Uneinig: Faeser, Lindner und Habeck im Bundestag© Omer Messinger
Eigentlich sollten die Eckwerte für den Haushalt 2024 am Mittwoch im Kabinett beschlossen werden. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) ließ den Termin jedoch platzen, weil er sich mit seinen Kollegen nicht einigen konnte. Die Fachminister hatten Zusatzwünsche von rund 70 Milliarden Euro angemeldet, für die der Finanzminister keinen Spielraum sieht.
Seither machen sich die Ampelparteien gegenseitig Vorwürfe, falsche Schwerpunkte zu setzen und überzogene Forderungen zu erheben. Dabei geht es um die Sache; die persönlichen Verhältnisse der FDP-Minister mit ihren Ampelkollegen seien absolut intakt, hört man aus den FDP-geführten Ministerien. Aber in Geldfragen treffen eben sehr unterschiedliche Auffassungen aufeinander, gerade zwischen Grünen und Liberalen.
Was ist Lindners Standpunkt?
Was bedeutet die Zinswende für den Bundeshaushalt?
Lange Zeit waren die Zinsausgaben des Bundes ein politisch besonders angenehmer Haushaltsposten: Sie sanken von Jahr zu Jahr – und bescherten damit der Regierung laufend zusätzliche Spielräume für andere Ausgaben. Doch das ist vorbei: Im Haushalt für 2023 macht der Schuldendienst knapp 40 Milliarden Euro aus. Das ist zehnmal so viel wie 2021 und zugleich fast doppelt so viel wie der gesamte Etat für Bildung und Forschung. Selbst 2013, kurz nach der Finanzkrise, musste die Bundesregierung „nur“ 31,3 Milliarden Euro für Zinsen ausgeben. Seither kamen stets zwei günstige Faktoren zusammen: sinkende Zinsen und ein sinkender Schuldenstand des Bundes. Doch seit den Verwerfungen durch Pandemie und Ukrainekrieg wirken steigende Zinsen und der gestiegene Schuldenstand mit vereinten Kräften in die Gegenrichtung und treiben die Zinsausgaben in den kommenden Jahren eher noch weiter hoch. (dc.)
Was kostet die Zeitenwende das Verteidigungsressort?
In keinem Ressort soll sich die Zeitenwende so deutlich zeigen, wie im Verteidigungsministerium. In keinem Ressort gibt es aber auch mehr zu tun – und auszugeben. Denn gerade hätte Deutschland keine Streitkräfte, „die verteidigungsfähig sind“, sagte der neue Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) vor wenigen Tagen – „also verteidigungsfähig gegenüber einem brutal geführten Angriffskrieg“. Damit hat der Sozialdemokrat noch einmal klargestellt, von welchem Punkt aus er startet mit der Bundeswehr und seinem Ministerium. Dass es mit den 100 Milliarden Euro des Sondervermögens nicht getan ist für die nächsten Jahre, hat er auch schon klar gemacht. Schon weil das – bislang noch klar verfehlte – Zwei-Prozent-Ziel der NATO künftig nicht nur Ziel sein soll, sondern die Basis für alles weitere. Zehn Milliarden Euro mehr soll sein Haus daher in den Verhandlungen gefordert haben.
Im Einzelplan 14 stehen für den Verteidigungshaushalt in diesem Jahr noch 50,1 Milliarden Euro bereit, von denen aber nur etwa zehn Milliarden Euro für „rüstungsinvestive“ Maßnahmen gedacht sind – also unter anderem den Kauf von Munition oder die Investition in die Großraumtransportflugzeuge A400M. Hinzu kommen 8,4 Milliarden Euro aus dem Sondervermögen in diesem Jahr, die für den Kauf von F35-Kampfflugzeugen bis hin zur Schutzausrüstung von Soldaten vorgesehen sind. Allerdings waren davon bis Ende Februar deutlich weniger als eine Milliarde Euro auch schon ausgegeben worden. Klar ist für Pistorius aber auch, dass die Bereitschaft für immer mehr Geld für die Bundeswehr gerade auch in seiner Partei endlich ist. Der Wunsch nach mehr Ausgaben für Soziales, allen voran der Kindergrundsicherung, ist nicht zu überhören. (mawy.)
Was kostet die Kindergrundsicherung?
Die Kindergrundsicherung ist die wichtigste sozialpolitische Reform der Ampelkoalition. Im Koalitionsvertrag steht, dass diese Leistung „ohne bürokratische Hürden direkt bei den Kindern ankommen und ihr neu zu definierendes soziokulturelles Existenzminimum sichern“ soll. Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) hat zwölf Milliarden Euro dafür beantragt. Das Familienministerium will Familien über einen „Kindergrundsicherungs-Check“ aktiv darauf hinweisen, dass sie möglicherweise Ansprüche auf Zahlungen haben. Finanzminister Lindner rechnet mit deutlich geringeren Kosten.
„Es gibt Einvernehmen, dass wir die den Kindern zustehenden Leistungen automatisiert, digitalisiert zur Verfügung stellen“, sagte Lindner. Die Bewilligungen für die berechtigten Familien zu automatisieren und in einem leicht zugänglichen Portal bereitzustellen, kostet seinen Berechnungen nach zwei bis drei Milliarden Euro. Gebündelt werden sollen in einem „Kinderchancenportal“ nach Auffassung der FDP Kindergeld, Kinderzuschlag und finanzielle Unterstützung für Klassenfahrten. Der FDP-Abgeordnete Markus Herbrand sieht den Vorteil des digitalen „Kinderchancenportals“ darin, dass Eltern erschwert wird, das Geld für „eigene Bedürfnisse wie beispielsweise Alkohol oder Zigaretten“ zu verwenden. (oll.)
