© WELT/ Sebastian MayIm Vergleich zu den beiden Vorjahren sind die Corona-Infektionszahlen jetzt sehr hoch. Die direkt Folge sind Arbeitsausfälle. Bundesgesundheitsminister Lauterbach warnt vor einem „schwierigen Herbst“. Quelle: WELT/ Sebastian May
Die FDP unterstützt im Streit über Isolationspflichten in der Corona-Pandemie Kassenärzte-Chef Andreas Gassen und wendet sich damit gegen Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). „Herr Gassen stößt mit seinem Vorschlag zur Aufhebung der Isolationspflicht eine wichtige Debatte an“, sagte die FDP-Gesundheitsexpertin Christine Aschenberg-Dugnus den RND-Zeitungen vom Montag. „Wir müssen lernen, mit dem Virus zu leben.“ Durch Impfungen seien viele Menschen vor schweren Verläufen geschützt.
„Die Ärztinnen und Ärzte sollten unter medizinischen Gesichtspunkten individuell entscheiden, ob und wie lange Krankschreibung und Isolation notwendig sind“, sagte die FDP-Politikerin weiter. „Eine staatlich angeordnete Isolation ist bei einem symptomfreien Verlauf unverhältnismäßig.“ Weiter sagte Aschenberg-Dugnus: „Wer Fieber und Symptome hat, der bleibt zu Hause. Das gilt nicht nur für Corona, sondern auch für Erkrankungen wie die Grippe.“
Gassen hatte am Wochenende gesagt, durch die Aufhebung aller Corona-Isolations- und Quarantänevorgaben „würde die Personalnot vielerorts gelindert“. Wer krank sei, solle zu Hause bleiben. Und wer sich gesund fühle, solle zur Arbeit gehen, sagte der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) der „Neuen Osnabrücker Zeitung“.
Kritik an Gassen
Die Forderung des Kassenärztechefs nach einer Aufhebung der Isolationspflicht stößt auch andernorts auf Widerstand. Patientenschützer und der Weltärztebund-Vorsitzende Frank Ulrich Montgomery kritisierten die Äußerung des Vorsitzenden der Kassenärztlichen Bundesvereinigung.
Montgomery warnte eindringlich vor einem Ende der Isolationspflicht. „Die Aufhebung von Quarantäneregeln aus Arbeitsmarktgründen ist aus ärztlicher Sicht nicht zu vertreten“, sagte Montgomery der Düsseldorfer „Rheinischen Post“: „Unsere Aufgabe ist es, Menschen vor Krankheit, Leid und Tod zu bewahren und nicht, kranke Menschen zur Arbeit zu treiben.“
Der Vorsitzende der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, warf Gassen „reinen Opportunismus“ vor. Fast immer hätten infizierte Erwachsene Symptome, sagte er dem Evangelischen Pressedienst (epd). „Die Isolation schützt. Denn so wird verhindert, dass sich Andere anstecken.“ Schon mehr als fünf Millionen Genesene litten unter Long- und Post-Covid. „Andreas Gassen spielt mit der Gesundheit der Menschen“, unterstrich Brysch.
Kritik an Gassens Vorstoß äußerte auch die niedersächsische Gesundheitsministerin Daniela Behrens (SPD). „Das wollte er schon mal. Kurze Zeit später waren übrigens Intensivbetten voll“, schrieb sie auf Twitter.
Der gesundheitspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Andrew Ullmann, erklärte dagegen, die Isolationsdauer bei Covid-19 sollte nicht mehr von staatlicher Seite fixiert sein. Ärztinnen und Ärzte sollten medizinisch entscheiden, wie lange eine Krankschreibung dauert, twitterte er: „Traue den Menschen zu, selber zu entscheiden.“
Gassen hatte dafür plädiert, die Omikron-Mutante fast als „Friedensangebot des Virus“ zu sehen. Wer sich nach Dreifachimpfung anstecke, profitiere sogar von einer Infektion, indem er oder sie eine Schleimhautimmunität erwerbe. Gegen schwere Verläufe seien Geimpfte gut geschützt. Niemand sollte sich deshalb aktiv anstecken. „Aber wir können uns nicht dauerhaft vor dem Virus verstecken. Und wir sind das letzte Land in Europa, das noch derart aufgeregt über einen Corona-Notstand diskutiert.“