Die Grünen wollen die Wärmewende „sozial und gerecht“ gestalten: Eine opulente Förderung für den Heizungstausch soll es möglich machen. Doch an der fehlenden Akzeptanz für den verkorksten Plan wird das wenig ändern. Zumal viele Betroffene schon an einer Hürde scheitern dürften.
Die Grünen folgen einem Muster, das sich seit der Ära Merkel bewährt hat, sagt WELT-Autor Michael Höfling Aitor Diago/Getty Images© Bereitgestellt von WELT
Es sind bewegte Zeiten für die Grünen. Gewohnt, mit ihrer Politik von den meisten etablierten Medien wohlwollend begleitet zu werden, erwischt sie der anhaltende und auch in der Breite beachtliche öffentliche Druck in der Trauzeugen-Affäre um Robert Habecks Staatssekretär Patrick Graichen auf dem falschen Fuß. Jahrelang bestens bewährte Reflexe – eine Entschuldigung hier, ein „lässt sich heilen“ da, ein „Moral-Rabatt“ (SPIEGEL) dort – greifen plötzlich nicht mehr.
Ob es in der Angelegenheit personelle Konsequenzen geben wird, ist noch offen. Rücktritte sind im politischen Deutschland in den vergangenen Jahren selten geworden. Eines dürfte allerdings keine allzu gewagte Prognose sein: In dem Ausmaß, wie der Druck auf Graichen anhalten und sein Ansehen in Mitleidenschaft gezogen wird, dürfte auch das ohnehin umstrittene Gebäude-Energie-Gesetz (GEG) kaum unbeschädigt aus der Affäre hervorgehen.
Vor den anstehenden Lesungen im Bundestag spüren die Grünen, dass sich der Wind gedreht hat. Harsche Kritik kommt längst nicht mehr bloß von erwartbarer Seite wie der Opposition und Lobbyverbänden wie Haus und Grund.
Der Koalitionspartner FDP hat den Gesetzentwurf im Kabinett nur mit angehängter Protokollnotiz mit seinen Bedenken durchgewunken, der Bundesparteitag der Liberalen sprach sich anschließend gegen das Gesetz aus. Und sogar aus den Bundesländern kommt plötzlich die Forderung, den Start der Wärmewende mangels Machbarkeit von 2024 auf 2027 zu verschieben.
Die Grünen folgen einem bewährten Muster der Merkel-Ära
Derart in die Defensive gedrängt, versuchen die Grünen nun, zu retten, was zu retten ist – und holen zum großen Befreiungsschlag aus. In einem gerade verbreiteten Papier fordern Fraktionschefin Katharina Dröge sowie die Vizechefs Julia Verlinden und Andreas Audretsch, die Hilfen bei den Kosten für den Heizungsaustausch um eine soziale Förderung für schwächere Haushalte zu ergänzen.
Nicht mit maximal 50 Prozent will die Fraktion den Austausch fossiler Heizkessel fördern, sondern mit bis zu 80 Prozent. Allerdings sollten davon nur diejenigen profitieren, die es am nötigsten hätten. Um es mit der Klassenkampf-Rhetorik von Co-Autor Audretsch zu sagen: „Villenbesitzer brauchen das nicht.“ Deshalb sieht der Ansatz vor, die Förderquote „stufenweise mit der Höhe des Einkommens“ abzusenken.
Man muss den Grünen zugutehalten, dass sie nicht verhehlen, dass dieser Plan teuer würde. „Eine solche Förderungsausweitung führt zu Mehrkosten gegenüber der aktuellen Förderkulisse“, gestehen die Autoren ein. Sie folgen damit grundsätzlich einem Muster, das sich in den vergangenen Jahren, beginnend mit der Ära Merkel, bewährt hat: Probleme werden ganz einfach mit Geld zugeschüttet. Einfacher geht’s nicht – oder besser: ging’s nicht.
Denn im Deutschland des Jahres 2023 ist es schwierig geworden, Wohltaten für die Gegenwart mit Schulden zu finanzieren, die man einfach nachfolgenden Generationen aufbürdet. Die Effekte der Nullzinspolitik der Europäischen Zentralbank, die den Staaten ein Jahrzehnt lang die günstige Verschuldung garantierte, sind mit der abrupten Zinswende der EZB ausgelaufen, das billige Geld ist verfrühstückt. Weitere als „Sondervermögen“ verbrämte Schulden etwa sind kaum mehr vermittelbar.
Angesichts prognostizierter Steuereinnahmen für 2024 von 1000 Milliarden Euro attestiert Finanzminister Christian Lindner (FDP) dem Staat vielmehr ein Ausgabenproblem und hat die neue Linie längst vorgegeben: „Wir müssen endlich mit Schuldenmachen aufhören.“ Auf entsprechend wenig Gegenliebe dürfte der Plan schon deshalb beim Koalitionspartner stoßen.
