Zitat von Gast am 9. Oktober 2023, 06:02 Uhr
Landtagswahlen: Schlappe für die Ampel: Die Lehren aus den Wahlen in Bayern und Hessen
Das Regieren im Bund dürfte nach diesem Wahlsonntag schwieriger werden. Foto: dpadata-portal-copyright=© Bereitgestellt von Handelsblatt
Bei den Landtagswahlen erleiden SPD, Grüne und FDP bittere Verluste. In Bayern holt die CSU das schlechteste Wahlergebnis seit Jahrzehnten. Ganz anders sieht es bei der AfD aus.
Die Wahlen in Bayern und Hessen haben die Bundespolitik kräftig durcheinandergewirbelt. Klare Gewinnerin der beiden Landtagswahlen ist die Union, die in Bayern und Hessen einen Doppelsieg feiert. In Hessen gelingt der CDU mit einem Ergebnis von 34,6 Prozent ein Triumph. Dagegen liegt die CSU in Bayern bei laut dem vorläufigen Ergebnis bei 37 Prozent.
Klare Verlierer sind jedoch die Ampelparteien. Die SPD erleidet insbesondere in Hessen schwere Verluste und kommt auf lediglich 15,1 Prozent – ein Rekordtief in ihrem einstigen Stammland und sogar nur Platz drei hinter der AfD. In Bayern erzielt die SPD gerade mal 8,4 Prozent.
Nicht besser ergeht es der FDP. Die Liberalen verpassen den Einzug ins bayerische Landesparlament mit drei Prozent, in Hessen schafft es die FDP bei fünf Prozent gerade.
Auch die Grünen lassen Federn. In Hessen rutscht die Partei um fünf Prozentpunkte auf 14,8 Prozent ab, in Bayern kommt sie nur noch auf 14,4 Prozent. Zur Mitte der Wahlperiode fällt der Stimmungstest für die Bundesregierung damit düster aus.
Das sind die Lehren aus den beiden Landtagswahlen:
Union: Wahlsieger Friedrich Merz
In der CDU beobachteten die Strategen genau, wie weit das Ergebnis von Hessens Ministerpräsident Boris Rhein von dem Markus Söders entfernt ist. Am Ende lagen die CDU in Hessen und die CSU in Bayern nah beieinander. Damit ist der Sieger des Abends jemand, der gar nicht zur Wahl stand: CDU-Chef Friedrich Merz.
In Hessen hat die CDU gezeigt, dass sie unter einem Parteichef Wahlen gewinnen kann. In Bayern hingegen scheint Söder ein tristes Wahlergebnis einzufahren. Schon 2018 hatte die CSU nur 37,2 Prozent geholt, das schlechteste Ergebnis seit 73 Jahren. Nun unterbietet Söder dieses Ergebnis sogar noch leicht.
Die Welt sei inzwischen eine andere, sagte Söder am Sonntagabend. Noch vor nicht allzu langer Zeit habe es weder die Freien Wähler noch die AfD gegeben. Das Ergebnis sei daher dennoch „wertvoll“, so Söder.
Das eher dürftige Wahlergebnis der CSU schwächt Söders Kanzlerambitionen und stärkt Merz’ Position. Allerdings steht auch Merz intern in der Kritik angesichts seiner verbalen Provokationen über Flüchtlinge und Asylbewerber in den vergangenen Monaten. Es ist die Rede davon, dass sich nach dem Wahlabend Kritiker lautstark zu Wort melden werden.
SPD: Die Kanzlerpartei stürzt ab
Für die SPD ist aus dem Super-Wahlsonntag ein Super-Desaster geworden. In Bayern schneiden die Sozialdemokraten traditionell schlecht ab. Aber ein erneut einstelliges Wahlergebnis ist selbst für bayerische Verhältnisse eine Katastrophe in Zeiten eines SPD-Kanzlers.
Noch schlimmer allerdings ist die Lage in Hessen. Eigentlich hatte die SPD die Hoffnung, mit der Prominenz von Bundesinnenministerin Nancy Faeser als Spitzenkandidatin der CDU nach 24 Jahren das einstige Stammland wieder zu entreißen. Doch Faeser-Wahlkampfthemen zündeten nicht, dazu leistete sie sich diverse Wahlkampfpannen. Nun landet die SPD wohl sogar hinter der AfD auf Rang drei. Und das in einem Bundesland, das die SPD seit 1945 rund 53 Jahre lang regiert hat.
