Zitat von Gast am 18. Oktober 2023, 06:00 Uhr
„Regierung muss endlich handeln“: Arbeitgeber gehen mit der Ampel hart ins Gericht
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) spricht am Dienstag auf dem Arbeitgebertag in Berlin.© Soeren Stache/dpa
Die Unternehmer sind aufgebracht. Denn die Ampel präsentiert keine glaubhafte Strategie, wie Deutschland aus der Rezession kommen soll. Auf dem Deutschen Arbeitgebertag am Dienstag in Berlin versuchte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) die Wogen zu glätten.
Doch in seiner Rede ließ Scholz den großen Wurf vermissen. Es sei gelungen, in Deutschland in kurzer Zeit eine Infrastruktur zum Import von Flüssigerdgas aufzubauen. Dieses „Deutschland-Tempo brauchen wir überall“, sagte Scholz. Er bat die Wirtschaft, ihm „ein wenig zu vertrauen“. Die Regierung werde liefern.
Der Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), Rainer Dulger, kritisierte, der Standort Deutschland habe an Attraktivität verloren. Viele Gründe seien hausgemacht: „Die Stimmung in der Breite der Wirtschaft ist gekippt.“ Die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit müsse in den Mittelpunkt des politischen Handelns gestellt werden. „Die Standortbedingungen stimmen nicht mehr. Schönreden ist keine Alternative zum Handeln.“
Eine große Mehrheit der Unternehmer (70 Prozent) und der Bevölkerung (74 Prozent) fordert von der Politik eine Verbesserung im Bildungs- und Schulwesen. Zudem plädieren 85 Prozent der Unternehmer und 60 Prozent der Bevölkerung für einen Abbau von Bürokratie. Den Wunsch nach Modernisierung und Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung haben 69 Prozent der Unternehmer und 52 Prozent der Bürger geäußert. Beide Umfrageergebnisse weisen im Vergleich zum vergangenen Jahr eine deutliche Steigerung auf, teilte der BDA mit.
Dulger kritisierte unter anderem die im internationalen Vergleich hohen Energiepreise. Vor den Folgen warnt das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in einer aktuellen Studie: „Die Klimaschutzziele Deutschlands implizieren hohe Transformationsanforderungen für die Industrie. Die energieintensiven Branchen spielen dabei eine Schlüsselrolle, verzeichnen jedoch seit 2001 einen kontinuierlichen Rückgang ihres Kapitalstocks.“ Diese Entwicklung habe sich in den vergangenen zwei Jahren erheblich verschärft.
Dabei müsse angesichts der Dekarbonisierungsziele die Erneuerung von Industrieanlagen beschleunigt werden. Und das im Zweifel über die regulären Investitionszyklen hinaus. Doch „ein wesentliches Hemmnis für Investitionen sind die im internationalen Vergleich wettbewerbswidrig hohen Energiekosten“, erklärt das IW. „Bleiben diese Rahmenbedingungen bestehen, droht durch attraktivere Produktionsbedingungen im Ausland eine Schwächung des Wirtschaftsstandorts Deutschland.“
Durch den Abstieg der deutschen Industrie droht Europa im internationalen Machtgefüge zurückzufallen. „Die größten Banken der Wall Street gehen davon aus, dass der Euro auf die Parität zum US-Dollar fallen wird, da der Krieg im Nahen Osten die Preise für importierte Energie aus Europa in die Höhe zu treiben droht und höhere Kreditkosten das Wachstum in der Euro-Zone belasten“, schrieb die Financial Times am Dienstag.
Die Citibank geht davon aus, dass der Euro innerhalb von sechs Monaten Dollar-Parität erreichen wird, da die Rezession in der Euro-Zone schwerer ausfallen werde als in den USA. Der Euro ist seit seinem Höchststand Mitte Juli bereits um etwa sechs Prozent gegenüber dem Greenback gefallen.
Jane Foley, Leiterin der Devisenstrategie bei der niederländischen Rabobank, sagte der Berliner Zeitung: „Der wirtschaftliche Erfolg Deutschlands in den letzten Jahrzehnten beruhte auf der Versorgung mit billiger Energie.“ Steigende Energiepreise und ein angespannter Arbeitsmarkt seien ein starker Gegenwind, ebenso wie das schwache Wachstum in China und geopolitische Risiken.
Die schwächelnde deutsche Wirtschaft drückt die Währung im Euro-Raum. „Ein schwächerer Wechselkurs wird zwar die Exporte stützen, doch wäre dies nur in einem Umfeld niedriger Inflation ein wünschenswerteres Ergebnis“, sagte Foley. Ein billiger Euro stützt normalerweise den Export, weil deutsche Waren dadurch im Ausland günstiger zu haben sind. Doch das deutsche Exportmodell ist in der Krise. Zuletzt sind die Ausfuhren im Juli und August gesunken.
Jane Foley von der Rabobank fasste im Gespräch mit der Berliner Zeitung zusammen: „In Anbetracht der Tatsache, dass wir uns nach wie vor in einem Umfeld hoher Inflation befinden und die Ölpreise im Falle einer Eskalation der Krise im Nahen Osten steigen könnten, ist eine Schwäche des Wechselkurses wahrscheinlich nicht wünschenswert.“ Mal schauen, wie lange der von Scholz geforderte Vertrauensvorschuss in die Bundesregierung anhält.