Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck und Bundeskanzler Olaf Scholz© Imago Images/Bernd Elmenthaler
Ein einzelner Abgeordneter und das Verfassungsgericht blamieren die Koalition und bremsen ihren Weg zum Heizungsgesetz. Die Ampel muss jetzt mal Luft holen, statt gleich ins nächste Chaos zu hetzen. Und Friedrich Merz sollte lieber leise jubilieren – er war zu feige, in Karlsruhe zu klagen.
Selbst der Kanzler wurde überrascht. Vor der untergehenden Sonne Berlins hatte Olaf Scholz gestern am frühen Abend auf dem Hoffest der SPD-Fraktion noch eine versöhnliche Rede gehalten. Darin appellierte er an die Genossinnen und Genossen, aber auch an seine Koalitionspartner, im politischen Alltag mehr Gelassenheit zu zeigen. Und am Ende rief er fröhlich: "Jetzt feiert schön." Drei Stunden später war zumindest für Scholz und die Spitzen der Ampel Schluss mit lustig. Und das mit der Gelassenheit wird für SPD, Grüne und FDP nach ihrer Schlappe in Karlsruhe nun zur Probe aufs Exempel.
Die 5:2-Schlappe für die Ampel
Und jetzt? Sondersitzung des Bundestages nächste Woche, ratzfatz, Gesetz fertig, schönen Urlaub? Besser nicht. Wenn die Ampel versucht, durch einen erneuten Schnellschuss ihre Schlappe lediglich zu kaschieren, rennt sie ins nächste Desaster. Eine Sondersitzung des Bundestages wäre wegen Aufwand und Kosten, aber vor allem wegen des politischen Signals, eigentlich nichts aus dem Karlsruher Urteil gelernt zu haben, ein verheerendes Signal. Es reicht, das Gesetz im September wieder aufzurufen, allein schon weil die Koalition die konkreten Fördersätze für den Heizungsumbau auch erst im Herbst beschließen will. Lieber mehr endgültige Klarheit auf einmal, als scheibchenweise Klarheit, die sowieso keine drei Tage hält.
Karlsruhe hat nicht nur eine Gesetzgebung gestoppt
Olaf Scholz, Robert Habeck und Christian Lindner und der Rest der Koalition müssen begreifen, dass Karlsruhe viel mehr gestoppt hat, als nur ein formales Gesetzgebungsverfahren. Die ganze Art der Ampel, Politik zu machen, muss jetzt einmal grundlegend überprüft werden. Denn die Lektion aus dem bisherigen Verfahren beim Heizungsgesetz ist doch, dass eine Mehrheit im Parlament nicht gleichbedeutend ist mit einer Mehrheit bei den Bürgerinnen und Bürgern. Es hilft nichts, sich dauernd selbst dafür zu loben, dass man in den existenziellen Fragen von Klimaschutz und Energieversorgung endlich handelt, wenn man die richtige Politik durch falsches Verhalten fortwährend konterkariert und damit sogar gefährdet. SPD, Grüne und FDP sind dabei, die große Chance für eine Modernisierung zu versemmeln, weil sie den Beharrungskräften mit handwerklichem Murks und arrogantem Verhalten ständig in die Karten spielen.
Am besten würde die Ampel die Sommerpause nutzen, sich über sich selbst klar zu werden. Diese Regierung sollte jetzt einmal mehr Demut wagen. Das fängt beim Kanzler an, der sein Konfliktmanagement prüfen muss und die Frage, ob es jedes Mal bis zum Äußersten kommen muss. Irgendwann geht womöglich sogar im Kanzleramt das Briefpapier aus. FDP und Grüne müssen sich endlich aus ihrem von Fouls und Revanchefouls dominierten "Wie-Du-mir-so-ich-Dir"-Modus befreien. Und die Koalition insgesamt muss ihren überheblichen Habitus ablegen, mit dem sie die richtige Politik falsch verkauft, weil sie behauptet, im Besitz der alleinseligmachenden Wahrheit zu sein. Und das gilt nicht nur für die Grünen.
Die Selbstverzwergung der Union
Und die Opposition? Thomas Heilmann war im Alleingang vor Gericht gezogen. Der Mann ist Jurist, war vier Jahre lang Justizsenator in Berlin. Er verfasste seine Schriftsätze selbst. Heilmann klagte aber nicht nur ohne Bevollmächtigten in Karlsruhe, sondern auch ohne den Rückhalt seiner Unions-Fraktion. Im Gegenteil: Misstrauisch beäugten CDU und CSU die Aktivitäten des Einzelgängers. Denn hätte er verloren, so die Sorge, hätte Karlsruhe dem Eiltempo der Koalition den Stempel verpasst: Geprüft und für gut befunden.
Das wollten Friedrich Merz und Co natürlich nicht. Das aber heißt nichts anderes, als dass sie das politische Kalkül über ihr eigenes Recht als Abgeordnete gestellt haben. Parlamentarisches Selbstbewusstsein sieht anders aus. Die Union, die nun ihren Einzelkämpfer Heilmann feiert, hat sich mit ihrer Feigheit, als Fraktion nach Karlsruhe zu ziehen, selbst verzwergt. Deshalb sollte Friedrich Merz auch nur ganz leise jubilieren.