Zitat von Gast am 15. November 2023, 06:55 Uhr
Reinhard Sager, der Vorsitzende des Deutschen Landkreistages, fand am Montag deutliche Worte für die Sozialpolitik der Bundesregierung.© dpa
Mit der geplanten Kindergrundsicherung drohen Menschen aus dem Bürgergeldsystem neue Hürden auf dem Weg in Arbeit: Für 400.000 Jugendliche aus Bürgergeldhaushalten gäbe es mit dem von der Ampelregierung auf den Weg gebrachten Gesetzentwurf keine verbindliche Unterstützung zum Einstieg ins Berufsleben mehr. Darauf hat die Bundesagentur für Arbeit am Montag in einer Sachverständigenanhörung des Bundestags hingewiesen. Es handelt sich um Jugendliche, die infolge der Reform aus dem Bürgergeld herausfallen.
„Mit dem Wechsel der erwerbsfähigen jungen Menschen in die Kindergrundsicherung entfällt die Zuständigkeit der Jobcenter“, schreibt die Bundesagentur in ihrer Stellungnahme an den Familienausschuss des Bundestages. Es sei aber notwendig, „die künftige Betreuung der jungen Menschen aktiv gesetzlich zu regeln und nicht ausschließlich als unverbindliches Angebot zu gestalten“. Mit dem aktuellen Gesetzentwurf könnten diese Jugendlichen zwar künftig die Arbeitsagenturen aufsuchen und um Beratung bitten. Anders als bisher bekämen sie aber keine verbindliche Begleitung mehr.
Mit der Kindergrundsicherung will insbesondere Familienministerin Lisa Paus (Grüne) Kinder und Jugendliche „aus dem Bürgergeld herausholen“, wie sie es formuliert hat. Deshalb sollen diese künftig nicht mehr Bürgergeld vom Jobcenter erhalten, sondern die neue Geldleistung, die von der Familienkasse kommen soll. Soweit es sich um jüngere Kinder handelt, werden sie aber faktisch meist dennoch im Bürgergeld bleiben, da sie ja trotzdem weiterhin bei ihren Eltern wohnen sollen.
Drohen unerwartete Milliardenausgaben?
Noch grundsätzlichere Kritik am sozialpolitischen Kurs äußerte am Rande der Anhörung der Präsident des Deutschen Landkreistags, Reinhard Sager: „Ich fürchte, dass wir den Sozialstaat gegen die Wand fahren“, erklärte er und bezog dies auch auf unerwartete Milliardenmehrausgaben für Bürgergeld. „Wir zahlen immer mehr Geldleistungen, statt durch aktive Arbeitsförderung die Menschen in Erwerbsarbeit zu integrieren“, kritisierte Sager. Und jetzt sei die Kindergrundsicherung geplant, die neben Mehrkosten einen „abwegigen“ Bürokratieaufbau bringe, sodass „man nur noch den Kopf schütteln kann“.
Kritiker zu allen Seiten
Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hat soeben beim Finanzministerium allein für dieses Jahr insgesamt 3,25 Milliarden Euro Nachschlag beantragt, da die im Etat für das Bürgergeld vorgesehenen Mittel zu knapp kalkuliert waren. Am Freitag war zunächst bekannt geworden, dass die Ausgaben für laufende Geldleistungen um 2,1 Milliarden Euro höher ausfallen als gedacht. Nun kommt aber auch noch ein Mehrbedarf von 1,15 Milliarden Euro für Wohnkosten der Bürgergeldbezieher hinzu.
Sozialverbände klagten dagegen vor allem darüber, dass die Ampelkoalition keine stärkere Erhöhung der Geldleistungen plant. Vertreter der für die Umsetzung zuständigen Kommunen und Jobcenter warnten indes ebenfalls vor komplizierter neuer Bürokratie. Bisher gebe es für Familien im Bürgergeld Hilfe und Beratung „aus einer Hand“, betonte Diana Stolz vom Jobcenter Kreis Bergstraße. Mit der geplanten Kindergrundsicherung „wird dies gänzlich verworfen“. Es drohe eine Verschärfung von Problemen „gerade bei den besonders betroffenen Kindern“. Anders als das Bürgergeld „sieht die Kindergrundsicherung keine nachhaltige Beseitigung von Hilfebedürftigkeit vor“, kritisierte sie.