Die Ampel erntete fürs Gebäudeenergiegesetz viel Kritik. IMAGO/Chris Emil Janßen© IMAGO/Chris Emil Janßen
Mangelndes Vertrauen und Verwirrung sind schlechte Voraussetzungen für gute Verhandlungsergebnisse, schreibt der Verhandlungsexperte Thorsten Hofmann. Das zeigt sich exemplarisch am Gebäudeenergiegesetz der Ampel-Koalition, das am Freitag verabschiedet werden soll.
Eigentlich sollte die Novellierung des Gebäudeenergiegesetzes in Ruhe geplant werden. Schon im Koalitionsvertrag hatte die Ampelkoalition eine solche Novellierung festgeschrieben, die allerdings erst zum 1. Januar 2025 vorsah, dass jede neu eingebaute Heizung auf der Basis von 65 Prozent erneuerbarer Energien betrieben werden sollte. Nun steht am 8. September ein Gesetzentwurf auf der Agenda des Bundestages, der übereilt erstellt und vor der Sommerpause durch das Bundesverfassungsgericht gestoppt wurde.
Die drei aktuell auf Bundesebene koalierenden Parteien bei einem so sensiblen Thema auf eine Linie zu bekommen, erfordert eine hohe Lösungsbereitschaft, zumal die Wählerschaft der Grünen, SPD und FDP sehr unterschiedlich ist.
1. Hauptakteure außen vor
Mit dem Ukrainekrieg hat die Regierung im März 2022 beschlossen, den Gesetzentwurf um ein Jahr vorzuziehen. Spätestens hier wird klar, dass die Zeit für den Prozess knapp sein würde. Vor allem ging es auf einmal um zwei Faktoren: Zusätzlich zum Voranbringen der langfristig angelegten Energiewende musste kurzfristig die Energiesicherheit gewährleistet werden.
Dafür hat die Bundesregierung ein Gesetz entworfen, das einen Hauptakteur, die Bevölkerung, vollkommen außer acht gelassen hat. Ängste und Unsicherheiten, die der Entwurf bei ihr auslösen könnte, wurden offensichtlich zu keiner Zeit antizipiert und auch nicht kommuniziert.
Wenn die Sorgen und Nöte – in Verhandlungen spricht man auch von Bedürfnissen oder Interessen – eines Akteurs in der Verhandlung nicht mitgedacht werden, erzeugt dies in den meisten Fällen Widerstand.
2. Keine Motivanalyse
Was bewegt den Hauptakteur – den Mieter ebenso wie den Immobilienbesitzer? Da das Gesetz, so wie es jetzt vorliegt, immense Veränderungen und Kosten auslösen würde, ist die Planungsunsicherheit bei allen Betroffenen derzeit hoch.
Solche Unsicherheiten können zu Widerständen führen, die selbst positive Vorhaben als inakzeptal erscheinen lassen oder gar im Keim ersticken. Es wäre daher hilfreich gewesen, die Motive der Betroffenen im Vorfeld zu analysieren und in den Entwurf zu integrieren.
Das wurde im Fall der Novellierung des Heizungsgesetzes offenbar vergessen und auch im Nachgang von keiner Seite klargestellt. Somit gewinnt eine Regierung keine Unterstützer. Wären die Kosten klar benannt und für alle Betroffenen eine zeitliche Planungssicherheit erkennbar in den Gesetzesentwurf integriert oder zumindest in der Kommunikation vorbereitet gewesen, hätte der Widerstand reduziert und die Emotionen gemildert werden können.
3. Keine klare Prozessstruktur
Spätestens mit dem Beschluss im März 2022, das Gesetz ein Jahr früher in Kraft treten zu lassen, hätte ein Informationskampagne beginnen müssen. Es hätte erklärt werden müssen, warum die Novelle notwendig ist.
Die Bundesregierung hätte kommunizieren sollen, dass sie die Sorgen der Betroffenen ernst nimmt und für Kosten- und Planungssicherheit sorgt. Statt dessen erblickt im März 2023 nach ziemlich genau einem Jahr der Gesetzentwurf das Licht der Öffentlichkeit, während es noch Abstimmungsbedarf gibt.
Wirtschaftsminister Robert Habeck am 21. März 2023 in den Tagesthemen: „Hier ist der Gesetzentwurf an die „BILD“-Zeitung – und ich muss also unterstellen – bewusst geleakt worden, um dem Vertrauen in der Regierung zu schaden.“ Insofern seien Gespräche der Koalitionspartner „wahrscheinlich mit Absicht zerstört worden, des billigen taktischen Vorteils wegen“.
Habeck sieht sich in der Debatte als Opfer. Dabei hätte er das Momentun nutzen könnnen, den Entwurf zu erklären. Damit zu rechnen, dass Entwürfe bis zur offiziellen Vorstellung geheim bleiben, ist in der politischen Welt unrealistisch. Denn in dem Moment, wenn ein Gesetzestext in eine Ressortabstimmung geht, ist in der Regel klar, dass Lobbyisten, Verbände, Medien und Agenturen sich ebenfalls eine Kopie besorgen werden.
Das politische Netzwerk ist durchlässig. Dies gilt es bei solchen Prozessen mitzudenken. Wäre der Prozess der Gesetzgebung – ohne konkrete Nennung der geplanten Maßnahmen – transparent kommuniziert und direkt erklärt worden, das der Staat den Bürger nicht alleine lässt, hätte ein „Leaken“ keine große Wirkung gehabt.
4. Keine angemessene Kommunikation
Das führt zum vierten Punkt der unangemessenen Kommunikation, die sich schon in den vorherigen Ausführungen gezeigt hat. Eine klare Strategie bezieht von Anfang an eventuelle Fallstricke mit ein und lässt Krisen antizipieren.
Man spricht hier von der Vorbereitung von What-If-Szenarien. Tut man das nicht oder nur unzureichend, riskiert man, dass Konflikte, die man nicht nach außen tragen möchte, sichtbar werden. Die öffentliche Debatte nach dem Bekanntwerden des Entwurfes im März 2023 hat dies gezeigt.
Heute ist der Gaspreis nicht mehr in schwindelnder Höhe und die Nachfrage nach Wärmepumpen ist massiv gesunken. Die Energiesicherheit scheint für den Winter vorhanden. Alle Eigentümer, die bislang Wärmepumpen, Geothermie oder Solaranlagen installiert haben, haben dies freiwillig getan.
Die Energiewende ist ein langfristiges Projekt. Sollte die Koalition die Motive der Betroffenen, eine klare und transparente Prozessstruktur sowie gute Kommunikation berücksichtigen wollen, hat sie jetzt noch die Möglichkeit, den Kurs zu ändern, ohne ihr Gesicht zu verlieren. Sie könnte auf den ursprünglichen Zeitplan zurückgreifen, der ein Inkraftreten zum 1. Januar 2025 vorsah. Ohne Not Zeitdruck aufzubauen und die Betroffenen außen vor zu lassen, führt langfristig inhaltlich zu wenig Akzeptanz und kostet am Ende nicht nur mehr, sondern lässt Glaubwürdigkeit schwinden.
Druck erzeugt Gegendruck. Das ist ein physikalisches Gesetz. Wenn die Regierung jetzt zeitlichen Druck herausnehmen und finanzielle Planungssicherheit herstellen würde, könnte die Koalition nur gewinnen. Und der Opposition, die vom Verfassungsgericht rein verfahrenstechnisch Recht bekommen hat, wäre der Wind aus den Segeln genommen.