Manöver Wostok© Sergei Grits/dpa
Chinas Militär als „große Mauer aus Stahl“: Brisante Ankündigung von Xi Jinping
In der Rivalität mit den USA setzt Xi Jinping auf Innovation und ein starkes Militär: Sicherheit und Stabilität seien Voraussetzung für Entwicklung. Sein neuer Regierungschef gibt sich eher versöhnlich
Peking/München – Die Große Mauer ist in Chinas eine beliebte Metapher. Am heutigen Montag nutzte sie Staats- und Parteichef Xi Jinping höchstpersönlich. Er wolle das Militär zu einer „Großen Mauer aus Stahl“ ausbauen, kündigte Xi auf seiner Rede zum Abschluss des Nationalen Volkskongresses an. Kurz zuvor hatten die knapp 3000 Delegierten wie erwartet die angekündigte Erhöhung des Verteidigungsbudgets um 7,2 Prozent abgenickt.
Das politische Peking steht immer mehr unter dem Eindruck wachsender Spannungen Chinas mit den USA. Auf eine verbale Konfrontation auf der großen Bühne aber verzichtete Xi dieses Mal trotzdem. So ging er nicht auf die zunehmenden Sanktionen Washingtons gegen sein Land etwa bei Chips und anderer Technologien ein. Stattdessen plädierte er allgemein dafür, Innovation und „wissenschaftliche und technologische Eigenständigkeit“ voranzutreiben.
Li Qiang: pragmatischer Xi-Loyalist ist neuer Premier
Xi hatte sich Ende vergangener Woche eine historische dritte Amtszeit gesichert und ist auf dem Zenit seiner Macht. Schon auf dem Parteitag im Oktober hatte er sich in der Spitze der Kommunisten mit Günstlingen umgeben. Auf dem Volkskongress nun baute er auch die Regierungsmannschaft – den so genannten Staatsrat – in seinem Sinne um. Die Regierung führt ab sofort als Ministerpräsident mit Li Qiang ein langjähriger Xi-Loyalist an. Auf einer früheren Karrierestation hatte Li dem heutigen Präsidenten als Stabschef gedient; seither sind beide eng verbunden.
Der Ministerpräsident ist traditionell für die Wirtschaftspolitik zuständig, und auf diesem Feld immerhin gilt Li Qiang als offen und pragmatisch. Das bestätigte seine erste, sorgfältig orchestrierte Pressekonferenz am Montag. Chinas Reformen und Öffnung hätten die Entwicklung des Landes ermöglicht, betonte Li Qiang dort. Das habe Auswirkungen auf die ganze Welt gehabt.
Die meisten ausländischen Unternehmen sehen die Aussichten in China optimistisch sehen, sagte Li und sicherte zu: „Unabhängig von äußeren Veränderungen werden wir unsere Öffnungspolitik unbeirrt fortsetzen.“ Er habe lange Zeit in Regionen mit florierender Privatwirtschaft gearbeitet und sei daher gut über die Probleme des Sektors informiert, erklärte der Ministerpräsident, der selbst aus Zhejiang stammt – der Küstenprovinz mit dem größten Anteil an Privatunternehmen. Diskussionen und Gerüchte, dass Peking private Unternehmer nicht unterstütze, seien „unangebracht“.
Li Qiang setzt auf wirtschaftliche Entwicklung
Was die Wirtschaft angeht, steht Li vor einer schwierigen Aufgabe. Die Ökonomie muss sich in diesem Jahr mühsam von den Folgen der Null-Covid-Politik und der auch in China spürbaren Energiekrise erholen. Es werde nicht einfach, die geplanten „rund fünf Prozent Wachstum“ zu erreichen, betonte Li. Die Aussichten für die Weltwirtschaft seien schwierig. „Das Wirtschaftswachstum zu stabilisieren, ist eine herausfordernde Aufgabe, nicht nur für China, sondern für alle Länder in der Welt.“
Beim Blick auf die angespannten Beziehungen zu den USA schlug der neue Ministerpräsident eher versöhnliche Töne an. Die beiden größten Volkswirtschaften seien eng miteinander verbunden, wovon beide profitierten. „China und die USA können und müssen zusammenarbeiten“, so Li. Die Idee einer „Entkopplung“ sei nur ein Hype.
Xi Jinping: Herrscher auf Lebenszeit?
Der 63-jährige Li Qiang wird nun mindestens fünf Jahre regieren. Sein Chef Xi Jinping dagegen könnte dank einer von ihm selbst 2018 durchgedrückten Verfassungsänderung auf Lebenszeit im Amt bleiben, wenn er will. Er knüpft damit an den Staatsgründer Mao Zedong an. Doch gerade Chaos und Machtkämpfe, in die Mao in seinen späten Jahren das Land gestürzt hatte, waren eigentlich Anlass gewesen, die Amtszeiten der Staats- und Parteichefs auf zehn Jahre zu begrenzen. Xi tritt nun sein elftes Jahr als Präsident an.
Die Mao-Ära beleuchte gerade die Gefahren der „Überkonzentration von Macht in einem kommunistischen politischen System“, meinte Susan Shirk, China-Professorin der University of California und frühere Abteilungsleiterin im US-Außenministerium. „Wenn sich niemand mehr traut, die Entscheidungen des Anführers infrage zu stellen, neigt der Anführer dazu, Fehler zu machen – nicht nur kleine Fehler, sondern solche, die eine gesamte Gesellschaft in Gefahr bringen.“ Xi hatte in den vergangenen Jahren die gesamte Politik Chinas seinen ideologischen Zielen sowie der von ihm gepuschten Null-Covid-Politik untergeordnet. Erst im Dezember hob Peking die Corona-Maßnahmen auf. Die Weltöffentlichkeit wird daher genau darauf achten, ob sich die Regierung von Li Qiang gelegentlich ein Widerwort erlauben wird.