Die Grenze, die traditionell zwischen Partei und Staat verläuft, hat sich verschoben. Verantwortlich dafür sind zwei Spitzengrüne, die beiden Minister Robert Habeck und Annalena Baerbock. Ist das gut für unser Gemeinwesen?
Außenministerin Baerbock und Wirtschaftsminister Habeck bei einer Kabinettssitzung im Kanzleramt IMAGO/Frank Ossenbrink© IMAGO/Frank Ossenbrink
Robert Habeck beschäftigt zwei schlagkräftige und kampagnenerfahrene Männer als beamtete Staatssekretäre, die davor Lobbyisten waren. Einem weiteren hat er einen einflussreichen Job verschafft – bei der Bundesnetzagentur. Auch Annalena Baerbock beschäftigt eine Ex-Lobbyistin als beamtete Staatssekretärin.
Einer von Habecks Parlamentarischen Staatssekretären, Michael Kellner, ist mit der Schwester eines seiner beamteten Staatssekretäre Patrick Graichen, verheiratet. Sie arbeitet bei einer einflussreichen Lobby-Organisation, dem Öko-Institut. Habeck wird darin „Vetternwirtschaft“ oder ein „Clan“-Gebaren vorgeworfen. Die Opposition fordert Aufklärung.
Darf sich Habeck so verhalten, wie er sich verhält?
Eine Frage bei der Transparenz-Initiative Abgeordnetenwatch nach den neuen Referatsleitern, die Habeck ohne Ausschreibung persönlich besetzte, lässt der Bundeswirtschaftsminister unbeantwortet, wie 95 Prozent der übrigen Fragen dort. Habeck bekennt sich bei Abgeordnetenwatch zur besonderen Transparenz. Anti-Korruption in öffentlichen Ämtern ist eines der Grundanliegen der Grünen, schon seit deren Gründungszeit.
Wenn Habeck Lobbyisten bei sich im Wirtschaftsministerium anstelle, sei dies „nicht verwerflich“, urteilt der Verwaltungsrechtler. Habeck mache, was in den USA längst gang und gäbe sei. „Dort gibt es immer mehr so genannte Think-tanks, die nichts anderes sind als Lobby-Organisationen, allerdings, auf hohem intellektuellen Niveau.“ Als Politiker auf diesen oft hohen Sachverstand zurückzugreifen, sei „nicht zu verurteilen“, so der langjährige Experte für Öffentliche Verwaltung. Das müsse allerdings offengelegt werden – „was aber Habeck getan hat“.
Anders beurteilt Battis, wenn bei öffentlicher Auftragsvergabe oder bei Anstellungsverhältnissen Verwandtschaft eine Rolle spiele. „Die klassische Form der unsachlichen Personalpolitik ist der Nepotismus. Verwandtschaftsverhältnisse führen in der Regel zu Befangenheit, und das ist problematisch, erst recht im Öffentlichen Dienst“. Aber auch hier müsse der Einzelfall beurteilt werden. „Wenn der Grund für eine Anstellung oder eine Auftragsvergabe das Verwandtschaftsverhältnis ist, dann kann man das nur ablehnen.“
Die Beschäftigung von Lobbyisten als Staatsdiener ist in Deutschland ein Novum
Habeck steht wegen des Vorwurfs der Vetternwirtschaft mehr als ohnehin schon unter besonderer Beobachtung. Dass der Grund für die Vergabe von Aufträgen etwa für Gutachten ein Verwandtschaftsverhältnis ist, konnte Habeck bisher nicht nachgewiesen werden.
Das ist auch einer der Gründe, weshalb das Thema Regierungsführung bislang bei den Ampelparteien keine Rolle spielt. Die Beschäftigung von Lobbyisten als Staatsdiener ist in Deutschland ein Novum, erst recht, sie zu Spitzenbeamten zu machen. Das deutsche Beamtenrecht verpflichtet die Staatsdiener nicht nur zur Loyalität, sondern auch zu politischer Neutralität. Geregelt ist das im Beamtenstatus-Gesetz. Dort heißt es in Paragraph 33:
„(1) Beamtinnen und Beamte dienen dem ganzen Volk, nicht einer Partei. Sie haben ihre Aufgaben unparteiisch und gerecht zu erfüllen und ihr Amt zum Wohl der Allgemeinheit zu führen. Beamtinnen und Beamte müssen sich durch ihr gesamtes Verhalten zu der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen und für deren Erhaltung eintreten.
(2) Beamtinnen und Beamte haben bei politischer Betätigung diejenige Mäßigung und Zurückhaltung zu wahren, die sich aus ihrer Stellung gegenüber der Allgemeinheit und aus der Rücksicht auf die Pflichten ihres Amtes ergibt.“
Ob man dem grünen Staatspersonal die Neutralität abnehmen kann, ist mehr oder weniger Glaubenssache
Ob jemand, der jahrelang (Öko-)Lobbyist war, in ein hohes Staatsamt wechseln kann, ist im Beamtenrecht nicht ausdrücklich geregelt. Der Sinn des Berufsbeamtentums ist jedoch, dass die Bürger sich darauf verlassen können, dass Staatsdiener sich überparteilich verhalten. Und nicht nur da sind für einen besonderen Bürger, ihren Minister, sondern für alle. Staatssekretär ist jedenfalls die höchste Stufe, die ein Beamter erreichen kann.
Vom Cheflobbyisten einer Öko-Vereinigung, die ihren Zweck schon im Namen – Agora-Energiewende – trägt, bis zum parteipolitisch neutral agierenden Spitzenbeamten in einem Bundesministerium ist es ein weiter Weg. Das gilt nicht nur für Patrick Graichen, sondern auch für Sven Giegold, der die antikapitalistische Organisation Attac mitgründete. Und erst Recht für Jennifer Morgan, die Greenpeace führte, bevor sie als Spitzenbeamtin bei Annalena Baerbock im Auswärtigen Amt anfing.
Ob man dem grünen Staatspersonal die Neutralität abnehmen kann, ist mehr oder weniger Glaubenssache.