Lisa Paus erhält trotz angespannter Haushaltslage mehr Geld für die Kinder – nun soll auch Christian Lindner ein größeres Paket für die Wirtschaft schnüren dürfen. Ökonomen halten das für richtig, aber »viel zu klein«.
Wachstumschancengesetz: Regierung will Wirtschaft stärker entlasten als zuletzt geplant© Kay Nietfeld / dpa
Die Konjunktur in Deutschland schwächelt, die Stimmung der Unternehmen ist mies. Die Bundesregierung will nun mit zusätzlichen steuerlichen Anreize für neue Investitionen schaffen – und die sollen stärker ausfallen als bislang geplant. Das geht aus dem Zehn-Punkte-Papier zur Stärkung des Wirtschaftsstandorts Deutschland hervor, das auf der Kabinettsklausur am Dienstag in Meseberg beschlossen wurde.
Die Erhöhung ist insofern bemerkenswert, als dass die grüne Bundesfamilienministerin Lisa Paus das Gesetz zunächst in seiner ursprünglichen Fassung blockiert hatte – um ihrerseits mehr Geld für die Kindergrundsicherung herauszuholen. Nun soll es trotz angespannter Haushaltslage also für beide Vorhaben etwas obendrauf geben.
Die beschlossenen Maßnahmen sollten »das Wachstum in Deutschland voranbringen, damit wir die Chancen, die wir haben, auch nutzen können«, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sagte, die Konjunktur müsse »jetzt möglichst kurzfristig angeheizt werden, weil das Umfeld anspruchsvoll ist«.
Bundesfinanzminister Christian Lindner, der sich in der Koalition besonders für das Wachstumschancengesetz stark gemacht hat, zeigte sich ebenfalls zufrieden. Der FDP-Politiker sagte: »Wir nehmen ernst, dass Deutschland weniger dynamisch wächst als andere.« Die zweiwöchige Verzögerung durch Paus' Blockade sei genutzt worden, um das Gesetz »durch unterschiedliche Justierungen« noch besser zu machen, sagte er in Meseberg.
Neue Abschreibemöglichkeit für Wohngebäude
Konkret soll die steuerliche Anrechnung von Verlusten dem Papier zufolge noch einmal leicht ausgeweitet werden. So sollen künftig nicht mehr 60, sondern 80 Prozent der Verluste innerhalb von vier Jahren steuerlich absetzbar sein. Dies sei »in der Wirkung eine direkte Steuersatzsenkung für bestimmte Betriebe«, sagte Lindner.
Vizekanzler Habeck verwies darauf, dass die schlechte wirtschaftliche Lage ein Eingreifen der Politik erforderlich mache. Die Lage sei so, »dass man nicht sagen kann: Wirtschaft macht Wirtschaft, und die Politik hält sich raus«. Mit dem Wachstumspaket sollten »die Signale gesetzt werden, dass es sich lohnt, in diesem Land zu investieren«.
Ökonomen zufolge weist das von der Bundesregierung beschlossene sogenannte Wachstumschancengesetz in die richtige Richtung, reicht aber für einen kräftigen Konjunkturschub nicht aus. »Das neue Paket macht vieles richtig, es ist halt nur viel zu klein«, sagte ING-Chefvolkswirt Carsten Brzeski. Der Umfang von sieben Milliarden Euro sei »viel zu wenig« – vor allem im Vergleich zu den gerade erst vergebenen Milliarden-Subventionen für Chiphersteller wie Intel. »Eine Volkswirtschaft von knapp 4000 Milliarden Euro werde ich wohl kaum mit sieben Milliarden strukturell umbauen können.«
Ähnlich äußerte sich Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer. »Die berechtigten Sorgen der Unternehmen um den Wirtschaftsstandort Deutschland scheinen allmählich Gehör zu finden«, sagte er. Allerdings bleibe noch viel zu tun, um den Unternehmen und ihren Beschäftigten wieder die Rahmenbedingungen zu geben, die sie verdienten. Dabei gehe es um bessere Straßen, Brücken, Eisenbahnverbindungen und Schulen sowie um weniger Bürokratie, schnelle Genehmigungsverfahren, eine bessere digitale Infrastruktur und um wettbewerbsfähige Unternehmenssteuern.
»Mir fehlt auch noch der Industriestrompreis«, ergänzte ING-Chefökonom Brzeski. »So etwas ergibt Sinn, da er über mehrere Jahre gelten soll und damit Unternehmen die lang vermisste Planungssicherheit geben kann.«