Zitat von Gast am 18. Oktober 2023, 06:11 Uhr
Vortrag in Kempten
„Die Hütte brennt“, sagt Niemann zur aktuellen Wirtschaftslage
Universitäts- und Hochschuldozent Ingmar Niemann Kempten© Spielberg
Kempten - Deutschlands Wirtschaftsmotor gerate ins Stottern, so die CSU Kempten. Daher lud sie den Universitäts- und Hochschuldozenten Ingmar Niemann zu einem Vortrag in die „Alte Schmiede“ ein. Das Interesse war rege, ist Niemann doch durch Vorträge über Internationale Politik an der Hochschule Kempten vielen Kemptenern ein Begriff.
Der Ampel-Regierung in Berlin stellt Ingmar Niemann angesichts trüber Konjunkturlage kein gutes Zeugnis aus. Er räumt aber ein, dass sich Angela Merkels Kanzlerschaft, in der Probleme verwaltet oder verdrängt, niemals aber gelöst wurden, als ein schweres Erbe für die Nachfolgerregierung darstelle. „Der große Einfluss sozialdemokratischer Politik während ihrer Kanzlerschaft hat sich zudem als wenig segensreich erwiesen“, so Ingmar Niemanns Einschätzung.
Düstere Prognose
Der Politikwissenschaftler unterlegt seinen Pessimismus mit Fakten. Deutschland befinde sich seiner Meinung nach in einer Stagflation. Zu dieser trage eine schrumpfende Wirtschaft, steigende Arbeitslosigkeit und eine sinkende Nachfrage bei, wobei die andauernde Teuerung zu einer Inflation führe.
Dauere eine Rezession längere Zeit an, könne dies auch negative Folgen auf Deutschland als Anlageplatz für internationale Kapitalfonds haben.
„Es muss einen „Ruck“ geben“
Für Niemann steht Deutschland vor einer Rezession. Er glaubt, dass hohe Energiepreise Mittelstand und Großindustrie zur Abwanderung zwingen würden. Bis 2023 gehen Millionen von Menschen mehr in Rente, als junge Arbeitnehmer hinzukommen, Bildung und Digitalisierung seien auf niedrigem Niveau und gut ausgebildete Menschen verlassen das Land (2022: 270.000 Auswanderer).
Auch die von der Ampelregierung gepriesene Energiewende, die Wirtschaftswachstum und Beschäftigung bringen solle, sieht Niemann kritisch. „Das Geschäft mit der Photovoltaik, Windrädern und günstigen E-Autos wird China machen. Schon heute enthalten Windkraftanlagen deutscher Fertigung rund 70 Prozent Komponenten aus China.“
Fairer globaler Wettbewerb könne helfen
Niemann glaubt, zur Lösung der Krise trage eine aktive Industriepolitik bei, ein fairer globaler Wettbewerb. Weniger China - mehr Indien, zurückhaltende Lohnerhöhungen und eine Lösung der Energiekrise ohne Industriestrompreis. Darüber hinaus sei ein „Ruck“ erforderlich, sagt Niemann. Der frisch in den Landtag gewählte Joachim Konrad schließt sich dieser Aussage an. Grundsätzlich müsse wieder mehr Leistungsbereitschaft gezeigt werden und „Work-Live-Balance“ nicht zum gesellschaftlichen Leitbild erhoben werden, meint er.
Niemann resümiert zum Schluss seiner Ausführungen, dass Friedens-, Globalisierungs- und Zinsdividende (???) zu Ende seind. Er findet: „Deutschlands Wohlstand ist gefährdet – nach einem Jahrzehnt vertaner Chancen!“
In der abschließenden Fragerunde gab es aus dem Publikum u.a. Fragen zum Goldstandard, den BRICS-Staaten, Wohnungsbau, Diversifikation des Außenhandels und der Entwicklung der EU.