Zitat von Gast am 24. November 2023, 06:30 Uhr
Gastbeitrag von Reiner Holznagel - Steuerzahler-Chef setzt den Rotstift an: Die ultimative Streichliste für die Ampel
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck, Bundeskanzler Olaf Scholz und Bundesfinanzminister Christian Lindner beim Pressestatement zum Verfassungsgerichtsurteil IMAGO/Bernd Elmenthaler© IMAGO/Bernd Elmenthaler
Der Regierung ist ihr Haushalt um die Ohren geflogen. Der Grund: das Urteil der Verfassungsrichter. Doch es scheint noch Auswege aus dieser Misere zu geben, wie der Präsident des Bundes der Steuerzahler vorrechnet. Die Regierung müsste aber bei sich selbst anfangen und Prioritäten setzen. Denn Deutschland hat die teuerste Regierung aller Zeiten.
Das Bundesverfassungsgericht hat vergangene Woche die Schuldenbremse und klassische Haushaltsgrundsätze der Finanzverfassung mit einem Paukenschlag verteidigt. Als Folge stehen nun mindestens 60 Milliarden Euro Kreditermächtigungen im Feuer. Die Auswirkungen treffen direkt den Klima- und Transformationsfonds (KTF), da hier die unzulässige Umbuchung erfolgte, aber auch andere Sondervermögen sowie die Haushalte der Bundesländer sind betroffen. Was das genau bedeutet, ist noch offen.
Zwei Reflexe werden aber auf jeden Fall keine Hilfe sein: Zum Ersten sind das Debatten, die Steuern zu erhöhen, zum Zweiten das Schleifen, Aussetzen oder gar Abschaffen der Schuldenbremse. Das wäre weder ein ehrlicher Ansatz, noch eine Politik im Sinne der geltenden Verfassung. Vielmehr muss die Politik entschlossen definieren, was sie hat und was sie will. Daraus muss eine sachliche Gegenüberstellung erfolgen.
Karlsruhe verhindert expansive Ausgabenpolitik
Allerdings sind sie bereits fest in der Finanzplanung des KTF verankert. In den kommenden Jahren sollen dann Subventionen im großen Stil über neue Schulden finanziert werden. Mit der Entscheidung aus Karlsruhe muss der Bundesfinanzminister die Notbremse ziehen. Die Folge ist nun ein Ausgabenstopp für den KTF. Alle bisher erteilten Subventionsversprechen müssen wieder auf den Tisch und kritisch hinterfragt werden, denn der dafür vorgesehene Scheck ist geplatzt.
Jetzt ist Zeit für Prioritäten!
Panik ist fehl am Platz, dennoch wirkt die öffentliche Debatte so. Noch sind finanzielle Polster aus den Vorjahren ausreichend, denn der Fonds leidet anhaltend unter einem schlechten Mittelabfluss. Zudem kann der KTF auf eigene Einnahmen aus dem europäischen Emissionshandel und der nationalen CO-Besteuerung zurückgreifen. Diese betragen kommendes Jahr rund 20 Mrd. Euro, mit stark steigender Tendenz durch die stetige Verteuerung der CO-Preise.
Aber: An diese Einnahmen müssen sich die ursprünglich deutlich überhöhten Fondsausgaben perspektivisch anpassen. Beibehalten sollte die Politik am Ende der Konsolidierung der nachweislich effektivsten und gesamtgesellschaftlich wichtigsten Maßnahmen. Kurzum: Jetzt ist die Zeit für Prioritäten!
Ausgaben des Bundeshaushaltes überprüfen
Wer nur auf den KTF schaut, begreift allerdings nicht die Dimension. Dieses Sondervermögen ist lediglich ein kleiner Bruder neben 28 weiteren Geschwistern des Bundeshaushalts. Der Kernhaushalt wird wahrscheinlich auf 460 Milliarden Euro anschwellen. Im Bundeshaushalt müssen nun große Streichkonzerte zelebriert werden, um auch dem KTF helfen zu können, denn hier fehlen bekanntlich 60 Milliarden Euro für die Zukunft. Es sei denn, die Ampel hält nicht mehr an ihren Klima- und Transformationsplänen fest.
Für den Bundeshaushalt als solches sehen wir seit dem Winter 2020 eine massive Ausgabenexpansion. Damals, kurz vor Ausbruch der pandemischen Lage in Deutschland, legte die damalige große Koalition erste Ausgabenpläne für das Jahr 2024 auf den Tisch. Die Ausgaben sollten sich auf 387 Mrd. Euro belaufen. Es folgten jährlich aktualisierte Eckwerte und Finanzpläne – und in jedem Jahr nach 2020 nahmen die Ausgabenwünsche der Politik für das Jahr 2024 zu.
Schließlich legte diesen Sommer die Ampel einen Etat-Entwurf mit Ausgaben von knapp 446 Milliarden Euro vor, der nach Abschluss der Beratungen im Bundestag weiter auf rund 460 Milliarden Euro angehoben werden soll. Ich rechne vor: Das sind rund 73 Milliarden Euro mehr als ursprünglich im Jahr 2020 für das Jahr 2024 vorgesehen.
