Bundeswehr hat zu wenig Waffen, aber Schimmel: „Dort kann man eigentlich nicht wohnen“© Bereitgestellt von Berliner Zeitung
Es fehle an Waffen, Ausrüstung und Attraktivität: Auch die Chefin des Verbands der Soldaten der Bundeswehr (VSB) beklagt einen gravierenden Materialmangel in der Truppe. „Wenn das so weitergeht und nicht zügig nachbestellt wird, können wir in ein paar Monaten nicht mehr für den Ernstfall üben“, sagt Mandy Wagner der Berliner Zeitung. Die Abgaben der Bundeswehr an die Ukraine hätten die Ausstattung noch einmal verschlechtert.
Dabei gehe es nicht nur um großes Militärgerät wie Panzer oder Haubitzen, so die Verbandschefin, „sondern auch um Helme, Kleidung, Verbandskästen oder Zelte“. Sollten die Mängel nicht bald behoben werden, schwinde auch das Verständnis in der Truppe. „Von der Zeitenwende spüren die meisten Soldaten bislang noch nichts.“
Nach dem russischen Überfall auf die Ukraine hatte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) im Bundestag von einer Zeitenwende gesprochen. Damit einher ging auch ein Kurswechsel der deutschen Außenpolitik, verbunden mit mehr Investitionen in die Bundeswehr. Mit einem Sondervermögen von 100 Milliarden Euro sollen die Streitkräfte einsatzbereit gemacht werden. In den vergangen Monaten hatte Deutschland die Ukraine derweil mit Artilleriesystemen und weiterer Ausrüstung unterstützt.
Nach Angaben des Verteidigungsministeriums vom Februar ist bislang etwa ein Drittel der 100 Milliarden Euro „vertraglich gebunden“. Sobald die Ware eingehe, könne sie auch bezahlt werden, sagte ein Sprecher des Ressorts. „Wir sind an die Regularien und Gesetze gebunden und dürfen erst zahlen, wenn die Leistung erbracht ist.“ Dabei gehe es unter anderem um die Vollausstattung der Bekleidung, aber auch um die Beschaffung der US-Kampfjets F-35.
Neben fehlender Ausrüstung sorgen die Bundeswehr seit Jahren Nachwuchsprobleme. Nach der Aussetzung der Wehrpflicht war die Truppe massiv geschrumpft. Laut eigenen Angaben zählt sie derzeit 183.277 Soldaten – also Berufs- und Zeitsoldaten sowie Freiwillige Wehrdienstleistende.
„Die Bundeswehr ist einer der größten Arbeitgeber in Deutschland, mit zahlreichen Berufsausbildungen“, sagt VSB-Chefin Wagner. Trotzdem fehle es an Nachwuchs. Neben der Aussetzung der Wehrpflicht sei ein weiterer Grund dafür das Image der Armee. Viele junge Leute seien in der Vergangenheit abgeschreckt worden, weil die Wehr zu lange schlechtgemacht worden sei. Im Jahr 2022 war die Zahl der Rekruten zwar deutlich um zwölf Prozent auf 18.775 gestiegen. Allerdings hatte sie vor Ausbruch der Corona-Pandemie noch höher gelegen (20.170 Neulinge im Jahr 2019).
„Hinzu kommt die hohe Abbrecherquote bei Nachwuchskräften“, erzählt Wagner der Berliner Zeitung. Das liege auch daran, dass junge Menschen mit falschen Versprechen gelockt würden. „Wir sind eine Armee, da kann man nicht mit länger schlafen werben. Das ist kein Job wie jeder andere“, so Wagner.
Zuletzt hatte der mittlerweile abgelöste Generalinspekteur der Bundeswehr, Eberhard Zorn, ein Projekt namens „Null–800“ vorgestellt. Demnach sollen Rekruten bei den Fallschirmjägern ihren Dienst ab April eine Stunde später beginnen, also um 8 statt um 7 Uhr. Sie dürfen also länger schlafen. Die Änderung soll den Dienst attraktiver machen. Nach Ansicht von VSB-Chefin Wagner zielt das aber an der Realität des Soldatenlebens vorbei.
Nachdem die Wehrbeauftragte Högl in der vergangenen Woche von einem „erbärmlichen Zustand“ deutscher Kasernen berichtete, sagt Mandy Wagner, dass die Bundeswehr selbstverständlich auch gut ausgestattete Standorte habe.
„Viele Kasernen sind aber in einem sehr schlechten Zustand, dort kann man eigentlich nicht wohnen“, so die VBS-Chefin weiter. „Da gibt es dann zum Beispiel Probleme mit Asbest oder Schimmel.“ Schwimmbäder würden geschlossen und Sportplätze gesperrt. Das schade dem Ansehen der Bundeswehr als Arbeitgeber.
Der Verband der Soldaten der Bundeswehr setzt sich für die Interessen der aktiven Soldaten ein. Er hat seinen Sitz in Bonn. Unter anderem hat sich der Verein die Attraktivität der Bundeswehr als Arbeitergeber zum Thema gemacht. Der VSB wirbt für eine allgemeine Dienstpflicht als Reaktion auf die Personalprobleme der Truppe.