als Auswahlkriterien werden Qualifikation, Sprachkenntnisse, Berufserfahrung, Deutschlandbezug und Alter genannt.
Menschen, die einen Berufsabschluss mitbringen, sollen zudem künftig flexibler in verschiedenen Jobs arbeiten dürfen. In manchen Branchen soll die bisher notwendige und meist langwierige Anerkennung des Abschlusses ganz entfallen, wenn jemand genügend Erfahrung mitbringt. Wer einen Berufsabschluss erst noch machen muss, soll dies künftig auch in Deutschland tun können. Die Chancenkarte soll zudem die Jobsuche erleichtern.
"Das Kabinett hat heute etwas auf den Weg gebracht, das längt überfällig ist", sagt Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP). Zwei Millionen Stellen seien unbesetzt und es fehlten längst nicht nur Akademiker, auch Geschäfte und Gastronomie müssten oftmals früher schließen, weil kein Personal vorhanden sei. Stark-Watzinger zitiert Berechnungen der Bundesagentur für Arbeit, denen zufolge Deutschland zusätzlich zum inländischen Arbeitskräftepotenzial, das sich heben lasse, noch etwa 400 000 Menschen pro Jahr aus dem Ausland brauche
Die Dringlichkeit eines neuen Gesetztes betont auch der Bundeswirtschaftsminister: "Dass wir ein demografisches Problem bekommen werden, wissen wir seit Jahren, aber es wurde nicht genug unternommen", sagt Robert Habeck (Grüne). Das neue Gesetz weise in die Zukunft. Ohne Fachkräfte werde Deutschlands Wirtschaft nicht vorankommen. Daher müsse die Schwelle für Zuwanderung gesenkt und die Integration verbessert werden.Aus Sicht von Bundesarbeitsminister Heil geht es bei den geplanten neuen Regeln für die Zuwanderung von Fachkräften darum, den Wohlstand des Landes zu sichern. "Unser Ziel ist das modernste Einwanderungsrecht in Europa, denn wir konkurrieren mit vielen Ländern um kluge Köpfe und helfende Hände", sagte der SPD-Politiker noch vor den Beratungen.
Bei der Umsetzung seien auch Länder und Kommunen sowie die deutsche Wirtschaft in der Pflicht. "Ich will, dass wir spätestens 2025 - und das ist nicht mehr lange hin - die Erfolge dieses Gesetzes auch am Arbeitsmarkt sehen", so der Minister.
Kritik am geplanten Zuwanderungsgesetz für Fachkräfte kommt von der Union
CDU-Chef Friedrich Merz äußerte im ZDF-Morgenmagazin Vorbehalte gegen die Pläne der Ampelkoalition. Er stört sich insbesondere daran, dass die Bundesregierung gezielt Menschen aus Nicht-EU-Ländern anwerben will. In der EU gelte zwar die Freizügigkeit der Arbeitnehmer, die Bedingungen hierzulande seien aber wegen der Bürokratie und hohen Steuern nicht gut. Zudem warteten im Ausland Tausende Menschen auf Visa für Deutschland. "Das Potenzial ausschöpfen wäre der erste Schritt", sagte Merz.
Die Ampelkoalition hat sich in ihrem Koalitionsvertrag vorgenommen, die Migrationspolitik auf eine neue Grundlage zu stellen. Dazu gehören neben der Fachkräfteeinwanderung auch das Aufenthaltsrecht und eine Reform der Einbürgerungsregeln. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) will, dass die deutsche Staatsbürgerschaft künftig schon nach fünf statt bislang acht Jahren erlangt werden kann. Außerdem soll es möglich sein, neben der deutschen auch andere Staatsangehörigkeiten zu haben. Die Beratungen dazu stehen noch ganz am Anfang und sind von den Plänen zur Fachkräfteeinwanderung getrennt.
Einwanderung: Kabinett einigt sich auf Eckpunkte für erleichterten Zuzug von Fachkräften
Mit einem neuen Gesetz sollen qualifizierte und in Deutschland dringend benötigte Arbeitskräfte leichter ins Land kommen können. Vorgesehen ist ein Punktesystem nach dem Vorbild Kanadas.
Kabinett einigt sich auf Eckpunkte für erleichterten Zuzug von Fachkräften
Fachkräfte aus dem Ausland sollen nach dem Willen der Bundesregierung künftig leichter nach Deutschland kommen können. Wer bereits deutsch spricht oder in sogenannten Mangelberufen arbeitet, soll in Zukunft auch ohne Jobnachweise wie Arbeitsvertrag oder Ausbildungszeugnis einreisen dürfen, heißt es in dem Eckpunktepapier für das neue Fachkräftezuwanderungsgesetz, auf das sich das Kabinett am Mittwochmorgen geeinigt hat. "Ich bin mir sicher, dass dieses moderne Fachkräftesetz einen wirklichen Beitrag zur Wohlstandssicherung in Deutschland leisten wird", sagt Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD).
Geplant ist ein Punktesystem einzuführen, ähnlich wie es in Kanada existiert. Die Hürden für Einwanderung sollen damit verringert und Deutschland attraktiver für Fachkräfte aus dem Ausland werden. "Wir werden auf Grundlage eines transparenten, unbürokratischen Punktesystems eine Chancenkarte zur Arbeitsplatzsuche einführen", heißt es in dem Papier. Als Auswahlkriterien werden Qualifikation, Sprachkenntnisse, Berufserfahrung, Deutschlandbezug und Alter genannt.
Menschen, die einen Berufsabschluss mitbringen, sollen zudem künftig flexibler in verschiedenen Jobs arbeiten dürfen. In manchen Branchen soll die bisher notwendige und meist langwierige Anerkennung des Abschlusses ganz entfallen, wenn jemand genügend Erfahrung mitbringt. Wer einen Berufsabschluss erst noch machen muss, soll dies künftig auch in Deutschland tun können. Die Chancenkarte soll zudem die Jobsuche erleichtern.
"Das Kabinett hat heute etwas auf den Weg gebracht, das längt überfällig ist", sagt Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP). Zwei Millionen Stellen seien unbesetzt und es fehlten längst nicht nur Akademiker, auch Geschäfte und Gastronomie müssten oftmals früher schließen, weil kein Personal vorhanden sei. Stark-Watzinger zitiert Berechnungen der Bundesagentur für Arbeit, denen zufolge Deutschland zusätzlich zum inländischen Arbeitskräftepotenzial, das sich heben lasse, noch etwa 400 000 Menschen pro Jahr aus dem Ausland brauche
Aus Sicht von Bundesarbeitsminister Heil geht es bei den geplanten neuen Regeln für die Zuwanderung von Fachkräften darum, den Wohlstand des Landes zu sichern. "Unser Ziel ist das modernste Einwanderungsrecht in Europa, denn wir konkurrieren mit vielen Ländern um kluge Köpfe und helfende Hände", sagte der SPD-Politiker noch vor den Beratungen.
Bei der Umsetzung seien auch Länder und Kommunen sowie die deutsche Wirtschaft in der Pflicht. "Ich will, dass wir spätestens 2025 - und das ist nicht mehr lange hin - die Erfolge dieses Gesetzes auch am Arbeitsmarkt sehen", so der Minister.
Kritik am geplanten Zuwanderungsgesetz für Fachkräfte kommt von der Union
CDU-Chef Friedrich Merz äußerte im ZDF-Morgenmagazin Vorbehalte gegen die Pläne der Ampelkoalition. Er stört sich insbesondere daran, dass die Bundesregierung gezielt Menschen aus Nicht-EU-Ländern anwerben will. In der EU gelte zwar die Freizügigkeit der Arbeitnehmer, die Bedingungen hierzulande seien aber wegen der Bürokratie und hohen Steuern nicht gut. Zudem warteten im Ausland Tausende Menschen auf Visa für Deutschland. "Das Potenzial ausschöpfen wäre der erste Schritt", sagte Merz.
Die Ampelkoalition hat sich in ihrem Koalitionsvertrag vorgenommen, die Migrationspolitik auf eine neue Grundlage zu stellen. Dazu gehören neben der Fachkräfteeinwanderung auch das Aufenthaltsrecht und eine Reform der Einbürgerungsregeln. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) will, dass die deutsche Staatsbürgerschaft künftig schon nach fünf statt bislang acht Jahren erlangt werden kann. Außerdem soll es möglich sein, neben der deutschen auch andere Staatsangehörigkeiten zu haben. Die Beratungen dazu stehen noch ganz am Anfang und sind von den Plänen zur Fachkräfteeinwanderung getrennt.
Zitat von Gast am 15. Dezember 2022, 08:01 UhrBeitragssatz zur Arbeitslosenversicherung steigt
Berlin (Reuters) - Die Bundesregierung hat den Haushaltsplan der Bundesagentur für Arbeit (BA) gebilligt, der 2023 erstmals seit 2011 wieder einen höheren Beitrag zur Arbeitslosenversicherung vorsieht.
Der Beitragssatz steigt zum Jahresanfang um 0,2 Prozentpunkte auf 2,6 Prozent des Bruttolohns. Seit 2019 war der Beitragssatz vorübergehend abgesenkt, weil die BA eine Rücklage von 26 Milliarden Euro aufgebaut hatte. Diese wurde durch die hohe Kurzarbeit in der Corona-Pandemie aufgezehrt. Das Kabinett billigte zudem eine Verordnung von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD), mit der der erleichterte Zugang zum Kurzarbeitergeld bis Ende Juni 2023 verlängert wird. Damit sollen Arbeitsplätze erhalten, Kündigungen vermieden und Unternehmen gestützt werden.
Die Bundesregierung rechnet durch die Sonderregelung mit zusätzlichen 115.000 Kurzarbeitenden in den Monaten Januar bis Juni. Die Zusatzkosten für die BA werden im Reuters vorliegenden Entwurf auf etwa 350 Millionen Euro beziffert. Damit schmälert die Bundesregierung die Möglichkeiten der BA, 2023 wieder mit dem Aufbau einer Rücklage zu beginnen. Ihr Haushaltsplan sah vor, zunächst ein 800-Millionen-Euro-Darlehen des Bundes aus 2022 zurückzahlen und dann rund 1,4 Milliarden Euro zurücklegen. Die Mehrkosten für den weiterhin erleichterten Zugang zur Kurzarbeit konnte die Behörde dabei noch nicht berücksichtigen. Für die BA-Rücklage ist laut Arbeitsministerium 2023 nun noch ein Betrag von rund einer Milliarde Euro vorgesehen.
