Karl Lauterbach (SPD, l), Bundesminister für Gesundheit, steht neben Margarete Stokowski, Journalistin, Autorin und Long-Covid-Betroffene, nach einer Pressekonferenz zur aktuellen Corona-Lage und zur neuen Kampagne des Gesundheitsministeriums zum Schutz vor Corona.© pa/dpa/Michael Kappeler
In der Posse um die Auftragsvergabe für die Kampagne „Ich schütze mich“ des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) wächst der Unmut der Oppositionsparteien über Hauschef Karl Lauterbach (SPD). Nachdem sich das Ministerium in immer neue Widersprüche verstrickt hatte, fordern CDU und Linke nun unverzüglich Aufklärung darüber, auf welcher Grundlage das BMG den Auftrag an die Hamburger Werbeagentur „BrinkertLück“ vergab.
„Das Gesundheitsministerium verwickelt sich von Woche zu Woche tiefer in Widersprüche“, sagte der gesundheitspolitische Sprecher der CDU, Tino Sorge, WELT. Es tauchten immer mehr Unregelmäßigkeiten auf. Lauterbach müsse die Vergabe der Kampagne „öffentlich und detailliert erklären“ und für rückhaltlose Aufklärung sorgen. „Es schadet der Glaubwürdigkeit der Bundesregierung, wenn Steuergelder auf wackeliger Rechtsgrundlage ausgegeben werden“, sagte der CDU-Politiker.
Neuer Werbepartner trotz Hausagentur
Am 8. November antwortete das Ministerium auf eine schriftliche Frage des CDU-Bundestagsabgeordneten Matthias Hauer, „BrinkertLück“ sei „auf Basis des Rahmenvertrags (mit „Scholz & Friends“, d. Red.) als Subunternehmer“ hinzugezogen worden. Zwei Wochen später sprach das Ministerium auf WELT-Anfrage von einer „Aufgabenstellung (Leistungsabruf)“, die unmittelbar zwischen dem BMG und „BrinkertLück“ abgestimmt worden sei.
Rechtlich korrekt wäre also eine Beauftragung dieser Firma nur dann, wenn im Rahmenvertrag zwischen Ministerium und der damaligen Haus-Agentur „Scholz & Friends“ eine Klausel stünde, die dem Ministerium gestattet, selbst einen Subunternehmer zu beauftragen. Andernfalls hätte der Werbepartner zustimmen müssen – was er ganz offensichtlich nicht getan hat. „Scholz & Friends“ beteuerte gegenüber WELT, nicht informiert gewesen zu sein. Zudem wirft eine solche Klausel weitere Fragen auf – unter anderem jene, welchen Wert Ausschreibungen haben, wenn der eigentliche Vertragspartner dabei einfach umgangen werden kann.
Viele offene Fragen – und keine Antworten des Ministeriums. Auch Raphael Brinkert, Gründer und Inhaber der Hamburger Agentur, wollte gegenüber WELT keine Auskunft dazu geben, wie es zur Beauftragung gekommen ist und warum es keine eigene Ausschreibung gegeben hat. Das Ministerium habe dazu schon ausführlich geantwortet, schrieb er am Dienstagabend bei Twitter.
Zuletzt war Brinkert in Katar, wo er das Spiel der deutschen Nationalmannschaft gegen Japan besuchte; als PR-Experte berät er auch den Deutschen Fußball-Bund (DFB). Sport-Marketing war ursprünglich Brinkerts Kerngeschäft, er gründete 2013 die Agentur Jung von Matt/Sports. Davor arbeitete er selbst für „Scholz & Friends“. „BrinkertLück creatives“ rief er dann 2021 mit seinem Kollegen Dennis Lück ins Leben – und feierte kurz darauf seinen größten Erfolg: die Gestaltung der Kampagne bei der Bundestagswahl für die SPD um Kanzlerkandidat. Die Zusammenarbeit mit der SPD geht für Brinkert weiter: Nach dem Landtagswahlkampf der bayerischen Sozialdemokraten war er eben jetzt an Lauterbachs Impfkampagne beteiligt.
An dieser übt auch die Linke scharfe Kritik: Der Bundestagsabgeordnete Sören Pellmann sagte WELT: „Die völlige Intransparenz im Vergabeverfahren drängt förmlich den Verdacht von Vetternwirtschaft auf.“ Pellmann hatte bereits im Oktober eine schriftliche Frage an die Bundesregierung gestellt. Er wollte konkret wissen, welche Aufträge das BMG bis 31. Oktober an „BrinkertLück“ vergeben hatte. Das Ministerium informierte daraufhin über ein Auftragsvolumen in Höhe von 594.000 Euro für den Werber. Floss das Geld in die besagte Impfkampagne? Dazu schwiegen Lauterbachs Leute.
Für Pellmann ein Unding: „Gerade, wenn Ungereimtheiten in den Antworten der Bundesregierung wie im Falle der Beteiligung der Agentur Scholz & Friends vom Unternehmen selbst bestritten werden, ist das Ministerium gezwungen, völlige Transparenz zum Vorgang herzustellen“, sagte er. Ein Ministerium dürfe „kein Selbstbedienungsladen sein, der Parteifreunde versorgt“