Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) will Gaskraftwerke, falls der aus Wind- und Solarenergie erzeugte Strom nicht ausreicht. Werden uns Atom- und Kohleausstieg zum Verhängnis?© Kay Nietfeld/dpa
Kohleausstieg bis zum Jahr 2030 – ein unumsetzbares Versprechen von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) im Zuge der Energiewende? Wind und Sonne reichen laut Branchenkennern als Ersatz allein für die benötigte Elektrizität noch nicht aus. Deshalb sollen jetzt 50 neue Gaskraftwerke in Deutschland als Reserve entstehen, fordern die Energieexperten.
Wie diese jedoch finanziert werden sollen, darüber streiten gerade Berlin und Brüssel. Der Hintergrund: Die Bundesregierung will den Bau von wasserstofffähigen Gaskraftwerken mit bis zu 25 Gigawatt Kapazität fördern: Mit diesem Bedarf rechnet Habeck bis 2030. Diese Gaskraftwerke sollen einspringen, wenn erneuerbare Energien nicht genug Strom liefern. Das Problem: Sie würden aufgrund ihrer niedrigen Kapazität nur sehr wenig Strom erzeugen, weshalb es sich für die Konzerne ohne Subventionen nicht rechne. Die Subventionen müssen von der EU-Kommission genehmigt werden. Doch diese kritisiert die Pläne der Bundesregierung, und die Entstehung der Anlagen hängt somit in den Seilen.
Geplant wird jedoch bereits, dass diese Anlagen H2-ready sind: Das bedeutet, die Anlagen werden zunächst mit Gas, später mit grünem Wasserstoff betrieben. Die Beihilfegenehmigung könnte dabei als Dekarbonisierungsprojekt laufen. Berlin will dazu auf Leitlinien zurückgreifen, die den EU-Regierungen „die Förderung erneuerbarer Energien und von Energieeffizienz“ erlauben. Und hier liegt das Problem der EU-Kommission.
Der Neubau von Kraftwerken, die auf dem klimaschädlichen Verbrennen von Erdgas beruhen, la sse sich kaum als Ausstieg aus fossiler Energie einordnen, schreibt der Spiegel unter Berufung auf die EU-Kommission. Daher könnte nur der klimafreundliche Wasserstoff-Teil der Investitionen gefördert werden, was die Höhe der Subventionen drastisch schrumpfen ließe.
Die Alternative: Die Bundesregierung müsste ihre Hilfen so etikettieren, wie sie tatsächlich gemeint sind: als Anreiz für die Energiebranche, genügend Kraftwerksreserven für jene Zeiten bereitzustellen, in denen Wind- und Sonnenkraftwerke stillstehen. Würden die Staatsgelder „der Gewährleistung der Stromversorgungssicherheit“ dienen, wie es in den EU-Regeln heißt, hätte Brüssel mit der Subventionsanfrage weit weniger Schwierigkeiten.
Zudem dauere die Genehmigung eines fossilen Reservekraftwerks in der Regel länger als jene für Wind- oder Solaranlagen. In Belgien etwa hatte es jüngst drei Jahre gedauert, bis die EU die Anträge für den Bau neuer Gaskraftwerke abgesegnet hatte. Außerdem hat Habeck nicht wie versprochen bis zur diesjährigen Sommerpause die Eckpunkte für ein Ausschreibungsverfahren zur Finanzierung der Kraftwerke vorgelegt.
Der Chef des größten deutschen Energiekonzerns RWE, Markus Krebber, sagt: „Wenn es mit dem Kohleausstieg bis 2030 klappen soll, dann brauchen wir jetzt sehr schnell ein Ausschreibungsregime für wasserstofffähige Gaskraftwerke.“ Habeck hatte im vergangenen Jahr den Vertrag zum Kohleausstieg mit dem Konzern ausgehandelt – dieser will demnach seine klimaschädlichen Braunkohlekraftwerke 2030 oder sogar früher schließen. Im Gegenzug will der Bund den Bau von Gaskraftwerken mit der Kapazität von zunächst drei Gigawatt mitfinanzieren. Fragt sich nur, woher dieses Geld kommen soll, solange sich Berlin und Brüssel nicht einigen können.