Kurzarbeitergeld wird von der BA ausbezahlt, wenn Betriebe etwa wegen Produktionsausfällen Beschäftigte in eine Zwangspause schicken. Sie können damit eine Phase überbrücken, bis die Geschäfte wieder besser laufen. Dies soll laut Verordnung auch für Leiharbeit gelten. Begründet wird die Verlängerung der Sonderregelung mit den Auswirkungen des Ukraine-Krieges auf Lieferketten und Preise. "Die weitere Entwicklung ist nur schwer absehbar", heißt es im Entwurf. "Viele Unternehmen erwarten aber eine negative Geschäftsentwicklung in den nächsten Monaten."
Beitragssatz zur Arbeitslosenversicherung steigt
Berlin (Reuters) - Die Bundesregierung hat den Haushaltsplan der Bundesagentur für Arbeit (BA) gebilligt, der 2023 erstmals seit 2011 wieder einen höheren Beitrag zur Arbeitslosenversicherung vorsieht.
Der Beitragssatz steigt zum Jahresanfang um 0,2 Prozentpunkte auf 2,6 Prozent des Bruttolohns. Seit 2019 war der Beitragssatz vorübergehend abgesenkt, weil die BA eine Rücklage von 26 Milliarden Euro aufgebaut hatte. Diese wurde durch die hohe Kurzarbeit in der Corona-Pandemie aufgezehrt. Das Kabinett billigte zudem eine Verordnung von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD), mit der der erleichterte Zugang zum Kurzarbeitergeld bis Ende Juni 2023 verlängert wird. Damit sollen Arbeitsplätze erhalten, Kündigungen vermieden und Unternehmen gestützt werden.
Die Bundesregierung rechnet durch die Sonderregelung mit zusätzlichen 115.000 Kurzarbeitenden in den Monaten Januar bis Juni. Die Zusatzkosten für die BA werden im Reuters vorliegenden Entwurf auf etwa 350 Millionen Euro beziffert. Damit schmälert die Bundesregierung die Möglichkeiten der BA, 2023 wieder mit dem Aufbau einer Rücklage zu beginnen. Ihr Haushaltsplan sah vor, zunächst ein 800-Millionen-Euro-Darlehen des Bundes aus 2022 zurückzahlen und dann rund 1,4 Milliarden Euro zurücklegen. Die Mehrkosten für den weiterhin erleichterten Zugang zur Kurzarbeit konnte die Behörde dabei noch nicht berücksichtigen. Für die BA-Rücklage ist laut Arbeitsministerium 2023 nun noch ein Betrag von rund einer Milliarde Euro vorgesehen.
Kurzarbeitergeld wird von der BA ausbezahlt, wenn Betriebe etwa wegen Produktionsausfällen Beschäftigte in eine Zwangspause schicken. Sie können damit eine Phase überbrücken, bis die Geschäfte wieder besser laufen. Dies soll laut Verordnung auch für Leiharbeit gelten. Begründet wird die Verlängerung der Sonderregelung mit den Auswirkungen des Ukraine-Krieges auf Lieferketten und Preise. "Die weitere Entwicklung ist nur schwer absehbar", heißt es im Entwurf. "Viele Unternehmen erwarten aber eine negative Geschäftsentwicklung in den nächsten Monaten."
Zitat von Gast am 1. März 2023, 11:21 UhrArbeitsagentur ruft zur Einstellung von Ukrainern auf
Arbeitsagentur ruft zur Einstellung von Ukrainern auf
Die Arbeitslosigkeit in Niedersachsen und Bremen ist heute höher als vor einem Jahr - vor allem wegen des Zuzugs von Flüchtlingen aus der Ukraine. Die Arbeitsagentur sieht darin eine Chance.
Hannover/Bremen - Die Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit hat Arbeitgeber dazu aufgerufen, auf der Suche nach neuen Mitarbeitern ausdrücklich auch Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine anzusprechen. „Wenn Sie eine Stelle zu besetzen haben: Signalisieren Sie den Geflüchteten, dass sie willkommen sind - vielleicht schon in Ihrer Stellenanzeige“, sagte der Chef der Regionaldirektion für Niedersachsen und Bremen, Johannes Pfeiffer, am Mittwoch. Betriebe, in denen die Arbeit auch ohne perfekte Deutschkenntnisse möglich sei, sollten das schon in ihren Ausschreibungen deutlich machen. Dasselbe gelte für flexible Arbeitszeiten und Teilzeit, um alleinerziehende Mütter zu erreichen.
Der Bedarf an neuen Mitarbeitern wächst: Die Zahl der bei den Arbeitsagenturen in Niedersachsen gemeldeten offenen Stellen stieg im Februar im Vergleich zum Januar um 50 Prozent auf rund 17.000, in Bremen legte sie um 22 Prozent auf knapp 1900 zu. „Das könnte ein Hinweis sein, dass sich die Betriebe bereits auf einen Frühjahrsaufschwung vorbereiten“, sagte Pfeiffer.
Im Februar ist die Arbeitslosigkeit in beiden Bundesländern allerdings leicht gestiegen. In Niedersachsen waren zuletzt 254.469 Menschen ohne Arbeit, das sind 0,4 Prozent mehr als im Januar. In Bremen legte der Wert auf 38.363 zu, ein Anstieg von ebenfalls 0,4 Prozent zum Vormonat.
Noch deutlicher ist die Entwicklung im Vergleich zum Februar 2022. In Niedersachsen stieg die Zahl der Arbeitslosen im Vorjahresvergleich um 11,0 Prozent, in Bremen um 2,4 Prozent. Laut Regionaldirektion liegt das vor allem an der Erfassung der Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine. In Niedersachsen waren unter den Arbeitslosen zuletzt rund 21.300 Geflüchtete aus der Ukraine, in Bremen rund 2100.
Die Arbeitslosenquote liegt in Niedersachsen wie bereits im Januar bei 5,8 Prozent, in Bremen unverändert bei 10,5 Prozent. Stichtag für die aktuelle Erhebung war der 13. Februar.
Arbeitsagentur ruft zur Einstellung von Ukrainern auf
Arbeitsagentur ruft zur Einstellung von Ukrainern auf
Die Arbeitslosigkeit in Niedersachsen und Bremen ist heute höher als vor einem Jahr - vor allem wegen des Zuzugs von Flüchtlingen aus der Ukraine. Die Arbeitsagentur sieht darin eine Chance.
Hannover/Bremen - Die Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit hat Arbeitgeber dazu aufgerufen, auf der Suche nach neuen Mitarbeitern ausdrücklich auch Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine anzusprechen. „Wenn Sie eine Stelle zu besetzen haben: Signalisieren Sie den Geflüchteten, dass sie willkommen sind - vielleicht schon in Ihrer Stellenanzeige“, sagte der Chef der Regionaldirektion für Niedersachsen und Bremen, Johannes Pfeiffer, am Mittwoch. Betriebe, in denen die Arbeit auch ohne perfekte Deutschkenntnisse möglich sei, sollten das schon in ihren Ausschreibungen deutlich machen. Dasselbe gelte für flexible Arbeitszeiten und Teilzeit, um alleinerziehende Mütter zu erreichen.
Der Bedarf an neuen Mitarbeitern wächst: Die Zahl der bei den Arbeitsagenturen in Niedersachsen gemeldeten offenen Stellen stieg im Februar im Vergleich zum Januar um 50 Prozent auf rund 17.000, in Bremen legte sie um 22 Prozent auf knapp 1900 zu. „Das könnte ein Hinweis sein, dass sich die Betriebe bereits auf einen Frühjahrsaufschwung vorbereiten“, sagte Pfeiffer.
Im Februar ist die Arbeitslosigkeit in beiden Bundesländern allerdings leicht gestiegen. In Niedersachsen waren zuletzt 254.469 Menschen ohne Arbeit, das sind 0,4 Prozent mehr als im Januar. In Bremen legte der Wert auf 38.363 zu, ein Anstieg von ebenfalls 0,4 Prozent zum Vormonat.
Noch deutlicher ist die Entwicklung im Vergleich zum Februar 2022. In Niedersachsen stieg die Zahl der Arbeitslosen im Vorjahresvergleich um 11,0 Prozent, in Bremen um 2,4 Prozent. Laut Regionaldirektion liegt das vor allem an der Erfassung der Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine. In Niedersachsen waren unter den Arbeitslosen zuletzt rund 21.300 Geflüchtete aus der Ukraine, in Bremen rund 2100.
Die Arbeitslosenquote liegt in Niedersachsen wie bereits im Januar bei 5,8 Prozent, in Bremen unverändert bei 10,5 Prozent. Stichtag für die aktuelle Erhebung war der 13. Februar.
Zitat von Gast am 28. April 2023, 05:50 UhrArbeitsmarkt braucht Zuwanderung: Laut Statistik gibt es kaum noch Fachkräfte-Reserven im Inland
In Deutschland gibt es nach Erhebungen des Statistischen Bundesamtes kaum noch Reserven, um fehlende oder demnächst ausscheidende Fachkräfte zu ersetzen. Nach jüngsten Ergebnissen des Mikro-Zensus gehen bereits 87 Prozent der Bevölkerung im Alter zwischen 25 und 59 Jahren einer Erwerbstätigkeit nach. Bei den Männern sind es sogar 92 Prozent, während Frauen zu 83 Prozent einen bezahlten Job haben.
Potenzial sehen die Statistiker noch bei den Teilzeitbeschäftigten, deren Anteil bei den Angestellten im vergangenen Jahr 30 Prozent betrug. Fast jede zweite erwerbstätige Frau (49 Prozent) arbeitet in Teilzeit, bei den Männern ist der Anteil seit 2010 um 3,4 Punkte auf 12,7 Prozent gestiegen. Mindestens ein Teil der Teilzeitkräfte könnte aktiviert werden, mehr zu arbeiten, so das Statistikamt. Allerdings gebe es auch Menschen, die allein in einem Teilzeitjob am Erwerbsleben teilnehmen könnten.
Eingewanderte Menschen seltener erwerbstätig
Aus unterschiedlichen Gründen sind eingewanderte Menschen seltener erwerbstätig. Ihre Job-Quote liegt bei 74 Prozent, wobei Frauen deutlich seltener einer bezahlten Arbeit nachgehen als Männer. Vor allem geflüchtete Menschen haben häufig zunächst keine Berechtigung, eine Arbeit aufzunehmen.