Wegen der Wahlkampfniederlagen könnte es mit der Ruhe in der SPD vorbei sein. Lange hatten Partei und Bundestagsfraktion Kanzler Olaf Scholz treu unterstützt. Doch schon zuletzt waren erste Absetzbewegungen zu beobachten. Die Fraktion positionierte sich mit mehreren Papieren gegen den Kurs der Bundesregierung. Auch die SPD-Vorsitzenden Lars Klingbeil und Saskia Esken versuchten zuletzt, eigene Akzente zu setzen. Klingbeil etwa forderte, das Ehegattensplitting abzuschaffen.
Insbesondere die Parteilinke dürfte spätestens auf dem SPD-Bundesparteitag Anfang Dezember einen Kurswechsel einfordern. „Wir müssen die SPD-Projekte in der Ampel künftig noch besser kommunizieren und als SPD in der Ampel noch sichtbarer werden. Gerade für unsere Klientel“, sagte der Co-Vorsitzende der SPD-Linken, Sebastian Roloff, nach dem Debakel seiner Partei bei der Landtagswahl dem Handelsblatt.
FDP: Landtagswahlen sind für die Liberalen eine Zitterpartie
Seit die FDP mit SPD und Grünen koaliert, sind Wahlsonntage für die Liberalen eine triste Veranstaltung. Eine Landtagswahl nach der anderen ging verloren. Das Gleiche durchlebte die Partei auch an diesem Sonntag. Wichtig für die Liberalen ist vor allem der Wahlausgang in Hessen. Bei der vergangenen Wahl kam die FDP noch auf 7,5 Prozent. Doch nun wird es erneut eng.
Dass die Liberalen den Einzug nur in das hessische Parlament schaffen, hat das zwar keine unmittelbaren personellen Konsequenzen. FDP-Chef Christian Lindner hat weiterhin breite Unterstützung. Und am Ende ist für die FDP die Europawahl im nächsten und vor allem die Bundestagswahl im übernächsten Jahr entscheidend.
Doch wie in der SPD dürften nun auch in der FDP die Stimmen derer lauter werden, die fordern, sich noch klarer in der Koalition zu positionieren. Und damit würde das Regieren im Bund schwieriger – erst recht, wenn SPD und Grüne nach den Niederlagen in Bayern und Hessen dasselbe Ziel in Angriff nehmen.
AfD und Freie Wähler: Die Protestparteien gewinnen weiter
Zweiter großer Gewinner des Wahlabends neben der Union sind die beiden Protestparteien: AfD und Freie Wähler. Die AfD setzt ihren Höhenflug nicht nur in den Umfragen fort und ist spätestens ab diesem Wahlsonntag endgültig kein ostdeutsches Phänomen mehr. Die rechtsnationale Partei ist jetzt auch im Westen bis in die Mitte der Gesellschaft tief verankert.
Zugleich bieten sich die Freien Wähler als bürgerliche, nicht rechtsextreme Protestpartei an. Die Flugblattaffäre um Parteichef Hubert Aiwanger schadete der Partei nicht, eher im Gegenteil. In Bayern erhielt die Partei weiteren Zulauf.
In Hessen kommen die Freien Wähler auf 3,5 Prozent. Damit gelang ihnen zwar nicht der Einzug in den Landtag, aber doch ein ordentliches Ergebnis. Was den anderen Parteien zu denken geben sollte: Die Freien Wähler machen laut Analysen nicht nur Union und FDP, sondern auch bei SPD und Grünen Wähler abspenstig. Sie ziehen also offenbar eine breite Wählerklientel an.
Dennoch droht vor allem der Union eine Debatte über die Frage, welchen Anteil CDU und CSU am Aufstieg der AfD und der Freien Wähler haben. CSU-Übervater Franz Josef Strauß warnte einst, rechts von der Union dürfe es keine demokratisch legitimierte Partei geben. Doch ausgerechnet in Bayern kommen AfD und Freie Wähler zusammen auf über 30 Prozent der Stimmen.