Ministerinnen wie Annalena Baerbock haben ein Problem mehr als andere Kabinettsmitglieder. Denn wie keine andere Partei stehen die Grünen dafür, die CO2-Emissionen zu reduzieren. Gerade auch durch weniger Flüge. Einige Mitglieder fordern sogar das Verbot von Flugreisen innerhalb Deutschlands. So weit geht die Partei insgesamt zwar nicht, aber der grüne Mindestanspruch lautet: Es soll so wenig wie möglich geflogen werden.
Spitzenpolitiker wie Außenministerin Baerbock stellt das deshalb vor eine heikle Aufgabe, weil ihre Kalender in der Regel eng getaktet sind. Morgens hier, mittags da und abends dort sein zu müssen, ist häufig Alltag bei Spitzenpolitikern. Und das Spielfeld der Außenministerin ist qua Amt die ganze Welt. Zumal in Krisenzeiten.
Baerbock fliegt kaum Linie
Es war deshalb ein mehr als ambitioniertes Unterfangen, als Annalena Baerbock zu Beginn ihrer Amtszeit versprach, die schädlichen Emissionen ihres Jobs in Grenzen zu halten. Vor jeder Dienstreise, so die Zusage aus dem Auswärtigen Amt, solle künftig geprüft werden, ob statt der emissionsintensiven Flugbereitschaft der Bundeswehr auch eine Zugreise infrage komme. Oder wenigstens ein Linienflug.
Notorische Kritiker lästerten schon damals. Und waren durchaus überrascht, dass Baerbock sofort Ernst machte mit ihrem klimafreundlicheren Reise-Stil. Kurz nach ihrer Vereidigung im Dezember ging es zwar mit dem Flieger nach Paris, von dort fuhr sie allerdings mit dem Zug weiter nach Brüssel. Immerhin, ein Anfang schien gemacht.
Inzwischen ist die Außenministerin mehr als ein Jahr im Amt. Und es ist kein Zufall, dass man nicht mehr allzu viel von Baerbocks Bahnreisen gehört hat. Denn nun lässt sich nüchtern feststellen, dass tatsächlich nur dem Anfang ein Zauber innewohnte. Allen guten Vorsätzen zum Trotz ist die Außenministerin schnell auf den Boden der Tatsachen zurückgekehrt.
Nach Informationen von t-online legte Baerboeck in ihrem ersten Amtsjahr mehr als 100 Strecken zurück. Doch nur in den seltensten Fällen fuhr sie mit der Bahn oder nahm einen Linienflug.
Baerbock fährt kaum Bahn
Das geht aus einer Aufstellung des Auswärtigen Amts hervor, die t-online exklusiv vorliegt. Demnach flog Baerbock nur viermal Linie: Auf entsprechende Hin- und Rückflüge griff sie nur bei ihrem Antrittsbesuch in Spanien im Februar sowie bei der Generalversammlung der Vereinten Nationen in New York im September zurück.
Noch ernüchternder fällt die Bilanz beim Vorsatz aus, öfter mal die Bahn zu nehmen. Nur zweimal wählte Baerbock für die Strecke Paris-Brüssel den Zug. Einmal beim bereits erwähnten Antrittsbesuch im vergangenen Dezember, ein zweites Mal ein paar Wochen später für ein Treffen der EU-Außenminister. Weitere zwei Bahnreisen fielen nur noch bei ihren Besuchen im Mai und September in die Ukraine an. Aus Sicherheitsgründen fliegen Spitzenpolitiker seit Kriegsausbruch nicht mehr nach Kiew.
Und wie beurteilt das Auswärtige Amt das Auseinanderklaffen von Anspruch und Wirklichkeit in Sachen nachhaltigeren Reisen? Grundsätzlich würden weiter vor jeder Nutzung der Flugbereitschaft emissionsärmere Alternativen geprüft, heißt es. Doch die enge Terminabfolge der Ministerin erschwere die Umsetzung. "Häufig können aufeinanderfolgende Termine in In- und Ausland nur durch die Nutzung der Flugbereitschaft wahrgenommen werden."
Immerhin einen Trost gibt es: Die Emissionshandelsstelle beim Umweltbundesamt kompensiert unabhängig vom Verkehrsmittel den CO2-Ausstoß der Dienstreisen. Allerdings nicht nur für grüne Minister wie Annalena Baerbock. Die Regel gilt für alle Dienstreisen der
Bundesregierung. Ganz unabhängig vom Parteibuch. Und ebenfalls völlig unabhängig von den eigenen Vorsätzen.