In der Folge sind Menschen aus dem Nahen und Mittleren Osten in den ersten fünf Jahren nach Zuzug nur zu 34 Prozent als erwerbstätig registriert. Bei Eingewanderten aus Afrika betrug die Quote 55 Prozent. Nach 15 bis 20 Jahren haben sich Quoten auf 78 Prozent (Naher und Mittlerer Osten) beziehungsweise 73 Prozent (Afrika) erhöht. Eingewanderte EU-Bürger, die volle Freizügigkeit genießen, sind nach fünf Jahren zu 81 Prozent und 15 bis 20 Jahre nach Zuzug zu 87 Prozent erwerbstätig - dann exakt der Wert der Gesamtbevölkerung.
Im vergangenen Jahr sind erneut zahlreiche Nicht-EU-Bürger zur Arbeit nach Deutschland eingewandert. Im Ausländerzentralregister wurden zum Jahresende 351.000 Menschen mit einem befristeten Aufenthaltstitel erfasst, der zur Erwerbstätigkeit berechtigt. Das waren 56.000 Personen oder 19 Prozent mehr als ein Jahr zuvor, wie das Statistische Bundesamt am Donnerstag berichtete. Der Anstieg war damit deutlich stärker als in den Vorjahren. Die Zahl der registrierten Arbeitsmigranten wächst seit 2010 kontinuierlich.
Größte Gruppe: Akademische Fachkräfte mit der „Blauen Karte“
Zwei Drittel der erfassten Menschen waren Männer. Mit 89.000 Personen stellen akademische Fachkräfte mit der sogenannten „Blauen Karte“ die größte Einzelgruppe. Hier stammen viele aus Indien (26.000), gefolgt von Menschen türkischer und russischer Herkunft. Voraussetzung für die Erteilung der „Blauen Karte EU“ ist ein abgeschlossenes Hochschulstudium sowie ein konkretes, der Qualifikation angemessenes Arbeitsplatzangebot mit einem bestimmten Mindestgehalt.
Auch ohne blaue Karte können Nicht-EU-Akademiker eine Aufenthaltsgenehmigung als Fachkraft erhalten, wenn sie ein konkretes Arbeitsplatzangebot besitzen. Hier berichtete die Statistik von 40.000 Berechtigten zum Jahresende. Anders als bei der blauen Karte gilt hier kein Mindestgehalt.
„Westbalkanregelung“ läuft Ende 2023 aus
Nach dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz von 2020 sind bislang 41.000 Menschen registriert. Das waren 13.000 mehr als ein Jahr zuvor, eine Steigerung um 44 Prozent. Der Frauenanteil betrug 58 Prozent. Die größten Gruppen waren Fachkräfte aus Bosnien-Herzegowina und von den Philippinen.
Rund 62.000 Nicht-EU-Bürger waren auf Grundlage der sogenannten „Westbalkanregelung“ auf dem deutschen Arbeitsmarkt tätig. Die Ende 2023 auslaufende Regel erlaubt auch ohne Fachqualifikation die befristete Zuwanderung aus Albanien, Bosnien und Herzegowina, Kosovo, Montenegro, Nordmazedonien und Serbien.
Arbeitsmarkt braucht Zuwanderung: Laut Statistik gibt es kaum noch Fachkräfte-Reserven im Inland
In Deutschland gibt es nach Erhebungen des Statistischen Bundesamtes kaum noch Reserven, um fehlende oder demnächst ausscheidende Fachkräfte zu ersetzen. Nach jüngsten Ergebnissen des Mikro-Zensus gehen bereits 87 Prozent der Bevölkerung im Alter zwischen 25 und 59 Jahren einer Erwerbstätigkeit nach. Bei den Männern sind es sogar 92 Prozent, während Frauen zu 83 Prozent einen bezahlten Job haben.
Potenzial sehen die Statistiker noch bei den Teilzeitbeschäftigten, deren Anteil bei den Angestellten im vergangenen Jahr 30 Prozent betrug. Fast jede zweite erwerbstätige Frau (49 Prozent) arbeitet in Teilzeit, bei den Männern ist der Anteil seit 2010 um 3,4 Punkte auf 12,7 Prozent gestiegen. Mindestens ein Teil der Teilzeitkräfte könnte aktiviert werden, mehr zu arbeiten, so das Statistikamt. Allerdings gebe es auch Menschen, die allein in einem Teilzeitjob am Erwerbsleben teilnehmen könnten.
Eingewanderte Menschen seltener erwerbstätig
Aus unterschiedlichen Gründen sind eingewanderte Menschen seltener erwerbstätig. Ihre Job-Quote liegt bei 74 Prozent, wobei Frauen deutlich seltener einer bezahlten Arbeit nachgehen als Männer. Vor allem geflüchtete Menschen haben häufig zunächst keine Berechtigung, eine Arbeit aufzunehmen.
In der Folge sind Menschen aus dem Nahen und Mittleren Osten in den ersten fünf Jahren nach Zuzug nur zu 34 Prozent als erwerbstätig registriert. Bei Eingewanderten aus Afrika betrug die Quote 55 Prozent. Nach 15 bis 20 Jahren haben sich Quoten auf 78 Prozent (Naher und Mittlerer Osten) beziehungsweise 73 Prozent (Afrika) erhöht. Eingewanderte EU-Bürger, die volle Freizügigkeit genießen, sind nach fünf Jahren zu 81 Prozent und 15 bis 20 Jahre nach Zuzug zu 87 Prozent erwerbstätig - dann exakt der Wert der Gesamtbevölkerung.
Im vergangenen Jahr sind erneut zahlreiche Nicht-EU-Bürger zur Arbeit nach Deutschland eingewandert. Im Ausländerzentralregister wurden zum Jahresende 351.000 Menschen mit einem befristeten Aufenthaltstitel erfasst, der zur Erwerbstätigkeit berechtigt. Das waren 56.000 Personen oder 19 Prozent mehr als ein Jahr zuvor, wie das Statistische Bundesamt am Donnerstag berichtete. Der Anstieg war damit deutlich stärker als in den Vorjahren. Die Zahl der registrierten Arbeitsmigranten wächst seit 2010 kontinuierlich.
Größte Gruppe: Akademische Fachkräfte mit der „Blauen Karte“
Zwei Drittel der erfassten Menschen waren Männer. Mit 89.000 Personen stellen akademische Fachkräfte mit der sogenannten „Blauen Karte“ die größte Einzelgruppe. Hier stammen viele aus Indien (26.000), gefolgt von Menschen türkischer und russischer Herkunft. Voraussetzung für die Erteilung der „Blauen Karte EU“ ist ein abgeschlossenes Hochschulstudium sowie ein konkretes, der Qualifikation angemessenes Arbeitsplatzangebot mit einem bestimmten Mindestgehalt.
Auch ohne blaue Karte können Nicht-EU-Akademiker eine Aufenthaltsgenehmigung als Fachkraft erhalten, wenn sie ein konkretes Arbeitsplatzangebot besitzen. Hier berichtete die Statistik von 40.000 Berechtigten zum Jahresende. Anders als bei der blauen Karte gilt hier kein Mindestgehalt.
„Westbalkanregelung“ läuft Ende 2023 aus
Nach dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz von 2020 sind bislang 41.000 Menschen registriert. Das waren 13.000 mehr als ein Jahr zuvor, eine Steigerung um 44 Prozent. Der Frauenanteil betrug 58 Prozent. Die größten Gruppen waren Fachkräfte aus Bosnien-Herzegowina und von den Philippinen.
Rund 62.000 Nicht-EU-Bürger waren auf Grundlage der sogenannten „Westbalkanregelung“ auf dem deutschen Arbeitsmarkt tätig. Die Ende 2023 auslaufende Regel erlaubt auch ohne Fachqualifikation die befristete Zuwanderung aus Albanien, Bosnien und Herzegowina, Kosovo, Montenegro, Nordmazedonien und Serbien.
Zitat von Gast am 10. Mai 2023, 05:34 UhrDeutschland - kein Land der Ingenieure mehr?
Fachkräftemangel gehört inzwischen zur Normalität. Für den Standort Deutschland hat das fatale Folgen. Kann Zuwanderung aus dem Ausland die Lücke füllen?
Ob Energie- und Elektrotechnik, Informatik, Maschinen- und Fahrzeugtechnik, Bauingenieurwesen oder Gebäudetechnik - wer in Deutschland einen Job als Ingenieur sucht, der hat eine wachsende Auswahl. Für 100 Bewerber gab es 2021 im vierten Quartal 387 offene Stellen. Ein Jahr später waren es bereits 471. Das ist ein Plus von fast 22 Prozent.
Insgesamt wurden Ende 2022 auf dem Arbeitsmarkt für Ingenieure und Ingenieurinnen in Deutschland 170.300 offene Stellen gezählt. Es fehle an allen Ecken und Enden, der Fachkräftemangel sei prekär, warnt der Branchenverband VDI, der Verein Deutscher Ingenieure. Öffentliche Bauprojekte kämen inzwischen zum Erliegen oder können gar nicht erst gestartet werden, Digitalisierungsprojekte blieben auf der Strecke.
Mehr Rentner, weniger Studenten
Ausgerechnet in Deutschland, jahrzehntelang als Land der Ingenieure gepriesen und weltweit bekannt für sein technisches Know-how? "In Deutschland haben wir in der Vergangenheit tatsächlich von unseren guten menschlichen Ressourcen gelebt, das war unsere Stärke", sagt Diplom-Ingenieur Dieter Westerkamp, der beim VDI den Bereich Technik und Gesellschaft leitet. Doch immer mehr Rentnern stehen immer weniger Studenten gegenüber. "Das Schlimme ist, die Lage wird sich nicht verbessern, denn der demografische Wandel macht sich bemerkbar."
In den ingenieurwissenschaftlichen Kernfächern ist die Zahl der Studienanfänger deutlich rückläufig. Nahmen 2016 bundesweit noch 143.400 junge Menschen ein Studium in den sogenannten MINT-Fächern, also Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik auf, so waren es 2022 nur noch 125.600. "In den kommenden Jahren ist folglich mit einem deutlichen Rückgang der Absolventenzahlen zu rechnen", sagt der Volkswirt Axel Plünnecke vom Institut der deutschen Wirtschaft in Köln.
Und das bei gleichzeitig steigendem Bedarf an Ingenieuren vor allem im Bereich klimafreundlicher Technologien und Produkte. In einer Umfrage des IW sagten 43 Prozent der Unternehmen, sie würden in Zukunft mehr Ingenieure brauchen und 63 Prozent mehr IT-Experten.
