Zitat von Gast am 16. November 2023, 09:52 Uhr
Analyse von Ulrich Reitz - Wohltaten und Klimaideologie auf Pump? Jetzt ist Schluss mit rot-grünem Wunderland
Bundeskanzler Scholz (r.), Bundesminister Habeck (m) und Bundesminister Lindner IMAGO/dts Nachrichtenagentur© IMAGO/dts Nachrichtenagentur
Privatpersonen und Unternehmen zahlen im kommenden Jahr eine Rekordsumme an den Bund: eine Billion Euro. Helge Braun betont die Notwendigkeit, den Schuldenberg nicht weiter wachsen zu lassen. Friedrich Merz lehnt die Abschaffung der Schuldenbremse ab, während die Regierung Scholz für ihre Ausgabenpolitik kritisiert wird. Das jüngste Karlsruher Urteil könnte nun eine Wende einleiten.
Eins vorweg: Im nächsten Jahr werden die Privatleute und die Unternehmen eine unfassbare Summe an den Bund überweisen: 1.000.000.000.000 Euro, in Worten: eine Billion Euro. So viel wie noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Wenn es nach dem gesunden Menschenverstand geht, dann darf es drei Dinge ganz bestimmt nicht geben:
Erstens: Noch mehr Schulden. Mit den rekordhohen Steuereinnahmen ist jeder Grund dafür entfallen, Deutschlands Schuldenberg noch höher wachsen zu lassen. Das ist, darauf weist der Chef-Haushälter des Bundestages, der frühere Kanzleramtsminister Helge Braun, hin, vor allem eine Frage der Generationengerechtigkeit. Denn: Die Schulden von heute sind die Steuern von Morgen. Diese Feststellung ist auch wichtig, weil:
Zweitens: Die Schuldenbremse wieder abschaffen. Sie gilt seit 2009, die steht in der Verfassung, was aber auch heißt, dass der Bundestag sie jederzeit wieder abschaffen könnte – mit eben jener Zweidrittelmehrheit. Der DIW-Chef Marcel Fratzscher, fordert das schon lange. Wodurch es allerdings auch nicht richtiger wird. Linke konnten immer schon eins am besten: Das Geld anderer Leute ausgeben.
Drittens: Weil der Bund sozusagen im Geld schwimmt, gibt es auch überhaupt keinen Grund für Steuererhöhungen. Sicher, es lassen sich immer neue Projekte finden, für die irgendwelche sozialbewegte Menschen sich engagieren, bis hin zu einem bedingungslosen Grundeinkommen. Nur: Der Sozialstaat ist ohnehin viel zu teuer, und vieles ist auch nicht mehr nachvollziehbar, etwa die drastische Erhöhung des Bürgergeldes um zwölf Prozent Anfang des kommenden Jahres. Diese Erhöhung kommt zur Hälfte Ausländern zugute, die noch nie in die deutschen Sozialsysteme eingezahlt haben. Deshalb ist es auch eine Frage der Gerechtigkeit gegenüber der angestammten Arbeitsgesellschaft, die die Beiträge aufgebracht hat, hier nicht so dermaßen freigiebig zu sein. Und wenn schon, dann sollte man diese Erhöhung verbinden mit der Pflicht zur Gegenleistung in Arbeitsstunden, wie es der CDU-Grundwertepolitiker Carsten Linnemann vorgeschlagen hat.
Karlsruher Paukenschlag ist eine Chance ist für die Politik
Damit ist aber auch klar, weshalb der Karlsruher Paukenschlag eine Chance ist für die Politik: Von jetzt an muss die Politik viel besser, viel transparenter und viel glaubwürdiger begründen, wofür sie das Geld der Steuerzahler ausgibt. Jene Haushaltstricks, die der Politik ermöglichten, sich diesen lästigen Debatten zu entziehen, verbieten sich von nun an. Die Union, die dieses Urteil mit ihrer Klage erzwungen hat, droht konsequenterweise schon die nächste Verfassungsklage an – für den Fall, dass die Bundesregierung ihre Sünden wiederholt.
Es ist leider zum Markenzeichen der Regierung Scholz geworden, das Geld mehr oder weniger begründungsfrei auszugeben. Dem Kanzler selbst sind derlei Diskussionen lästig, er sagt nur etwas zu den Kosten seiner Beschlüsse, wenn er dazu gezwungen wird. Das ist aber einer der Gründe, weshalb sein Auftreten von Vielen als überheblich wahrgenommen wird. Es ist aber keine Selbstverständlichkeit, dass die Steuerzahler einer Regierung ihr Geld zur Verfügung stellen, ohne nach dem Sinn von dessen Verwendung zu fragen.
Beispiel Israel: Die von der Bundesaußenministerin Annalena Baerbock mal eben im Vorbeigehen verfügte drastische Aufstockung der Mittel für die Palästinenser in Gaza sind im Grunde ein Unding. Die israelische Regierung erhebt schon seit vielen Jahren den Vorwurf, dass dieses deutsche und auch europäische Geld direkt oder indirekt in die Kassen der Hamas fließt. Und auch der Hinweis auf die Vereinten Nationen, die dieses Geld verwalten, hilft nur bedingt weiter – die entsprechende UN-Einheit wird de facto von den Schergen der Hamas mitgesteuert. Baerbock sollte sich für derlei rechtfertigen müssen.
