Bund und Länder verhandeln erneut über die Krankenhausreform von Gesundheitsminister Lauterbach. Markus Horneber, Vorstandschef von Deutschlands größtem konfessionellen Krankenhausträger, sieht darin einen perfiden Plan. Im WELT-Gespräch fordert er mehr Ehrlichkeit zu den Folgen.
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Mit bundesweit 20 Krankenhäusern und rund 22.000 Mitarbeitern ist Agaplesion der größte konfessionelle Krankenhausträger Deutschlands. Markus Horneber ist seit elf Jahren Vorstandschef der gemeinnützigen Aktiengesellschaft. Derzeit muss er die Kliniken des Unternehmens durch ein schwieriges wirtschaftliches und politisches Umfeld führen.
Die Inflation trifft konfessionelle Kliniken wie jene von Agaplesion besonders hart, da sie im Gegensatz zu kommunalen Krankenhäusern Verluste nicht durch die öffentliche Hand ersetzt bekommen. Neben der Teuerung hat Horneber mit den politischen Rahmenbedingungen zu kämpfen.
Durch die Krankenhausreform von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) befürchtet Horneber eine schlechtere Behandlungsqualität für Patienten. Von Lauterbach fordert er mehr Ehrlichkeit über die tatsächlichen Folgen der Reform.
Markus Horneber: Die Lage ist tatsächlich prekär. Die Vergütung unserer Leistungen durch die Krankenkassen deckt die gestiegenen Kosten nicht ab. Die Lücke zwischen den Zahlungen der Krankenkassen und der Inflation beträgt in unseren 20 Kliniken rund vier Prozent.
Die Energiekosten sind dabei noch unser geringstes Problem. Denn diese machen von den Gesamtkosten von Agaplesion gerade einmal 1,5 Prozent aus. Dass Herr Lauterbach den Kliniken nun die zusätzlichen Energiekosten ersetzen will, reicht einfach nicht.
WELT: Welche Auswirkungen wird die Kostenlawine für die Kliniken von Agaplesion haben? Rechnen Sie mit Insolvenzen von einzelnen Ihrer Krankenhäuser?
Markus Horneber ist Vorstandsvorsitzender der Agaplesion gAG Agaplesion gAG© Bereitgestellt von WELT
Horneber: Die derzeitige Situation führt bei uns direkt in den Verlust. Unsere Gewinnmarge lag in der Vergangenheit bei circa einem Prozent und dieses Geld floss direkt in unsere Kliniken. Im Gegensatz zu privaten Krankenhausbetreibern streben wir auch keinen höheren Gewinn an. Während kommunale Kliniken und auch Universitätskliniken ihre Defizite über Steuereinnahmen decken können, bleiben wir auf unseren Verlusten sitzen.
Darin liegt eine erhebliche Wettbewerbsverzerrung. Momentan kommt uns zugute, dass wir unsere Verluste über unsere Altenhilfe ausgleichen können, die gerade in einer besseren Refinanzierungssituation ist. Zudem haben wir einen sehr gut organisierten Einkauf, der auch für andere Kliniken tätig ist. Dieser Einkauf hilft uns gerade, die gestiegenen Kosten auszugleichen.
WELT: Am 29. Juni tagt erneut das Bund-Länder-Treffen zur Krankenhausreform. Welche Erwartungen stellen Sie daran?
Horneber: Ich habe den Eindruck, dass die Krankenhausreform aus dem Bundesgesundheitsministerium insgesamt in eine falsche Richtung führt. Daran wird auch dieses Treffen nichts ändern. Mich stört, dass überhaupt nicht mehr darüber diskutiert wird, wie sinnvoll die Vorschläge der Reformkommission überhaupt sind. Stattdessen dreht sich die Diskussion nur noch um die Ausgestaltung dieser Reformvorschläge. Was mich aber am meisten an dieser Reform stört, ist die Kommunikation des Bundesgesundheitsministers.
Es ist klar, dass durch diese Reform Krankenhäuser schließen werden. Aber niemand aus dem Ministerium redet mit den Klinikträgern darüber, welche Krankenhäuser schließen und welche erhalten bleiben sollen. Ich appelliere für mehr Ehrlichkeit in dieser Diskussion.
WELT: Welche Folgen wird die Krankenhausreform für die Kliniken von Agaplesion haben?
Horneber: Diese Reform wird für Patienten zu einer schlechteren Behandlungsqualität und längeren Wartezeiten führen. Zudem können sich Patienten in Deutschland bislang aussuchen, in welcher Klinik sie sich behandeln lassen. Diese Wahlfreiheit wird durch die Reform drastisch eingeschränkt. Wenn bestimmte Leistungen etwa nur noch von Unikliniken erbracht werden dürfen, muss man sich als Patient eben auch dort behandeln lassen.
Das ist eine eindeutige Verschlechterung für Patienten. Man muss nur nach England und auf die dortigen Wartezeiten in Kliniken blicken, um zu wissen, was in Deutschland auf uns zukommt. Herr Lauterbach behauptet zwar immer, dass die Reform die Qualität der Behandlung verbessern würde. Passieren wird aber genau das Gegenteil. Die Qualität der Behandlung wird zurückgehen.
WELT: Gleichzeitig hat Deutschland mit rund 1900 Krankenhäusern laut vielen Beobachtern ein Überangebot an Kliniken. Wäre es nicht sinnvoll, einige davon zu schließen, und die Patientenströme gezielter zu steuern?
Horneber: Das stimmt. Es gibt momentan zu viele Krankenhäuser. Wir bei Agaplesion haben deshalb bereits rund zehn Kliniken zusammengelegt. Insgesamt rechne ich damit, dass 200 bis 300 Kliniken schließen müssen. Die Bundesländer, die für die Struktur der Krankenhäuser verantwortlich sind, könnten hier sehr viel stärker wirken.
Das haben die Länder aber nicht gemacht. Und deshalb macht der Bund jetzt eine Art Ersatzvornahme und versucht über absurde Regelungen jene Krankenhäuser vom Netz zu nehmen, die einfach nicht über genügend Liquidität verfügen. Das ist der Plan, der hinter dieser Krankenhausreform steckt. Und das ist, wenn sie mich fragen, ein ziemlich perfider Plan.