Trübe Aussichten für den Standort Deutschland
Die Industrie habe den Mangel bereits fest im Blick, warnt Dieter Westerkamp. "Aus der Industrie hören wir die Aussage, dass der Fachkräftemangel in Zukunft in Deutschland eine Bedingung ist, an der es gar nicht so viel zu rütteln gibt, sondern der ist schlichtweg da."
Damit entfalle ein wesentliches Argument für den Standort Deutschland. "Wenn man das im Hinterkopf hat und weiß, dass es in anderen Ländern anders ist, dann wird es einfach schwierig, die Industrie davon zu überzeugen, zukünftig hier zu investieren und das wäre fatal. Das können wir uns in Deutschland nicht leisten." Der Wohlstand des Landes stehe auf dem Spiel.
Ausländische Fachkräfte - dringend gesucht
Ohne eine starke Zuwanderung von Fachkräften aus dem Ausland sei die Lücke nicht mehr zu schließen, sagt Westerkamp. Zwar ist die Anzahl ausländischer Beschäftigter in Ingenieurberufen von Ende 2012 bis September 2022 um 126,5 Prozent auf rund 105.000 gestiegen. Jeder zehnte Ingenieur stammt bereits aus dem Ausland. Aber das reicht bei weitem nicht aus.
Die Politik hat das erkannt und reformiert derzeit die Zuwanderungsgesetzgebung. "Ja, es gibt eine Fachkräftestrategie der Bundesregierung, in der auch die Zuwanderung ihren Platz hat, das begrüßen wir aus dem VDI heraus sehr, aber wir müssen schlichtweg einfach hier nochmal genau gucken, dass wir die Dinge jetzt auch tatsächlich umsetzen und anpacken müssen. Sonst läuft die Entwicklung in Deutschland in die dramatisch falsche Richtung."
Flaschenhals Verwaltung
Damit sind vor allem die bürokratischen Hürden gemeint, die jeder Unternehmer kennt, der eine Fachkraft aus dem Ausland einstellen will. Westerkamp kennt viele Beispiele, er bekommt sie aus der Industrie immer wieder gespiegelt. "Es dauert sieben Monate, bis eine indische Fachkraft und in diesem Fall ein Ingenieur hier in Deutschland arbeiten darf. Das sind einfach Zeiträume, die können und dürfen wir uns nicht leisten, in der Zeit sind andere Länder vielleicht schneller und werben uns diese Person ab."
Es vergingen allein Wochen, weil Unterlagen von der Ausländerbehörde in Deutschland mit der Post zur Botschaft im Ausland geschickt würden, moniert Volkswirt Plünnecke, der mehr Digitalisierung und mehr Personal in den Behörden fordert. Dann dauere es noch einmal Monate, bis man einen Termin bekomme, um ein Visum in einer Botschaft zu beantragen. Die Verwaltung sei der Engpass in der Fachkräftestrategie. "Man kann es auch so sagen: Sie haben das Auto, das jetzt einmal Zuwanderung sein soll. Sie haben den Motor verbessert, das sind die Zuwanderungsregeln, sie machen Werbung, sie haben also auch mehr Treibstoff im Tank. Aber die Reifen sind noch für Tempo 30 ausgelegt."
Universitäten als Anziehungspunkte
Große Potenziale für Zuwanderung in Ingenieur- und Informatikerberufe böten die deutschen Hochschulen und dort vor allem die Technischen Universitäten. Das zeigt ein Blick auf regionale Verteilung Beschäftigter in Ingenieurberufen. In Landkreisen mit einem TU-Standort arbeiten ohnehin überdurchschnittlich viele Ingenieure. Der Anteil ausländischer Ingenieure erhöhte sich in den letzten zehn Jahren dort aber besonders dynamisch.
Das liegt daran, dass es bis zum Ausbruch der Corona-Pandemie stetig mehr ausländische Studierende an die technischen Universitäten in Deutschland zog. "Durch Corona ist es schwierig gewesen, aber wir müssen jetzt wieder mehr ausländische Studierende nach Deutschland holen", fordert Westerkamp.
Mentorenprogramm auf Augenhöhe
Ins Land holen, ist das eine, das andere ist, die Ausländer dann auch in Deutschland zu halten. Die Hälfte der ausländischen Uni-Absolventen verlasse Deutschland nach dem Studium direkt wieder "und nimmt ihr hier erworbenes Wissen sozusagen mit". Man müsse sich mehr um die Menschen kümmern, die man mühsam gewonnen habe, fordert Westerkamp.
In Nordrhein-Westfalen arbeitet der VDI an einem Pilotprojekt, bei dem Vereinsmitglieder ausländische Kollegen als Mentoren auf dem Weg in die Arbeitswelt und die Gesellschaft begleiten sollen. Auf Augenhöhe, wie es beim VDI heißt. "Man besucht dann eben gemeinsam Veranstaltungen, mit denen, die jetzt neu nach Deutschland gekommen sind, und das wollen wir wirklich systematisch und gezielt tun."
Willkommenskultur nötig
Zudem seien gezielte Aus- und Weiterbildungspakete in Arbeit, die "Brücken in Zukunftstechnologien hinein bauen sollen". Wichtig sei auch, "internationale Communities" aufbauen, also Netzwerke in Unternehmen und Regionen, über die man dann weitere Zuwanderer in Ingenieurberufen auch leichter gewinnen könne.
Diplom-Ingenieur Westerkamp sieht aber auch die Gesellschaft in der Pflicht. "Da gucke ich jetzt wirklich in die breite Bevölkerung, wir brauchen wirklich eine Fachkräfte-Willkommenskultur. Wir brauchen diese Menschen, sonst werden wir es in Zukunft am Standort Deutschland mit unserer Lebensqualität schwer haben."
Deutschland - kein Land der Ingenieure mehr?
Fachkräftemangel gehört inzwischen zur Normalität. Für den Standort Deutschland hat das fatale Folgen. Kann Zuwanderung aus dem Ausland die Lücke füllen?
Ob Energie- und Elektrotechnik, Informatik, Maschinen- und Fahrzeugtechnik, Bauingenieurwesen oder Gebäudetechnik - wer in Deutschland einen Job als Ingenieur sucht, der hat eine wachsende Auswahl. Für 100 Bewerber gab es 2021 im vierten Quartal 387 offene Stellen. Ein Jahr später waren es bereits 471. Das ist ein Plus von fast 22 Prozent.
Insgesamt wurden Ende 2022 auf dem Arbeitsmarkt für Ingenieure und Ingenieurinnen in Deutschland 170.300 offene Stellen gezählt. Es fehle an allen Ecken und Enden, der Fachkräftemangel sei prekär, warnt der Branchenverband VDI, der Verein Deutscher Ingenieure. Öffentliche Bauprojekte kämen inzwischen zum Erliegen oder können gar nicht erst gestartet werden, Digitalisierungsprojekte blieben auf der Strecke.
Mehr Rentner, weniger Studenten
Ausgerechnet in Deutschland, jahrzehntelang als Land der Ingenieure gepriesen und weltweit bekannt für sein technisches Know-how? "In Deutschland haben wir in der Vergangenheit tatsächlich von unseren guten menschlichen Ressourcen gelebt, das war unsere Stärke", sagt Diplom-Ingenieur Dieter Westerkamp, der beim VDI den Bereich Technik und Gesellschaft leitet. Doch immer mehr Rentnern stehen immer weniger Studenten gegenüber. "Das Schlimme ist, die Lage wird sich nicht verbessern, denn der demografische Wandel macht sich bemerkbar."
In den ingenieurwissenschaftlichen Kernfächern ist die Zahl der Studienanfänger deutlich rückläufig. Nahmen 2016 bundesweit noch 143.400 junge Menschen ein Studium in den sogenannten MINT-Fächern, also Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik auf, so waren es 2022 nur noch 125.600. "In den kommenden Jahren ist folglich mit einem deutlichen Rückgang der Absolventenzahlen zu rechnen", sagt der Volkswirt Axel Plünnecke vom Institut der deutschen Wirtschaft in Köln.
Und das bei gleichzeitig steigendem Bedarf an Ingenieuren vor allem im Bereich klimafreundlicher Technologien und Produkte. In einer Umfrage des IW sagten 43 Prozent der Unternehmen, sie würden in Zukunft mehr Ingenieure brauchen und 63 Prozent mehr IT-Experten.
Trübe Aussichten für den Standort Deutschland
Die Industrie habe den Mangel bereits fest im Blick, warnt Dieter Westerkamp. "Aus der Industrie hören wir die Aussage, dass der Fachkräftemangel in Zukunft in Deutschland eine Bedingung ist, an der es gar nicht so viel zu rütteln gibt, sondern der ist schlichtweg da."
Damit entfalle ein wesentliches Argument für den Standort Deutschland. "Wenn man das im Hinterkopf hat und weiß, dass es in anderen Ländern anders ist, dann wird es einfach schwierig, die Industrie davon zu überzeugen, zukünftig hier zu investieren und das wäre fatal. Das können wir uns in Deutschland nicht leisten." Der Wohlstand des Landes stehe auf dem Spiel.
Ausländische Fachkräfte - dringend gesucht
Ohne eine starke Zuwanderung von Fachkräften aus dem Ausland sei die Lücke nicht mehr zu schließen, sagt Westerkamp. Zwar ist die Anzahl ausländischer Beschäftigter in Ingenieurberufen von Ende 2012 bis September 2022 um 126,5 Prozent auf rund 105.000 gestiegen. Jeder zehnte Ingenieur stammt bereits aus dem Ausland. Aber das reicht bei weitem nicht aus.
Die Politik hat das erkannt und reformiert derzeit die Zuwanderungsgesetzgebung. "Ja, es gibt eine Fachkräftestrategie der Bundesregierung, in der auch die Zuwanderung ihren Platz hat, das begrüßen wir aus dem VDI heraus sehr, aber wir müssen schlichtweg einfach hier nochmal genau gucken, dass wir die Dinge jetzt auch tatsächlich umsetzen und anpacken müssen. Sonst läuft die Entwicklung in Deutschland in die dramatisch falsche Richtung."
