Blick in den Plenarsaal des Deutschen Bundestags. Abgeordnete bekommen ab dem 1. Juli mehr Gehalt. Kay Nietfeld/dpa© Kay Nietfeld/dpa
An diesem Freitag legt die Wahlrechtsreform-Kommission ihren Bericht vor. In vielen Punkten sind sich Regierungs- und Oppositionsfraktionen nicht einig. Mit einer Ausnahme: Alle wollen die Legislaturperiode des Bundestags auf fünf Jahre verlängern. Für die Bürger ist das eine schlechte Nachricht.
Wenn Politiker aller Parteien sich einig sind, ist Skepsis angebracht. So auch bei dem einmütigen Votum der Wahlrechtsexperten aller Parteien, den Bundestag von 2025 an nur noch alle fünf Jahre wählen zu lassen. Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) hat sich da schon festgelegt: „Eine fünfjährige Legislaturperiode wäre auch für den Deutschen Bundestag gut.“
Mit einer Verlängerung der Legislaturperiode würde der Bund dem Beispiel der Länder folgen. In 15 von 16 Landtagen dauert die Wahlperiode bereits fünf Jahre. Lediglich Bremen, wo am Sonntag gewählt wird, hat am Vier-Jahre-Rhythmus festgehalten. Die Ampel hatte schon im Koalitionsvertrag festgelegt, eine „Verlängerung der Legislaturperiode auf fünf Jahre“ zu prüfen.
Die Wähler haben das Nachsehen
Inzwischen sind es bereits drei Landtagswahlen weniger. Rechnerisch kann also jeder nur noch siebenundzwanzigmal zur Wahl gehen. Wenn jetzt der Bundestag dem Beispiel der Länderparlamente folgt, reduziert sich die Möglichkeit zur Stimmabgabe in diesen sechs Jahrzehnten auf 24 Wahlsonntage.
24 statt 30, das ist ein Minus von 20 Prozent. Und es bedeutet eine deutliche Beschränkung der demokratischen Mitwirkungsmöglichkeiten der Bürger. Da sollte auch kein Politiker sagen, das sei doch nicht viel. Bei einer Senkung ihrer Bezüge um 20 Prozent würden die Volksvertreter sicher nicht von einer Kleinigkeit sprechen.
Längere Wahlperiode führt nicht zu besseren Ergebnissen
Das zentrale Argument für eine längere Wahlperiode im Bund ist dasselbe, mit dem die Wahlperioden in den Ländern verlängert wurden. Es lautet: Nach einer Wahl brauche eine Regierung fast ein Jahr, um sich zusammenzufinden. Dann könne man zwei Jahre lang halbwegs ruhig regieren. Im vierten Jahr stehe dann alles bereits im Zeichen des Wahlkampfes. Bei fünf Jahren blieben dagegen drei produktive Regierungsjahre. Das komme der Qualität politischer Entscheidungen zugute.
Wenn das alles zuträfe, müssten fünfzehn Bundesländer mit fünfjähriger Legislaturperiode heute besser und effektiver regiert werden, als das in früheren Zeiten der Fall war. Das freilich hat niemand zu behaupten gewagt. Es wäre wohl auch schwer, die Qualität politischen Handelns zu messen, um Unterschiede zwischen einer vier- und einer fünfjährigen Regierungszeit beurteilen zu können. Jedenfalls scheint sich noch kein Wissenschaftler darangemacht zu haben, dies zu belegen.
Wer regieren will, kann damit schnell anfangen
Die These, eine Regierung brauche das erste Jahr, um sich ordentlich einzuarbeiten, hält einer näheren Betrachtung ohnehin nicht stand. Die Ampel-Regierung hat unter dem Druck von Ereignissen wie Inflation, Energiekrise und Ukraine-Krieg sehr schnell „geliefert“, ganz gleich, wie man zu den Inhalten rot-grün-gelber Politik stehen mag.
Das war übrigens 1998 nicht anders. Da war Rot-Grün noch nicht richtig im Amt, als die Regierung sich wegen des Kosovokriegs entscheiden musste, die Bundeswehr zum ersten Mal in einen Kampfeinsatz zu schicken. Womit bewiesen wäre: Wer regieren will, der kann damit schnell anfangen.
Weniger Wahlen erhöhen nur die Lebensqualität der Politiker
In Wirklichkeit geht es den Befürwortern längerer Legislaturperioden über alle Parteigrenzen hinweg um etwas anderes: Sie wollen es bequemer haben. Längere Amtszeiten bedeuten weniger Wahlen. Weniger Wahlen bedeuten weniger Wahlkämpfe. Weniger Wahlkämpfe bedeuten weniger Stress und weniger Kosten. Kurz: Längere Wahlperioden erhöhen die politische Lebensqualität der Parlamentarier.
Da passt etwas nicht zusammen. Einerseits beschwören die Politiker die Bedeutung von Wahlen. „Mehr Demokratie wagen“, jenes berühmte Wort von Willy Brandt, geht inzwischen Politikern aller Parteien leicht von den Lippen. Andererseits wollen dieselben Akteure die Wahlmöglichkeiten der Bürger einschränken.
Noch weniger Mitsprache der Bürger um den Preis einer nicht nachweisbaren Verbesserung politischer Entscheidungsprozesse? Dieser Preis ist zu hoch. Ganz abgesehen davon: Abgeordnete, denen zu häufige Wahlen lästig sind, sollten sich besser nach einem anderen Job umschauen, als die Rechte der Bürger einzuschränken.