Der Bundeshaushalt wird größer und größer
Was will ich mit dieser Chronologie aufzeigen? Ganz einfach: Die Politik ist stoisch von einem Höher, Schneller, Weiter bei den Ausgaben getrieben. Auch die Bundestagswahl 2021 hat daran nichts geändert. Natürlich steht jeder neugewählten Regierung das Recht zu, eigene und neue politische Prioritäten zu setzen. Doch spiegeln sich diese Prioritäten nicht in alternativen Projekten, Maßnahmen und Ausgaben der Vorgängerregierung wider, sondern einfach nur in zusätzlichen Projekten, Maßnahmen und Ausgaben. Die Folge: Der Bundeshaushalt wird größer und größer.
So wird – nach heutigem Stand – der Haushalt für das Jahr 2024 merklich größer ausfallen als der Etat des Krisenjahres 2020 – der von einer Schuldenbremse im Notlagenmodus, zwei Pandemie-Nachtragshaushalten und deutlicher Überschreitung der Regel-Kreditobergrenze geprägt war.
Mangelnder Sparwille und unerschöpfliche Ressortwünsche
Meine Aufforderung an die Politik ist: Analysiert, genau woher das Ausgabenwachstum seit dem Jahr 2020 kommt. Ein Fakt sind die enorm gestiegenen Zinslasten und Ausgabensteigerungen aufgrund der Inflation, die auch am Bund nicht spurlos vorbeigehen. Doch noch mehr als Zinsen und Inflation haben die einzelnen Ressortwünsche den 2024er Etat im Planungsablauf immer weiter anwachsen lassen – um deutlich mehr als 30 Mrd. Euro.
Bis auf ein einziges Ressort haben alle Regierungsministerien gegenüber den Ursprungsplänen aus dem Jahr 2020 mehr Geld für 2024 zugebilligt bekommen – vor allem das Wirtschaftsressort, das Verkehrsministerium sowie die Budgets für Bauen und Verteidigung. Auf diese Ressorts müssen die Blicke zuerst gewendet werden, denn sie haben die größten Zuwächse zu verzeichnen. Es ist zu prüfen, was bleiben soll und worauf verzichtet werden kann. Und das Einzelplan für Einzelplan, Ministerium für Ministerium, Behörde für Behörde.
Regierung, Verwaltung und Bundestag waren so groß wie nie
Vor allem der Eigenkonsum der Regierung und der Verwaltung hat kräftig zugelegt. Binnen zwei Amtsjahren hat die Ampel-Regierung 11.500 neue Stellen in der Bundesverwaltung geschaffen, davon knapp 1.800 in den Ministerien – also bei sich selbst. Mehr als 30.000 Mitarbeiter beschäftigt die Ampel inzwischen unmittelbar in den Ministerien, 300.000 in der gesamten Bundesverwaltung. Hinzu kommen mit dem Bauressort ein zusätzliches Ministerium und eine Rekordzahl an teuren Parlamentarischen Staatssekretären.
Noch nie waren Regierung, Verwaltung und auch der Bundestag so XXL wie derzeit, weshalb der Eigenkonsum des Bundes seit 2020 um 15 Milliarden Euro zugelegt hat – 8 Milliarden Euro bei den Personalausgaben, 7 Milliarden Euro bei den Verwaltungskosten. Zusammen bringen es diese Positionen 2024 dann auf rund 67 Milliarden Euro.
Gleichfalls müssen Sozialtransfers überprüft werden. Schon seit Längerem entfernt sich die Politik vom Prinzip einer strengen Bedürftigkeitsprüfung. Der Trend, immer mehr steuerfinanzierte Sozialleistungen durch ausgedehnte Kriterien und Grenzen nahezu pauschal zu gewähren, muss durchbrochen werden. Augenfällig ist ebenfalls das Bürgergeld, dessen Ausgaben zusammen mit der Übernahme der Wohnungskosten von 26,5 Mrd. Euro vor Ausbruch der Pandemie auf knapp 39 Mrd. Euro im kommenden Jahr zulegen werden – ein Plus von fast 50 Prozent. Insgesamt ist ein Ausgabenmoratorium für den Bund nötig, und damit auch für Sozialleistungen.
Ein Land voller Subventionen und Finanzhilfen
Schließlich verweise ich auf einen Politikbereich mit besonderer Dynamik – die Subventionen. Hier stellt die Ampel einen Rekord nach dem nächsten auf. Konkret: Bisher ist geplant, 2024 das Subventionsvolumen auf fast 70 Milliarden Euro auszudehnen. Im Vorkrisenjahr 2019 waren es weniger als 25 Milliarden Euro! Dramatisch ist vor allem die Entwicklung der Finanzhilfen – ob für einzelne Wirtschaftssektoren oder Privathaushalte.
Diese ausgabewirksamen Subventionen sollen von rund 8 in 2019 auf rund 50 Milliarden in 2024 anwachsen – oft verteilt mit der Gießkanne wie der E-Auto-Bonus oder nahezu unwirksam, teuer bzw. nicht messbar, wie diverse Klimaschutzförderungen.
Womit wir wieder beim KTF wären, der inzwischen fast 90 Prozent der größten Finanzhilfen des Bundes auf sich vereint. Hier wiederhole ich mich gerne: Beibehalten sollte die Politik am Ende der Konsolidierung die nachweislich effektivsten und gesamtgesellschaftlich wichtigsten Maßnahmen. Kurzum: Jetzt ist die Zeit für Prioritäten!