Beispiel Ukraine: Der Kanzler verspricht die Ukraine-Hilfe nach dem Motto: „As long as it takes“. Es ist ein politisches Signal an den russischen Imperator Wladimir Putin. Aber: Wenn man derlei entscheidet, muss man es einfach klarer und einsichtiger begründen – die Bereitschaft, die Ukraine mit sehr viel Geld militärisch zu unterstützen, geht in der Bevölkerung zurück. Auch, weil die Scholz-Regierung seltsam inkonsequent agiert – wenn gilt „whatever it takes“, weshalb dann nicht: „all in“?
Beispiel Migration: Der Bund und die Länder bezahlen dafür: 48 Milliarden Euro. Und muss doch mittlerweile zugeben, dass rund die Hälfte der Menschen, die nach Deutschland kommen, keinen Anspruch darauf haben, bleiben zu dürfen. Um das zu unterbinden, reagiert die Bundesregierung viel zu spät und viel zu wenig konsequent. Einmal abgesehen davon, dass ein Koalitionspartner, die Grünen, erklärtermaßen alles unternehmen wird, um konsequentere Schritte gegen die irreguläre Migration zu unterbinden. Das dürfte am Ende noch mehr Geld kosten – was den Grünen nicht gehört.
Beispiel Klima: Das Bundesverfassungsgericht hat die Corona-Pandemie als eine derartige Krise abgesegnet, die Sonderschulden rechtfertigte, und zwar, weil sie nicht vorhersehbar war. Ebenso wie der Ukraine-Krieg. Das gilt indes für die Klimakrise nicht. Deren Kommen ist seit langem bekannt. Das heißt nicht, dass die Regierung nicht zu deren Abmilderung Geld ausgeben darf oder auch soll, aber: sie darf dafür keinen Schattenhaushalt mehr aufmachen. Auch dies ist eine bemerkenswerte Erkenntnis – mit wohl dramatischen Folgen für Robert Habeck. Jenen Grünen, der das Bundeswirtschaftsministerium zum Bundesklimaministerium umetikettierte.
Verteilungskämpfe werden also zunehmen
Die Verteilungskämpfe innerhalb der Bundesregierung – und in der gesamten Gesellschaft – werden also zunehmen. Greenpeace verlangt schon am Tag des Urteils, nicht mehr so viel Geld für das Militär auszugeben und die Steuern gezielt zu erhöhen. Etliche weitere Organisationen aus der Klima- und Soziallobby werden Greenpeace folgen.
Die Deutschen mögen keinen Parteienstreit. Nur: Der Streit ums Geldausgeben ist aller Ehren und aller Mühe wert. Die Grünen werden ihre Klimaschutzmaßnahmen und die Energiewende schon noch einmal neu begründen müssen, wenn das Geld nicht mehr so automatisch fließt wie der Strom aus der Steckdose. Man wird jetzt auch noch einmal genau nachrechnen, was die Energieverbraucher eigentlich der ideologisch begründete Verzicht auf die Ausbeutung einheimischer Energien kostet – Fracking zum Beispiel. Aber auch CCS – die Verpressung von CO2 im Erdboden, was jetzt die Norweger für die Deutschen erledigen sollen – gegen Bezahlung natürlich.
Das Karlsruher Urteil wird auch auf die Bundesländer durchschlagen – gut so. In Berlin wird gerade am regulären Landeshaushalt vorbei ein Sondervermögen aufgebaut, um die deutsche Hauptstadt klimaneutral zu machen. Einmal abgesehen davon, wie sinnvoll es ist, wenn Berlin nun auch noch unter einer CDU-Regierung den Versuch unternimmt, das Weltklima zu retten – derlei wird künftig nicht mehr möglich sein, jedenfalls nicht als Schattenhaushalt am Parlament vorbei. Wenn die Berliner das wollen, dann müssen sie halt Kindergärten dichtmachen, zum Beispiel.
Steuerzahler können sich bei den Karlsruher Richtern bedanken
Vor der offenen Debatte über das richtige, weil sinnvollste Geldausgeben müssen nur diejenigen Angst haben, die die schlechtesten Argumente dafür haben. Insofern kann man sich als Steuerzahler bei den Karlsruher Richtern nur bedanken.
Eins noch, der Vollständigkeit halber und weil immer gern nach der persönlichen Verantwortung von Politikern gefragt wird: Im Bundestag fragte der Unions-Finanzmann Mathias Middelberg Olaf Scholz, wer denn die Sache mit den von den Verfassungsrichtern nur eingesackten Schattenhaushalten eigentlich verbockt habe. Middelberg zitierte hinterher genüsslich aus einer Erklärung des amtierenden Finanzministers Christian Lindner über seinen Vorgänger. Und dem früheren Finanzminister Olaf Scholz blieb nichts anderes übrig, als die Sache zu bestätigen: Er selbst wars.