Die Ampel-Regierung will die LKW-Maut erhöhen. Außenministerin Baerbock sagte dazu in einem Interview, die LKW-Branche habe „deutlich damit begonnen“, alternative Antriebe zu benutzen. FOCUS online macht den Realitäts-Check.
Elektro-LKW an Schnellladestationen XH4D / Getty Images / iStock© XH4D / Getty Images / iStock
Wärmepumpen-Förderung, weniger Auflagen für die Windindustrie, höhere CO2-Steuern, mehr Geld für die Bahn: Die Ampel-Koalition hat in einer Marathon-Sitzung neue Pläne beschlossen, um die von ihr gesetzten Klima-Ziele zu erfüllen. Ein Baustein dafür soll mehr Güterverkehr auf der Schiene sein. Investitionen in die Bahn könnten unter anderem durch eine Erhöhung der LKW-Maut finanziert werden, die um einen CO2-Zuschlag ergänzt werden soll. Vom 1. Januar 2024 an wird dann zur regulären Maut, die zu Jahresbeginn bereits erhöht wurde, ein CO2-Aufschlag von 200 Euro für jede ausgestoßene Tonne CO2 erhoben.
Weniger LKW-Verkehr, mehr Bahnverkehr?
Dass die LKW- und Speditionslobby von einer Mauterhöhung generell wenig begeistert ist und um ihr Geschäft fürchtet, ist erwartbar. Auf die Palme bringt die Brummi-Branche allerdings etwas anderes: Die Vorstellung der Bundesregierung für die sogenannte Antriebswende beim LKW entspricht bei näherer Betrachtung nicht ansatzweise der Realität auf deutschen Straßen.
Aktuelle Zahl schwerer Elektro-LKW: 173
Als Argument für die neue LKW-Maut sagte Außenministerin Annalena Baerbock kürzlich in einem Interview mit dem Deutschlandfunk , dass die Branche die Kosten nicht auf die Verbraucher umlegen würde, unter anderem deshalb, weil sie bereits auf elektrische Antriebe umsteige: „Wir sehen ja auch im LKW-Bereich, dass bereits deutlich damit begonnen wurde, andere Antriebe zu benutzen“, so Baerbock wörtlich.
Doch was bedeutet „deutlich damit begonnen“ in der Praxis? Der Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) teilt FOCUS online dazu auf Anfrage mit: „Toll-Collect meldete uns Ende Januar 173 mautbefreite Elektro/Wasserstoff-Lkw. Das wären bezogen auf die rund 800.000 Lkw, die täglich in Deutschland unterwegs sind, etwa 0,02 %.“ Bis 2025, so die Schätzungen des Verbandes, werde der Anteil mautbefreiter Elektro-LKW bei einem Prozent liegen - je nachdem, wie schnell der Ladenetz-Ausbau vonstatten gehe und wieviele Elektro-LKW die Branche überhaupt produzieren könne. Mit anderen Worten: Auch Mitte des Jahrzehnts dürften fast alle schweren LKW auf deutschen Straßen weiter mit Dieselmotor oder anderen nicht-elektrischen Antrieben unterwegs sein. Da die neue LKW-Maut aber im Januar 2024 greift, wird also auch für fast alle LKW-Transporte die CO2-Strafsteuer fällig.
Spediteurs-Verband sieht „Milliardenlast“ für Verbraucher
Für BGL-Vorstandssprecher Professor Dirk Engelhardt ist damit sicher, wer die Mauterhöhung unterm Strich bezahlen wird: „Ideologische Politik fernab jeglicher Realität führt dazu, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher in Deutschland zusätzlich zur bereits bestehenden Inflation auch noch die Milliardenlast der CO2-Maut aufgeschultert bekommen“, so Engelhardt zu FOCUS online. Er geht zudem davon aus, dass auch die Umstellung auf neue Antriebe beim Steuerzahler „hängenbleibt“ , weil Elektro-LKW noch erheblich teurer seien als ihre Diesel-Pendants und wegen der schweren Batterien auch weniger Nutzlast hätten: „Finanzielle Unterstützung für Betreiber von Lkw mit alternativen Antrieben ist für deren Wettbewerbsfähigkeit elementar, da diese viel teureren Fahrzeuge über eine ganze Reihe von Jahren zeitlich parallel zu den weniger kostenintensiven Diesel-Lkw am Markt bestehen müssen", so Engelhardt.
Bahnchef erhofft sich Modernisierungsschub
Außenministerin Baerbock geht derweil nicht davon aus, dass der Verbraucher am Ende die Zeche zahlen könnte. „Manche Unternehmen fangen es auch dadurch auf, dass sie sagen, wir geben es nicht weiter, weil wir dann für unsere Produkte einen entsprechenden Wettbewerbsvorteil haben“, so Baerbock im „Deutschlandfunk“, „wir beschleunigen den Wechsel, den es auch im LKW-Bereich sowieso gegeben hätte. Auch der soll schneller werden“.
Deutsche-Bahn-Chef Richard Lutz hält die Entscheidung der Ampel ebenfalls für richtig: „Jetzt sind die Voraussetzungen geschaffen, gemeinsam mit unseren Partnern aus Branche und Industrie unsere veraltete und störanfällige Schieneninfrastruktur konsequent zu modernisieren und zu digitalisieren", sagte Lutz dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Veranschlagt werden 45 Milliarden Euro Investitionsbedarf bis 2027, den zum größten Teil die neue Maut decken soll. Auch Umweltverbände begrüßten eine Priorisierung der Schiene im Bahnverkehr.