Beim Gebäudeenergiegesetz ist es Robert Habeck gelungen, wesentliche Erfolgsfaktoren zu missachten und dabei in fünf große Change-Fallen zu tappen, schreibt Susanne Nickel. imago/Susanne Nickel© imago/Susanne Nickel
Robert Habeck hat mit seinem vermasselten Gebäudeenergiegesetzt bei der Bevölkerung einen Change-Overkill ausgelöst. Seine strategischen Fehler werden für immer ein Beispiel dafür bleiben, wie man Menschen bei der grünen Transformation nicht mitnimmt. Lernen wir daraus!
Wochenlang hat die Ampel über die Novellierung des Gebäudeenergiegesetzes gestritten. Bis zum Nothalt durch das Bundesverfassungsgericht. Der grüne Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck scheiterte in mehreren Akten, weil er offenbar nicht verstanden hat, wie man Menschen für Neues gewinnt.
Habecks strategische Fehler als Chef werden für immer ein Beispiel dafür bleiben, wie man Menschen bei der grünen Transformation nicht mitnimmt.
Lassen Sie uns einmal Habecks Vorgehen mit der Brille eines Change-Profis analysieren. Bei der Digitalisierung gibt es z.B. genauso viel Widerstand im Unternehmen wie gegen Habecks Schnüffeln in unserem Heizungskeller. Mir scheint, dass der grüne Minister die Kopfstandmethode missverstanden hat. (Für alle nicht so Change-Versierten: Dabei handelt es sich um eine Umkehr-Technik, mit der man gedanklich - also nur gedanklich - etwas Neues gegen die Wand fährt, indem man genau das Falsche tut, um herauszufinden, was unbedingt zu vermeiden ist).
Change-Falle 1: Keine überzeugende Dringlichkeit
Habecks Heizungspläne wurden bekannt, als die Gaskrise in den Augen der Bevölkerung abgewendet schien und diverse Preisbremsen griffen. Das Horrorszenario „kalte Heizung im Winter“ konnte Habeck im Frühjahr nicht mehr für sich nutzen. Warum sollte man sich gerade jetzt für die Pläne des Bundeswirtschaftsministers öffnen?
Zu diesem Zeitpunkt lag schlichtweg keine Dringlichkeit mehr vor. Menschen bewegen sich aus ihrer Komfortzone heraus, wenn sie diesen sog. „Sense of Urgency“ spüren. Ein Dringlichkeitsbewusstsein kann beispielsweise durch ein positives, emotionalisierendes Zukunftsbild entstehen. Es kann für die erlebte Dringlichkeit aber auch notwendig sein, den Status Quo als kritisch darzustellen, wie bei einem von mir beratenen Unternehmen. Die bedrohlich schrumpfende Wirtschaftsleistung einer ganzen Produktlinie inklusive der negativen Konsequenzen wurden klar für die Belegschaft offengelegt. Hier bedarf es einiges an Fingerspitzengefühl, denn auch zu viel Druck führt schnell in die Change-Sackgasse.
Habeck wollte das Gesetz noch vor der Sommerpause durchpeitschen und scherte sich nicht um die berechtigte Forderung nach inhaltlicher Substanz, sondern drückte ungeduldig aufs Gas, bzw. auf die Pumpe. Doch er bremste damit die Veränderungsbereitschaft der Bürgerinnen und Bürger aus, die immerhin Investitionskosten für eine Wärmepumpe in der zwei bis dreifachen Höhe im Vergleich zu der eines Gaskessels ausgeben sollten. Das Stoppschild für das Heizungsgesetz wurde dann vom Bundesverfassungsgericht aufgestellt.
Change-Falle 2: Der Versuch rein rational zu überzeugen
Um einen Beitrag für den Klimaschutz zu leisten, drohten Umrüstungskosten der Heizung von bis zu 35.000 Euro für ein Einfamilienhaus. Das ist selbst für hartgesottene Klimaschützer viel Geld in einer Zeit, in der die Inflation drückt und die Welt aus den Fugen geraten ist.
Emotional konnte Habeck nicht mehr überzeugen, sondern nur noch rational. Eine Transformation ist nur mit dem Engagement der Betroffenen umsetzbar und dafür brauchen wir neben gefühlter Dringlichkeit und rationalem Verständnis einen emotionalen Schub.
In Unternehmen denken Führungskräfte oft, dass die rein rationale Argumentation bei einem Change ausreicht. Weit gefehlt. Immer wieder höre ich: Wir sind doch logisch denkende Menschen, das müssen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter doch begreifen! Nein, tun sie eben nicht. Ein CEO hat dies erkannt und sagte mir kürzlich: Frau Nickel, wir brauchen Emotional Leadership, Führungskräfte die rational und emotional überzeugen und die es schaffen, gelingende Beziehungen aufzubauen.