Flaschenhals Verwaltung
Damit sind vor allem die bürokratischen Hürden gemeint, die jeder Unternehmer kennt, der eine Fachkraft aus dem Ausland einstellen will. Westerkamp kennt viele Beispiele, er bekommt sie aus der Industrie immer wieder gespiegelt. "Es dauert sieben Monate, bis eine indische Fachkraft und in diesem Fall ein Ingenieur hier in Deutschland arbeiten darf. Das sind einfach Zeiträume, die können und dürfen wir uns nicht leisten, in der Zeit sind andere Länder vielleicht schneller und werben uns diese Person ab."
Es vergingen allein Wochen, weil Unterlagen von der Ausländerbehörde in Deutschland mit der Post zur Botschaft im Ausland geschickt würden, moniert Volkswirt Plünnecke, der mehr Digitalisierung und mehr Personal in den Behörden fordert. Dann dauere es noch einmal Monate, bis man einen Termin bekomme, um ein Visum in einer Botschaft zu beantragen. Die Verwaltung sei der Engpass in der Fachkräftestrategie. "Man kann es auch so sagen: Sie haben das Auto, das jetzt einmal Zuwanderung sein soll. Sie haben den Motor verbessert, das sind die Zuwanderungsregeln, sie machen Werbung, sie haben also auch mehr Treibstoff im Tank. Aber die Reifen sind noch für Tempo 30 ausgelegt."
Universitäten als Anziehungspunkte
Große Potenziale für Zuwanderung in Ingenieur- und Informatikerberufe böten die deutschen Hochschulen und dort vor allem die Technischen Universitäten. Das zeigt ein Blick auf regionale Verteilung Beschäftigter in Ingenieurberufen. In Landkreisen mit einem TU-Standort arbeiten ohnehin überdurchschnittlich viele Ingenieure. Der Anteil ausländischer Ingenieure erhöhte sich in den letzten zehn Jahren dort aber besonders dynamisch.
Das liegt daran, dass es bis zum Ausbruch der Corona-Pandemie stetig mehr ausländische Studierende an die technischen Universitäten in Deutschland zog. "Durch Corona ist es schwierig gewesen, aber wir müssen jetzt wieder mehr ausländische Studierende nach Deutschland holen", fordert Westerkamp.
Mentorenprogramm auf Augenhöhe
Ins Land holen, ist das eine, das andere ist, die Ausländer dann auch in Deutschland zu halten. Die Hälfte der ausländischen Uni-Absolventen verlasse Deutschland nach dem Studium direkt wieder "und nimmt ihr hier erworbenes Wissen sozusagen mit". Man müsse sich mehr um die Menschen kümmern, die man mühsam gewonnen habe, fordert Westerkamp.
In Nordrhein-Westfalen arbeitet der VDI an einem Pilotprojekt, bei dem Vereinsmitglieder ausländische Kollegen als Mentoren auf dem Weg in die Arbeitswelt und die Gesellschaft begleiten sollen. Auf Augenhöhe, wie es beim VDI heißt. "Man besucht dann eben gemeinsam Veranstaltungen, mit denen, die jetzt neu nach Deutschland gekommen sind, und das wollen wir wirklich systematisch und gezielt tun."
Willkommenskultur nötig
Zudem seien gezielte Aus- und Weiterbildungspakete in Arbeit, die "Brücken in Zukunftstechnologien hinein bauen sollen". Wichtig sei auch, "internationale Communities" aufbauen, also Netzwerke in Unternehmen und Regionen, über die man dann weitere Zuwanderer in Ingenieurberufen auch leichter gewinnen könne.
Diplom-Ingenieur Westerkamp sieht aber auch die Gesellschaft in der Pflicht. "Da gucke ich jetzt wirklich in die breite Bevölkerung, wir brauchen wirklich eine Fachkräfte-Willkommenskultur. Wir brauchen diese Menschen, sonst werden wir es in Zukunft am Standort Deutschland mit unserer Lebensqualität schwer haben."
Zitat von Gast am 6. Juli 2023, 10:49 UhrArbeitsmarkt: Warum verlassen ausländische Arbeitskräfte Deutschland?
Fünf Jahre hat Raymund Guevara als Pflegekraft in einem Krankenhaus in Niedersachsen gearbeitet. Seit Januar lebt der 37-jährige Filipino nun mit seiner Frau in Florida in den USA.
„Wir wollten uns unseren Traum erfüllen“, erzählt er am Telefon. Ein Haus zu kaufen, das sei in Deutschland sehr schwierig gewesen, schon allein wegen der Kredite. In Florida erhalte er als Pflegekraft dabei staatliche Unterstützung. Auch den Führerschein zu machen oder eine Aufenthaltserlaubnis zu bekommen, sei in Deutschland komplizierter, die Sprache sowieso. „In den USA haben wir mehr Möglichkeiten, und es lebt sich bequemer.“
Arbeitskräftemangel in Deutschland
Pflegekräfte wie Guevara werden in Deutschland händeringend gesucht. Doch nicht nur sie: In jedem sechsten Beruf fehlen nach einer Analyse der Bundesagentur für Arbeit Fachkräfte. Da setzt die Reform des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes der Ampel-Koalition an. Es soll Arbeitskräften aus dem Ausland leichter machen, nach Deutschland zu kommen. Doch diese müssen nicht nur kommen, sie müssen auch bleiben wollen - zumindest einige Zeit.
Die Mobilität steige durch günstige Transportmittel und die Kommunikationstechnik, sagt Herbert Brücker vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung in Nürnberg. „Die temporäre Migration nimmt zu.“
Die Mobilität von Arbeitskräften nimmt zu
Ein Beispiel dafür ist Raymund Guevara. 2018 kam er nach Deutschland. Fünf Jahre später hatten er und seine Frau keine Probleme, alles hinter sich zu lassen und ein neues Leben in Florida zu beginnen. Doch wie bewegt man Menschen dazu, zu bleiben? Um das zu beantworten, muss man auch die Gründe kennen, wieso Arbeitskräfte Deutschland wieder verlassen.
Dazu hat das Tübinger Institut für Angewandte Wirtschaftsforschung im Auftrag der Bundesagentur für Arbeit fast 1900 Menschen über Facebook befragt. Das Ergebnis: Viele Arbeitskräfte aus dem Ausland kehren Deutschland vor allem aus aufenthaltsrechtlichen und beruflichen Gründen den Rücken, wie das Ende einer befristeten Beschäftigung oder weil die berufliche Qualifikation nicht anerkannt wurde.
„Es hat aber auch mit dem Leben hier zu tun“, sagt Studienleiter Bernhard Boockmann. So erklärten zwei von drei hoch qualifizierten Fachkräften aus außereuropäischen Ländern, Diskriminierung aufgrund ihrer Herkunft erfahren zu haben. „Das ist aus meiner Sicht durchaus ernst zu nehmen“, sagt Boockmann. „Jeder einzelne Grund kann der sein, der das Fass zum Überlaufen bringt.“ Also der, der Leute bewegt, das Land zu verlassen. Die Studie ist dem Experten zufolge nicht repräsentativ, da es sich um eine Vorstudie für eine größer angelegte Untersuchung handelt. Dennoch gebe sie wichtige Anhaltspunkte.
Herausforderungen bei der Integration
Dass sich ausländische Arbeitskräfte nicht immer willkommen fühlen, kann auch die Hamburger Wirtschaftspsychologin Grace Lugert-Jose bestätigen. Diese wurde auf den Philippinen geboren und lebt seit mehr als 20 Jahren in Deutschland. Ihre eigenen Erfahrungen nutzt sie, um Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen bei der Integration internationaler Fachkräfte zu beraten. Im vergangenen Jahr befragte sie mehr als 100 philippinische Pflegekräfte über die sozialen Medien, wie zufrieden diese mit ihrem Job sind. Viele erklärten ihr zufolge, dass sie sich nicht wertgeschätzt fühlten und ihnen die Anerkennung ihrer beruflichen Qualifikation fehlte.
Ohne dass sie danach gefragt habe, habe außerdem etwa ein Fünftel berichtet, Diskriminierung und Rassismus erlebt zu haben, sagt Lugert-Jose. „Zum Beispiel Beleidigungen und herablassendes Verhalten, weil man eben noch nicht so perfekt Deutsch spricht.“ Oft sorgten aber auch kulturelle Unterschiede für Missverständnisse. Das sei inzwischen auch bei den Arbeitgebern angekommen, hat sie festgestellt. Integrationsbeauftragte und interkulturelles Training sollen beim Ankommen helfen und alte und neue Beschäftigte für Unterschiede sensibilisieren.
Dass manche Betriebe schon eine Menge tun, bestätigt auch Alexander Kritikos vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin. Dennoch müssten alle Unternehmen bereit sein, da mehr zu investieren. „Das beginnt mit trivialen Dingen wie Fahrgemeinschaften. Das kann das Eis brechen.“
Das allein reicht nach Ansicht von Wirtschaftsprofessorin Jutta Rump von der Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft in Ludwigshafen nicht. „Nichtsdestotrotz ist man an Weihnachten oder Geburtstagen doch wieder alleine.“ Einsamkeit und Heimweh spielten eine große Rolle. Für die ersten Jahre brauche es deshalb nicht nur ein Begleitprogramm im Betrieb, sondern auch privat. „Die Hürden abzubauen, dass die Leute bleiben, ist ein gesellschaftliches Thema. Das hat auch mit den Menschen im Umfeld zu tun.“
Gesellschaftliche Faktoren und Lebensbedingungen
Die Lebensbedingungen insgesamt in Deutschland seien ausschlaggebend, sagt Brücker. „Engpässe in der Kinderbetreuung treffen alle, aber Migranten mehr. Und sind unsere Schulen so inklusiv, dass Migrantenkinder gleiche Chancen haben?“. Auch der soziale Wohnungsbau in den Ballungszentren müsse gestärkt werden. Denn wenn Migranten viel für Wohnungen zahlten, werde der Lohnvorteil im Vergleich zu anderen Ländern verspielt. „Man muss bei allem, was man tut, Migration mitdenken“, sagt Brücker.
All das lässt sich nicht auf die Schnelle ändern und kann nur dazu beitragen, dass ausländische Arbeitskräfte hier längerfristig oder dauerhaft bleiben. Letztlich seien es ganz individuelle Gründe, wieso jemand gehe, gibt Brücker zu bedenken. Zum Beispiel eine andere Lebensplanung, enttäuschte Erwartungen oder zu geringe Verdienste. „Wichtig ist, den Menschen die Möglichkeit und das Gefühl zu geben, dass sie wiederkommen können, wenn es für sie in Deutschland passende Jobs gibt“, sagt DIW-Experte Kritikos.
