Bericht zu Firmenpolitik des Kohlekonzerns EPH. Fragwürdiges Geschäftsmodell aufgedeckt. Deutschland steht im Fokus. Wer ist der Tscheche Daniel Křetínský?
Preisfrage: An welcher Stelle nimmt Tschechien den größten Einfluss auf die deutsche Politik? Die Antwort kommt von Radek Kubala von der tschechischen Nichtregierungs-Organisation Re-Set: "Während der Verhandlungen zum Kohleausstieg hat EPH massiv versucht, das Ergebnis der Kohlekommission zu steuern."
Das Kürzel EPH steht für die tschechische "Energetický a Průmyslový Holding" mit Sitz in Prag, eine der größten fossilen Energiekonzerne Europas: Im Jahr 2021 erzielte das Unternehmen 18,9 Milliarden Euro Gewinn – zu einem erheblichen Anteil in Deutschland. Nach RWE ist EPH Deutschlands zweitgrößter fossiler Enerhiekonzern – aber kaum jemand kennt ihn.
"Während wir viel über RWE, Uniper oder die Leag reden, hat die EPH kaum jemand im Fokus", sagt René Schuster, Bundesvorsitzender der Grünen Liga. Um das zu ändern, übersetzte der ostdeutsche Umweltverband den Report aus Tschechien [1].
"Es ist höchste Zeit, dass die europaweiten Geschäfte und Verflechtungen von EPH auch in Deutschland breit wahrgenommen werden", so Schuster: "Wenn jetzt nicht die Weichen gestellt werden, werden am Schluss die Steuerzahler für die Beseitigung der Schäden."
Hinter EPH steckt Daniel Křetínský, Oligarch und einer der vermögendsten Menschen Europas: Er hält 94 Prozent jener Investmentgesellschaft, die die EPH besitzt.
Reich geworden ist Křetínský mit dem Erdgasgeschäft in der Slowakei, aber auch in Frankreich, Großbritannien, Italien, der Slowakei oder Tschechien verdient der Oligarch mit dem Anheizen des Treibhaus-Effektes Milliarden.
In Deutschland stieg sein Konzern 2012 ins Braunkohlegeschäft ein und kaufte sich die Mitteldeutsche Braunkohle-AG, die Mibrag. 2013 kam das Helmstedter Braunkohlerevier mit dem Kraftwerk Buschhaus dazu, 2016 das gesamte Lausitz-Geschäft mit damals noch über 10.000 Mitarbeiter:innen – unter dem Namen Leag.
Um das loszuwerden, überwies der schwedische Staatskonzern Vattenfall, der sich in Deutschland mit der Kohle verspekuliert hatte, damals knapp 2,7 Milliarden Euro auf Daniel Křetínskýs Konten. Geld, das für die Rekultivierung der Tagebaue in der Lausitz gedacht ist.
Kein Einzelfall: Der deutsche Kohlekonzern Uniper bezahlte EPH 2019 dafür, eines der größten Fossilkraftwerke Frankreichs zu übernehmen – obwohl der Kohleausstieg dort für das Jahr 2021 längst beschlossen war. Wegen des russischen Angriffskrieges läuft das Kraftwerk Émile-Huchet [2] heute aber immer noch.
Steuermillionen nicht zurückgezahlt
In Deutschland wurde EPH dafür entschädigt, das Kohlekraftwerk Mehrum 2021 stillzulegen – heute läuft es wieder, ohne dass die Steuermillionen der Entschädigung zurückgezahlt wurden. "Daniel Křetínský gehört zu den größten Kohlebaronen in Europa", heißt es in der Studie:
Seine Strategie ist, die Schließung seiner Kohlekraftwerke aufzuhalten, öffentliche Mittel abzuschöpfen und den Kohleausstieg in den Ländern, in denen er tätig ist, zu verzögern.
Zuletzt übernahm die EPH 2021vom Eon-Nachfolger Uniper das Kohlekraftwerk Schkopau [3], eines der gesundheitsschädlichsten Kraftwerke Deutschlands. Die EPH-Kohlekraftwerke mit ihrer Gesamtkapazität von aktuell 12,2 Gigawatt stoßen mehr Treibhausgase aus als ganz Finnland, so der Report.
Im Jahr 2021 war EPH demnach für knapp 49 Megatonnen Kohlendioxid verantwortlich – in der EU Platz drei hinter dem polnischen PGE-Konzern und RWE.
