Demontage einer Anlage bei Prenzlau in der Uckermark IMAGO/serienlicht© IMAGO/serienlicht
Um die Energiewende zu schaffen, ist der Ausbau von Windkraftanlagen entscheidend. Obwohl diese ein Ablaufdatum haben, bestehen bislang nur unzureichende Recyclinglösungen. Das kratzt am grünen Image.
Rund 20 Jahre sind Windräder in der Regel im Einsatz, dann werden viele von ihnen abgebaut. Das Recycling der alten Rotorblätter erweist sich dabei immer noch als äußerst schwierig. Ein Problem, das sich mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien noch verschärft – schließlich wächst damit auch der Schrottberg an alten Anlagen.
Ohne Windkraft keine Energiewende möglich
Für die Klimawende bildet Windenergie eine, wenn nicht sogar die entscheidende Säule. Der Sektor beansprucht in Deutschland den größten Anteil an der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien. Landesweit sind aktuell rund 30.000 Anlagen an Land und auf See mit einer Kapazität von insgesamt 58 Gigawatt in Betrieb. Bis 2030 soll diese mehr als verdoppelt werden.
Um möglichst viel Wind „ernten" zu können, sind die Windenergieanlagen in den vergangenen Jahren immer größer geworden. Die Rotorblätter erreichen teils mehr als 50 Meter Länge und wiegen über 25 Tonnen. Die Bestandteile müssen während der Nutzung hohen Belastungen standhalten.
Rückenwind durch staatliche Förderung – dann herrscht Windstille
Obwohl die Lebenszeit von Windrädern über 30 Jahre betragen könnte, werden viele nach 20 Jahren abgeschaltet. Der Grund: das im Jahr 2000 erlassene Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Es garantiert den Anlagenbetreibern Einspeisevergütungen – aber nur für 20 Jahre. Ohne die Bezuschussung rechnet sich der Weiterbetrieb vieler Windräder älteren Baujahrs nicht mehr, da insbesondere die Kosten für Wartung und Reparatur mit zunehmendem Anlagenalter steigen.
So kam es, dass im Jahr 2021 nach Berechnungen des Beratungsunternehmens Deutsche Windguard rund 6.000 Anlagen mit einer installierten Leistung von knapp 4.500 Megawatt (MW) abgestellt wurden. Die Objekte fielen nach 20-jähriger Laufzeit aus der EEG-Subvention. Und auch in den Folgejahren wird die EEG-Vergütung jährlich für weitere Windräder mit einer installierten Leistung von 2.000 bis 3.000 MW auslaufen.
Dass die stillgelegten Windräder einfach in der Landschaft stehen bleiben, ist nach dem Bundes-Immissionsgesetz ausgeschlossen. Folglich heißt es für die Betreiber: Rückbau. Schon jetzt fallen in Deutschland jährlich etwa 10.000 Tonnen Windradmüll an. Angaben des Fraunhofer Instituts für Chemische Technologien zufolge dürfte die Abfallmenge bis 2045 vier Mal so hoch sein. Doch wohin mit den Rotoren und Masten? Die Recyclingfrage stellt die Branche wortwörtlich vor riesige Herausforderungen.
Der Müllberg wächst weiter – Recyclinglösungen fehlen
Bislang bestehen keine verbindlichen Entsorgungswege oder Lösungen zur umweltgerechten Weiterverwertung der Materialien. Ob beispielsweise die im Gelände verankerten Fundamente vollständig oder nur oberflächlich zu entfernen sind, ist bislang nicht geregelt. Das Umweltbundesamt verweist in dem Zusammenhang auf die Verantwortung des Betreibers, da die große Diversität an Anlagen und Standorten maßgeschneiderte Rückbaukonzepte erfordere.
Viele Betreiber brüsten sich damit, dass bei der Demontage eines Windrads 80 bis 90 Prozent der verbauten Materialien recycelt werden können – die genauere Betrachtung trübt jedoch diese Bilanz. Die im Mast enthaltenen Materialien wie Beton, Stahl und Kupfer können zwar wiedergewonnen werden, wirtschaftlich rentables Recycling funktioniert aber lediglich bei den Metallen.
In dem ehemaligen Windradmast ist viel Metall enthalten. imago/BildFunkMV© imago/BildFunkMV
Die großen Mengen Altbeton werden zwar in der Baubranche wiederverwendet, die Aufbereitung zu Recyclingbeton ist jedoch sehr aufwendig und energieintensiv. Auch für die in den Magneten der Generatoren verbauten Seltenen Erden gibt es in Deutschland noch keine etablierten Recyclingverfahren.
Wohin mit gesundheitsschädlichen Stoffen?
Noch problematischer wird es bei den Rotorblättern. Sie bestehen aus Glas oder Carbonfaser, die mit einem Kunstharz verklebt sind. Der carbonfaserverstärkte Kunststoff (CFK) lässt sich nur schwer in seine Einzelteile zerlegen, zudem werden bei der Zerkleinerung gesundheitsschädliche Faserstäube freigesetzt. Für diese Art Kunststoffe besteht in Deutschland seit 2005 ein Verbot, sie auf Mülldeponien zu beseitigen.
Aus diesem Grund landen die alten Windradflügel bisher im Ofen, als Brennstoff für die Zementherstellung. Es ersetzt zwar damit den Einsatz von Schweröl, doch von Recycling kann hier nicht die Rede sein – bei der Verbrennung entsteht viel CO2.
Einer Studie des Umweltbundesamtes zufolge fallen allein in diesem Jahrzehnt beim Rückbau von Anlagen jährlich etwa 20.000 Tonnen an schwer wiederverwertbaren Rotorblatt-Abfällen an, Tendenz steigend. Die Experten befürchten, dass Rotorblätter unzureichend entsorgt oder zur Scheinverwertung ins Ausland exportiert werden, beispielsweise in die USA, wo Deponien für ausgemusterte Rotorblätter existieren.
Innovation ist jetzt gefragt – auch bei Herstellern
Mit der sich beschleunigenden Energiewende wächst der Druck, Recyclingverfahren für ausgemusterte Windräder zu entwickeln. Bislang bestehen nur wenige Unternehmen, die sich auf das Gebiet spezialisiert haben, die lukrative Nische dürfte aber zeitnah viele Startups anlocken. So arbeitet beispielsweise der Bremer Entsorgungsdienstleister Neocomp bereits an Lösungen für eine umweltverträglichere Zerkleinerung und Aufbereitung der verklebten Kunststoffe.
Auch die Anlagenbauer sind gefragt. Bereits bei der Konstruktion der Windräder muss der Nachhaltigkeitsanspruch ein fester Bestandteil sein. Mit neuen Materialien soll zum Beispiel die Recyclingfähigkeit der Anlagen verbessert werden.
Mehrere Windanlagenbauer, darunter der dänische Konzern Vestas und das spanische Unternehmen Siemens Gamesa, haben bereits Nachhaltigkeitskonzepte verkündet. Demnach wollen sie bis zum Jahr 2040 „abfallfreie“ Windenergieanlagen mit recycelbaren Rotorblättern bauen.