Bei Raymund Guevara ist das jedenfalls nicht ausgeschlossen. „Deutschland ist ein wunderbares Land“, sagt er. „Und wir vermissen unsere Freunde. Vielleicht kommen wir irgendwann zurück, wenn wir genug Geld gespart haben.“
Arbeitsmarkt: Warum verlassen ausländische Arbeitskräfte Deutschland?
Fünf Jahre hat Raymund Guevara als Pflegekraft in einem Krankenhaus in Niedersachsen gearbeitet. Seit Januar lebt der 37-jährige Filipino nun mit seiner Frau in Florida in den USA.
„Wir wollten uns unseren Traum erfüllen“, erzählt er am Telefon. Ein Haus zu kaufen, das sei in Deutschland sehr schwierig gewesen, schon allein wegen der Kredite. In Florida erhalte er als Pflegekraft dabei staatliche Unterstützung. Auch den Führerschein zu machen oder eine Aufenthaltserlaubnis zu bekommen, sei in Deutschland komplizierter, die Sprache sowieso. „In den USA haben wir mehr Möglichkeiten, und es lebt sich bequemer.“
Arbeitskräftemangel in Deutschland
Pflegekräfte wie Guevara werden in Deutschland händeringend gesucht. Doch nicht nur sie: In jedem sechsten Beruf fehlen nach einer Analyse der Bundesagentur für Arbeit Fachkräfte. Da setzt die Reform des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes der Ampel-Koalition an. Es soll Arbeitskräften aus dem Ausland leichter machen, nach Deutschland zu kommen. Doch diese müssen nicht nur kommen, sie müssen auch bleiben wollen - zumindest einige Zeit.
Die Mobilität steige durch günstige Transportmittel und die Kommunikationstechnik, sagt Herbert Brücker vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung in Nürnberg. „Die temporäre Migration nimmt zu.“
Die Mobilität von Arbeitskräften nimmt zu
Ein Beispiel dafür ist Raymund Guevara. 2018 kam er nach Deutschland. Fünf Jahre später hatten er und seine Frau keine Probleme, alles hinter sich zu lassen und ein neues Leben in Florida zu beginnen. Doch wie bewegt man Menschen dazu, zu bleiben? Um das zu beantworten, muss man auch die Gründe kennen, wieso Arbeitskräfte Deutschland wieder verlassen.
Dazu hat das Tübinger Institut für Angewandte Wirtschaftsforschung im Auftrag der Bundesagentur für Arbeit fast 1900 Menschen über Facebook befragt. Das Ergebnis: Viele Arbeitskräfte aus dem Ausland kehren Deutschland vor allem aus aufenthaltsrechtlichen und beruflichen Gründen den Rücken, wie das Ende einer befristeten Beschäftigung oder weil die berufliche Qualifikation nicht anerkannt wurde.
„Es hat aber auch mit dem Leben hier zu tun“, sagt Studienleiter Bernhard Boockmann. So erklärten zwei von drei hoch qualifizierten Fachkräften aus außereuropäischen Ländern, Diskriminierung aufgrund ihrer Herkunft erfahren zu haben. „Das ist aus meiner Sicht durchaus ernst zu nehmen“, sagt Boockmann. „Jeder einzelne Grund kann der sein, der das Fass zum Überlaufen bringt.“ Also der, der Leute bewegt, das Land zu verlassen. Die Studie ist dem Experten zufolge nicht repräsentativ, da es sich um eine Vorstudie für eine größer angelegte Untersuchung handelt. Dennoch gebe sie wichtige Anhaltspunkte.
Herausforderungen bei der Integration
Dass sich ausländische Arbeitskräfte nicht immer willkommen fühlen, kann auch die Hamburger Wirtschaftspsychologin Grace Lugert-Jose bestätigen. Diese wurde auf den Philippinen geboren und lebt seit mehr als 20 Jahren in Deutschland. Ihre eigenen Erfahrungen nutzt sie, um Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen bei der Integration internationaler Fachkräfte zu beraten. Im vergangenen Jahr befragte sie mehr als 100 philippinische Pflegekräfte über die sozialen Medien, wie zufrieden diese mit ihrem Job sind. Viele erklärten ihr zufolge, dass sie sich nicht wertgeschätzt fühlten und ihnen die Anerkennung ihrer beruflichen Qualifikation fehlte.
Ohne dass sie danach gefragt habe, habe außerdem etwa ein Fünftel berichtet, Diskriminierung und Rassismus erlebt zu haben, sagt Lugert-Jose. „Zum Beispiel Beleidigungen und herablassendes Verhalten, weil man eben noch nicht so perfekt Deutsch spricht.“ Oft sorgten aber auch kulturelle Unterschiede für Missverständnisse. Das sei inzwischen auch bei den Arbeitgebern angekommen, hat sie festgestellt. Integrationsbeauftragte und interkulturelles Training sollen beim Ankommen helfen und alte und neue Beschäftigte für Unterschiede sensibilisieren.
Dass manche Betriebe schon eine Menge tun, bestätigt auch Alexander Kritikos vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin. Dennoch müssten alle Unternehmen bereit sein, da mehr zu investieren. „Das beginnt mit trivialen Dingen wie Fahrgemeinschaften. Das kann das Eis brechen.“
Das allein reicht nach Ansicht von Wirtschaftsprofessorin Jutta Rump von der Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft in Ludwigshafen nicht. „Nichtsdestotrotz ist man an Weihnachten oder Geburtstagen doch wieder alleine.“ Einsamkeit und Heimweh spielten eine große Rolle. Für die ersten Jahre brauche es deshalb nicht nur ein Begleitprogramm im Betrieb, sondern auch privat. „Die Hürden abzubauen, dass die Leute bleiben, ist ein gesellschaftliches Thema. Das hat auch mit den Menschen im Umfeld zu tun.“
Gesellschaftliche Faktoren und Lebensbedingungen
Die Lebensbedingungen insgesamt in Deutschland seien ausschlaggebend, sagt Brücker. „Engpässe in der Kinderbetreuung treffen alle, aber Migranten mehr. Und sind unsere Schulen so inklusiv, dass Migrantenkinder gleiche Chancen haben?“. Auch der soziale Wohnungsbau in den Ballungszentren müsse gestärkt werden. Denn wenn Migranten viel für Wohnungen zahlten, werde der Lohnvorteil im Vergleich zu anderen Ländern verspielt. „Man muss bei allem, was man tut, Migration mitdenken“, sagt Brücker.
All das lässt sich nicht auf die Schnelle ändern und kann nur dazu beitragen, dass ausländische Arbeitskräfte hier längerfristig oder dauerhaft bleiben. Letztlich seien es ganz individuelle Gründe, wieso jemand gehe, gibt Brücker zu bedenken. Zum Beispiel eine andere Lebensplanung, enttäuschte Erwartungen oder zu geringe Verdienste. „Wichtig ist, den Menschen die Möglichkeit und das Gefühl zu geben, dass sie wiederkommen können, wenn es für sie in Deutschland passende Jobs gibt“, sagt DIW-Experte Kritikos.
Bei Raymund Guevara ist das jedenfalls nicht ausgeschlossen. „Deutschland ist ein wunderbares Land“, sagt er. „Und wir vermissen unsere Freunde. Vielleicht kommen wir irgendwann zurück, wenn wir genug Geld gespart haben.“
Zitat von Gast am 13. November 2024, 06:32 Uhr
Demografie-Schock: Wie Deutschland sieben Millionen Arbeitskräfte mobilisieren könnte
Deutschland altert – und das Wachstum leidet. Vor allem Frauen und Rentner könnten den Trend drehen. Sie müssten nur so arbeiten wie die Schweden.
Schafft es die deutsche Wirtschaft aus der Rezession? Das hängt auch von ihren Arbeitskräften ab. So wäre sie ohne den hohen Krankenstand im vergangenen Jahr um knapp 0,5 Prozent gewachsen, errechnete eine Studie des Verbands der forschenden Pharma-Unternehmen. Stattdessen schrumpfte der Standort 2023 aber um 0,3 Prozent.
Es kommt also auf die Arbeitsfähigkeit an, aber auch auf die Arbeitslust – und ganz besonders auf die Anzahl der Arbeitskräfte: Denn der demografische Wandel verringert den Anteil der Menschen im erwerbsfähigen Alter massiv. Das ist die Kernbotschaft eines neuen Gutachtens des Wissenschaftlichen Beirats des Bundeswirtschaftsministeriums, das am Dienstag veröffentlicht wurde.
In den kommenden zehn Jahren werden mehr als vier Millionen mehr Menschen in den Ruhestand gehen, als Junge nachrücken, rechnen die Ökonominnen und Ökonomen vor. Das ergäbe zehn Prozent Erwerbstätige weniger als derzeit, bezogen auf die Zahl der Vollzeitbeschäftigten – Bestrebungen nach kürzeren Arbeitszeiten wie eine Viertagewoche nicht einmal eingerechnet.
Es ist keine Neuigkeit, dass Deutschland altert? Stimmt zwar. Aber die wirtschaftlichen Folgen würden nach wie vor unterschätzt, warnen die Regierungsberater: „Die Bude brennt“, so drückt es Rentenexperte Axel Börsch-Supan aus, der das Gutachten federführend verantwortet hat.
So liege es im Wesentlichen am Mangel an Arbeitskräften, dass auch in den kommenden zehn Jahren das Wirtschaftswachstum gering ausfallen wird, heißt es in dem Papier. Zumal die arbeitende Bevölkerung in Deutschland nicht produktiver wird: In den vergangenen 30 Jahren sei das Produktivitätswachstum stetig zurückgegangen.
Und selbst wenn die Bruttolöhne in Zukunft wohl weiter steigen, weil weniger verfügbare Arbeitskräfte mehr Verhandlungsmacht gewinnen: Mehr Ältere bedeutet auch höhere Ausgaben für Renten, Pflege- und Gesundheitskosten – und damit höhere Steuern und Beitragssätze. Die Beiräte erwarten daher, dass „die Nettolöhne eher fallen werden“.
Eine weitere schlechte Nachricht lautet: Selbst mit dem „modernsten Einwanderungsgesetz“, dessen sich Noch-Kanzler Olaf Scholz (SPD) gern rühmt, und unter den günstigsten Annahmen der Bevölkerungsvorausberechnung können Zuwanderer und Zuwanderinnen diesen Arbeitskräftemangel nicht kompensieren.
