In einer Sondersendung wurde Robert Habeck mit den Bürgern konfrontiert. Die gingen den Minister hart an. Der Grünen-Politiker räumte zahlreiche Missstände ein.
Drei gegen einen. Das hätte das Motto der Diskussion von Bürgern mit Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck sein können, die in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch vom Sender RTL ausgestrahlt wurde. Der Sender nennt das Format "Am Tisch mit Robert Habeck". Doch das Tischtuch zwischen den Bürgern und dem Spitzenpolitiker war in der knapp 60-minütigen Runde schnell zerschnitten.
- Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen), Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz
- Max Jankowsky, Präsident der Industrie- und Handelskammer Chemnitz
- Engin Kelik, Metallarbeiter aus Melle und Vater von zwei Töchtern
- Anna Böck, Pfarrerin und Ex-Grünen-Mitglied, jetzt bei der Letzten Generation
Er sei bitter enttäuscht von Habeck, sagte etwa Familienvater Engin Kelik gleich zu Beginn der Runde und warf dem Minister vor, in seinem Amt versagt zu haben. Der 40-Jährige wollte vom Grünen-Politiker wissen, was er zu tun gedenke, damit "die einfachen Bürger langsam aber sicher mal wieder über die Runden kommen können".
Habeck zeigte Verständnis für Keliks Nöte, der klagte, dass er seinen zwei Töchtern kaum noch etwas bieten könne. Den Kinderzuschlag gebe es für ihn auch nicht mehr, seit seine Frau wieder arbeite. Die Angst vor dem sozialen Abstieg konnte Habeck dem Metallarbeiter aus Melle aber nicht nehmen.
"Was haben sie für mich, damit ich am Montag wieder motiviert zur Arbeit gehe?", fragte Kelik in Richtung des Wirtschaftsministers. Habeck geriet bei dieser direkten Ansprache zunächst ins Schleudern. "Das ist schwierig für mich,", sagte er, "ich kenne sie nicht und weiß nicht, wie ich sie motivieren kann, wenn sie nicht motiviert sind."
Jedoch räumte er ein, dass die Transferentzugsrate, also das, was vom Lohn abgezogen werde, in Deutschland "sehr, sehr hoch" sei und die aktuelle Bundesregierung daran "höchstens homöopathisch" etwas geändert habe. "Der Anreiz für Arbeit ist sehr gering. Das wäre sicherlich eine Aufgabe für die Zukunft", gab Habeck zu.
Habeck zur AfD: "Hat nichts mit den Grünen zu tun"
Doch Kelik ließ nicht locker. Er konfrontierte den Vizekanzler mit dem Verdruss, den Teile der Gesellschaft angesichts der Spitzenpolitik entwickelt haben. So warf er Habeck vor, das Menschen wie er nicht länger zur Mitte der Gesellschaft zählten, sondern in die Armut rutschen würden. Auch diese Diagnose bestätigte Habeck: "Ich finde schon, dass die Mitte der Gesellschaft sehr unter Druck steht, wegen des Auseinanderklaffens der Vermögen und des Ärmerwerdens, aber auch mit einer Sprache, die uns auseinderreißt. Wir laufen auf ein polarisiertes Land zu", so Habeck. "Ich finde das brandgefährlich."
"Und davon profitiert die AfD?", ging Moderatorin Pinar Atalay dazwischen. Habeck widersprach: "Was heißt profitiert? Die AfD macht die Polarisierung."
"Was sagen Sie dazu, dass die Grünen mitverantwortlich für den Erfolg der AfD gemacht werden?", hakte Atalay nach. "Es zeugt von einer politischen Verwirrung, die gar nichts mit den Grünen zu tun hat", erwiderte Habeck. Seine Partei stehe mit Themen wie Klimaschutz und Asyl fest in der Mitte der Gesellschaft.
Vizekanzler attestiert eine "große intellektuelle Konfusion"
Das Bild von den Grünen als Gegenpol zur AfD sei völlig falsch, betonte Habeck. "Es ist sozusagen strategisch gewählt, um nicht die unangenehm schwierigen Debatten führen zu müssen. Man lagert sie wieder aus. Das ist eine große politische Schwäche." Er forderte eine anständige Debattenkultur, um politische Lösungen zu finden "und nicht ein Land zu spalten und uns zu beschimpfen, weil wir anderer Meinung sind. Ich erwarte null, dass alle meiner Meinung sind".
Allerdings hielt Habeck in der Sondersendung nicht mit Kritik an seinen Kritikern zurück. Denen attestierte der Vizekanzler unter anderem eine "große intellektuelle Konfusion". Das Motto "je weniger wir verändern, desto besser für die Volkswirtschaft" gehe schlicht nicht auf. "Das Problem ist nicht die Transformation, sondern die hohe Abhängigkeit von fossilen Energien", unterstrich der Klimaschutzminister.
Hier will Habeck unter anderem mit dem umstrittenen Gebäudeenergiegesetz gegensteuern. Er rechne für die Abstimmung am Freitag im Bundestag fest mit dem Nein der Union. Oppositionsführer Friedrich Merz (CDU) habe in einem "erstaunlichen Anfall der Verkennung der Realität" gesagt, mit den Grünen gehe gar nichts mehr. "Das heißt ja, dass er Gesetze aus meinem Haus prinzipiell ablehnt", hielt Habeck fest. Anstatt gemeinsame Lösungen zu finden, habe sich die Union "für einen anderen Kurs entschieden, nämlich anti zu sein".