Eigentümern wird die Förderung wohl wenig helfen
Doch davon abgesehen offenbart der Vorschlag auch inhaltliche Schwächen und Widersprüche. Wenn etwa die Wärmepumpe wirklich eine so großartige Alternative zur Gasheizung ist, ihr Einbau sich auf der Zeitschiene unter dem Strich immer bezahlt macht, wie es die Grünen stets betonen und auch in ihrem Papier implizieren – warum sollte der Steuerzahler dann sozial Schwachen bis zu 80 Prozent der Kosten für den Tausch erstatten?
Wer wenig Geld hat, musste das Lebensrisiko einer Heizungshavarie bisher ja auch ohne (nennenswerte) staatliche Unterstützung schultern. Und er hat das auch in der Regel klaglos getan. Hier drängt sich der Eindruck auf, die Grünen wollten Kritiker und Skeptiker gefügig machen, indem sie einfach noch mehr Geld auf den Tisch legen. Womit übrigens für alle Eigentümer wenig gewonnen wäre: Denn Teile davon, das zeigt die Erfahrung, werden im Zweifel auf die Preise draufgeschlagen.
Was zudem auffällt, ist der Fokus des Papiers rein auf die Heizung und ihren Austausch. Zwar ist unbestritten, dass Wärmepumpen in Neubauten unschlagbar sein können und auch in vielen Altbauten effizient arbeiten. Doch für den Begriff Altbau gibt es keine scharfe Definition, weshalb er in der Debatte gern verwässert wird, um von den Zusatzkosten eines Wechsels zur Wärmepumpe abzulenken.
Entsprechend reichen die Schätzungen für den Aufwand der Wärmewende von 130 Milliarden Euro (BMWK) bis 620 Milliarden Euro (FDP-Energieexperte Michael Kruse). Etwa 40 Prozent des deutschen Gebäudebestands aber zählen zu den unteren drei Energieeffizienzklassen. Hier müssen Eigentümer in der Regel mit mehr oder weniger hohem Aufwand rechnen, um ihre Immobilien für einen effizienten Einsatz der Wärmepumpe tauglich zu machen.
Dieses Thema aber, das in der Logik der Grünen-Wärmewende eigentlich an erster Stelle stehen müsste, handelt die Fraktionsführung schmallippig und unkonkret in einem Satz ab: „Gleichzeitig ist es wichtig, dass die Menschen auch bei solchen (Sanierungs-)Maßnahmen unterstützt werden, die den Energiebedarf insgesamt reduzieren.“ Vorschläge, wer wann wie profitieren soll und mit welchem Geld das bezahlt werden soll? Fehlanzeige.
Viele Bedürftige gehen wohl leer aus
Hier kommt der nächste Schwachpunkt zum Tragen. Denn für viele der Bedürftigen, auf die der Grünen-Vorschlag abzielt, steht die großzügige Förderung lediglich im Schaufenster: Sie dürften erst einmal gar nicht in den Genuss der finanziellen Unterstützung für den Heizungstausch kommen. Wer kaum Geld hat, kann sich eine Sanierung schließlich am wenigsten leisten.
Und das ist seit Anfang 2023 ein besonderes Problem: In den Änderungen an der Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) heißt es nämlich: „Wärmepumpen werden in ungeeigneten Gebäuden nicht gefördert.“ Maßgabe dafür ist eine rechnerische sogenannte Jahresarbeitszahl (wichtigste Kennzahl zur Angabe der Effizienz der Wärmepumpe) von 2,7 im Jahr 2023 und von 3,0 ab 2024. Diese Werte in unsanierten Gebäuden zu erreichen, ist häufig kaum realistisch.
Die Mittelschicht vor dem Ende der Geduld
Klar ist auch: Eine Umsetzung des Vorschlags würde einmal mehr die Umverteilungs-Maschinerie in Bewegung setzen. Die Milliarden Euro, die in die Heizungs-Subventionen à la Grüne fließen würden, müssten in Form von Steuern oder Schulden zusätzlich von den wirtschaftlichen Leistungsträgern des Landes geschultert werden.
Soweit es sich bei ihnen um Eigentümer handelt, zahlen sie für die Wärmewende damit gleich zweimal. Einmal über die hohe Förderung für die sozial Schwachen. Und ein weiteres Mal für den Heizungstausch im eigenen Keller, wenn es so weit ist. Deshalb Vorsicht: Auch die Geduld einer lange Zeit vergleichsweise gefassten Mittelschicht könnte einmal erschöpft sein.
Der Impuls der Grünen, das unausgegorene Gebäude-Energie-Gesetz noch irgendwie retten zu wollen, ist nachvollziehbar. Für einen großen Wurf aber hätte es mehr gebraucht – den Blick für das Mach- und Zumutbare, das Wahren der Verhältnismäßigkeit auf dem Weg zu mehr Klimaschutz, die Anerkennung der infrastrukturellen Gegebenheiten. Sich über noch mehr Schulden und Umverteilung die fehlende Akzeptanz für die Wärmewende bei einzelnen Wählergruppen erkaufen zu wollen, wird nicht reichen.