Die von Kanzler Scholz ausgerufene „Zeitenwende“ lässt auf sich warten. Laut ifo-Institut sind von dem Sondervermögen über 100 Milliarden bis Mitte 2023 erst 1,2 Milliarden Euro abgeflossen.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) besucht das Ausbildungsprogramm für ukrainische Soldaten.© Foto: Marcus Brandt
Deutschland könnte das von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) verkündete Ziel, zwei Prozent der Wirtschaftsleistung für Verteidigung auszugeben, nach Berechnungen des ifo-Instituts 2024 wieder verfehlen. Der Haushaltsentwurf sehe Ausgaben von 52 Milliarden Euro im Verteidigungshaushalt und 19 Milliarden Euro aus dem Sondervermögen Bundeswehr vor.
„Das sind nur 1,7 Prozent der Wirtschaftsleistung. Es fehlen 14 Milliarden Euro, die bei anderen Ministerien als Verteidigungsausgaben klassifiziert werden müssten“, sagt ifo-Militärexperte Marcel Schlepper am Mittwoch.
Seit 2022 sei der Verteidigungshaushalt preisbereinigt sogar gesunken. Verteidigungshaushalt und Sondervermögen reichten 2024 nicht für das Zwei-Prozent-Ziel. Bisher sei nur bekannt, dass zusätzlich 4 Milliarden Euro für die Ertüchtigung ausländischer Partner wie der Ukraine vorgesehen sind. Aber wo sich „die anderen Ressorts neu für Verteidigung engagieren oder ob es sich lediglich um eine Umetikettierung schon länger bestehender Ausgabenposten handelt“, sei offen, sagte Schlepper.
Bundeskanzler Scholz hatte nach dem Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine im Februar 2022 im Bundestag eine „Zeitenwende“ ausgerufen und gesagt, Deutschland werde „von nun an – Jahr für Jahr – mehr als zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts in unsere Verteidigung investieren“. Die Bundeswehr werde aus einem Sondervermögen 100 Milliarden Euro für Investitionen und Rüstungsvorhaben erhalten. Laut ifo-Institut sind aber von diesen 100 Milliarden bis Mitte 2023 erst 1,2 Milliarden Euro abgeflossen.
Der Chef des Panzerherstellers Krauss-Maffei-Wegmann, Ralf Ketzel, hatte dem „Münchner Merkur“ vergangene Woche gesagt: „Wirklich neu dazugekommen ist bei uns bis heute eigentlich nichts. (...) Bei wirklich neuen Projekten geht es weiterhin nur sehr schleppend voran.“ In Deutschland „bleiben wir wohl auf absehbare Zeit hinter der Nato-Verpflichtung zurück“. Zudem versenke Europa in der Rüstung viel Geld durch Parallel-Projekte: In „dem Ausmaß, wie wir uns das leisten, ist es eine große Verschwendung“.
Zu den Verteidigungsausgaben gemäß Nato-Definition gehören neben den Mitteln aus dem eigentlichen Verteidigungshaushalt auch Ausgaben für friedensstiftende und -erhaltende Maßnahmen aus dem Budget des Auswärtigen Amtes und einige andere Posten. In der Vergangenheit wurden zum Beispiel auch Kosten für den Aufenthalt ausländischer Streitkräfte auf deutschem Boden oder Abrüstungsprojekte genannt. Die Nato-Zahlen sind deswegen höher als der Betrag, mit dem meist in der innenpolitischen Debatte gearbeitet wird.