Intransparenz, zu hohe Ausgaben und mangelnder Subventionsabbau: Mit einem Rundumschlag hat der Präsident des Bundesrechnungshofes die Finanzpolitik der Regierung zerlegt und warnt: »Die Tragfähigkeit der Staatsfinanzen ist in Gefahr.«
Haushaltspolitik: Bundesrechnungshof wirft Ampel »Verschleierung« vor© Kay Nietfeld / dpa
Der Bundesrechnungshof hat der Bundesregierung eine Verschleierung der wahren Haushaltslage des Bundes vorgeworfen. »Viele Nebenhaushalte und eine immer kreativere Buchführung sorgen für Intransparenz«, sagte Rechnungshof-Präsident Kay Scheller dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.
Anders als von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) behauptet werde im kommenden Jahr doch gegen die Schuldenbremse verstoßen.
»In 70 Jahren Bundesrepublik hat der Bund einen Schuldenberg von 1,3 Billionen Euro angehäuft. In nur drei Jahren – 2020 bis 2022 – steigt der Berg um sagenhafte 800 Milliarden Euro auf dann über 2 Billionen Euro«, sagte Scheller.
Nach Berechnungen des Rechnungshofs sei die für 2023 geplante Schuldenaufnahme mit fast 107 Milliarden Euro mehr als doppelt so hoch wie die offiziell ausgewiesene Neuverschuldung von knapp 46 Milliarden Euro, sagte Scheller.
Derzeit entstehe durch die verschiedenen Krisen, den hohen Nachholbedarf etwa bei Infrastruktur, Verteidigung, Digitalisierung und Klimawandel sowie den demografischen Wandel und die hohe Inflation »eine toxische Mischung«, sagte Scheller. »Die Tragfähigkeit der Staatsfinanzen ist in Gefahr.«
Die verschärfte Lage lasse sich auch an den steigenden Zinsen ablesen: »In 2021 zahlte der Bund knapp 4 Milliarden Euro Zinsen, für 2023 werden es über 40 Milliarden Euro sein – eine Verzehnfachung mit weiter steigender Tendenz.«
Scheller sprach sich dafür aus, die Schuldenbremse beizubehalten, da sie die Politik zu klaren Entscheidungen zwinge und sich der wirtschaftlichen Lage anpassen könne. Allerdings werde sie derzeit trotz Beteuerungen der Regierung nicht eingehalten.
»So darf es nicht weitergehen«
Der Rechnungshof-Präsident forderte die Bundesregierung auf, bei den Ausgaben zu priorisieren und an anderer Stelle zu sparen. So müssten etwa Subventionen abgebaut werden. »Wer die Zukunft gestalten will, muss sich von Finanzhilfen trennen, die einfach nicht mehr in die Zeit passen«, sagte Scheller. Seit Jahren passiere beim Thema Subventionsabbau aber nichts.
Als Beispiel nannte er Subventionen für den Einsatz von Bussen im Nahverkehr – diese Vergünstigungen würden sich am Dieselverbrauch orientieren. »Je höher der Verbrauch, desto höher die Entlastung. Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen«, kritisierte Scheller. »So darf es nicht weitergehen.« Auch dürfe der Bund nicht weiter Steueranteile in Milliardenhöhe an die Länder abgeben.
Bei den Sozialversicherungen sieht Scheller ebenfalls Reformbedarf. »Die Lösungen liegen teilweise schon seit Jahren auf dem Tisch: Leistungen kürzen oder höhere Beiträge oder länger arbeiten sind die Stellschrauben«, sagte er. Dies erfordere aber unpopuläre Entscheidungen. »Das Problem lässt sich nicht durch aussitzen lösen«, sagte der oberste Rechnungsprüfer.