Foto: dpa Picture-Alliance data-portal-copyright=© Bereitgestellt von Wirtschaftswoche
Deutsche Unternehmen zahlen die höchsten Steuern, Singles haben die zweithöchste Abgabenbelastung im Industriestaatenvergleich. Die Wirkung ist leistungsfeindlich. Das räumt nun sogar die Bundesregierung ein.
Der Standort Deutschland ist aus steuerpolitischer Sicht eine Katastrophe. Darauf lassen Daten schließen, die das Bundesfinanzministerium in einer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der CDU/CSU-Bundestagsfraktion beilegt. Die Steuerquote für deutsche Unternehmen lag demnach bei 30 Prozent – das bedeutet einen Spitzenplatz in einer Gruppe von 33 Industriestaaten.
Für die schwächelnde, inzwischen in eine Rezession gerutschte Wirtschaft sei das ein Problem, räumt das FDP-geführte Bundesfinanzministerium ein: „Die im internationalen Vergleich hohe Unternehmenssteuerbelastung hat Auswirkungen auf die internationale Wettbewerbsfähigkeit.“
Lesen Sie auch: Wo bliebt das neue deutsche Wirtschaftswunder?
Teilweise 35 Prozent Steuern – Skandinavien liegt bei 20 bis 22 Prozent
Die bereits hohe 30-prozentige Steuerlast für deutsche Unternehmen, die aus der Übersicht des Ministeriums hervorgeht, ist dabei nur ein Durchschnittswert. In Städten mit hohen Gewerbesteuersätzen wie Berlin oder Oberhausen steigt die Steuerquote für dort ansässige Unternehmen sogar auf bis zu 35 Prozent. Sie haben es gegenüber der internationalen Konkurrenz besonders schwer. So mussten laut Auflistung des Bundesfinanzministeriums (Stand 2021) Unternehmen aus den USA (New York), Kanada und Frankreich etwa 26 Prozent zahlen. Viele osteuropäische Länder liegen unter 20 Prozent, die skandinavischen Staaten kassieren von ihren Unternehmen zwischen 20 und 22 Prozent.
Teurer sind laut BMF im statistischen Mittel nur noch Japan mit gut 30 Prozent und Malta mit nominal 35 Prozent; auf der Mittelmeerinsel bekommen aber die Firmen üblicherweise einen Großteil der Steuern rückerstattet. An der Tatsache, dass Deutschland Höchststeuerland ist, ändert sich auch durch die Einführung der globalen Mindeststeuer von 15 Prozent wenig – auch wenn das Bundesfinanzministerium darauf hinweist. Denn auch dann liegt die Steuerlast für Unternehmen in Deutschland doppelt so hoch wie diese neue Benchmark für Niedrigsteuerländer.
Singles ziehen hier den Kürzeren
Nicht besser sieht es in Deutschland für Arbeitskräfte aus, wenn sie sich auf der Lohnsteuerkarte als Singles ausweisen. Ein-Personen-Haushalte hätten laut OECD-Berechnungen die zweithöchste Abgabenbelastung aller verglichenen Industrieländer, schreibt das Finanzministerium in seiner Antwort auf die CDU/CSU-Anfrage. Deutsche Singles müssen fast die Hälfte ihres Einkommens an Fiskus und Sozialkassen abgeben, im Nachbarland Schweiz sind es keine 25 Prozent. Im Kampf um junge Talente zieht Deutschland einmal mehr den Kürzeren.
Dass Steuersenkungen eine belebende Wirkung sowohl für die Wirtschaft als auch für den Arbeitsmarkt hätten, bestreitet das Bundesfinanzministerium gar nicht. Im Gegenteil: Unternehmen würden an „preislicher Wettbewerbsfähigkeit“ gewinnen. „Das kann die Investitionstätigkeit und Innovationskraft der Unternehmen stärken.“ Weiter: „Auf Seiten der Bürgerinnen und Bürger erhöht eine sinkende Abgabenbelastung die Nettolöhne und schafft Anreize zur Beschäftigungsaufnahmen oder auch zur Verschiebung des Ruhestands.“
Damit ließe sich eine positive Spirale in Gang bringen, so das Finanzministerium weiter: „Eine Beschäftigungsausweitung und höhere Investitions- und Konsumtätigkeit dürften für sich genommen zu einem Anstieg von Steuer- und Sozialbeitragseinnahmen und ggfs. Minderausgaben in der Grundsicherung für Arbeitssuchende und in der Arbeitslosenversicherung führen.“
Christian Lindner muss herumdrucksen
Warum aber senkt die Bundesregierung dann nicht die Steuern? Verdruckst räumt das FDP-geführte Finanzministerium ein, dass Steuersenkungen zu Mindereinnahmen für den Staat führen würden. Zumindest kurzfristig, ohne Berücksichtigung der positiven Effekte. Zudem muss Finanzminister Christian Lindner als Mitglied der Ampelregierung vorsichtig agieren. Er selbst würde gern wollen, darf aber die roten und grünen Partner nicht zu sehr reizen. So bleibt das Finanzministerium zunächst vage, etwa mit der Aussage: „Die Bundesregierung arbeitet kontinuierlich daran, die Investitionsbedingungen für Unternehmen zu verbessern.“
Darüber kann sich der CDU-Finanzpolitiker Fritz Güntzler nur wundern: „Im ersten Halbjahr 2023 hat die Ampel kein einziges Steuergesetz mit Verbesserungen vorgelegt. Es herrscht steuerpolitischer Stillstand.“
Lesen Sie auch: Mehr als 18 Millionen Singles gibt es in Deutschland, viele sind Leistungsträger, Gutverdiener, üppige Steuerzahler. Die Politik braucht sie dringend – und ignoriert sie trotzdem.