Staatssekretär Patrick Graichen soll im Wirtschaftsausschuss Rede und Antwort stehen IMAGO/photothek© IMAGO/photothek
Habecks Staatssekretär Patrick Graichen soll am Mittwoch im Wirtschaftsausschuss Rede und Antwort stehen. Es geht um einen krassen Fall von Vetternwirtschaft. Doch es kommt wohl anders. Hinter den Kulissen lassen die Ampel-Parteien ihre Muskeln spielen.
Stell dir vor, es ist Showdown – und die Öffentlichkeit ist erstmal außen vor. Das ist die Ausgangslage an diesem Mittwoch im Wirtschaftsausschuss des Bundestags. Die Sitzungen der insgesamt 25 ständigen Ausschüsse, die auch als Werkstätten des Parlaments bezeichnet werden, finden für gewöhnlich hinter verschlossenen Türen statt. Berichterstatter und Bürger haben hier keinen Zutritt.
Thema am 10. Mai ist nicht das von 78 Prozent der befragten Bundesbürger (Forsa) abgelehnte Heiz-Gesetz, als dessen Architekt der langjährige Geschäftsführer des Öko-Thinktanks Agora Energiewende, Patrick Graichen, gilt, sondern vor allem dessen Rolle bei der Neubesetzung des Chefpostens bei der Deutschen Energie-Agentur (dena).
Unter 18 Bewerbern fiel hier ausgerechnet die Wahl auf Michael Schäfer. Zweifellos ein Fachmann, doch eben auch der Trauzeuge von Graichen, der wiederum als Staatssekretär am Auswahlverfahren beteiligt war, was selbst Habeck mittlerweile als „Fehler“ wertet.
Graichen und Habeck werden wohl nicht getrennt voneinander befragt
Um Punkt 12 Uhr sollen laut unseren Recherchen Habeck und Graichen gemeinsam und eben nicht getrennt voneinander aussagen. Ob und wie genau eine Zusammenlegung zweier Ausschüsse möglich ist, dazu gibt es im politischen Berlin unterschiedliche Auffassungen. Fest steht: Ein außergewöhnlicher Vorgang ist es allemal.
Die wirtschaftspolitische Sprecherin der Union, Julia Klöckner, spricht in „Bild“ bereits von unwürdigen Tricksereien und wirft auch auf Twitter die Frage auf, ob „jemand bei den ehemaligen Freunden der Transparenz Sorge vor zu viel Transparenz“ hat. „Oder traut er seinem Staatssekretär nicht, dass er auch ohne seinen Chef die richtigen Antworten gibt?“ Aus der Union kommt zudem die Kritik, dass damit die Fragezeit reduziert werde.
Wirtschaftsausschuss-Chef Grosse-Brömer erwartet Aufklärung von Graichen und Habeck
Der Vorsitzende des Wirtschaftsausschusses, Michael Grosse-Brömer (CDU), lehnt eine Zusammenlegung jedenfalls ab. Entschieden werden soll über das neue Vorgehen dann kurz nach Beginn der beiden Sitzungen.
Doch so wie es aussieht, bleibt Grosse-Brömer wohl keine Wahl als mit Klaus Ernst (Linke), dem Vorsitzenden des Klimaschutz-und-Energie-Ausschusses, vorübergehend ein Tandem zu bilden, sollten die Ausschussmitglieder der Ampel-Parteien dafür votieren.
Was der CDU-Politiker vom Auftritt der beiden hohen Herren aus dem BMWK erwartet, machte er gegenüber FOCUS online deutlich: „Von Staatssekretär Graichen und Bundesminister Habeck erwarte ich, dass beide endlich den notwendigen Überblick über die offenbar ausschließlich grün-ideologisch ausgerichtete Personalpolitik im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz geben.“
Denn diese Personalpolitik im Habeck-Ministerium endete wohl nicht nur bei direkten Familienmitgliedern, sondern erstreckte sich auch auf Trauzeugen und weit darüber hinaus, so Grosse-Brömer. „Das gesamte grüne Personalgeflecht muss aufgeklärt werden.“
„Wenn Moralapostel selber Probleme mit der Moral bekommen, wird es spannend“
Für ihn stellt sich zudem die Frage, „was Staatssekretär Graichen damit meint, wenn er sagt, er habe bei der Bestellung seines Trauzeugen für einen 180.000 Euro-Job nicht richtig aufgepasst. Meint er damit, dass er nicht richtig aufgepasst hat, weil das Trauzeugenverhältnis öffentlich wurde oder hatte er vergessen, dass Michael Schäfer sein Trauzeuge ist?“ Diese Aussage müsse Graichen ebenso erklären wie die Frage, ob die Zusammensetzung des Entscheidungsgremiums der dena von ihm beeinflusst wurde.
„Die Gesamtumstände sprechen dafür, dass bei dem gemischten Doppel Graichen und Habeck im Ministerium offenbar nicht wirtschaftspolitische Fachkompetenz im Vordergrund steht, sondern vielmehr die aus ihrer Sicht richtige, grüne Ideologie und enge freundschaftliche sowie familiäre Verbindungen“, betont Grosse-Brömer. Nur so seien auch Gesetze wie das Gebäudeenergiegesetz zu erklären, das die Menschen finanziell überfordere und völlig an der Lebensrealität vorbeigehe.
„Einmal mehr zeigt sich: Wenn Moralapostel selber Probleme mit der Moral bekommen, wird es spannend“, so der CDU-Politiker.
Während die Grünen-Obfrau im Wirtschaftsausschuss, Melis Sekmen, zu keiner Stellungnahme gegenüber FOCUS online bereit war, betonte FDP-Obmann Reinhard Houben: „Ich erwarte von Herrn Graichen einen Gang nach Canossa.“ Dieser müsse nun zweifelsfrei den Vorwurf ausräumen, weitere problematische Personal- oder Finanzentscheidungen getroffen zu haben.
Schon jetzt ist klar: Dieser Mittwoch wird ein spannender in Berlin.