Doch die Wissenschaftler haben auch eine gute Nachricht: Das in Deutschland bislang unausgeschöpfte Arbeitskräftepotenzial reicht aus, um die negativen Folgen eines zunehmenden Mangels an Arbeitskräften deutlich abzumildern – wenn nicht sogar abzuwenden. 6,7 Millionen zusätzliche Arbeitskräfte könnten zusätzlich mobilisiert werden, eine enorme Zahl. Vor allem hat das mit den Frauen und Rentnern hierzulande zu tun. Und bei beiden Gruppen sollte Deutschland nach Schweden schauen.
Denn arbeiteten so viele deutsche wie schwedische Frauen und arbeiteten sie genau so oft Vollzeit, kämen fast 2,5 Millionen Arbeitskräfte mit Vollzeitjobs in Deutschland hinzu. Zwar sind heute gut 77 Prozent der Frauen in Deutschland erwerbstätig. Allerdings besetzt fast die Hälfte aller Frauen eine Teilzeitstelle.
Ein beträchtlicher Teil der erwerbstätigen Frauen arbeitet hierzulande zudem nur (sehr) wenige Stunden: gut fünf Prozent von ihnen weniger als 9 Stunden und fast 17 Prozent weniger als 19 Stunden in der Woche. „Vollzeitnahe Teilzeitarbeit findet sich selten, Halbtagsarbeit häufig“, kommentieren Wissenschaftler des Instituts Arbeit und Qualifikation (IAQ).
In Schweden liegt die Erwerbsbeteiligung von Frauen dagegen bei mehr als 80 Prozent, der Anteil der Teilzeitarbeit bei nur 28 Prozent. Und die meisten von ihnen arbeiten in der Woche 20 Stunden oder mehr. Noch größer ist das Gefälle bei Eltern. Fast 64 Prozent der Mütter in Deutschland arbeiten in Teilzeit. In Schweden sind es nur knapp 25 Prozent.
Bei den Vätern zeigt sich dagegen kaum ein Unterschied: Nur 9,5 Prozent der schwedischen und 9,2 Prozent der deutschen berufstätigen Väter zwischen 18 und 64 Jahren arbeiten in Teilzeit, zeigen Zahlen des Statistischen Amts der Europäischen Union. Im Übrigen ist das ein noch geringerer Anteil als derjenige der jeweils in Teilzeit arbeitenden Männer insgesamt.
Wie kommt es zu diesen Unterschieden? Und was könnte die Bundesrepublik von Schweden lernen?
Frauen am Arbeitsmarkt
1. Beteiligung der Männer bei der Haus- und Carearbeit
Schweden ist das Land mit dem höchsten Gender Equality Index (GEI) in der Europäischen Union. Dieser Index soll ausdrücken, wie es um die Gleichheit von Männern und Frauen in den EU-Ländern steht. Schweden erreicht dabei einen Wert von 83, Deutschlands GEI liegt bei 66, wobei ein Wert von 1 totale Ungleichheit bedeuten, ein Wert von 100 totale Gleichheit darstellen würde.
Dabei liegt Schweden unter anderem bei der Unterkategorie Pflege- und Betreuungstätigkeiten („Care activities“) auf dem ersten Rang. Eine Folge politischer Entscheidungen: So wandelte Schweden beispielsweise bereits 1974 das Muttergeld in die Elternversicherung um, auf deren Leistungen Mütter und Väter gleichermaßen Anspruch haben.
Zwar besteht auch heute beim Thema Elternzeit noch kein Gleichgewicht: Etwa 30 Prozent der Tage werden von Vätern in Anspruch genommen, 70 Prozent von Frauen. Allerdings nehmen Väter in Schweden zwischen sechs und neun Monaten Elternzeit. In Deutschland beschränken sich noch immer viele Väter auf die zwei Partnermonate, die es braucht, um die vollen 14 Monate Elterngeld zu erhalten.
2. Pflegeverpflichtungen
In allen Ländern Europas leisten Frauen öfter informelle Pflege als Männer, zeigt eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). In Schweden ist der Unterschied allerdings mit am geringsten. So ist in Schweden der Anteil von Frauen und Männern, die täglich pflegen, etwa gleich groß. Insgesamt pflegen Frauen dort etwas weniger als doppelt so oft wie Männer, das ergibt eine sogenannte Pflegetätigkeitslücke zwischen Männern und Frauen von 88 Prozent (Gender Care Gap).
In Deutschland liegt diese Gender Care Gap dagegen bei 133 Prozent – Frauen pflegen also etwas mehr als doppelt so häufig die Angehörigen wie Männer. Eine Erklärung der DIW-Autorin und der Autoren: Während in Schweden der Anteil der Ausgaben für stationäre Pflege am Bruttoinlandsprodukt (BIP) bei knapp zwei Prozent liege, betrage er in Deutschland etwa ein Prozent des BIP.
3. Kinderbetreuung
In Schweden gibt es ein Recht auf Kinderbetreuung. Kommunen müssen nach drei Monaten einen Betreuungsplatz stellen. Zudem sind die Einrichtungen länger geöffnet als in Deutschland. Zu den günstigen Krippenplätzen ab dem ersten Lebensjahr kommen Tagesschulen mit anschließender Freizeitbetreuung. Zudem dürfen Eltern mit kranken Kindern unter zwölf Jahren zu Hause bleiben, mit 80 Prozent Lohnersatz. Die Pflege ihrer kranken Kinder teilen sich Eltern fast partnerschaftlich auf: Väter beziehen vier, Mütter sechs von zehn der schwedischen Kinderkrankentage.
4. Ehegattensplitting
Schweden hat die gemeinsame Besteuerung von Ehepartnern 1971 abgeschafft. Seither werden beide Elternteile individuell besteuert. Auch in Deutschland fordern Expertinnen und Experten seit langem eine solche Reform. Simulationsstudien zeigen, dass das Arbeitsangebot der Frauen um bis zu fünf Prozent steigen könnte, würde man Ehepartner individuell besteuern. Das allein entspreche bis zu 400.000 zusätzlichen Vollzeitarbeitsplätzen, heißt es in einem Beitrag des ifo Instituts. Das Arbeitsangebot der Männer ginge nur geringfügig zurück.
Ältere Beschäftigte am Arbeitsmarkt
Neben dem der Frauen weist das Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats vor allem auf das unausgeschöpfte Arbeitskräftepotenzial von älteren Arbeitnehmern und Rentnerinnen hin. Auch hier ziehen sie Schweden als Vergleichsland heran.
So stünden etwa 440.000 zusätzliche Arbeitskräfte zur Verfügung, wenn deutsche 55- bis 64-Jährige die gleichen Erwerbsquoten hätten wie gleichaltrige Schweden. „Dies würde die Diskrepanz zwischen Eintritten und Austritten eines Jahres aus dem Markt kompensieren“, schreiben die Ökonomen. Noch größer ist der Unterschied bei den Über-65-Jährigen. Hier könnte man in Deutschland bei gleichem Verhalten der Menschen sogar etwa 890.000 zusätzliche Arbeitskräfte mobilisieren.
In Schweden haben sich die Beschäftigungsquoten der 66- bis 68-Jährigen nach einer Reform etwa verdoppelt. Statt eines festen Renteneintrittsalters wie in Deutschland gibt es dort einen Korridor: Beschäftigte können frühestens mit 63 in Rente gehen, mit fünf bis sechs Prozent Abschlag pro Jahr. Die volle Rente gibt es ab 66 Jahren, von 2026 an ab 67 Jahren, Tendenz weiter steigend.
Schwedens Regelrenteneintrittsalter steigt mit der Lebenserwartung automatisch. Wer länger arbeitet, bekommt schon jetzt Zuschläge. Zudem habe Schweden keine vorzeitigen Verrentungsprogramme, die der „Rente mit 63“ entsprechen, schreiben die Beiräte des Wirtschaftsministeriums.
Von Wachstumsinitiative wenig zu erwarten
Die Wachstumsinitiative der Bundesregierung wäre in die richtige Richtung gegangen, sagte der Beiratsvorsitzende Eckhard Janeba bei der Vorstellung des Gutachtens. Sie sei aber nicht umfassend genug gewesen – „und mit zu wenig Durchschlagskraft“. Zumal die Regierung Maßnahmen des Pakets im Kabinett zwar beschlossen hat, nach dem Aus der Ampelkoalition aber sehr in Frage steht, ob diese überhaupt noch verabschiedet werden können.
„Man muss es halt nur tun und wollen“, ergänzte auch Ökonom Börsch-Supan. Er wünsche sich, dass die Tragweite des demographischen Wandels in der Koalitionsvereinbarung der kommenden Bundesregierung eine prominente Rolle spielt.
Von einem Kanzler Friedrich Merz wäre das eher nicht zu erwarten: Am Ehegattensplitting will die CDU festhalten. Und auch von Zumutungen für Rentnerinnen und Rentner hat sich der Parteichef zuletzt distanziert.
Demografie-Schock: Wie Deutschland sieben Millionen Arbeitskräfte mobilisieren könnte
Deutschland altert – und das Wachstum leidet. Vor allem Frauen und Rentner könnten den Trend drehen. Sie müssten nur so arbeiten wie die Schweden.
Schafft es die deutsche Wirtschaft aus der Rezession? Das hängt auch von ihren Arbeitskräften ab. So wäre sie ohne den hohen Krankenstand im vergangenen Jahr um knapp 0,5 Prozent gewachsen, errechnete eine Studie des Verbands der forschenden Pharma-Unternehmen. Stattdessen schrumpfte der Standort 2023 aber um 0,3 Prozent.
Es kommt also auf die Arbeitsfähigkeit an, aber auch auf die Arbeitslust – und ganz besonders auf die Anzahl der Arbeitskräfte: Denn der demografische Wandel verringert den Anteil der Menschen im erwerbsfähigen Alter massiv. Das ist die Kernbotschaft eines neuen Gutachtens des Wissenschaftlichen Beirats des Bundeswirtschaftsministeriums, das am Dienstag veröffentlicht wurde.
In den kommenden zehn Jahren werden mehr als vier Millionen mehr Menschen in den Ruhestand gehen, als Junge nachrücken, rechnen die Ökonominnen und Ökonomen vor. Das ergäbe zehn Prozent Erwerbstätige weniger als derzeit, bezogen auf die Zahl der Vollzeitbeschäftigten – Bestrebungen nach kürzeren Arbeitszeiten wie eine Viertagewoche nicht einmal eingerechnet.
