Kanzler Olaf Scholz stellt seiner Ampel nach dem ersten Jahr ein gutes Zeugnis aus. Doch die Mehrheit der Deutschen hat an der Arbeit des Bündnisses viel auszusetzen – besonders bei einer Partei.
Ampel-Koalition: Mehrheit der Deutschen mit allen Ampel-Ministern unzufrieden© [M] DER SPIEGEL; Fotos: Thomas Koehler / IMAGO / photothek; Xander Heinl / photothek / IMAGO; Annette Riedl / dpa
Im Dezember 2021 standen in Deutschland die Zeichen auf Aufbruch. Langzeitkanzlerin Angela Merkel schied nach 16 Jahren aus dem Amt – Olaf Scholz folgte ihr nach. Mit ihm bekam Deutschland sein erstes Ampelbündnis auf Bundesebene, eine Koalition aus SPD, Grünen und FDP.
Das Bündnis nannte sich selbst »Fortschrittskoalition«, Scholz leistete am 8. Dezember 2021 seinen Amtseid als Bundeskanzler.
Nun, nach Jahr eins der »Fortschrittskoalition«, fällen viele Deutsche ein wenig schmeichelhaftes Urteil über die Ministerinnen und Minister der Ampel: Befragt nach der Zufriedenheit mit der Arbeit der einzelnen Kabinettsmitglieder, erreicht im Dezember keines mehr eine positive Bewertung.
Der Index wird aus den Zufriedenheitswerten berechnet. Diese sehen im Detail so aus:
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Gaben Ende August noch 45 Prozent der Befragten an, mit Habecks Arbeit zufrieden zu sein, sind es nun nur noch 33 Prozent.
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Besser sind die Werte für Baerbock, sie kommt auf eine Zustimmung von 38 Prozent.
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Ähnlich bewertet werden Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD, 33 Prozent) und Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD, 31 Prozent).
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Mit der Arbeit von Regierungschef Scholz zeigten sich 26 Prozent zufrieden.
Die liberalen Kabinettsmitglieder kommen vergleichsweise schlecht weg:
Das unbeliebteste Kabinettsmitglied ist indes Verteidigungsministerin Christine Lambrecht. Zufrieden oder eher zufrieden mit ihrer Arbeit sind gerade einmal neun Prozent. Lambrecht steht unter anderem wegen der schleppenden Modernisierung der Bundeswehr und Munitionsmangel der Streitkräfte in der Kritik.
Schlechtes Zeugnis nach Jahr eins
Die Unzufriedenheit spiegelt sich auch in den Zustimmungswerten zur allgemeinen Arbeit der Parteien. Nur 13 Prozent sind zufrieden mit der Regierungsarbeit der FDP, nur 25 Prozent loben die Arbeit der SPD. Am besten schneiden noch die Grünen ab. 29 Prozent gaben an, mit der Regierungsarbeit der Partei zufrieden zu sein.
So verwundert es kaum, dass auch die Bewertung der allgemeinen Regierungsarbeit ebenfalls negativ ausfällt. Fast zwei Drittel der Deutschen, 63 Prozent, sind mit der Ampel »eher unzufrieden« oder sogar »sehr unzufrieden«. Noch schlechter war der Wert nur zwischen Mitte September und Oktober (65 Prozent).
Ihre bislang beste Bewertung hatte die Bundesregierung Mitte März erhalten. Damals gaben nur 43 Prozent der Befragten an, mit der Regierungsarbeit unzufrieden zu sein, 40 Prozent zeigten sich zufrieden.
Die guten damaligen Werte könnten mit Scholz’ Regierungserklärung als Reaktion auf den russischen Überfall auf die Ukraine zusammenhängen. Scholz hatte eine »Zeitenwende« versprochen und mit ihr deutlich mehr Geld für die Bundeswehr und Waffenlieferungen für die Ukraine. Eine Mehrheit der Deutschen unterstützte damals diesen Kurs.
Eigenlob vom Kanzler
Der Kanzler selbst sieht die versprochene Zeitenwende auch als Eckpfeiler seiner bisherigen Arbeit – und stellt sich selbst entsprechend ein gutes Zeugnis nach Jahr eins der Ampel aus. Aufgrund der Zerstörung, die jeden Tag in der Ukraine zu sehen sei, sei es richtig gewesen, die Ukraine finanziell, humanitär und mit Waffen zu unterstützen, sagte Scholz in seiner wöchentlichen Videobotschaft »Kanzler Kompakt« vom Sonntag.
Auch sonst sparte er nicht mit Eigenlob: Die Ampel habe einen höheren Mindestlohn beschlossen, ein höheres Kindergeld und ein erweitertes Wohngeld. Außerdem sei es ein Ziel gewesen, »dass Deutschland klimaneutral wirtschaften kann«. Deshalb sei eine Reihe von Gesetzen beschlossen worden, um die erneuerbaren Energien voranzubringen.
SPD in Sonntagsfrage abgeschlagen
Die Wählerschaft teilt den Enthusiasmus nicht – aktuell liegt die Union klar in der Gunst der Wählerschaft vorn. Wenn am Sonntag Bundestagswahl wäre, würden 28 Prozent der Befragten für CDU oder CSU stimmen. Dahinter kämpfen Grüne (21 Prozent) und SPD (19) um den zweiten Platz. Die FDP erreicht 7 Prozent.
Vor allem für die Liberalen geht es seit der Ampelbeteiligung abwärts – bei den seitherigen Landtagswahlen gehörte die FDP zu den Verlierern.
Wohl auch deshalb gibt es in der Ampel immer wieder Zwist, weil die Parteien sich profilieren wollen. Die Ampelpartner streiten über ein mögliches Tempolimit, wochenlang ging es erbittert um die Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke, bis Scholz schließlich mit einem Machtwort eingriff (lesen Sie hier ein Gespräch mit Ampelpolitikern zum Jubiläum).
Die Deutung liegt nahe, dass die ständigen Reibereien im Dreierbündnis sich in der Bewertung der Koalitionsarbeit insgesamt niederschlagen.