Change-Falle 3: Keine starke Führungskoalition
Veränderungen gelingen, wenn Führungskräfte kooperieren und glaubwürdig das tun, was sie von anderen fordern. Solchen Identifikationspersonen sind Menschen bereit zu folgen und anstrengende Zeiten zu ertragen.
Ein von mir beratenes Führungsteam hat es wie folgt benannt: „Wir Führungskräfte ziehen alle an einem Strang und handeln als Vorbilder.“ Persönlich fokussierter Lobbyismus – für die Kernklientel der Grünen – wirkt unlauter und eher wie eine abschreckende Allianz auf die Betroffenen.
Zwar enthielt Habecks Gesetz bereits im ersten bekannt gewordenen Entwurf Übergangsfristen und Ausnahmen, doch die erklärte der grüne Minister nicht ausreichend. Was kommunikativ hängen blieb, waren teure Umrüstungen der Heizung, gerne als „Habecks Heizhammer“ betitelt. Womit wir zur vierten Change-Falle kommen.
Change-Falle 4: Unklare Vision und Kommunikation
Es fehlte die transparente, klare und einfache Kommunikation von Anfang an. Das hat schon manchem Unternehmen ein Bein bei Veränderungen gestellt. Hier gilt es eine verständliche Sprache für die Empfänger der Botschaft zu benutzen. Kommunikation ist keine Einbahnstraße. Unternehmen und Chefs, die Change-Management verstehen, entwickeln zuerst eine Vision, ein emotionales Zielbild, welches sie dann mit der begleitenden Strategie klar und einfach erläutern.
Habeck hatte bereits bei der Gasumlage im vergangenen Jahr handwerkliche Fehler einräumen müssen und war in Folge dessen vom Liebling der Regierung zum stürzenden Star geworden, was den Change gelinde gesagt, eher behindert hat. Wir kommen damit zum nächsten, leider sehr mächtigen Change Killer.
Change-Falle 5: Widerstand auf- statt abzubauen
Offensichtlich ist es dem Minister gelungen, dass die Bevölkerung stetig einen größeren Widerstand gegen ihn entwickelt hat. Wir unterscheiden bei Change-Prozessen vereinfacht gesagt drei Formen des Widerstands, die sich in simplen Aussagen von Betroffenen zeigen.
In der ersten Form lautet der Satz „Ich kann nicht“. Diese hat Habeck erfolgreich aufgebaut, indem er etwas vorgeschlagen hat, was finanziell viele Menschen bedroht und für sie nicht machbar ist - sie sich also schlichtweg die Kosten nicht leisten können.
Bei der nächsten Form des Widerstands, geht es um „Ich will nicht“. Das „Nicht-Wollen“ zeigt sich bei Widerständigen, wenn ihnen etwas zu aufwendig ist und viel Mühe kostet oder zu unsicher ist und somit Ängste aufwirft. Es ist dem Minister nicht gelungen, Menschen aus ihrer Gewohnheitszone zu bewegen. Durch sein Hin und Her sowie seine unklaren und inkonsistenten Botschaften hat er dann auch noch seine Glaubwürdigkeit verloren und schließlich sein Vertrauensguthaben aufgebraucht. Somit hat der Minister auch die dritte und stärkste Form des Widerstands provoziert: „Ich will dich nicht“.
Habeck hat bei der Bevölkerung einen Change-Overkill ausgelöst
Gratulation, Herr Habeck, Sie haben wirklich nichts ausgelassen und gleich alle drei Formen des Widerstands erfolgreich aufgebaut. Absolut verständlich, dass hier ein Change-Overkill bei der Bevölkerung entstanden ist. Wir müssen uns immer wieder klar machen, dass Menschen sich ungern verändern. Ein starkes Managementteam ist in der Lage, Widerstände zu antizipieren, um ihnen im Ernstfall gut zu begegnen. Und stets gilt: Kommunikation, Kommunikation. Kommunikation. Leider gelingt genau das mangels Führungsqualitäten häufig nicht.
Habecks Leistungsbilanz: Bürgerinnen und Bürger verprellt. Wirtschaft verprellt. Stammwählerinnen und -wähler verprellt.
Mein Rat an den Minister für eine gelungene Transformation und gegen Change-Fatigue: Nehmen Sie sich ein Beispiel an Unternehmensprozessen. Weniger Ideologie, mehr Pragmatismus und Überzeugungskraft sind gefragt: Change Business ist nun mal People Business. Die hohe Kunst besteht darin, Menschen mitzunehmen und für das Ziel zu gewinnen. Sonst entsteht wenig Umsetzungsbereitschaft und dafür umso mehr Widerstand.
Ich möchte mit einem kleinen Trost-Pflaster für unseren grünen Minister enden: Viele Studien belegen, dass nahezu 70 Prozent aller Change-Projekte scheitern, also willkommen im Club, Herr Habeck. Nur Mut. Organisationen, Führungskräfte und auch Politiker dürfen lebenslang lernen. Denn: Nach dem Change ist vor dem Change und der nächste Wandel kommt bestimmt!