Wie viel braucht Habeck für die Zeitenwende im Energiesektor?
Noch will Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck (Grüne) keine Zahl nennen, wie viel Geld er für das geplante Förderprogramm zum Heizungstausch haben will. Aber nach der Aufregung der vergangenen Tage über das Verbot neuer Gas- und Ölheizungen von 2024 an und die verschärfte Tauschpflicht für alte Heizungen ist klar: Das Programm macht die Haushaltsverhandlungen nicht einfacher. Zwar sollen aus dem Klima- und Transformationsfonds bis 2026 knapp 180 Milliarden Euro in die ökologische Transformation fließen. Das Geld ist aber großteils schon verplant. Für energetische Gebäudesanierungen sind rund 13 Milliarden Euro im Jahr vorgesehen. Schon das könnte nicht reichen, hat die Zahl der Anträge doch zuletzt deutlich zugenommen. Habeck will jetzt die Fördermittel für den Heizungstausch von der Einkommenshöhe abhängig machen – ein Novum. Nur wer sich die politisch erwünschte Wärmepumpe samt Sanierung nicht aus eigener Kraft leisten kann, soll vom Staat Unterstützung bekommen. Wie das praktisch umgesetzt werden soll, ist noch völlig unklar – das zuständige Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle ist schon heute überlastet.
Vorangegangen war der Ankündigung Habecks ein Briefwechsel mit Lindner – ausgerechnet am Valentinstag. In seinem Brief machte Habeck „stellvertretend für die von den Grünen geführten Ministerien“ klar, dass aus seiner Sicht die verabredeten Ampelprojekte ebenso wichtig sind wie die von Lindner hochgehaltene Schuldenbremse. Da es noch keine Vorschläge gebe, wie man beide Ziele in Einklang bringe, lehnten die Grünen Lindners Haushalteckpläne ab. Sie schlagen vor, „die Einnahmen zu verbessern“, also wohl die Steuern zu erhöhen oder Subventionen wie das Dienstwagenprivileg und die Pendlerpauschale abzubauen. Die von den Liberalen gewünschte Aktienrente oder die Umsatzsteuerermäßigung für Gastronomen hält Habeck für verzichtbar. Zuletzt bemühte er sich, die Wogen wieder zu glätten. Lindners Verschiebung der Haushalteckpunkte sei zum einen „kein großes Drama“, zum anderen sei zumindest sein Haus nicht für „die hohen Forderungen ursächlich“, so Habeck. (itz./loe.)
Was beansprucht Wissing für den Verkehr?
Auch Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) pocht auf mehr Geld für sein Ressort, doch anders als seine Kabinettskollegen hat er seine Forderungen öffentlich noch nicht mit einem plakativen Preisschild versehen. Als Parteifreund hofft er womöglich, diskrete Kanäle effektiver bespielen zu können. Denn die Summen, die Wissing in den nächsten Jahren benötigt, sind gewaltig: Ähnlich wie bei der Bundeswehr gibt es vor allem im Schienennetz einen gewaltigen Investitionsstau. Über Jahrzehnte hinweg hat der Staat viel zu wenig Geld in die rund 34.000 Kilometer Gleise gesteckt. Schätzungen unter anderem von der Deutschen Bahn belaufen sich auf zwischen 140 bis 160 Milliarden Euro, die bis zum Jahr 2030 benötigt werden.
Damit müssten sich die jährlichen Investitionen mehr als verdoppeln. Zuletzt hat der Bund 9,1 Milliarden Euro in die Schiene gesteckt. Dabei ist vor allem ein Problem, dass das Geld nicht längerfristig verplant werden kann. Auch daran will Wissing etwas ändern, ihm geht es besonders um die mittelfristige Finanzplanung. Die von ihm beauftragte Beschleunigungskommission Schiene hat zuletzt angemahnt, zwei Fonds aufzulegen, die nicht nur mit einem Jahresetat befüllt werden sollen, sondern „überjährig“ zur Verfügung stehen. Das soll sicherstellen, dass die Bauunternehmen auch die notwendige Sicherheit für Investitionen in Personal und Automatisierung bekommen. (cbu.)
Wie will der Bundeskanzler den Laden zusammenhalten?
Nach Lindners überraschender Ankündigung, die Vorstellung des Haushaltsplans zu verschieben, gab Olaf Scholz (SPD) sich gelassen: Solche Verschiebungen seien in den letzten Jahren immer mal wieder vorgekommen, auch in seiner Zeit als Finanzminister. In einigen Situationen, vermuten manche, lasse er Streit zwischen den beiden kleineren Ampelpartnern auch mal bewusst laufen, damit er dann als Schlichter brillieren könne. Da Scholz weiß, dass die FDP jetzt mehr für ihr Profil tun muss als die Grünen, dürfte er aber bei seiner bisherigen Linie bleiben und Lindner nicht allzu sehr drängen, klein beizugeben. Allerdings dürfte der Ex-Finanzminister Scholz auch inhaltlich manches für den sparsameren Kurs des FDP-Chefs übrig haben.