In der Debatte über die drei noch aktiven deutschen Atommeiler dominieren zwei Namen: Isar 2 und Neckarwestheim 2. Seltener hörte man zuletzt vom Kraftwerk Emsland, das nach Plänen von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck zum Jahresende endgültig abgeschaltet werden soll. Nun reagiert Unions-Fraktionsvize Jens Spahn mit deutlicher Kritik auf Habecks Pläne für das AKW in Niedersachsen. „Der Bundeswirtschaftsminister setzt lieber auf fossile, umweltgefährdende Energie in Form von schwimmenden Ölkraftwerken, anstatt das sichere, klimaneutrale Kernkraftwerk im Emsland weiter zu betreiben“, sagt der CDU-Politiker der Berliner Zeitung.
Spahn: Habeck schließt AKW, damit Grüne Wahlplakate nicht tauschen müssen© Bereitgestellt von Berliner Zeitung
Hintergrund ist das Vorhaben des Grünen-Ministers, das niedersächsische AKW zum Jahresende wie geplant endgültig vom Netz zu nehmen. Bei Stromengpässen in Norddeutschland sollen stattdessen sogenannte Power Barges zum Einsatz kommen. „Bislang ist nicht klar, wie viel Leistung diese schwimmenden Ölkraftwerke liefern könnten, ab wann sie einsatzbereit wären, was sie kosten und wie viel CO2 sie ausstoßen würden“, kritisiert Spahn.
Was das AKW Emsland bei Lingen betrifft, verweist Spahn auf die niedersächsische Landtagswahl im Oktober. Habeck habe sich gegen einen Weiterbetrieb entschieden, „damit die Grünen in Niedersachsen ihre Wahlplakate nicht austauschen müssen“. Die Entscheidung des Bundeswirtschaftsministers stelle „Parteiideologie vor die Interessen Deutschlands und Europas für eine stabile Energieversorgung“.
Auch die niedersächsische FDP reagiert empört über die Pläne des Bundeswirtschaftsministers. „Angesichts der sehr schlechten Klimabilanz halten wir den Einsatz und das wieder Hochfahren schmutziger Öl- oder Kohlekraftwerke für das absolut falsche Instrument“, sagt der FDP-Landesvorsitzende Stefan Birkner der Berliner Zeitung. Birkner ist der Spitzenkandidat seiner Partei bei der Landtagswahl. Er wirft den Grünen „ideologische Scheuklappen und strategische Überlegungen“ vor und fordert eine Verlängerung der Laufzeiten aller drei noch aktiven Atomkraftwerke.
Tatsächlich sind viele Fragen offen, was einen möglichen Einsatz von „Power Barges“ betrifft. Das Bundeswirtschaftsministerium begründete seine Entscheidung, das AKW Emsland anders als die beiden süddeutschen Atommeiler trotz der Energiekrise nicht in einer Einsatzreserve halten zu wollen, per Mitteilung wie folgt: „Für den norddeutschen Raum“ seien „andere, weniger risikoreiche Instrumente einsetzbar.“ So könnten „hier kurzfristig zusätzliche Ölkraftwerke in Form von Kraftwerksschiffen“ genutzt werden. Diese stünden für die Kernkraftwerke Isar 2 und Neckarwestheim 2 nicht zur Verfügung.
Habecks Ministerium reagierte am Donnerstag nicht auf eine Anfrage hinsichtlich der konkreten Planungen für die schwimmenden Kraftwerke. Die Berliner Zeitung wollte unter anderem wissen, mit welchen Kosten das Haus rechnet und wie viele „Power Barges“ gemietet werden sollen. Unklar ist zudem, ab wann die Schiffe wo ankern würden.
Die Generatoren von „Power Barges“ werden mit Öl angetrieben. Nach Angaben des türkischen Anbieters Karpowership erreichen seine Kraftwerke eine Leistung von bis zu 470 Megawatt. Die Schiffe können demnach in weniger als 60 Tagen betriebsbereit geliefert werden. Sie seien so konstruiert, dass sie „kurz-, mittel- und langfristig an verschiedenen Orten der Welt eingesetzt werden können, um das Netz des Gastlandes mit Strom für die Grundlast, die mittlere Leistung oder die Spitzenlast zu versorgen“. Das AKW Emsland kommt laut Kraftwerksbetreiber RWE abzüglich des Eigenbedarfs auf eine Leistung von rund 1300 Megawatt.
Bislang wurden „Power Barges“ vor allem von Entwicklungsländern eingesetzt. Das Unternehmen Karpowership führt unter seinen laufenden Projekten Ghana, Senegal und Sudan auf.