Es ist keine Neuigkeit, dass Deutschland altert? Stimmt zwar. Aber die wirtschaftlichen Folgen würden nach wie vor unterschätzt, warnen die Regierungsberater: „Die Bude brennt“, so drückt es Rentenexperte Axel Börsch-Supan aus, der das Gutachten federführend verantwortet hat.
So liege es im Wesentlichen am Mangel an Arbeitskräften, dass auch in den kommenden zehn Jahren das Wirtschaftswachstum gering ausfallen wird, heißt es in dem Papier. Zumal die arbeitende Bevölkerung in Deutschland nicht produktiver wird: In den vergangenen 30 Jahren sei das Produktivitätswachstum stetig zurückgegangen.
Und selbst wenn die Bruttolöhne in Zukunft wohl weiter steigen, weil weniger verfügbare Arbeitskräfte mehr Verhandlungsmacht gewinnen: Mehr Ältere bedeutet auch höhere Ausgaben für Renten, Pflege- und Gesundheitskosten – und damit höhere Steuern und Beitragssätze. Die Beiräte erwarten daher, dass „die Nettolöhne eher fallen werden“.
Eine weitere schlechte Nachricht lautet: Selbst mit dem „modernsten Einwanderungsgesetz“, dessen sich Noch-Kanzler Olaf Scholz (SPD) gern rühmt, und unter den günstigsten Annahmen der Bevölkerungsvorausberechnung können Zuwanderer und Zuwanderinnen diesen Arbeitskräftemangel nicht kompensieren.
Doch die Wissenschaftler haben auch eine gute Nachricht: Das in Deutschland bislang unausgeschöpfte Arbeitskräftepotenzial reicht aus, um die negativen Folgen eines zunehmenden Mangels an Arbeitskräften deutlich abzumildern – wenn nicht sogar abzuwenden. 6,7 Millionen zusätzliche Arbeitskräfte könnten zusätzlich mobilisiert werden, eine enorme Zahl. Vor allem hat das mit den Frauen und Rentnern hierzulande zu tun. Und bei beiden Gruppen sollte Deutschland nach Schweden schauen.
Denn arbeiteten so viele deutsche wie schwedische Frauen und arbeiteten sie genau so oft Vollzeit, kämen fast 2,5 Millionen Arbeitskräfte mit Vollzeitjobs in Deutschland hinzu. Zwar sind heute gut 77 Prozent der Frauen in Deutschland erwerbstätig. Allerdings besetzt fast die Hälfte aller Frauen eine Teilzeitstelle.
Ein beträchtlicher Teil der erwerbstätigen Frauen arbeitet hierzulande zudem nur (sehr) wenige Stunden: gut fünf Prozent von ihnen weniger als 9 Stunden und fast 17 Prozent weniger als 19 Stunden in der Woche. „Vollzeitnahe Teilzeitarbeit findet sich selten, Halbtagsarbeit häufig“, kommentieren Wissenschaftler des Instituts Arbeit und Qualifikation (IAQ).
In Schweden liegt die Erwerbsbeteiligung von Frauen dagegen bei mehr als 80 Prozent, der Anteil der Teilzeitarbeit bei nur 28 Prozent. Und die meisten von ihnen arbeiten in der Woche 20 Stunden oder mehr. Noch größer ist das Gefälle bei Eltern. Fast 64 Prozent der Mütter in Deutschland arbeiten in Teilzeit. In Schweden sind es nur knapp 25 Prozent.
Bei den Vätern zeigt sich dagegen kaum ein Unterschied: Nur 9,5 Prozent der schwedischen und 9,2 Prozent der deutschen berufstätigen Väter zwischen 18 und 64 Jahren arbeiten in Teilzeit, zeigen Zahlen des Statistischen Amts der Europäischen Union. Im Übrigen ist das ein noch geringerer Anteil als derjenige der jeweils in Teilzeit arbeitenden Männer insgesamt.
Wie kommt es zu diesen Unterschieden? Und was könnte die Bundesrepublik von Schweden lernen?
Frauen am Arbeitsmarkt
1. Beteiligung der Männer bei der Haus- und Carearbeit
Schweden ist das Land mit dem höchsten Gender Equality Index (GEI) in der Europäischen Union. Dieser Index soll ausdrücken, wie es um die Gleichheit von Männern und Frauen in den EU-Ländern steht. Schweden erreicht dabei einen Wert von 83, Deutschlands GEI liegt bei 66, wobei ein Wert von 1 totale Ungleichheit bedeuten, ein Wert von 100 totale Gleichheit darstellen würde.
Dabei liegt Schweden unter anderem bei der Unterkategorie Pflege- und Betreuungstätigkeiten („Care activities“) auf dem ersten Rang. Eine Folge politischer Entscheidungen: So wandelte Schweden beispielsweise bereits 1974 das Muttergeld in die Elternversicherung um, auf deren Leistungen Mütter und Väter gleichermaßen Anspruch haben.
Zwar besteht auch heute beim Thema Elternzeit noch kein Gleichgewicht: Etwa 30 Prozent der Tage werden von Vätern in Anspruch genommen, 70 Prozent von Frauen. Allerdings nehmen Väter in Schweden zwischen sechs und neun Monaten Elternzeit. In Deutschland beschränken sich noch immer viele Väter auf die zwei Partnermonate, die es braucht, um die vollen 14 Monate Elterngeld zu erhalten.
2. Pflegeverpflichtungen
In allen Ländern Europas leisten Frauen öfter informelle Pflege als Männer, zeigt eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). In Schweden ist der Unterschied allerdings mit am geringsten. So ist in Schweden der Anteil von Frauen und Männern, die täglich pflegen, etwa gleich groß. Insgesamt pflegen Frauen dort etwas weniger als doppelt so oft wie Männer, das ergibt eine sogenannte Pflegetätigkeitslücke zwischen Männern und Frauen von 88 Prozent (Gender Care Gap).
In Deutschland liegt diese Gender Care Gap dagegen bei 133 Prozent – Frauen pflegen also etwas mehr als doppelt so häufig die Angehörigen wie Männer. Eine Erklärung der DIW-Autorin und der Autoren: Während in Schweden der Anteil der Ausgaben für stationäre Pflege am Bruttoinlandsprodukt (BIP) bei knapp zwei Prozent liege, betrage er in Deutschland etwa ein Prozent des BIP.
3. Kinderbetreuung
In Schweden gibt es ein Recht auf Kinderbetreuung. Kommunen müssen nach drei Monaten einen Betreuungsplatz stellen. Zudem sind die Einrichtungen länger geöffnet als in Deutschland. Zu den günstigen Krippenplätzen ab dem ersten Lebensjahr kommen Tagesschulen mit anschließender Freizeitbetreuung. Zudem dürfen Eltern mit kranken Kindern unter zwölf Jahren zu Hause bleiben, mit 80 Prozent Lohnersatz. Die Pflege ihrer kranken Kinder teilen sich Eltern fast partnerschaftlich auf: Väter beziehen vier, Mütter sechs von zehn der schwedischen Kinderkrankentage.
4. Ehegattensplitting
Schweden hat die gemeinsame Besteuerung von Ehepartnern 1971 abgeschafft. Seither werden beide Elternteile individuell besteuert. Auch in Deutschland fordern Expertinnen und Experten seit langem eine solche Reform. Simulationsstudien zeigen, dass das Arbeitsangebot der Frauen um bis zu fünf Prozent steigen könnte, würde man Ehepartner individuell besteuern. Das allein entspreche bis zu 400.000 zusätzlichen Vollzeitarbeitsplätzen, heißt es in einem Beitrag des ifo Instituts. Das Arbeitsangebot der Männer ginge nur geringfügig zurück.
Ältere Beschäftigte am Arbeitsmarkt
Neben dem der Frauen weist das Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats vor allem auf das unausgeschöpfte Arbeitskräftepotenzial von älteren Arbeitnehmern und Rentnerinnen hin. Auch hier ziehen sie Schweden als Vergleichsland heran.
So stünden etwa 440.000 zusätzliche Arbeitskräfte zur Verfügung, wenn deutsche 55- bis 64-Jährige die gleichen Erwerbsquoten hätten wie gleichaltrige Schweden. „Dies würde die Diskrepanz zwischen Eintritten und Austritten eines Jahres aus dem Markt kompensieren“, schreiben die Ökonomen. Noch größer ist der Unterschied bei den Über-65-Jährigen. Hier könnte man in Deutschland bei gleichem Verhalten der Menschen sogar etwa 890.000 zusätzliche Arbeitskräfte mobilisieren.
In Schweden haben sich die Beschäftigungsquoten der 66- bis 68-Jährigen nach einer Reform etwa verdoppelt. Statt eines festen Renteneintrittsalters wie in Deutschland gibt es dort einen Korridor: Beschäftigte können frühestens mit 63 in Rente gehen, mit fünf bis sechs Prozent Abschlag pro Jahr. Die volle Rente gibt es ab 66 Jahren, von 2026 an ab 67 Jahren, Tendenz weiter steigend.
Schwedens Regelrenteneintrittsalter steigt mit der Lebenserwartung automatisch. Wer länger arbeitet, bekommt schon jetzt Zuschläge. Zudem habe Schweden keine vorzeitigen Verrentungsprogramme, die der „Rente mit 63“ entsprechen, schreiben die Beiräte des Wirtschaftsministeriums.
Von Wachstumsinitiative wenig zu erwarten
Die Wachstumsinitiative der Bundesregierung wäre in die richtige Richtung gegangen, sagte der Beiratsvorsitzende Eckhard Janeba bei der Vorstellung des Gutachtens. Sie sei aber nicht umfassend genug gewesen – „und mit zu wenig Durchschlagskraft“. Zumal die Regierung Maßnahmen des Pakets im Kabinett zwar beschlossen hat, nach dem Aus der Ampelkoalition aber sehr in Frage steht, ob diese überhaupt noch verabschiedet werden können.
„Man muss es halt nur tun und wollen“, ergänzte auch Ökonom Börsch-Supan. Er wünsche sich, dass die Tragweite des demographischen Wandels in der Koalitionsvereinbarung der kommenden Bundesregierung eine prominente Rolle spielt.
Von einem Kanzler Friedrich Merz wäre das eher nicht zu erwarten: Am Ehegattensplitting will die CDU festhalten. Und auch von Zumutungen für Rentnerinnen und Rentner hat sich der Parteichef zuletzt distanziert.