Wenn andere Akteure Skrupel bekommen und aus fossilen Produktionsanlagen aussteigen - Daniel Křetínský ist zur Stelle. Um sich danach an den Steuerzahlern zu bereichern: Nach den Leag-Plänen sollte noch tief in den 2040er Jahren Braunkohle verstromt werden, das 2020 beschlossene Kohleverstromungsbeendigungsgesetz (KVBG) sieht ein Ende 2038 vor, was sich Křetínský mit Entschädigung in Höhe von 1,75 Milliarden Euro entgelten lässt – vom deutschen Steuerzahler.
Der Report spricht vom "Spekulationsobjekt Ausstiegsentschädigung". Denn so wie Křetínský sein Firmenimperium aufgebaut hat (siehe Kasten), lässt befürchten, dass er sich aus dem Staub macht, sobald es nichts mehr zu holen gibt – etwa mit den angesparten Milliarden für die Rekultivierung der ostdeutschen Landschaften.
Russisches Erdgas sei "ein Huhn, das seit Jahren goldene Eier für Křetínskýs Firmen legt", heißt es in dem Report; "goldene Eier" in Form von Geld für Investitionen "nach Hyänen-Art" in Westeuropa.
Eine der profitabelsten Tochtergesellschaften der EPH sei die slowakische Eustream, die als Betreiberin der Transgaz- Pipeline [4] die EU in Abhängigkeit von russischen Gaslieferungen brachte. Trotz des russischen Angriffs liefert diese Pipeline auch heute noch russisches Erdgas – um die 250 Millionen Kubikmeter pro Woche [5].
So, als hätte die Slowakei keine Sanktionen gegen Russland verhängt. Aber Křetínský ist ja kein Slowake, sondern Tscheche.
Energie-Oligarch Křetínský "nicht besonders sichtbar"
"Weder in Tschechien noch in Großbritannien, der Slowakei, Frankreich oder Deutschland ist Daniel Křetínský besonders sichtbar", sagt Studien-Autor Radek Kubala von der tschechischen Nichtregierungs-Organisation Re-Set.
Zwar leiste er sich mit Sparta Prag und West Ham United in der Premier League zwei renommierte Fußballklubs, "aber das dient vor allem dem Saubermann-Image. Über Unternehmenspolitik gibt der EPH-Boss nahezu nie Interviews."
Andererseits halte er sich ein Medienimperium, etwa die "Czech Media Invest", der mehrere tschechische Print- und Hörfunkmedien angehören, darunter die Boulevardzeitung Blesk – die "Bild" Tschechiens – sowie mehrere französische Titel wie Elle oder das Nachrichtenmagazin Marianne.
"Natürlich versucht Křetínský über diese Medien seine Interessen zu verfolgen", sagt Autor Kubala. Auch habe er frühere Politiker für ihn als Lobbyisten verpflichtet, etwa Mirek Topolánek, Tschechiens Premierminister von 2006 bis 2009, der jetzt eine Talkshow in einem Fernsehkanal Křetínský moderieren wird.
Daniel Křetínský werde mit seinen Geschäftspraktiken "auf einem gesamteuropäischen Level zu einer Bedrohung für die Demokratie", heißt es in dem Report. Sein Konzern befördere Energiearmut, wirtschaftliche Ungleichheit und trage zur Unbewohnbarkeit unseres Planeten bei.
"EPH illustriert, wie sich in unseren Demokratien immer kleinere Elite Macht an sich reißen", sagt Radek Kubala und spricht von einer "Oligarchisierung der Gesellschaft" auch im Westen. Křetínský sei eine "ernste Bedrohung der Zukunft". Jetzt will die EPH sogar die Stahlsparte von Thyssenkrupp übernehmen, wie der Spiegel berichtete.
Bei deutschen Umweltverbänden ist die Sorge deutlich weniger abstrakt. "Die Hinterlassenschaften der Tagebaue wird uns noch Jahrzehnte beschäftigen und Milliarden Euro kosten", sagt Rene Schuster von der Grünen Liga.
Bergbaufolgekosten nennt man das, für die die Tagebaubetreiber einstehen müssen. "Wir sehen den fortgesetzten Versuch, dass Daniel Křetínskýs Leag davon so viel wie möglich auf die Allgemeinheit abwälzt", so Schuster.
Vier Tagebaue betreibt die Leag noch, allein für den Tagebau Welzows Süd sind Nachfolgekosten in Höhe von mindestens eine Milliarde Euro veranschlagt.
"In der Bilanz der Leag sind dafür aber lediglich 215 Millionen Euro eingestellt", erklärt Björn Ellner vom Nabu Brandenburg. "Der Rest soll aus jener Entschädigung kommen, auf den die Leag-Besitzer hoffen, wenn sie einem früheren Kohleausstieg zustimmen." Somit würde der deutsche Steuerzahler ganz legal die Kassen des tschechischen Milliardärs füllen.